Zusammenfassung
- Definition:Bruch einer Rippe. Rippenserienfraktur: Bruch von ≥ 3 aufeinander folgenden Rippen.
- Häufigkeit:Einfache einseitige Frakturen kommen relativ häufig vor. Deutliche Zunahme mit Alter. Bei Kindern sehr selten und starker Hinweis auf Misshandlung.
- Symptome:Punktuelle Thoraxschmerzen, die in der 1. Woche zunehmend und sich dann über mehrere Wochen bessern.
- Befunde:Prellmarke oder Hämatom bei Aufpralltrauma. Druckdolenz und ggf. Krepitation über Fraktur. Hautknistern bei Hautemphysem. Paradoxe Atemexkursionen bei instabilem Thorax.
- Diagnostik:Röntgen, ggf. ergänzt durch Sonografie. Bei schwerem Thoraxtrauma CT.
- Therapie:Schmerzlinderung und Atemtherapie. Bei schweren Verletzungen (u. a. instabilem Thorax) operative Stabilisierung der Rippe.
Allgemeine Informationen
Definition
- Definitionen gemäß nachfolgender Referenz 1
- Rippenreihen- oder Rippenstückfraktur: zwei- oder mehrfache Frakturen einer Rippe mit mindestens einem freien Fraktursegment
- Rippenserienfraktur: Bruch von ≥ 3 aufeinander folgenden Rippen
- Instabiler Thorax bei:
- beidseitigen Rippenserienfrakturen
- Sternumfraktur mit Rippenserienfraktur
- Rippenserien- in Kombination mit Rippenreihenfrakturen.
Häufigkeit
- Zunahme der Häufigkeit mit Alter durch abnehmende Elastizität der Rippen(knorpel)2
- Cave: Bei Kindern unter 2 Jahren sind Rippenfrakturen eine Rarität und in über 80 % der Fälle mit Misshandlung verbunden!
- Inzidenz bei Männern > 65 Jahre etwa 3,5 Fälle pro 1.000 Personenjahre3
-
- Ab dem 80. Lebensjahr steigt das Risiko um mehr als das Doppelte, wobei die Inzidenz bei Männern höher ist als bei Frauen.
- Einseitige solitäre Frakturen sind häufig, während ein instabiler Thorax nur bei einer sehr geringen Anzahl von Rippenfrakturen auftritt.
Klinische Anatomie
- Der Brustkorb besteht aus 12 Rippenpaaren.
- Die obersten 7 Rippen sind hinten mit der Wirbelsäule und vorne über Rippenknorpel mit dem Sternum verbunden (sternale Rippen).
- Sammelbezeichnung: „echte Rippen“ (Costae verae)
- Die nächsten 3 Rippen haben Knorpel, die am Knorpel der jeweils höher liegenden Rippe ansetzen (asternale Rippen).
- Die beiden untersten Rippen enden vorne frei.
- Bezeichnung für die 8.–12. Rippe: „unechte Rippen“ (Costae spuriae)
Ätiologie und Pathogenese
- In über 95 % der Fälle ist ein stumpfes Thoraxtrauma ursächlich.4
- klassisch: Hochrasanztraumen (polytraumatisierte Patient*innen bei Auto- und Motorradunfällen)
- bei älteren Patient*innen in zunehmendem Maße auch durch niederenergetische Unfälle, z. B. Stolperstürze3
- Pathologische Frakturen (Knochenmetastasen, Osteoporose) sind bereits bei Bagatelltrauma wie Hustenattacke möglich.1
- Die Lokalisation der jeweiligen Rippenfraktur ist ein wichtiger Indikator für evtl. andere damit zusammenhängende Verletzungen.2
- die oberen 2/3 des knöchernen Thorax: Lungen, Herz und Mediastinalorgane (Aorta, Trachea, Ösophagus)1
- unteres Drittel: Leber, Magen, Milz sowie die oberen Nierenpole nebst Nebennieren1
- Bei instabilem Thorax1
- Deformität der Thoraxwand
- bei nicht beatmeten Patient*innen paradoxe Atembewegung
- Leitsymptom: respiratorische Insuffizienz, bedingt durch restriktive Ventilationsstörung mit verringerter Vitalkapazität
Prädisponierende Faktoren
- Osteoporose
- Multiples Myelom
- Knochenmetastasen
- Zunehmendes Alter
ICPC-2
- L76 Fraktur, andere
ICD-10
- S22.3 Rippenfraktur
- S22.4 Rippenserienfraktur
- S22.5 Instabiler Thorax
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Radiologische Bildgebung zum Nachweis der Fraktur1
- Standard: (Hemi)thoraxaufnahme in 2 Ebenen
- Cave: 50 % der Frakturen werden im Röntgen übersehen!
- Bei einem klinischen Verdacht sollte ergänzend eine Sonografie durchgeführt werden.
- Spiral-CT des Thorax mit Kontrastmittel bei allen Patient*innen mit schwerem Thoraxtrauma (Schockraum)5
- Standard: (Hemi)thoraxaufnahme in 2 Ebenen
Differenzialdiagnosen
- Siehe auch den Artikel Brustwandsyndrom.
- Tietze-Syndrom
- Interkostalneuralgie
- Thorakale Gürtelrose (Zoster)
- Schlüsselbeinfraktur
- Akute Aortendissektion
- Ösophagitis
- BWS-Syndrom
- Pneumothorax
- Lungenembolie
- Sternumfraktur
- Thoraxprellung
Anamnese
- Traumaanamnese
- Adäquates Trauma oder Hinweis auf pathologische Fraktur (z. B. Hustenattacke als Ursache)?
- bei Verdacht auf pathologische Fraktur weitere Diagnostik (u. a. bzgl. Osteoporose, Knochenmetastasen)
- In der Regel treten in der ersten Woche nach der Verletzung progrediente Schmerzen auf.
- anschließend Abklingen der Symptomatik über mehrere Wochen
- Schmerzzunahme bei Belastung der Bauchmuskeln (Bauchpressen) und beim tiefen Einatmen
Klinische Untersuchungen
- Angaben zur klinischen Untersuchung beziehen sich auf diese Referenz.1
- Im Idealfall im Stehen mit entblößtem Oberkörper
- Inspektion
- Prellmarken, Hämatom?
- Thoraxexkursion im Seitenvergleich bei Atmung: Asymmetrie, paradoxe Atmung?
- Palpation
- Druckdolenz und evtl. Krepitation über Fraktur
- „knisterndes“ Hautemphysem bei Begleitverletzung der Lunge
- Stabilität des Thorax durch Kompression überprüfen.
- Auskultation der Lunge
- Anhalt für Pneumothorax bei vermindertem oder fehlendem Atemgeräusch
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Keine speziellen Untersuchungen von diagnostischem Wert
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Siehe empfohlene Bildgebung.
Indikationen zur Klinikeinweisung
- Bei instabilem Thorax
- Bei Verdacht auf relevante Begleitverletzungen, z. B. bei Hautemphysem
Therapie
Therapieziele
- Schmerzlinderung
- Suffiziente Atmung (insbesondere bei instabilem Thorax)
- Prävention von sekundären Komplikationen wie Pneumonie
Allgemeines zur Therapie
- Einfache Rippenfrakturen werden in der Regel ambulant durch analgetische Maßnahmen und Atemtherapie behandelt.
- Ziele sind rasche Mobilisierung der Patient*innen und suffiziente Ventilation der Lunge.
- Operative Stabilisierung indiziert bei:1
- dislozierten Rippenserienfrakturen
- instabilem Thorax
- respiratorischer Insuffizienz
- schmerzhafter Pseudarthrose.
- Die früher oft verwendeten Tapeverbände zur Stabilisierung des Thorax sollten vermieden werden, da sie die Atmung behindern und dadurch Pneumonien begünstigen.
Empfehlungen für Patient*innen
- Verzicht auf Bewegungen, die Schmerzen verursachen (z. B. schweres Heben).
- Bewusst tief einatmen, um vollständige Ventilation der Lunge zu erreichen.
- Mit dem Rauchen aufhören.
Medikamentöse Therapie
- Analgetika
- z. B. Ibuprofen 600 mg 1–0–1, bei Bedarf ergänzt durch Metamizol 500 mg bis zu 4 x tgl.
- Bei schweren Rippenverletzungen Eskalation der Schmerztherapie gemäß WHO-Stufenschema mit Opioiden; optimalerweise Einsatz von epiduralem Schmerzkatheter1
- In diesen Fällen ist in der Regel eine stationäre Therapie notwendig.
Operative Therapie
- Siehe hier Indikationen zur operativen Stabilisierung von Rippenfrakturen.
- 3 verschiedene, gleichwertige Techniken:1
- Rippenklammern
- Plattenosteosynthese
- intramedulläre Splints.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Die Schmerzen nehmen in den ersten Wochen nach der Verletzung zu, danach bessern sie sich allmählich.
Komplikationen
- Pneumothorax
- Hämatothorax
- Begleitverletzungen von inneren Organen
- Chronische Schmerzen aufgrund eines Kallusdrucks auf Interkostalnerven oder Pseudarthrose
- Pneumonie
Prognose
- Bei einfachen Frakturen und jungen Patient*innen sehr gute Prognose
- Bei Patient*innen > 65 Jahre mit Rippenfrakturen treten in 16 % der Fälle respiratorische Komplikationen auf.2
- Deutlicher Anstieg kritischer Komplikationen ab 6 frakturierten und/oder 3 dislozierten Rippen4
Verlaufskontrolle
- Patient*innen sollten regelmäßig im Hinblick auf das Risiko einer Pneumonie überwacht werden.
- Kontrolle der suffizienten Analgesie für uneingeschränkte Atmung
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
- Bei einer anomalen Verschlechterung, weiter anhaltenden Schmerzen, Husten oder Fieber sollten die Betroffenen ärztlichen Kontakt aufnehmen.
- Die Schmerzen können bis zu 7–10 Tage nach der Verletzung zunehmen und oft 3–4 Wochen anhalten.
- Rauchstopp kann einen etwaigen Husten verbessern.
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Literatur
- Raab S, Grieser T, Sturm M. Management der Rippenfraktur. Zentralbl Chir 2019; 144(3): 305-21. www.thieme-connect.com
- Melendez SL. Rib fracture. Medscape, last updated Jun 13, 2017. emedicine.medscape.com
- Barrett-Connor E, Nielson CM, Orwoll E, et al. Epidemiology of rib fractures in older men: Osteoporotic Fractures in Men (MrOs) prospective cohort study. BMJ 2010; 340: c1069. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Schulze-Drost S, Krinner S, Langenbach A. Indikation und Ergebnisse der operativen Therapie von Rippenfrakturen. Atemwegs- und Lungenkrankheiten 2019; 45(4): 199-209. www.proquest.com
- Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie, Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung. AWMF-Leitlinie Nr. 012-019, Stand 2016. (abgelaufen) www.awmf.org
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).