Sprunggelenksarthrose

Zusammenfassung

  • Definition:Degenerative Veränderungen des (vor allem oberen) Sprunggelenks.
  • Epidemiologie:Etwa 1 % der adulten Weltbevölkerung betroffen.
  • Symptome:Trias aus Schmerzen, eingeschränkter Beweglichkeit und verminderter Belastungsfähigkeit mit eingeschränkter Gehstrecke.
  • Befunde:Schwellung des Sprunggelenks, diffuse periartikuläre Schmerzempfindlichkeit und eingeschränkte Mobilität, insbesondere Dorsalextension.
  • Diagnostik:Radiologischer Nachweis der Arthrose.
  • Therapie:Konservative Therapie mit Analgetika, physikalischen Maßnahmen und als letztem Schritt mit intraartikulären Infiltrationen. Bei konservativem Therapieversagen verschiedene chirurgische Optionen (Arthrodese oder Endoprothese als Ultima Ratio).

Allgemeine Informationen

Definition

  • Degenerative Veränderungen des Sprunggelenks, in der Regel posttraumatisch.
    • vor allem oberes Sprunggelenk betroffen

Epidemiologie

  • Arthrose im Sprunggelenk 3–10 x seltener als Arthrose im Knie- oder Hüftgelenk1
  • Weltweit sind etwa 1 % der adulten Bevölkerung betroffen.2
  • Auftreten der posttraumatischen Arthrose des Sprunggelenks 10–20 Jahre nach Unfallereignis3

Ätiologie und Pathogenese

  • Arthrose des Sprunggelenks in Mehrzahl der Fälle sekundär bedingt:3
    • 70–80 %: posttraumatisch, insbesondere OSG-Frakturen, ligamentäre Verletzungen und Pilonfrakturen
    • 13 %: rheumatoide Arthritiden, Hämophilien (rezidivierende Gelenkeinblutungen), Hämochromatosen oder Osteonekrosen
    • nur etwa 9 % primär bedingt
  • Die 3 wesentlichen pathogenetischen Faktoren der posttraumatischen OSG-Arthrose sind Instabilität, Inkongruenz der Gelenkflächen und Knorpelschäden.1
    • Knorpelschäden vornehmlich im Bereich der talaren Gelenkfläche4
  • Der Körper versucht durch Gegenmaßnahmen, wie z. B. Exostosenbildung, die Gelenkfläche zu vergrößern und so den Druck, d. h. Kraft bezogen auf die Gelenkfläche, zu verringern.2
    • Dies führt jedoch zu Einmauerung des Gelenks und in der Folge zu geringerem Bewegungsausmaß.

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • L91 Arthrose, andere

ICD-10

  • M19 Sonstige Arthrose
    • M19.07 Primäre Arthrose sonstiger Gelenke: Knöchel und Fuß
    • M19.17 Posttraumatische Arthrose sonstiger Gelenke: Knöchel und Fuß
    • M19.27 Sonstige sekundäre Arthrose: Knöchel und Fuß

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Klassischerweise Anamnese mit Trauma in Vorgeschichte
  • Typische Symptomtrias aus Schmerzen, eingeschränkter Beweglichkeit und verminderter Belastungsfähigkeit mit eingeschränkter Gehstrecke2
  • Radiologische Zeichen einer Arthrose

Anamnese

  • Belastungsabhängige Schmerzen und progrediente Steifheit im Sprunggelenk
  • Arthrosetypischer, wellenhafter Verlauf mit akuten Beschwerdeexazerbationen und Phasen relativer Beschwerdearmut1
  • Oft Beschwerdeverschlechterung bei vermehrter Dorsalextension, wie Treppensteigen oder Bergauflaufen1
  • Ausmaß der Einschränkungen im Alltag erfragen.2
  • Klärung des sportlichen Anspruchs an das Gelenk2
  • Ursache eruieren:

Klinische Untersuchung

  • Inspektion
    • oft Muskelatrophie der Wade auf betroffener Seite und Schwellung des Sprunggelenks
    • Stellung des Rückfußes (Calcaneus varus/valgus) beurteilen.
      • möglicher therapeutischer Ansatzpunkt zum Ausgleich von Fußfehlstellungen
    • Gangbild beurteilen.
      • klassisch: verfrühtes Abdrücken in Standbeinphase durch eingeschränkte Dorsalextension1
    • Einbeinstand
      • unsicherer Stand als Anhalt für Instabilität, Schmerzen und verminderte Propriozeption
  • Palpation
    • meist diffuser Druckschmerz periartikulär1
  • Funktionsprüfung
    • Bewegungsausmaß des Sprunggelenks im Seitenvergleich beurteilen.
      • Typischerweise ist die Dorsalextension als Erstes eingeschränkt.
    • vermehrte seitliche Aufklappbarkeit als Anhalt für Instabilität bzw. zurückliegende ligamentäre Läsion

Ergänzende Untersuchungen

  • Röntgenuntersuchung des Fußes in Belastung (im Stehen)2
    • Fuß anterio-posterior und lateral
    • „Mortise View" des OSG: Fuß in 15- bis 20-Grad-Innenrotation
      • Gelenkspalt so vollständig einsehbar und nicht durch Malleoli verdeckt
    • Saltzman-Aufnahme des Rückfußes
      • Beurteilung der Rückfußachse
  • Schnittbildgebung: in der Regel nur zur präoperativen Planung
    • CT: insbesondere bei Z. n. Frakturen
    • MRT: insbesondere vor Arthroskopie zur Darstellung von möglichen Knorpelschäden

Indikationen zur Überweisung

  • Bei therapieresistenten Beschwerden trotz Ausreizung der konservativen Möglichkeiten

Therapie

Therapieziele

  • Schmerzen lindern.
  • Körperliche Aktivität erhalten.

Allgemeines zur Therapie

  • Eindeutige Empfehlungen im Sinne von Leitlinien liegen nicht vor.2
  • Konservative Therapiemaßnahmen sind vor allem im Initialstadium erfolgsversprechend.1
    • Beginn mit Analgetika und physikalischen Maßnahmen; bei nicht ausreichender Symptomlinderung Therapieversuch mit intraartikulären Injektionen möglich
  • Bei Versagen der konservativen Therapie abhängig vom Arthrosestadium sind verschiedene chirurgische Therapieoptionen.1

Konservative Therapie

Physikalische Maßnahmen

  • Orthesen und Schuheinlagen können das Gelenk entlasten und von extern stabilisieren.3
    • stabilisierende Bandagen, dämpfende Einlagen bis hin zu Sprunggelenk-überbrückendem Maßschuh1

Topische Schmerztherapie

  • Die topische Anwendung von NSAR am Sprunggelenk ist nicht ausreichend untersucht.
    • Da bei Gonarthrose nachgewiesenermaßen gute Analgesie erzielt werden kann, sind positive Effekte bei Sprunggelenksarthrose ebenfalls zu erwarten.4

Orale Schmerztherapie

  • NSAR und COX-2-Hemmer (Coxibe)4
    • Wirksamkeit bezüglich Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung nachgewiesen
    • vergleichbare Wirksamkeit der beiden Präparategruppen
    • nur zeitlich limitierter Einsatz bei akuten Schmerzepisoden
      • Cave: erhebliche Nebenwirkungen bei Dauerbehandlung!
  • Paracetamol
    • wegen nur geringer Wirksamkeit und Risiko der Lebertoxizität nicht zu empfehlen4

Intraartikuläre Injektionen

  • Kortikosteroide in Kombination mit Lokalanästhetika
    • bewährte Therapieoption1
    • gute Schmerzlinderung für bis zu 4 Wochen4
    • Cave!1
      • Von repetitiven Injektionen (> 3 x pro Jahr) sollte abgesehen werden.
      • chrondrotoxische Effekte von Lokalanästhetika (insbesondere Bupivacain)
  • Hyaluronsäure (Ergebnis Cochrane-Review)5
    • keine eindeutige Datenlage
    • eingeschränkte Empfehlung zur intraartikulären Anwendung bei unzureichendem Ansprechen auf die Schmerztherapie
      • Dosis und Auswahl der Patient*innen, die am besten davon profitieren, sind unklar.
  • Thrombozytenreiches Plasma und mesenchymale Stammzellen
    • noch keine Aussagen zur Wirksamkeit möglich4

Chirurgische Therapie

Gelenkerhaltende Verfahren

  • In Frühphase der Arthrose indiziert
  • Folgende gelenkerhaltende Verfahren sind möglich:1
    • knöcherne Impingementchirurgie: Abtragung von Osteophyten und hypertropher Synovia, Entfernung von freien Gelenkkörpern
    • arthroskopische Knorpelersatzverfahren: nur bei lokalisierten Knorpeldefekten
    • supramalleolare Umstellungsosteotomien: bei Deformitäten.

Gelenkersetzende Verfahren

  • Im Endstadium der Arthrose bei therapierefraktären Beschwerden mit Behinderung der Aktivitäten des täglichen Lebens
  • Arthrodese
    • derzeit Goldstandard der konservativ austherapierten Sprunggelenksarthrose1,3
    • Versteifung des Sprunggelenks in plantigrader Fußeinstellung
  • Endoprothese3
    • Therapieoption für jüngere Patient*innen mit erhöhtem Aktivitätsanspruch, da die Beweglichkeit im Sprunggelenk erhalten bleibt.
    • Problem: häufig aseptische Lockerungen durch hohe Rotationskräfte
    • Vorteil: Arthrodese als Rückzugsoption noch möglich

Empfehlungen für Patient*innen

  • Bei akuten Schmerzzuständen (aktivierte Arthrose) Belastung reduzieren.1
  • Reduktion des BMI bei Übergewicht führt regelhaft zu Symptombesserung.4
  • Unebene Oberflächen meiden.3

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Schleichende Schmerzzunahme durch progredienten Gelenkverschleiß

Komplikationen

  • Die Komplikationen beziehen sich auf operative Maßnahmen.3
  • Generell
    • Wundheilungsstörungen
    • Infektionen
    • Gefäß/Nervenverletzungen
  • Arthrodese
    • Pseudarthrose
    • Anschlussarthrosen der Nachbargelenke
    • postoperative Fehlstellungen
  • Endoprothese
    • Materialversagen (Lockerung, Bruch, Abrieb)
    • heterotope Ossifikationen
    • Impingement
    • Inlay-Dislokation
    • persistierende Schmerzen

Prognose

  • Bei korrekter Operationstechnik Fusionsrate von über 90 % bei Arthrodese mit in der Regel sehr guter Schmerzreduktion1
    • jedoch teils erhebliche Einschränkungen im Alltag durch Versteifung (z. B. in die Hocke gehen, Treppen steigen)
  • Bei aktuellen 3-Komponenten-Prothesen Überlebensraten der Prothesen von ca. 90 % nach 10 Jahren6

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Fußknochen von lateral.jpg
Fußknochen, lateral
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Sprunggelenk schräg: 1 = Os naviculare (Kahnbein) 2 = Talus (Sprungbein) 3 = Tibia (Schienbein) 4 = Fibula (Wadenbein) 5 = Calcaneus (Fersenbein) Sprunggelenk schräg: 1 = Os naviculare (Kahnbein) 2 = Talus (Sprungbein) 3 = Tibia (Schienbein) 4 = Fibula (Wadenbein) 5 = Calcaneus (Fersenbein)
546-2-ankelartrose-side.jpg
Arthrose des Sprunggelenks, Seite: reduzierte Knorpelhöhe (1) und Osteophyten (2)
547-2-ankelartrose-skra-front.jpg
Arthrose des Sprunggelenks, schräg frontal: Osteophyten (1) um ein Sprunggelenk mit reduzierter Knorpelhöhe im Gelenk (2)

Quellen

Literatur

  1. Harrasser N, von Eisenhart-Rothe R, Pohlig F et al. Arthrose des oberen Sprunggelenks. Orthopäde 2017; 46: 625-638. link.springer.com
  2. Buchhorn T, Weber J, Lampert C. Arthrose des oberen Sprunggelenks. Arthroskopie 2020; 33: 1-3. link.springer.com
  3. Scholtis F. Dissertation: Behandlung der oberen Sprunggelenksarthrose: Prognose der Arthrodese und Totalendoprothese. Universität Tübingen. 2020. Letzter Zugriff 16.08.2021. core.ac.uk
  4. Jerosch J. Konservative Therapie von Knorpelschäden am Sprunggelenk. Arthroskopie 2020; 33: 4-8. link.springer.com
  5. Witteveen AGH, Hofstad CJ, Kerkhoffs GMMJ. Hyaluronic acid and other conservative treatment options for osteoarthritis of the ankle. Cochrane Database Syst Rev 2015. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Barg A, Wimmer MD, Wiewiorski M, et al. Total Ankle Replacement. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 177-84. www.aerzteblatt.de

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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