Rhabdomyolyse

Rhabdomyolyse bezeichnet den Zerfall von Skelettmuskelzellen und die Verteilung des Zellinhaltes in der Blutbahn. Die Gründe dafür sind vielfältig, darunter schwere Verletzungen der Muskeln, bestimmte Stoffwechselkrankheiten und verschiedene Medikamente und Drogen. Die freigesetzten Stoffe können im schlimmsten Fall zu einem akuten Nierenversagen führen. Bei Verdacht auf eine Rhabdomyolyse ist eine Behandlung im Krankenhaus notwendig.

Was ist Rhabdomyolyse?

Definition

Als Rhabdomyolyse wird der Zerfall von Zellen der Skelettmuskulatur bezeichnet. Dabei wird der Zellinhalt der Muskelzellen wie Elektrolyte (z. B. Kalium und Kalzium) oder das Muskelprotein Myoglobin in die Blutbahn freigesetzt.

Die Ursachen der Rhabdomyolyse können sehr vielfältig sein. Unabhängig der Ursache können die freigesetzten Muskelproteine die Nieren schädigen, und es kann im schlimmsten Fall zu einem akuten Nierenversagen kommen. Daher sind eine frühzeitige Diagnose und Therapie von Bedeutung, um schwere Verläufe zu verhindern.

Symptome

Die Symptome der Rhabdomyolyse sind anfangs unspezifisch und können mit der zugrunde liegenden Ursache zusammenhängen.

Man unterscheidet zwischen lokalen Beschwerden, die sich auf eine Muskelgruppe beziehen mit Schmerzen, evtl. Schwellung des Muskels und einem Schwächegefühl. Durch den Zerfall der Zellen entstehen aber auch Auswirkungen auf den gesamten Körper. So können die freigesetzten Proteine den Urin rötlich-braun verfärben. Es kann zu Übelkeit, Erbrechen, Fieber und geistiger Verwirrtheit kommen.

Kommt es zu einem akuten Nierenversagen, kann sich die Urinproduktion deutlich verringern oder sogar aussetzen.

Ursachen

Es gibt sehr viele verschiedene Ursachen, die zu einer Rhabdomyolyse führen. Die Effekte auf die Muskelzelle selbst sind am Ende aber ähnlich. Die Signale, die das Zusammenziehen der Muskelzelle steuern, sind gestört, sodass diese sich permanent zusammenzieht, bis die Energiespeicher aufgebraucht sind und die Muskelzelle abstirbt. Die freigesetzten Proteine, allen voran das Myoglobin, führen zur bräunlichen Verfärbung des Urins. Das Myoglobin kann sich in den feinen Kanälen der Niere absetzen, diese verstopfen und zu einem Ausfall der Nierenfunktion führen.

Die Ursachen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen:

Traumatische/externe Ursachen 

  • Eine von außen zugeführte Verletzung oder eine traumatische Überanspruchung der Muskulatur führt zur Rhabdomyolse.
    • Dies kann z. B. der Fall nach einer Verletzung sein, wie einer Quetschung der Muskulatur nach einem Autounfall, einem Sturz oder mangelnder Durchblutung der Muskulatur im Rahmen eines Kompartmentsyndroms.
  • Auch starke Stromschläge oder schwere Verbrennungen können zu einem Zerfall der Muskulatur führen.
  • Bei einer außerordentlichen körperlichen Beanspruchung, wie z. B. einem Marathonlauf, wird die Muskulatur strapaziert und kann v. a. bei untrainierten Personen zu einer Muskelschädigung führen.
  • Ein Krampfanfall mit Beteiligung der Muskulatur führt wie ein Marathonlauf zu einer übermäßigen Anspannung der Muskulatur und kann in eine Rhabdomyolyse übergehen.

Nichttraumatische Ursachen

  • Manche Medikamente, Drogen (v. a. Heroin, Kokain) und Alkohol können zu einer Rhabdomyolyse führen.
    • Cholesterinsenker (Statine) verursachen nur sehr selten (0,01 % der Patient*innen) eine Rhabdomyolyse.
    • Schlangen- und Pilzgifte können ursächlich sein.
  • Störungen des Stoffwechsels bei einem schlecht eingestellten Diabetes im Rahmen einer schweren Entgleisung oder eine Schilddrüsenunterfunktion können ebenfalls Ursachen einer Rhabdomyolyse sein.
  • Veränderungen der Mineralstoffe im Blut, wie mangelndes Kalium, Kalzium oder Phosphat, können auch eine Rhabdomyolyse verursachen
  • Es gibt seltene Erbkrankheiten, die eine Rhabdomyolyse begünstigen können.
  • Virale oder bakterielle Infektionen können der Ausgangspunkt für eine Rhabdomyolyse sein.
  • Starke Änderungen der Körpertemperatur durch eine hohe Körpertemperatur (Hitzschlag) oder zu niedrige Körpertemperatur (Unterkühlung, Erfrierung) können ebenfalls eine Rhabdomyolyse auslösen.

Untersuchungen

Blut

Bei Verdacht auf eine Rhabdomyolyse wird eine Blutuntersuchung durchgeführt. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Wert eines Enzyms, das in der Skelettmuskulatur vorkommt und bei deren Zerfall erhöht ist – die Kreatinkinase (CK). Bei einer Rhabdomyolyse sind die CK-Werte mindestens verfünffacht. Die Höhe der CK-Werte lässt keine Aussage über das Risiko eines akuten Nierenversagens zu. Die Messung von Myoglobin im Blut hilft bei der Diagnosestellung nicht.

Wenn bereits eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion vorliegt, lässt sich dies ebenfalls im Blut erkennen. Kreatinin, ein Marker zur Beurteilung der Nierenfunktion, wird im Falle einer Verschlechterung der Nieren erhöht sein. Nierenschäden können außerdem zu Elektrolytstörungen führen mit hohen Werten für Kalium und Phosphat und niedrigen Kalziumwerten.

Urin

Der Urin ist aufgrund der großen Mengen an Myoglobin (Myoglobinurie) rotbraun gefärbt. Ein Urinteststreifen würde anzeigen, dass es sich um Blut handelt. Allerdings kann ein Urinteststreifen nicht zwischen Blutbestandteilen (Hämoglobin) und Muskelbestandteilen (Myoglobin) unterscheiden. Erst in der mikroskopischen Untersuchung des Urins, lässt sich eine Blutbeimengung im Urin ausschließen, da keine roten Blutkörperchen nachgewiesen werden können.

Biopsie des Muskels

Um eine spezifische Diagnose stellen zu können und evtl. die Ursache der Rhabdomyolyse herauszufinden, wird die mikroskopische Untersuchung von Gewebeproben (Biopsien) des Muskels durchgeführt.

Behandlung

Eine frühzeitige Behandlung, häufig auf der Intensivstation im Krankenhaus, ist wichtig für den Verlauf und die Prognose der Krankheit. Sie zielt darauf ab, einem akuten Nierenversagen vorzubeugen und die Nierenfunktion zu erhalten oder wiederherzustellen.

Zur Behandlung ist eine intensive Gabe von Flüssigkeit durch die Vene erforderlich. Dabei können bis zu 10–12 Liter Flüssigkeit pro Tag erforderlich sein. Zusätzlich wird die Ausscheidung über die Nieren mit Medikamenten beschleunigt. Die intensive Flüssigkeitsversorgung erhöht die Urinproduktion und „spült“ die Nieren aus, wodurch das Risiko sinkt, dass Myoglobin die Nierenkanälchen verstopft. Wenn ein schweres Nierenversagen auftritt, kann eine Dialyse erforderlich sein, um das Blut zu reinigen.

Die weitere Behandlung richtet sich nach den Beschwerden der Betroffenen und der Ursache der Rhabdomyolyse.

Was können Sie selbst tun?

  • Untrainierte Personen sollten langsam mit der sportlichen Aktivität beginnen, sich nicht mit extremer Belastung übernehmen und vor dem Training Aufwärmübungen machen.
  • Achten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr während der sportlichen Aktivität, und verzichten Sie bei sehr tiefen bzw. sehr hohen Außentemperaturen auf das Training.
  • Selbstverständlich sollte auf den Konsum von Drogen sowie Alkoholexzesse verzichtet werden und unter Einfluss von Drogen/Alkohol kein Training durchgeführt werden.

Vorbeugung

  • Das ärztliche Personal wird sorgfältig das Rhabdomyolyse-Risiko verordneter Medikamente bewerten, wenn ein neues Präparat verordnet wird; ggf. wird eine Medikamentenanpassung vorgenommen.
  • Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes und Hypothyreose sollten gut eingestellt sein, um das Risiko für eine Rhabdomyolyse zu verringern. 

Prognose

  • Unter der Voraussetzung, dass keine akuten Nierenschädigungen auftreten, ist die Prognose in der Regel gut.
  • Eine frühe Diagnose und Therapie verbessern die Prognose.
  • Das Langzeitüberleben bei Patient*innen mit Rhabdomyolyse und akuter Nierenschädigung beträgt etwa 80 %. In den meisten Fällen wird die Nierenfunktion wiederhergestellt.

Weitere Informationen

Autorin

  • Natalie Anasiewicz, Dr. med., Ärztin, Davos

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Rhabdomyolyse. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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