Fraktur des Fußes

Zusammenfassung

  • Definition: Bruch eines Fußknochens.
  • Häufigkeit:Etwa 10 % aller Frakturen betreffen den Fuß.
  • Symptome:Infolge eines Traumas liegen anhaltende Schmerzen und eine Schwellung vor.
  • Untersuchung: Überprüfung auf sichere sowie unsichere Frakturzeichen mit pDMS-Kontrolle.
  • Diagnostik:Röntgen, ggf. ergänzend CT-Untersuchung.
  • Therapie:Abhängig vom Grad der Dislokation und von der biomechanischen Gewichtsbelastung empfiehlt sich ein konservatives Vorgehen durch Immobilisation oder operative Fixierung.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Der Fuß besteht aus 26 Knochen.1
  • Rückfuß
    • Kalkaneus
    • Talus
  • Mittelfuß
    • Os naviculare
    • Os cuboideum
    • Ossa cuneiformia (3)
  • Vorfuß
    • Ossa metatarsalia (5)
    • Ossa digiti pedis (14)
  • 2 Sesambeine
    • medial und lateral am Kopf des Os metatarsale I

Häufigkeit

  • Etwa 10 % aller Frakturen betreffen den Fuß.1
    • Am häufigsten sind Zehen und Mittelfußknochen betroffen.1
  • Bei Kindern treten Frakturen häufiger auf als Bänderverletzungen, sind jedoch u. U. schwer zu diagnostizieren.2

Ätiologie und Pathogenese

  • Relativ gesehen sind bei Kindern die Bänder widerstandsfähiger als die Knochen und das Knorpelgewebe.1
  • Somit treten Frakturen häufiger auf als Bänderverletzungen.

Prädisponierende Faktoren

  • Traumata

ICPC-2

  • L74a Fraktur Fußknochen

ICD-10

  • S92 Fraktur des Fußes [ausgenommen oberes Sprunggelenk]
    • S92.0 Fraktur des Kalkaneus
    • S92.1 Fraktur des Talus
    • S92.2 Fraktur eines oder mehrerer sonstiger Fußwurzelknochen
      • S92.21 Os naviculare pedis
      • S92.22 Os cuboideum
      • S92.23 Os cuneiforme (intermedium) (laterale) (mediale)
    • S92.3 Fraktur der Mittelfußknochen
    • S92.4 Fraktur der Großzehe
    • S92.5 Fraktur einer sonstigen Zehe
    • S92.7 Multiple Frakturen des Fußes
    • S92.9 Fraktur des Fußes, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus einer typischen Anamnese und den typischen klinischen Befunden.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Trauma – erfragen Sie:
    • den Verletzungsmechanismus
    • den Zeitpunkt
    • die bisher durchgeführte Maßnahmen
    • die vorherigen Verletzungen am Fuß.

Klinische Untersuchung

  • Vergleich mit dem anderen Fuß
  • Inspektion und Palpation
    • unsichere Frakturzeichen
      • Schmerz
      • Schwellung
      • Hämatom
      • Bewegungseinschränkung
    • sichere Frakturzeichen
      • Fehlstellung
      • Krepitation
      • pathologische Beweglichkeit
      • sichtbare Knochenfragmente
  • Beweglichkeit
    • Dokumentieren Sie das aktive und passive Bewegungsausmaß.
    • normales Bewegungsausmaß im Verhältnis zum Knöchel:1
      • 45-Grad-Plantarflexion
      • 20-Grad-Dorsalflexion
      • 30-Grad-Inversion
      • 20-Grad-Eversion
      • 20-Grad-Innenrotation
      • 10-Grad-Außenrotation.
  • Neurologischer Status
    • Periphere DMS (pDMS) überprüfen (periphere Durchblutung, Motorik, Sensibilität).

Diagnostik beim Spezialisten

  • Röntgen
    • Durchführung indiziert bei mindestens einem vorliegenden Ottawa-Kriterium2
      • Druckschmerz über der Basis des 5. Mittelfußknochens
      • Druckschmerz über dem Os naviculare
      • Unfähigkeit, mehr als 3 Schritte zu laufen.
    • Ottawa-Kriterien sind verlässlich ab einem Alter von 5 Jahren.3
      • > 97 % Sensitivität für Frakturen4
    • Frakturen der Mittelfuß- und Zehenknochen sind bei jungen Kindern aufgrund der zahlreichen Wachstumszentren u. U. schwer zu erkennen.
      • Ein Vergleich mit den Aufnahmen des anderen Fußes ist sinnvoll.
  • Bei Bedarf weitere bildgebende Verfahren wie Szintigrafie, CT, MRT oder Sonografie

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf eine Fraktur

Therapie

Therapieziele

  • Zufriedenstellende Heilung und Wiederherstellung der normalen Funktion5

Allgemeines zur Therapie

  • Die Therapie ist abhängig von der Lokalisation und der noch möglichen Gewichtsbelastung.6
  • Erste Hilfe – PECH-Schema:
    • Pause
    • Eis
    • Compression
    • Hochlegen.

Zehenfrakturen

  • Weitere Informationen finden Sie im Artikel Fraktur der Zehen.
  • Kleinzehen sind etwa 3-mal häufiger als Großzehe betroffen.7
  • Operative Therapie nur bei dislozierten, nicht reponierbaren oder intraartikulären Frakturen
  • Reposition dislozierter Zehen durch axialen Zug
  • Immobilisierung durch Tapen an die Nachbarzehe für etwa 3 Wochen
    • Die knöcherne Konsolidierung braucht 3–8 Wochen.
    • Symptombesserung in der Regel deutlich früher1
  • Liegt eine erhebliche Dislokation vor, kann dies insbesondere bei der Großzehe für eine operative Therapie in Form einer geschlossenen Reposition sprechen.7

Fraktur des Os metatarsale I

  • Mittelfußknochen, der am seltensten von Frakturen betroffen ist.8
  • Köpfchen des Os metatarsale I trägt doppelt so viel Gewicht wie die Köpfchen der anderen Mittelfußknochen.1
    • Häufig ist eine operative Versorgung zur Stabilisierung nötig.
  • Weitere Informationen finden Sie im Artikel Fraktur eines Metatarsalknochens.

Fraktur der Ossa metatarsalia II–IV

  • Diese Frakturen treten sehr häufig auf.
  • Sowohl dislozierte als auch undislozierte Frakturen heilen bei schmerzadaptierter Belastung häufig konservativ aus.
    • Eine stabilisierende Bandage ist Gips gleichwertig, tendenziell sogar überlegen.9
  • Marschfraktur
    • Ermüdungsfraktur des 2. oder 3. Mittelfußknochens
      • häufig bei Joggern 
    • Initial ist Röntgen unauffällig, nur MRT oder Szintigrafie mit positivem Befund.
    • Therapie
      • Belastende Aktivitäten für 4–6 Wochen einstellen.1
  • Weitere Informationen finden Sie im Artikel Fraktur eines Metatarsalknochens.

Fraktur des Os metatarsale V

  • Häufigste Lokalisation von Mittelfußfrakturen ist die Basis des 5. Mittelfußknochens.10-11
  •  Es gibt 2 Arten von Basisfrakturen:
    1. proximale Abrissfraktur der lateralen Tuberositas
      • sehr häufig
      • Synonyme: „Tennis Fracture“, „Pseudo-Jones Fraktur“
      • Verletzungsmechanismus
        • laterale Sprunggelenksverletzung
        • Abrissfraktur durch Sehne des M. peroneus brevis 
      • Therapie
        • in der Regel konservativ durch Kompressionsverband und schmerzadaptierte Belastung1
    2. Jones-Fraktur
      • seltener und problematischer
      • unterer Frakturspalt proximal der Tuberositas durch Basis/Diaphyse des 5. Mittelfußknochens
      • biomechanisch erhöhte Gewichtsbelastung an dieser Stelle und dadurch Dislokation
      • Therapie
        • konservativer Therapieversuch mit vollständiger Gewichtsentlastung bei undislozierten Frakturen12
        • Bis zu 50 % der Patienten entwickeln im Verlauf eine Pseudarthrose10; dann ist eine operative Fixierung nötig.
  • Weitere Informationen finden Sie im Artikel Fraktur eines Metatarsalknochens.

Fraktur des Tarsometatarsalgelenks (Lisfranc-Gelenk)

  • Lisfranc-Gelenk
    • Verbindung zwischen der Fußwurzel (Ossa cuneiformia) und den Mittelfußknochen
  • Dislozierte Frakturen treten in diesem Bereich selten auf, zählen aber dennoch zu den am häufigsten übersehenen Fußverletzungen.
    • 20 % aller Lisfranc-Luxationen werden übersehen.13
    • Risiko posttraumatischer Arthrose und sympathischer Reflexdystrophie14
  • Häufig durch Hochrasanztraumata ausgelöst
  • Therapie13
    • Stabile Frakturen können immobilisiert und konservativ behandelt werden.
    • Instabile Frakturen benötigen operative Fixierung.

Talusfraktur

  • Hohes Risiko für Osteonekrosen bei dislozierten Frakturen wegen schlechter Blutversorgung1
  • Eine CT-Untersuchung für sichere Diagnostik und Fraktureinteilung ist nötig.15
  • Frakturen des Talushalses und -körpers
    • häufigste Frakturlokalisation16
    • dislozierte Fraktur: in der Regel operative Fixierung erforderlich
    • undislozierte Fraktur: 6–10 Wochen Gips ohne Gewichtsbelastung 
  • Fraktur des Processus lateralis
    • gehäuft bei Snowboardfahrern1
    • Die Therapie besteht in Ruhigstellung ohne Belastung.
  • Fraktur des Processus posterior
    • Unfallmechanismus: plötzliche Plantarflexion, insbesondere bei Tänzern oder Fußballern
    • häufig übersehene Fraktur
      • unspezifische Symptomatik
      • Verwechslung des Frakturfragments mit akzessorischem Fußknochen Os trigonum
    • Die Therapie besteht in der Ruhigstellung mit schmerzadaptierter Belastung.

Fraktur des Os naviculare

Fraktur des Kalkaneus

Fraktur des Os cuboideum/der Ossa cuneiformia

  • Diagnose
    • Unfallmechanismus
      • Fuß wird von einem schweren Gegenstand getroffen.
      • Die Patienten haben mit viel Kraft gegen etwas getreten.
    • CT ist vor allem bei schweren Traumata indiziert.
      • Bessere Darstellung von Luxationen, die im Fuß zu schweren Komplikationen führen können.
  • Therapie
    • undislozierte oder mäßig dislozierte Frakturen
      • Entlastung für 3–6 Wochen, anschließend schmerzadaptierte Mobilisierung 
    • stark dislozierte/luxierte Frakturen
      • in der Regel operative Fixierung
  • Prognose
    • Die Fraktur kann zu chronischen Schmerzen führen und eine Arthrodese notwendig machen.

Luxationen der Fußwurzel

  • Diagnose
    • Verletzungsmechanismus
      • Sturz auf Vorfuß in Plantarflexion-Stellung
      • Einklemmung des Vorfußes
    • Häufig ist die Fehlstellung klinisch sichtbar.
    • Bei V. a. Luxation Röntgen in mind. 2 Ebenen sowie CT, um keine Frakturen zu übersehen.
    • Bei dorsaler Luxation ist die A. dorsalis pedis gefährdet.
    • stets Überprüfung von pDMS
  • Therapie
    • Schnelle Reposition anstreben.
    • bei Luxationen nach plantar/dorsal ohne Fraktur
      • Meist ist eine Reposition möglich.
      • Vorgehen: Axialen Zug und Druck auf die Basis des Mittelfußknochens ausüben.
      • anschließend Entlastung in Unterschenkelgips für 6–8 Wochen
    • bei lateralen Verschiebungen der Mittelfußknochen und begleitender Fraktur
      • operative Reposition und Fixierung
      • postoperativ Ruhigstellung für etwa 6 Wochen in Unterschenkelgips

Medikamentöse Therapie

  • Ggf. Analgetika/NSAR

Weitere Therapien

  • Ggf. Rehabilitationsprogramm

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Kompartmentsyndrom
    • schwere akute Komplikation
    • meist in Zusammenhang mit Frakturen des Mittelfußes infolge einer Quetschung
    • ausgeprägte Schwellung (frühes Stadium) und neurovaskuläre Ausfälle (spätes Stadium)1
    • Klinische Diagnose, da keine eindeutigen Grenzwerte für Druckwerte am Fuß definierbar sind.17
    • Therapie: Fasziotomie
  • Tiefe Venenthrombose bei Immobilisation 
  • Spätkomplikationen1
    • posttraumatische Arthrose
    • Infektion
    • Heilungsstörung (Pseudarthrose) oder Instabilität
    • Gangstörung

Prognose

  • Bei angemessener Behandlung ist die Prognose in der Regel sehr gut.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Fußknochen von oben
Fußknochen von oben
Fußfraktur 3.jpg
Fußknochen von lateral
Fußfraktur 4.jpg
Kombinierte Fraktur des Os cuboideum (2) mit Pseudo-Jones-Fraktur des Os metatarsale V (1, Abrissfraktur der Tuberositas)

Quellen

Literatur

  1. Silbergleit R. Foot fracture. Medscape, last updated Sep 23, 2018. emedicine.medscape.com
  2. Perry JJ, Stiell IG. Impact of clinical decision rules on clinical care of traumatic injuries to the foot and ankle, knee, cervical spine, and head. Injury. 2006 Dec. 37(12):1157-65. www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. David S, Gray K, Russell JA, et al. Validation of the Ottawa Ankle Rules for Acute Foot and Ankle Injuries. J Sport Rehabil 2016; 25(1): 48-51. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Pires RES, Pereira AA, Abreu-e-Silva GM, et al. Ottawa Ankle Rules and Subjective Surgeon Perception to Evaluate Radiograph Necessity Following Foot and Ankle Sprain. Ann Med Health Sci Res 2014; 4(3): 432-5. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Wedmore IS, Charette J. Emergency department evaluation and treatment of ankle and foot injuries. Emerg Med Clin North Am 2000; 18: 85-113. PubMed
  6. Bica D, Sprouse RA, Armen J. Diagnosis and Management of Common Foot Fractures. Am Fam Physician 2016; 93(3): 183-91. www.aafp.org
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  9. Zenios M, Kim WY, Sampath J, et al. Functional treatment of acute metatarsal fractures: a prospective randomised comparison of management in a cast versus elasticated support bandage. Injury 2005. www.ncbi.nlm.nih.gov
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  11. Fetzer GB, Wright RW. Metatarsal shaft fractures and fractures of the proximal fifth metatarsal. Clin Sports Med. 2006 Jan. 25(1):139-50, x. www.ncbi.nlm.nih.gov
  12. Bishop JA, Braun HJ, Hunt KJ. Operative Versus Nonoperative Treatment of Jones Fractures: A Decision Analysis Model. Am J Orthop (Belle Mead NJ) 2016; 45(3): 69-76. www.ncbi.nlm.nih.gov
  13. Lau S, Bozin M, Thillainadesan T. Lisfranc fracture dislocation: a review of a commonly missed injury of the midfoot. Emerg Med J 2017; 34(1): 52-56. www.ncbi.nlm.nih.gov
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  16. Rammelt S, Zwipp H. Talar neck and body fractures. Injury 2009; 40(2): 120-35. www.ncbi.nlm.nih.gov
  17. Prayson MJ, Chen JL, Hampers D, et al. Baseline compartment pressure measurements in isolated lower extremity fractures without clinical compartment syndrome. J Trauma 2006; 60(5): 1037-40. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autoren

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
  • Janos Solyom, överläkare, Ortopedkliniken, Sahlgrenska universitetssjukhuset, Mölndal
  • Arild Aamodt, overlege/professor, Ortopedisk avdeling, Lovisenberg Sykehus, Oslo

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