Verletzungen des Quadrizeps

Zusammenfassung

  • Definition: Unterschiedliche Schweregrade von Kontusion und Zerrung über Muskelfaserrriss bis zu kompletter Ruptur.
  • Häufigkeit: Häufige Verletzung bei Sportlern, insbesondere Fußballern.
  • Symptome: Plötzlich einschießender stechender Schmerz.
  • Befunde: Druckdolenter Bereich, ggf. mit Einblutung und tastbarer Schwellung (Kontusion) oder Delle (Muskelfaserriss). Schmerzen bei isometrischer Extension. Aufgehobene Extensionsfähigkeit im Kniegelenk bei Totalruptur.
  • Diagnostik: Evtl. Röntgen, Ultraschall oder MRT.
  • Therapie: PECH-Schema mit anschließend schneller Mobilisierung. Bei kompletter Ruptur operative Rekonstruktion innerhalb von 72 Stunden.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Der Musculus quadriceps femoris ist für die Streckung des Kniegelenks (Hauptfunktion) sowie die Beugung des Hüftgelenks (M. rectus femoris) verantwortlich.
  • Es werden verschiedene Verletzungen des Quadrizeps unterschieden:1-2
    • Kontusion des Quadrizeps (Prellung, Pferdekuss)
    • Reizung der Patellasehne (Springerknie)
      • Weitere Informationen finden Sie im Artikel Springerknie.
    • Quadrizepssehnenruptur
    • Muskelfaserriss
    • Zerrung

Funktionelle Anatomie

  • Der Musculus quadriceps femoris ist aus 4 Muskelbäuchen aufgebaut:
    • Rectus femoris
    • Vastus lateralis
    • Vastus medialis
    • Vastus intermedius.
  • Ursprung und Ansatz
    • Ursprung am proximalen Femur, nur M. rectus femoris entspringt am Darmbein.
    • Ansatz an Tuberositas tibiae
  • Muskellogen des Oberschenkels
    • Vorderseite: Musculus quadriceps femoris, Nervus femoralis und Arteria femoralis
    • Rückseite: ischiocrurale Muskulatur und Nervus ischiadicus
    • Medial: Adduktorenmuskeln und kutaner Ast des Nervus obturatorius

Häufigkeit

  • Kontusionen/Prellungen gehäuft bei Kontaktsportlern
    • Jahresprävalenz Rugby 4,7 %, Fußball 1,6 %3
  • Zerrungen und Muskelfaserverletzungen sind häufige Verletzung bei Fußballern.
    • vor allem in der Saisonvorbereitung4
    • Frauen sind etwa doppelt so häufig wie Männer betroffen.4
  • Rupturen vor allem bei älteren Patienten, Durchschnittsalter 65 Jahre1

Ätiologie und Pathogenese

Kontusion des Quadrizeps

  • Die häufigste Ursache ist ein direktes Trauma (z. B. „Pferdekuss“).
  • In sehr seltenen Fällen entsteht ein akutes Kompartmentsyndrom.
  • In der Regel ist der Musculus rectus femoris betroffen wegen der exponierten Lage an der Vorderseite.
  • Durch die Verletzung kommt es zu Blutungen und Ödemen im Muskel.
  • Im angespannten Zustand ist der Muskel deutlich widerstandsfähiger gegenüber derartigen Verletzungen.

Zerrung, Muskelfaserriss, Ruptur

  • Ursache ist eine Überdehnung des Muskels.
  • Das Ausmaß der Verletzungen reicht von mikroskopischen Rissen bis zur kompletten Ruptur.
  • Siehe gesonderte Beschreibung im Artikel Tendinopathie des Musculus rectus femoris.

Prädisponierende Faktoren

  • Unzureichendes Aufwärmen vor Belastung
  • Vorausgegangene Verletzung des Quadrizeps
  • Überlastung bereits ermüdeter Muskulatur

ICPC-2

  • L81 Verletzung muskuloskelettär NNB

ICD-10

  • S76 Verletzung von Muskeln und Sehnen in Höhe der Hüfte und des Oberschenkels
    • S76.1 Verletzung des Muskels und der Sehne des M. quadriceps femoris, inkl. Ligamentum patellae

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose wird anhand der typischen Anamnese und klinischen Untersuchung gestellt.
  • Bildgebung zur Einschätzung des Schweregrads der Verletzung

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Kontusion des Quadrizeps
    • Trauma an der Vorderseite des Oberschenkels
    • Schmerzen werden bei Belastung und Beugung des Knies schlimmer.
  • Zerrung der Quadrizepssehne
    • Schmerzen und Funktionsstörungen im Muskel nach plötzlicher Anspannung oder wiederholten Kontraktionen des Muskels
    • Auftreten sofort oder nach 1–3 Tagen
    • Schmerzen beim Gehen und Beugen des Knies
  • Muskelfaseriss im Quadrizeps
    • initial stechender, einschneidender Schmerz 
    • anschließende Belastung nicht mehr möglich
  • Ruptur der Quadrizepssehne
    • Knie kann nicht mehr gestreckt werden.

Klinische Untersuchung

Kontusion des Quadrizeps

  • Druckdolente Schwellung an Oberschenkelvorderseite
    • Umfangsvergrößerung im Seitenvergleich
    • ggf. Einblutung mit Hämatombildung
  • Schmerzen bei isometrischem Extensionstest
  • Knieflexion häufig durch Schwellung eingeschränkt 
  • Sensibilität

Weitere Verletzungen

  • Muskelzerrung
    • Druckschmerzen des Quadrizeps in dem betroffenen Bereich der Muskulatur
    • Schmerzen bei isometrischem Extensionstest
  • Muskelhernie
    • Ruptur der Faszie mit Hervorquellen des Muskels
    • lokale weiche Schwellung palpabel
    • sehr selten, z. B. postoperatives Auftreten bei insuffizienter Fasziennaht
  • Muskelfaserriss
    • umschriebener, druckdolenter Bereich im ventralen Oberschenkel
    • ggf. lokalisierte Einblutung
    • bei ausgeprägtem Befund ggf. palpable Delle
  • Ruptur der Quadrizepssehne
    • keine Kniestreckung möglich
    • Anheben des gestreckten Beins im Liegen nicht möglich
    • ventraler Substanzdefekt direkt oberhalb der Patella

Diagnostik beim Spezialisten

  • Bildgebende Verfahren sind in der Regel nur bei ausgeprägter Verletzung (komplette Ruptur) nötig.
    • MRT mit höchster Sensitivität und Spezifität bei Quadrizeps-Verletzungen1
    • Sonografie ist jedoch deutlich günstiger und schneller vorhanden, zur orientierenden Beurteilung gut geeignet.1
  • Bei starkem Trauma ggf. Röntgen zum Ausschluss einer Fraktur

Indikationen zur Überweisung

  • Bei klinischen Anzeichen auf Ruptur oder Fraktur

Therapie

Therapieziele

  • Wiedererlangen der Funktion und Schmerzfreiheit

Allgemeines zur Therapie

  • Erste Hilfe
    • PECH-Schema
      • Pause
      • Eis
      • Compression
      • Hochlegen
  • Operative Therapie
    • Indikationen
      • Kompartmentsyndrom
      • ggf. zur Hämatomausräumung bei therapierefraktärem Befund
      • komplette Ruptur der Quadrizepssehne
  • Rehabilitation
    • frühzeitige Mobilisierung ohne hohe Belastung
    • Schmerzadaptierte Dehnung des verletzten Bereichs, um narbige Verkürzungen zu verhindern.1

Kontusion und Zerrung

Therapie1,5

  • Knie sofort im 120-Grad-Winkel mit einem elastischen Verband oder einer Orthese stabilisieren.
    • Verhindert die Einblutung und verkürzt die Rekonvaleszenzzeit.
    • Krücken verwenden.
    • Regelmäßig kühlen: alle 2–3 Stunden für 20 Minuten.
    • Position für etwa 24 Stunden beibehalten.
    • Anschließend mit vorsichtiger Mobilisierung ohne Widerstand beginnen.

Sehnenruptur

  • Hauptprinzipien
    • Vollständige Ruptur operativ versorgen.
    • Kleine Partialrupturen mit erhaltener Streckfunktion konservativ behandeln.
  • Operative Therapie
    • Operation innerhalb der ersten 48–72 Stunden nach Verletzung, da Retraktion der Sehne sonst operative Rekonstruktion erschwert.6
    • postoperativ Immobilisierung in Extension für 6 Wochen6
    • danach Training/Übungen unter physiotherapeutischer Anleitung

Rehabilitation

  • Die Oberschenkelmuskulatur sollte sukzessive gedehnt, mobilisiert und gekräftigt werden.
  • Rezidivrisiko bei zu frühem Beginn mit zu starker Belastung

Medikamentöse Therapie

  • NSAR7
    • Möglicherweise verminderte Sehnenheilung bei Einnahme von NSAR, daher bei Bedarf besser auf andere Schmerzmittel ausweichen.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Akutes Kompartmentsyndrom
    • selten
  • Myositis ossificans traumatica
  • Dauerhafte Funktionseinschränkung und Steifheit bei unzureichender Versorgung einer Ruptur
  • Rezidiv der Verletzung

Prognose

  • Bei adäquater Therapie kommt es bei den leichteren Muskelverletzungen zu einer vollständigen Heilung.
    • Rekonvaleszenzzeit von wenigen Tagen bis mehreren Wochen1
  • Bei vollständiger Ruptur in der Regel gute bis exzellente Ergebnisse, sofern die Verletzung schnell operativ versorgt wird.8

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. DeBerardino TM. Quadriceps injury. Medscape, last updated Jun 02, 2017. emedicine.medscape.com
  2. Mendiguchia J, Alentorn-Geli E, Idoate F, Myer GD. Rectus femoris muscle injuries in football: a clinically relevant review of mechanisms of injury, risk factors and preventive strategies. Br J Sports Med 2013; 47:359. British Journal of Sports Medicine
  3. Ryan JB, Wheeler JH, Hopkinson WJ,. Quadriceps contusions. West Point update.. Am J Sports Med 1991; 19(3): 299-304. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Eckard TG, Kerr ZY, Padua DA. Epidemiology of Quadriceps Strains in National Collegiate Athletic Association Athletes, 2009-2010 Through 2014-2015. J Athl Train 2017; 52(5): 474-81. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Orchard J, Best TM, Verrall GM. Return to play following muscle strains. Clin J Sport Med 2005; 15:436. PubMed
  6. Pope JD, Plexousakis MP. Quadriceps Tendon Rupture. Stat Pearls 2019. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Smith C, Kruger MJ, Smith RM, Myburgh KH. The inflammatory response to skeletal muscle injury: illuminating complexities. Sports Med 2008; 38:947. PubMed
  8. Nori S. Quadriceps tendon rupture. J Family Med Prim Care 2018; 7(1): 257-60. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autoren

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
  • Cecilia Rogmark, docent och överläkare, Ortopediska kliniken, Skånes universitetssjukhus
  • Arild Aamodt, överläkare/professor, Ortopedisk avdeling, Lovisenberg Sykehus, Oslo
  • Stig Fossum, sjukgymnast, Moholt fysikaliska institut, Trondheim

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