Knick-Senk-Fuß (Plattfuß)

Zusammenfassung

  • Definition: Ein Knick-Senk-Fuß, ausgeprägte Form: Plattfuß, liegt vor, wenn das Fußlängsgewölbe abgeflacht ist oder ganz fehlt. Es wird zwischen einem flexiblen (physiologischen) und einem rigiden (pathologischen) Typ unterschieden.
  • Häufigkeit: Bei Kindern bis 6 Jahre ist der flexible Knick-Senk-Fuß fast ausschließlich physiologisch (Vorkommen bei 97 % aller 19 Monate alten Kinder). Bis zum Alter von 10 Jahren bildet sich die mediale Fußlängswölbung zunehmend aus. Bei einem kleinen Anteil (4 % der 10-jährigen Kinder) persistiert der Knick-Senk-Fuß. Im Erwachsenenalter haben bis zu 15 % der Bevölkerung einen (sekundär erworbenen) Plattfuß.
  • Symptome: Plattfüße sind selten symptomatisch, aber bei Jugendlichen und Erwachsenen können durch Überlastung Schmerzen im Mittelfuß und/oder Unterschenkel auftreten.
  • Befunde: Ein flexibler Plattfuß normalisiert sich beim Gehen auf Zehenspitzen, im Gegensatz zum rigiden Plattfuß.
  • Diagnostik: Klinische Diagnose, ergänzende Untersuchungen, z. B. Röntgen, können bei der Diagnose eines rigiden Plattfußes hilfreich sein.
  • Therapie: Ein flexibler Knick-Senk-Fuß muss nicht behandelt werden. Bei Erwachsenen kann ein Knick-Senk-Fuß behandelt werden, wenn er symptomatisch ist.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Der kindliche Knick-Senk-Fuß ist eine dreidimensionale Fußfehlstellung mit vermehrter Valgusstellung der Ferse und Abflachung der medialen Längswölbung.1
    • Man unterscheidet die flexible von der kontrakten (rigiden) Form.
  • Synonyme für den Knick-Senk-Fuß sind Knick-Platt-Fuß oder Plattfuß (Pes planus).
    • Wenn das Fußlängsgewölbe abgeflacht ist, spricht man vom Senkfuß, wenn es ganz fehlt vom Plattfuß.
    • Die funktionell-deskriptiv korrekte Diagnose ist „Knick-Senk-Fuß“, umgangsprachlich wird meist für alle Varianten jedoch vom „Plattfuß“ gesprochen. 
  • Häufig tritt ein kombinierter Knick-Senk-Fuß auf mit Abknicken des Fersenbeins nach medial; oft auch Abweichung des Vorfußes in Abduktion.
  • Flexibler versus rigider Plattfuß
    • Der Begriff flexibler Plattfuß wird verwendet, wenn der Plattfuß unter Belastung auftritt und bei Entlastung verschwindet.
    • Ein rigider Plattfuß zeigt auch bei Entlastung kein Fußgewölbe mehr.
    • Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Ausprägungsformen hängt von der Beweglichkeit der tarsalen und subtarsalen Gelenke ab.2
  • Erworbener Plattfuß bei Erwachsenen
    • Tritt entweder als Folge einer neurologischen oder degenerativen Erkrankung auf oder auch durch eine Zerstörung der Stützstrukturen des medialen Längsgewölbes.
    • Die Fußgewölbe werden hauptsächlich durch Muskelkraft der tiefen Wadenmuskeln aufrechterhalten.
    • Bei einem gesunden Menschen ist die häufigste Ursache für die erworbene Plattfußdeformität eine Dysfunktion der Tibialis-posterior-Sehne.3

Häufigkeit

  • Kinder1
    • ≤ 6 Jahre ist der flexible Knick-Senk-Fuß fast ausschließlich physiologisch (Vorkommen bei 97 % aller 19 Monate alten Kinder).
    • Bis zum Alter von 10 Jahren bildet sich die mediale Fußlängswölbung zunehmend aus. Bei einem kleinen Anteil (10-jährige Kinder 4 %) persistiert der Knick-Senk-Fuß oder wird progredient. 
    • Ab einem Alter von 10 Jahren (oder abhängig vom Reifegrad schon früher) besteht die Gefahr der Dekompensation mit zunehmender Rigidität. Nur die Minderheit der Kinder entwickelt eine Schmerzsymptomatik (< 2 %). 
    • Ein Risikofaktor zur Persistenz des Knick-Senk-Fußes stellt das Übergewicht im Kindesalter dar (62 % der 6-Jährigen mit Knick-Senk-Fuß sind übergewichtig).
  • Mit zunehmendem Alter tritt wiederum häufiger ein erworbener Plattfuß auf3, sodass insgesamt etwa 15 % der Bevölkerung zu einem gewissen Grad betroffen sind.
  • Erworbener Plattfuß3
    • Tritt am häufigsten bei Frauen über 40 Jahren auf.
    • Für ältere Frauen wird eine Häufigkeit von ca. 10 % angegeben.

Ätiologie und Pathogenese

Flexibler Knick-Senk-Fuß im Kindesalter

  • Physiologisch flexibel1
    • Der flexible Knick-Senk-Fuß im Kindesalter ohne neurologische oder syndromale Erkrankung stellt den Normalzustand dar. Er ist also physiologisch (97 %).
  • Neurogen-pathologisch flexibel1
    • Häufig handelt es sich um eine gutartige muskuläre Hypotonie.
    • Infantile Zerebralparese: Die infantile Zerebralparese geht sehr häufig initial mit einer muskulären Hypotonie einher. Die Spastik entwickelt sich oft erst später.
    • Myelomeningozelen bzw. die Folge der Myelomeningozele oder auch unabhängig davon kann ein Tethered Cord ebenfalls zu der Fußfehlstellung führen.
    • neuromuskuläre Erkrankungen
    • Kollagendefekte
  • Die pathologische flexible Form kann in seltenen Fällen in eine rigide Form übergehen.

Kontrakter/rigider kindlicher Knick-Senk-Fuß

  • Bereits im Säuglingsalter ist der sofort therapiebedürftige rigide Knick-Senk-Fuß (Talus verticalis = dorsolaterale Subluxationsstellung des subtalaren Gelenkkomplexes mit Achillessehnenverkürzung) von der flexiblen Form abzugrenzen.1
  • Der rigide Knick-Senk-Fuß kann sich aufgrund einer knöchernen Deformität oder durch eine neurologische Erkrankung (z. B. früh einsetzende Spastik) entwickeln.
  • Knöcherne angeborene Fehlbildungen
    • kongenitaler Talus verticalis
    • Coalitio talocalcaneare/calcaneonaviculare 

Sekundärer Plattfuß

  • Entzündlich
    • infektiös
    • inflammatorisch/heumatisch
  • Posttraumatisch
  • Osteonekrosen (z. B. nach Chemotherapie)
  • Knochen- und Weichteiltumoren
  • Neuropathischer Fuß (Charcot-Fuß)4 aufgrund von:
  • Degenerative Veränderungen am Knöchel, im Talonavicular- oder im Tarsometatarsalgelenk oder in beiden aufgrund von:
    • entzündlicher Arthropathie
    • Osteoarthropathie
    • Frakturen, z. B. Fraktur des Mittelfußes oder des Hinterfußes
    • Verwachsungen der Tarsalknochen.
  • Erworbener Plattfuß durch den Verlust von Stützstrukturen im medialen Längsgewölbe

Prädisponierende Faktoren

  • Erworbener Plattfuß
    • Alter
    • weibliches Geschlecht
    • angeborener Pes planus
    • Steroidinjektionen

Leitlinie: Kindlicher Knick-Senk-Fuß1

Definition

  • Der kindliche Knick-Senk-Fuß ist eine dreidimensionale Fußfehlstellung mit vermehrter Valgusstellung der Ferse und Abflachung der medialen Längswölbung.
  • Man unterscheidet die flexible von der kontrakten (rigiden) Form.

Synonyme und Schlüsselwörter

  • Flat Valgus Foot; Valgus Foot; Talus verticalis; Plattfuß; Talus obliquus; Pediatric Flat Foot; Plano Valgus Foot; Knick-Senk-Fuß; Knick-Platt-Fuß

Ätiologie, Pathogenese, Pathophysiologie

  • ≤ 6 Jahre ist der flexible Knick-Senk-Fuß fast ausschließlich physiologisch (Vorkommen bei 97 % aller 19 Monate alten Kinder).
  • Bis zum Alter von 10 Jahre bildet sich die mediale Fußlängswölbung zunehmend aus.
    • Bei einem kleinen Anteil (10-jährige Kinder 4 %) persistiert der Knick-Senk-Fuß oder wird progredient.
  • Oberhalb von 10 Jahren (oder abhängig vom Reifegrad schon früher) besteht die Gefahr der Dekompensation mit zunehmender Rigidität.
  • Nur die Minderheit der Kinder entwickelt eine Schmerzsymptomatik (< 2 %).
  • Ein Risikofaktor zur Persistenz des Knick-Senk-Fußes stellt das Übergewicht im Kindesalter dar (62 % der 6-Jährigen mit Knick-Senk-Fuß sind übergewichtig).
  • Pathogenetische Faktoren können muskulär, knöchern und bindegewebig sein, wobei hier der Einfluss der Faktoren kontrovers diskutiert wird.

Flexibler Knick-Senk-Fuß

  • Ein flexibler Knick-Senk-Fuß kann physiologisch auftreten oder Ausdruck einer zugrunde liegenden Erkrankung sein.
  • Daher ist auf allgemeinpädiatrische und neuropädiatrische Grunderkrankungen zu achten.

Kontrakter/rigider kindlicher Knick-Senk-Fuß

  • Bereits im Säuglingsalter ist der sofort therapiebedürftige rigide Knick-Senk-Fuß (Talus verticalis = dorsolaterale Subluxationsstellung des subtalaren Gelenkkomplexes mit Achillessehnenverkürzung) von der flexiblen Form abzugrenzen.

Ursachen

  • Physiologisch
  • Knöcherne Fehlbildungen
    • kongenitaler Talus verticalis
    • Coalitio talocalcaneare/calcaneonaviculare 
  • Entzündlich
    • infektiös
    • inflammatorisch/rheumatisch
  • Posttraumatisch
  • Osteonekrosen (z. B. nach Chemotherapie)
  • Knochen- und Weichteiltumoren

Differenzialdiagnosen

  • Bindegewebserkrankungen (z. B. Ehlers-Danlos, Kollagen-6-Defekte u. a.)
  • Muskelerkrankungen (z. B. kongenitale Myopathien, Muskeldystrophien u. a.)
  • Neuropathien (z. B. HSMN Typ 1 [hereditäre senso-motorische Neuropathie])
  • Syndromale Erkrankungen (z. B. Trisomie 21, Rett-Syndrom u. a.)
  • Intraspinale Pathologien (z. B. Tethered Cord, Syrinx, Dysraphien u. a.)
  • Infantile Zerebralparesen

In der Praxis relevante Klassifikationen

  1. Unterteilung in:
    • flexibler kindlicher Knick-Senk-Fuß
      • physiologisch
      • neurogen
      • syndromale Erkrankungen 
    • kontrakter/rigider kindlicher Knick-Senk-Fuß
      • knöcherne Pathologie (z. B. Coalitio, Talus verticalis u. a.)
      • syndromale Erkrankungen
      • sekundäre Pathologie (Nekrosen, sekundäre Folgen nach Arthritis, postinfektiös, inflammatorisch).
  2. Unterteilung in:
    • schmerzlos
    • schmerzhaft.
  3. Unterteilung in:
    • kompensiert (komplette Aufrichtung der Fußwölbung im Zehenstand mit Varisierung des Rückfußes)
    • dekompensiert (keine komplette Aufrichtung der Fußwölbung im Zehenstand mit verbleibender Valgisierung des Rückfußes; manuelle Flexibilität im Talonaviculargelenk ist noch vorhanden).

Anamnese

  • Die Evaluation des Knick-Senk-Fußes im Kindesalter umfasst das Erheben von Allgemein- und Risikofaktoren, eine Familienanamnese, eine Sozialanamnese, eine spezielle Anamnese zur Fußpathologie selbst und eine klinische Untersuchung.
  • Bei Bedarf und mit gezielter Fragestellung sollen fachspezifische weitere Untersuchungsschritte eingeleitet werden, ggf. mit interdisziplinärem Behandlungsansatz, um auch Begleitpathologien nicht zu verpassen.

Diagnostik

  • Allgemein pädiatrische/neuropädiatrische Diagnostik
  • Spezielle orthopädische/kinderorthopädische Diagnostik
  • Additiv kann zur anamnestischen und klinisch-funktionellen Untersuchung bei spezifischer Fragestellung die apparative Analyse, z. B. Pedobarografie oder Videoanalyse, hinzugezogen werden.
  • Eine radiologische Abklärung sollte beim schmerzhaften und/oder kontrakten und rigiden Knick-Senk-Fuß erfolgen.
  • Folgende bildgebende Methoden stehen zur Klärung gezielter Fragestellungen zur Verfügung: Sonografie, Röntgen im Stehen oder unter Belastung, MRT, CT.
    • Bei entsprechender Indikation soll als Methode der ersten Wahl eine Röntgenuntersuchung durchgeführt werden.
  • Zusätzlich sollte die Fuß- und Gesamtkörperbewegung beim Barfußgehen und -rennen dokumentiert werden. Ideal und wünschenswert ist eine standardisierte Videoaufnahme (von vorn, hinten und beiden Seiten).

ICPC-2

  • L98 Erworbene Deformität Extremität
  • L82 Angeb. Anomalie muskuloskelet.

ICD-10

  • M20 erworbene Deformitäten der Finger und Zehen
    • M20.4 Sonstige Hammerzehe(n) (erworben)
  • Q66 Angeborene Deformitäten der Füße
    • Q66.5 Pes planus congenitus

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose wird durch eine klinische Untersuchung gestellt.

Differenzialdiagnosen

  • Das Fettpolster unter den Füßen von Kleinkindern kann als Pes planus fehlinterpretiert werden.

Anamnese

Kinder

  • Die Anamnese zum kindlichen Knick-Senk-Fuß sollte Folgendes umfassen:1
    • allgemeine pädiatrische Anamnese
    • Familienanamnese (Vorkommen symptomatischer Fußfehlstellungen)
    • Geburtsanamnese
    • Gewichts- und Größenentwicklung
    • Meilensteine der Entwicklung (insbesondere Beginn des freien Laufenlernens)
    • pädiatrische Begleiterkrankungen
    • besondere sportliche/hochleistungssportliche Aktivitäten
    • Abgrenzung neurologischer Erkrankungen.
  • Plattfüße sind selten symptomatisch.
  • Fragen Sie speziell nach Schmerzen oder anderen Beschwerden sowohl im Ruhezustand als auch beim Gehen.
  • Es gibt keine Anzeichen dafür, dass ein flexibler Plattfuß Einfluss auf die sportliche Leistung oder die motorischen Fähigkeiten hat.5
  • Die Evaluation des Knick-Senk-Fußes im Kindesalter umfasst das Erheben von Allgemein- und Risikofaktoren, eine Familienanamnese, eine Sozialanamnese, eine spezielle Anamnese zur Fußpathologie selbst und eine klinische Untersuchung.1

Erwachsene

  • Bei Erwachsenen ist ein Plattfuß anfällig für Überlastungsbeschwerden, was zu Schmerzen im Mittelfuß und/oder Unterschenkel führen kann.
  • Ein erworbener Plattfuß führt anfangs zu Schmerzen entlang der medialen Seite des Fußes und einer Schwellung hinter dem Innenknöchel, anschließend bildet sich der Plattfuß aus.

Klinische Untersuchung

  • Beurteilung von:1
    • Inspektion (Beschwielung, Fußform, Fehlstellung, Entzündungszeichen, Druckmarkierungen an der Haut, Vorfußabduktion)
    • Palpation (Knochen, Bänder, Sehnen)
    • Achs- und Rotationsbeurteilung der gesamten unteren Extremität inkl. Beinlängendifferenz
    • Bewegungsumfang (Neutral-Null-Methode) von Hüft-, Knie-, Oberem Sprung-, unterem Sprunggelenk sowie Rück- und Vorfuß
    • funktionelle Tests des Fußgewölbes (Aufrichtung beim funktionellen Zehenstand, Einbeinstand und Einbeinhüpfen
    • einwirkenden Muskel, Sehnen, Bänder (inkl. Wadenmuskulatur)
    • Bewegungseinschränkung.
  • Untersuchen Sie den Fuß, während der Patient steht, während er mit den Füßen frei hängend sitzt und während er auf Zehenspitzen geht.
  • Schauen Sie sich ebenfalls die Schuhe an. Üblich ist die verstärkte Abnutzung der innenseitigen Schuhsohle, was wiederum zu einer noch stärker ausgeprägten Valgus-(Knick-)stellung des Fußes führt.
  • Beachten Sie aber auch mögliche Grunderkrankungen wie ein Genu valgum (X-Beine), eine reduzierte Flexibilität der Achillessehne oder neuromuskuläre Erkrankungen.
  • Flexibler vs. rigider Plattfuß
    • Ein flexibler Plattfuß normalisiert sich beim Gehen auf Zehenspitzen.
    • Ein rigider Plattfuß hat auch beim Gehen auf Zehenspitzen und bei Entlastung ein abgeflachtes Fußgewölbe.
  • Bei Knochenverwachsungen in den Tarsalgelenken ist die Beweglichkeit eingeschränkt.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Keine weiteren speziellen Untersuchungen
  • Bei einem flexiblen Plattfuß ist eine bildgebende Diagnostik in der Regel nicht erforderlich.

Diagnostik beim Spezialisten (orthopädisch/kinderorthopädisch)

  • Röntgen
    • Eine radiologische Abklärung sollte beim schmerzhaften und/oder kontrakten und rigiden Knick-Senk-Fuß erfolgen.
    • Kann Verwachsungen oder ein steil gestelltes Sprungbein (Talus verticalis) zeigen (rigider Plattfuß).
    • Zur Erkennung eines vertikalen Talus ist eine maximale Plantarflexion beim Röntgen erforderlich.
  • CT und MRT
    • Kann indiziert sein bei klinischem Verdacht auf interossäre Verwachsungen, die nicht auf dem Röntgenbild sichtbar sind.
  • Sonografie
    • Muskelsonografie bei V. a. neuromuskuläre Erkrankung
    • Gelenksonografie zum Nachweis/Ausschluss eines Ergusses oder einer Tendovaginitis
  • Apparative Analyse/Ganganalyse
    • Additiv kann zur anamnestischen und klinisch-funktionellen Untersuchung bei spezifischer Fragestellung die apparative Analyse, z. B. Pedobarografie oder Videoanalyse hinzugezogen werden.1

Indikationen zur Überweisung

  • Überweisen Sie die Patienten bei Verdacht auf einen rigiden Knick-Senk-Fuß und tarsalen Verwachsungen zum Orthopäden/Kinderorthopäden.
  • Bei anhaltenden und starken Beschwerden, die auf eine konservative Therapie nicht ansprechen.

Therapie

Therapieziel

  • Patienten informieren.
  • Evtl. Symptome lindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Bei Kindern unter 6 Jahren ist selten eine Behandlung indiziert, im Falle eines flexiblen Plattfußes ist keine Behandlung indiziert.6
  • Bei Erwachsenen soll ein Plattfuß nur behandelt werden, wenn er symptomatisch ist.
  • Erworbene Plattfüßigkeit bei Erwachsenen kann in den meisten Fällen mit unterstützenden Maßnahmen (Orthese) behandelt werden.

Leitlinie: Kindlicher Knick-Senk-Fuß1

Konservativ: Einlagen/Orthesen

  • Der flexible schmerzlose physiologische Knick-Senk-Fuß soll nicht therapiert werden, ebenso nicht bei Kindern unter 6 Jahren ohne neuromuskuläre Erkrankungen oder Fehlbildung.
  • Eine Einlagen- und Orthesenversorgung ist beim schmerzlosen physiologischen Knick-Senkfuß nicht notwendig.
  • Eine Indikation zur Einlagenversorgung besteht bei:
    • schmerzhaften flexiblen Knick-Senk-Fuß
    • Subluxation im Fußwurzelbereich
    • fehlender Aufrichtung im funktionellen Zehenstand.
  • Sensomotorische Einlagen/ußorthesen sollten wegen ihrer propriozeptiven Stimulation bevorzugt werden.
  • Beim neuromuskulären und kontrakten Knick-Senk-Fuß sollte eine hochschalige Einlagenversorgung oder eine knöchelübergreifende dynamische Fuß-Sprunggelenkorthese (DAFO) mit sensomotorischem Design eingesetzt werden, solange keine strukturelle Wadenmuskelverkürzung vorliegt.
  • Eine Nachtschienenversorgung mit Orthesengelenken bei Verkürzungstendenz der Waden- und Peronealmuskulatur kann additiv sinnvoll sein.

Physiotherapie

  • Beim physiologischen Knick-Senk-Fuß < 6 Jahre ist Physiotherapie nicht erforderlich.
  • Bei allen Fußfehlstellungen soll auch der physiotherapeutische Befund der gesamten unteren Extremität (insbesondere Achsfehlstellungen, Drehfehler und Bewegungseinschränkungen) berücksichtigt und ggf. mitbehandelt werden.
  • Ist der Knick-Senk-Fuß in Zusammenhang mit z. B. einer Zerebralparese (CP), einer Myelomeningocele (MMC), einer Trisomie 21, einer Arthogryposis multiplex congenita (AMC), einer Muskelerkrankung und/oder anderen angeborenen Erkrankungen diagnostiziert, ist eine Physiotherapie auf neurophysiologischer Grundlage (Bobath/Vojta) als additive Maßnahme wünschenswert und sollte u. U. so früh wie möglich begonnen werden.
  • Bei Bewegungseinschränkungen und Kontrakturen im Sprung- und Fußgelenksbereich sollen nach Ausschluss einer Coalitio mobilisierende Techniken aus der manuellen Therapie, Dehnungen und Redressionen zum Einsatz kommen.
  • Besondere Aufmerksamkeit soll auf die Dehnung der Wadenmuskulatur sowie auf die antagonistische Kräftigung der Fußheber gerichtet werden.

Operative Therapie

  • Ein therapiebedürftiger Knick-Senk-Fuß bei Kindern < 6 Jahre ohne neuromuskuläre oder genetische Erkrankung stellt eine Rarität dar.
  • Kinder 7.–10. LJ: In sehr schweren Fällen kann die Indikation zur operativen Behandlung schon in der ersten Lebensdekade bestehen.
  • Jugendliche 11.–16. LJ: Notwendige operative Maßnahmen können hier am besten vor der skelettalen Ausreifung des Fußes durchgeführt werden.
  • Operationsmethoden
    • Wadenmuskelverlängerung und Achillessehnenverlängerung
    • Verlängerung der verkürzten Pronatoren (M. Peroneus brevis und tertius)
    • Rückversetzung des Ansatzes der M. Tibialis anterior-Sehne am Fußinnenrand auf das Os naviculare
    • Raffung und Distalisierung der Sehne des M. Tibialis posterior und der medialen Gelenkkapsel des Talonaviculargelenkes inkl. Raffung des Spring-Ligamentes (Lig. calcaneonaviculare plantare)
    • subtalare Arthrorise mit verschiedenen allogenen Implantatmaterialien
    • OP nach Evans (Calcaneusverlängerung)
    • OP nach Gleich (Calcaneusverschiebung nach medial)
    • OP nach Cotton (dorsal aufklappende Osteotomie des Os Cuneiforme mediale)
    • temporäre Epiphysiodese der distalen Tibia
  • In Abhängigkeit vom OP-Verfahren und des Schweregrades der Deformität soll eine frühfunktionelle Nachbehandlung angestrebt werden, wobei temporär Gipstherapie, Orthesen und Physiotherapie zur Anwendung kommen.
  • Ein flexibler Plattfuß bei Kindern bis zum Schulalter ist in der Regel nicht schmerzhaft und erfordert keine spezielle Behandlung.
    • Es wird empfohlen, bequeme Schuhe zu tragen.
    • zudem häufiges Barfußlaufen auf natürlichem Untergrund, spielerische Fuß- und Zehengymnastik
    • Ein flexibler Plattfuß erhöht nicht das Risiko für spätere Beschwerden in den Knöcheln, Knien, in der Hüfte oder im Rücken.
    • Korrektur mittels orthopädietechnischer Maßnahmen ist nicht indiziert.
    • Bei älteren Kindern oder Jugendlichen können aufgrund von ungleichmäßiger Belastung gelegentlich Schmerzen im Schienbein oder in den Knien auftreten. 
  • Ein rigider Plattfuß führt oft zu Beschwerden in zunehmendem Alter und bei zunehmender Aktivität.
    • Zur Untersuchung wird der Fuß geröntgt.
    • Zur Erkennung eines vertikalen Talus ist eine maximale Plantarflexion beim Röntgen erforderlich.
    • Speziell angepasste Sohlen mit weichem Fußbett können bei rigidem Plattfuß indiziert sein.
    • Bei anhaltenden Beschwerden kann eine Untersuchung durch eine CT oder eine MRT zur weiteren Abklärung indiziert sein.
    • In seltenen Fällen ist ein operativer Eingriff erforderlich.

Empfehlungen für Patienten

  • Richtiges Schuhwerk verwenden.
  • Häufig barfußlaufen.
  • Einlegesohlen, die die Belastung auf die gesamte Fußsohle verteilen, können wirksam sein.
  • Solche Einlagen stützen zwar ein zu schwach ausgeprägtes Fußgewölbe, aber da die Muskeln dadurch entlastet werden, schwächen sie u. U. langfristig die natürliche Fußmuskulatur und stützende Wadenmuskulatur.

Weitere Therapien

  • Tritt ein Plattfuß aufgrund einer neuromuskulären Erkrankung auf, kann eine operative Therapie indiziert sein.
  • Physiotherapie mit Dehnung der Achillessehne kann hilfreich sein.
  • Es werden zudem Übungen zur Stärkung des Fußgewölbes empfohlen.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Erst mit rund 8 Jahren nimmt der Kinderfuß die Form eines Erwachsenenfußes an.
  • Viele Patienten mit flexiblen Plattfüßen haben diese auch noch im Erwachsenenalter; das muss aber in der Regel nicht behandelt werden.
  • Die meisten Betroffenen haben kaum Beschwerden, einzelne berichten über Beinschmerzen, in der Regel gegen Abend, gelegentlich begleitet von Fußschwellungen.

Komplikationen

Prognose

  • Die Prognose ist gut, die meisten Patienten haben wenige bis gar keine Beschwerden und bedürfen keiner Behandlung.
    • Evtl. reichen einfache konservative Maßnahmen aus.
    • Kinder mit flexiblem Plattfuß sollten in aller Regel nicht mit Einlagen behandelt werden.
  • Eine spontane Korrektur flexibler Plattfüße ist während des ersten Jahres, nachdem das Kind Laufen gelernt hat, zu erwarten, doch einige haben auch im Erwachsenenalter noch Plattfüße.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patienten informieren?

  • Flexible Plattfüße sind ein normales Phänomen bei Kleinkindern bis zum Alter von etwa 6 Jahren.
  • Flexible Plattfüße, die über das Kleinkindalter hinaus bestehen bleiben, erfordern aber nur in Ausnahmefällen eine symptomatische Behandlung (weiches Fußbett).
  • Die physikalischen und motorischen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen werden durch Plattfüße nicht reduziert.

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Plattfuß (Quelle: Wikipedia)
Plattfuß (Quelle: Wikipedia)
Plattfuß, Ferse von hinten
Plattfuß, Ferse von hinten
Plattfuß, Röntgen
Plattfuß, Röntgen

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e. V. (DGOOC). Kindlicher Knick-Senkfuß. AWMF-Leitlinie Nr. 033-020. S2k, Stand 2017. www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e. V. (DGOOC). Kindlicher Knick-Senkfuß. AWMF-Leitlinie Nr. 033 - 020. S2k. Stand 2017. www.awmf.org
  2. Yagerman SE, Yeagerman SE, Cross MB, et al. Evaluation and treatment of symptomatic pes planus. Curr Opin Pediatr 2011; 23:60. PubMed
  3. Kohls-Gatzoulis J, Angel JC, Singh D, Haddad F, Livingstone J, Berry G. Tibialis posterior dysfunction: a common and treatable cause of adult acquired flatfoot. BMJ 2004; 329: 1328-33. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Poll LW, Chantelau E. Charcot-Fuss: Auf die frühe Diagnose kommt es an. Deutsches Ärtzeblatt 2010; 107(7): A-272. www.aerzteblatt.de
  5. Tudor A, Ruzik L, Sestan B, Sirola L, Prpic T. Flat-footednesss is not a disadvantage for athletic performance in children aged 11 to 15 years. Pediatrics 2009; 123: 386-92. Pediatrics
  6. Sass P, Hassan G. Lower extremity abnormalities in children. Am Fam Physician 2003; 68: 461-8. PubMed

Autoren

  • Caroline Beier, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL
  • Carlos Saro Moncloa, med dr, överläkare, Ortopedkliniken, Södertälje sjukhus (Medibas)
  • Arild Aamodt, overlege/professor, Ortopedisk avdeling, Lovisenberg Sykehus, Oslo

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