Scharlach

Zusammenfassung

  • Definition:(Pharyngo-)Tonsillitis durch beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A mit nachfolgendem Hautausschlag durch Freisetzung von Toxinen.
  • Häufigkeit:Am häufigsten in der Altersgruppe 5–15 Jahre.
  • Symptome:Unterschiedlicher Schweregrad. Klassischer Verlauf mit Fieber, Halsschmerzen, Exanthem nach wenigen Tagen und Schuppung der Haut nach ca. 1 Woche.
  • Befunde:Konfluierendes Exanthem, „Sandpapier“-ähnlich, bisweilen leichter zu ertasten als zu sehen. Häufig intensive Rötung des Gesichts, aber mit perioraler Blässe. Tonsillitis mit starker Rötung, häufig mit fleckigen, grauweißen, eitrigen Belägen. Vergrößerte vordere Halslymphknoten.
  • Diagnostik:Klinische Diagnose.
  • Therapie:In den meisten Fällen Antibiotikatherapie indiziert. Mittel der 1. Wahl ist Penicillin.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Synonym: Scarlatina
  • Akute, durch beta-hämolysierende Streptokokken verursachte Infektionskrankheit, bei der es neben einer Tonsillopharyngitis auch zu einer toxinvermittelten Exanthembildung kommt.1

Häufigkeit

  • Streptokokken zählen zur normalen Bakterienflora des Menschen, können aber auch Krankheiten verursachen.1-3
    • Prävalenz von asymptomatischen GAS-Träger*innen in OECD-Ländern über alle Altersgruppen verteilt liegt bei etwa 7,5 %.4
  • Die Lebenszeitprävalenz liegt in Deutschland bei 25 %.
  • Am häufigsten sind Kinder zwischen 5–15 Jahren betroffen.1

Ätiologie und Pathogenese

  • Das erythrogene Toxin von S. pyogenes löst eine systemische Reaktion aus, die über die Rachenentzündung hinaus zu den typischen Ausschlägen führt.
  • Übertragung durch Tröpfcheninfektion oder direkter Kontakt
    • Enges Zusammenleben begünstigt die Ausbreitung des Erregers.
  • Inkubationszeit
    • normalerweise 1–3 Tage3
  • Ansteckende Phase
    • bis zu 24 Stunden nach dem Beginn der antibakteriellen Therapie
    • Unbehandelte Patient*innen können bis zu 3 Wochen kontagiös sein.3

ICPC-2

  • A78 Infektiöse Erkrankung NNB, andere

ICD-10

  • A38 Scharlach

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Klinische Diagnose durch charakteristisches Bild
  • Centor-Score bzw. McIsaac-Score sind bei Scharlach nicht anwendbar.1

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Bei klassischem Verlauf2

  • Abrupter, hochfieberhafter Beginn mit schwerem Krankheitsgefühl1
  • Halsschmerzen und Schluckbeschwerden
  • Zervikale Lymphknotenschwellung
  • Scharlach-Enanthem auf dem weichen Gaumen scharf abgegrenzt, Himbeerzunge
  • Meist juckendes Scharlachexanthem, beginnend in Achsel- und Leistenregion, sandpapierartig
  • Nach einiger Zeit häufig Erbrechen und Übelkeit mit Bauchschmerzen
  • Ohrenschmerzen können auch Hauptbeschwerden sein.
  • Schuppung der Haut nach ca. 1 Woche 

Bei atypischem Verlauf2

  • Subfebrile Temperaturen oder fieberfrei
  • Auch ohne Tonsillitis oder nach Tonsillektomie möglich
  • Exanthem nur schwach ausgeprägt, selten auch gar nicht vorhanden
  • Schuppung der Haut als einziges Hautsymptom

Klinische Untersuchung

Haut

  • Scharlach, Exanthem
    Scharlach, Exanthem
    Charakteristisches Exanthem, das aus kleinfleckigen Papeln besteht, die sich ab dem 1. oder 2. Krankheitstag beginnend am Oberkörper großflächig weiter über Hals und Extremitäten ausbreiten können.1
  • Besonders charakteristisch ist das sandpapierartige Exanthem in der Leistenregion.1
  • Häufig intensive Rötung des Gesichts, aber mit perioraler Blässe
  • Hautausschlag blasst unter Druck ab.
  • In der 2. Krankheitswoche Schuppung der Haut, insbesondere an Händen und Füßen

Mundhöhle

  • Scharlach, Himbeerzunge.jpg
    Scharlach, Himbeerzunge
    Papillenhypertrophie („Himbeerzunge“)
  • Enanthem mit kleinen hämorrhagischen Flecken am Gaumen1
  • Tonsillitis mit starker Rötung, häufig mit fleckigen, grauweißen, eitrigen Belägen

Hals

  • Vergrößerte und schmerzhafte vordere Halslymphknoten

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Der Hautausschlag und die Rachenentzündung sind oft so charakteristisch, dass keine ergänzenden Untersuchungen erforderlich sind.
  • Bei Scharlachformen, die vom klassischen Verlauf abweichen, kann die Diagnose oft nur durch einen Streptokokkennachweis bestätigt werden.2
  • Immunologische Schnelltests vom Rachenabstrich (hohe Spezifität, relativ geringe Sensitivität)1
  • Bei positivem Testergebnis und entsprechender Klinik kann laut RKI von einer Infektion mit Streptokokken der Serogruppe A ausgegangen werden und die Patient*innen sollten behandelt werden.3
  • Schnelltest auf Mononukleose, wenn ein klinischer Verdacht besteht.

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Mikrobiologische Kultur aus Rachenabstrich zum Nachweis von S. pyogenes1
    • keine sichere Unterscheidung zwischen akuter Infektion und Trägerstatus möglich
    • Ergebnis liegt erst nach 1–2 Tagen vor.
    • Ein negatives Ergebnis schließt eine akute Infektion weitgehend aus.
  • Serologie
    • Die Bestimmung von ASL- sowie Anti-DNAse B-Titer liefern keine entscheidenden Informationen in der Diagnostik einer akuten Tonsillitis und sollten nicht durchgeführt werden.1-2

Therapie

Therapieziele

  • Symptome lindern und die beta-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A eliminieren.
  • Eine weitere Übertragung verhindern.
  • Komplikationen verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Beim klassischen Scharlachverlauf ist eine Antibiotikabehandlung indiziert.
  • Bei unkompliziertem Verlauf und leichtem Krankheitsbild ist eine antibiotische Behandlung nicht zwingend indiziert, da suppurative Komplikationen oder simultan sich entwickelnde Krankheitsbilder (Peritonsillarabszess, Otitis media, Sinusitis) auch ohne antibiotische Therapie sehr selten auftreten.1

Kindertagesbetreuung/Gemeinschaftseinrichtungen3

  • 24 Stunden nach Beginn einer antibiotischen Behandlung kann das Kind zurück in die Gemeinschaftseinrichtung.
  • Auch in den Gemeinschaftseinrichtungen Beschäftigte, wie z. B. Lehrer*innen, dürfen 24 Stunden nach Beginn der Antibiotikabehandlung dort wieder arbeiten.
  • Ein ärztliches Attest ist in beiden Fällen nicht notwendig.
  • Bei unbehandelten Patient*innen ist von einer 3 Wochen dauernden Kontagiosität auszugehen. In dieser Zeit dürfen keine Gemeinschaftseinrichtungen besucht werden.

Medikamentöse Therapie

  • Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt eine frühzeitige Therapie mit Penicillin V für 10 Tage oder mit oralen Cephalosporinen für 5 Tage oder (bei Penicillin-Allergie) mit Makroliden für 5–10 Tage.5
  • Auch die DEGAM hält den Einsatz von einem Antibiotikum bei Scharlach für indiziert.1
    • Die DEGAM betont jedoch, dass wenig Evidenz für eine antibiotische Therapie von Scharlach vorliegt und dringend mehr Daten zum Nutzen und Risiko von Antibiotika bei Scharlach nötig seien.

Leitlinie: Halsschmerzen1

  • Antibiotikatherapie bei klassischem Scharlach mit Penicillin V 
    • Patient*innen ab 16 Jahren
      • 0,8–1,0 Mio IE in 3 Einzeldosen p. o. für 5–7 Tage
    • Kinder 3–15 Jahre
      • 0,05–0,1 Mio. IE/kg KG/d in 3 Einzeldosen p. o. für 5–7 Tage
  • Bei Penicillinallergie
    • Patient*innen ab 16 Jahren
      • z. B. Clarithromycin 250–500 mg in 2 Einzeldosen p. o. für 5 Tage
    • Kinder 3–15 Jahre
      • z. B. Clarithromycin 15 mg/kg KG/d in 2 Einzeldosen p. o. für 5 Tage

Weitere Therapien

  • Zur Symptomlinderung können Ibuprofen, Naproxen oder Paracetamol (Cave: nicht bei Mononukleose wegen Hepatotoxizität!) verabreicht werden.1-2
  • Als Lokaltherapeutika können sowohl nichtmedikamentöse Lutschtabletten als auch medikamentöse Lutschtabletten, die Lokalanästhetika und/oder nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) enthalten, mit dem Ziel der Symptomlinderung empfohlen werden.1
  • Bei sehr häufig rezidivierenden Tonsillitiden durch beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A kann eine Tonsillektomie indiziert sein.1

Prävention 

  • Ansteckungsquellen vermeiden.
  • Für Kontaktpersonen zu unkompliziert Erkrankten sind keine speziellen Maßnahmen erforderlich.3
  • Kontaktpersonen sollten lediglich über das Infektionsrisiko und die Symptomatik einer GAS-Infektion/von Scharlach aufgeklärt werden, damit sie im Krankheitsfall rechtzeitig ärztliche Hilfe suchen und behandelt werden können.3  
  • Bei Patient*innen mit Z. n. rheumatischem Fieber sollte im Falle eines Krankheitsverdachts einer GAS-Infektion in der Familie bei allen Familienmitgliedern ein Rachenabstrich durchgeführt werden und bei positivem Nachweis von Streptokokken der Gruppe A eine antibiotische Therapie eingeleitet werden.3

Meldepflicht/Benachrichtigungspflicht

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
  • Meldepflicht gemäß IfSG
    • In Deutschland besteht keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht gemäß IfSG.
  • Benachrichtigungspflicht gemäß IfSG
    • Leiter*innen von Gemeinschaftseinrichtungen haben gemäß § 34 Abs. 6 IfSG das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen, wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen an Scharlach, Impetigo contagiosa oder sonstigen S.-pyogenes-Infektionen erkrankt oder dessen verdächtig sind.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Normalerweise bessern sich die Halsschmerzen schnell, die Tonsillitis ist nach ca. 1 Woche komplett ausgeheilt.
  • Unter Penicillinbehandlung verschwindet das Fieber normalerweise innerhalb eines Tages.
  • Der Hautausschlag verblasst nach 1–3 Tagen.
  • Nach 1–2 Wochen kommt es zur typischen Schuppung an Handflächen und Fußsohlen.
  • Es gibt blande Verläufe, die spontan abheilen.

Immunität

  • Da eine Immunität nur gegen das bei der abgelaufenen Infektion ursächliche Toxin und den jeweiligen Streptokokkenstamm erzeugt wird, sind mehrfache Erkrankungen möglich.1

Komplikationen

Prognose

  • Bei dem Großteil der Patient*innen kommt es unter adäquater Therapie zu einer schnellen Besserung der Symptomatik.
  • Ein akutes rheumatisches Fieber ist in den westlichen Industrienationen heute so selten, dass es keine aussagekräftigen Studien zur präventiven Wirkung Antibiotika bei GAS-Pharyngitiden gibt.1
  • Es gibt keine Evidenz für die Prävention einer postinfektiösen Glomerulonephritis durch eine antibiotische Behandlung.1

Verlaufskontrolle

  • Kontroll-Rachenabstriche auf GAS, Urin- oder EKG-Untersuchungen sind routinemäßig nicht erforderlich.1

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Erneut ärztliche Hilfe suchen, wenn sich der Allgemeinzustand innerhalb von 3–5 Tagen nicht verbessert oder gar verschlechtert.

Patienteninformationen in Deximed

Patienteninformation des IQWiG

Video

Illustrationen

Scharlach, Exanthem
Scharlach, Himbeerzunge

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010. S3, Stand 2020. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024. S2k, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010, Stand 2020. www.awmf.org
  2. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln / Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org
  3. Robert Koch-Institut. RKI-Ratgeber für Ärzte: Streptococcus pyogenes-Infektionen. Berlin, Stand 2018 www.rki.de
  4. Oliver J, Wadu EM, Pierse N et al. Group A Streptococcus pharyngitis and pharyngeal carriage: A meta-analysis. PLoS Negl Trop Dis 2018. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Robert Koch Institut. Infektionskrankheiten A-Z. Übersicht zu Scharlach (Streptococcus pyogenes). Stand 2018. www.rki.de

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit