Allgemeine Informationen
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Definition
- Nykturie wird als nächtliches Aufwachen zum Wasserlassen definiert, unabhängig von der Anzahl der nächtlichen Miktionen.
- Das Symptom tritt unabhängig oder zusammen mit anderen Harnwegssymptomen auf.
- Nykturie ist für die betroffene Person belastend, wirkt sich auf deren Lebensqualität aus und ist mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert.
Häufigkeit
- Laut einer US-amerikanischen Studie berichten bis zu 30 % der 20- bis 40-Jährigen von mindestens einer nächtlichen Miktion.6
- Nykturie (mindestens eine Miktion pro Nacht) tritt laut einer Metaanalyse7 bei mehr als 70 % der Personen über 70 Jahren auf. Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter.
- In der Altersgruppe der 20- bis 50-Jährigen scheint Nykturie bei Frauen etwas häufiger vorzukommen als bei Älteren. Mit zunehmendem Alter nivelliert sich der Altersunterschied. Etwa ab dem Alter von 70 Jahren scheinen Männer und Frauen gleich häufig betroffen.6
Diagnostische Überlegungen
- Kategorien möglicher Ursachen
- verhaltensbedingt (ungünstiges Trinkverhalten)
- Schlafstörungen (erhöhte Aufmerksamkeit auf die Blasenfüllung)
- Organerkrankung
- systemisch, mit gesteigerter Ausscheidung von Wasser, Salz oder Metaboliten (Polyurie)
- Erkrankungen des unteren Harntrakts mit verminderter Blasenkapazität (Pollakisurie)
- Oft liegen mehrere Ursachen gleichzeitig vor.
Folgen der Nykturie
- Nykturie ist ein wesentlicher Risikofaktor für Stürze bei mobilen älteren Personen, und bis zu 10 % der Oberschenkelhalsfrakturen bei älteren Personen hängen mit der Nykturie zusammen.
- Häufig unterbrochener Schlaf ist außerdem ein bekannter Risikofaktor, der mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität bei älteren Personen assoziiert ist.
- Nächtliche Polyurie kann bei älteren Menschen in Kombination mit einer altersbedingten Reduktion des funktionellen Blasenvolumens und Detrusorinstabilität gelegentlich zu Inkontinenz führen.
Pathogenese
- Bei gesunden Menschen liegt die tägliche Urinproduktion zwischen 1.000 und 1.500 ml, und die Blasenkapazität variiert zwischen ungefähr 400 bis 750 ml.
- Die normale Häufigkeit des Wasserlassens beträgt 4- bis 5-mal bei Männern und 5- bis 6-mal bei Frauen mit keinen oder wenigen Miktionen im Laufe einer normalen Schlafperiode.
- Mit dem Alter steigt die Häufigkeit des Wasserlassens.
- Verschiedene Erkrankungen können eine erhöhte Häufigkeit des Wasserlassens und Nykturie verursachen:
- neurologische Erkrankungen, z. B. Parkinson-Syndrom und multiple Sklerose
- urologische/gynäkologische Zustände, z. B. benigne Prostatahyperplasie und Zystitis
- Prostataobstruktion
- Bei 1/3 der Patient*innen, die wegen BPH operiert werden, bleibt die Nykturie postoperativ bestehen, was darauf hindeutet, dass die Nykturie in diesen Fällen als separates, klinisches Symptom zu behandeln ist.
- Harndrang wird häufig durch Detrusorinstabilität verursacht, und das Auftreten ist erhöht bei älteren Menschen.
- Kleine Mengen Urin rufen dann das Gefühl einer vollen Blase und eine wachsende Zahl an Miktionen hervor.
- Antidiuretisches Hormon (ADH)
- Synonyme: Vasopressin, Arginin-Vasopressin
- Wird aus dem Hypophysenhinterlappen freigesetzt und erhöht die Wasserrückresorption aus den Nierentubuli.
- Beim Schlafen wird ADH normalerweise vermehrt abgegeben, sodass eine geringeres Harnvolumen mit konzentriertem Urin gebildet werden.
- Bei älteren Personen wird weniger ADH freigesetzt.
- Alkohol und Koffein hemmen ADH und verstärken die Nierendurchblutung. Beides wirkt diuretisch.
- Im Erwachsenenalter wird ca. 25 % oder weniger der gesamten Harnmenge im Laufe der Nacht produziert.
- Vom Alter von 60 Jahren an findet ein größerer Teil der täglichen Urinproduktion während der Nacht statt.
- Mit dem Alter durchlaufen die Harnwege physiologische Veränderungen, die zu einer Reduktion der renalen Konzentrationsfähigkeit und der Natrium-Retentionskapazität, dem Verlust des Tagesrhythmus für die Ausschüttung von ADH, der Hemmung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems und zur erhöhten Sekretion von atrialem natriuretischem Polypeptid führen.
- Der Nettoeffekt ist eine erhöhte Urinproduktion während der Nacht, die als nächtliche Polyurie bezeichnet wird.
Konsultationsgrund
- Viele ältere Menschen begreifen Nykturie als einen natürlichen Teil der Alterung und begeben sich daher nicht in ärztliche Behandlung.
- Einige begeben sich wegen einer als belastend erlebten Nykturie in ärztliche Behandlung.
- In anderen Fällen sind andere Beschwerden einer u. a. auch Nykturie verursachenden Erkrankung der Konsultationsanlass.
Abwendbar gefährliche Verläufe
- Bei Polyurie
- Diabetes insipidus (Cave: Elektrolytstörungen, Dehydrierung!)
- Herzinsuffizienz
- Diabetes mellitus (z. B. diabetische Ketoazidose)
- Bei Blasenentleerungsstörungen mit Inkontinenz, Überlaufblase oder Harnverhalt
- Harnwegsobstruktionen (siehe Artikel LUTS, Symptome des unteren Harntrakts), z. B. bei Tumoren der ableitenden Harnwege oder Prostata
- Konus-Kauda-Syndrom (z. B. bei lumbalen Bandscheibenschäden)
ICPC-2
- U02 Miktion/Harndrang
- U13 Blasensymptom/-beschwerden, andere
- U29 Harnwegssymptom/-beschwerden, andere
ICD-10
- Nach ICD-10-GM Version 20228
- R35 Polyurie, Pollakisurie und Nykturie
- N31 Neuromuskuläre Dysfunktion der Harnblase, anderenorts nicht klassifiziert
- N31.0 Ungehemmte neurogene Blasenentleerung, anderenorts nicht klassifiziert
- N31.9 Neuromuskuläre Dysfunktion der Harnblase, nicht näher bezeichnet
- N32 Sonstige Krankheiten der Harnblase
- N32.8 Sonstige näher bezeichnete Krankheiten der Harnblase (Harnblase: kalzifiziert, kontrahiert, überaktiv)
- N39 Sonstige Krankheiten des Harnsystems
- N39.4 Sonstige näher bezeichnete Harninkontinenz. Soll eine damit verbundene hyperaktive Blase [ÜAB/OAB] oder Detrusorüberaktivität angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer (N32.8) zu benutzen.
- N39.8 Sonstige näher bezeichnete Krankheiten des Harnsystems
- N39.9 Krankheit des Harnsystems, nicht näher bezeichnet
- F45.34 Somatoforme autonome Funktionsstörung des Urogenitalsystems
Differenzialdiagnosen
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Nächtliche Polyurie
- Polyurie: Harnmenge > 40 ml/kg KG/24 h
- Nächtliche Polyurie: mehr als 1/3 der gesamten Harnmenge wird in der Nacht ausgeschieden.
- Mögliche Ursachen
- Polydipsie (Ursachen siehe dort)
- Diabetes insipidus (selten)
- Zentral: Hypophysentumor? Verminderte ADH-Ausschüttung
- renal: Resistenz der Nierentubuli gegenüber ADH
- gesteigerte Diurese, verdünnter Harn (mit einem niedrigen spezifischen Gewicht), exzessiver Durst, evtl. lebensbedrohlich durch Elektrolytentgleisung und Dehydrierung
- Typ-1-Diabetes
- Typ-2-Diabetes
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen, z. B. Herzinsuffizienz
- Schlafapnoe
- Medikamente, z. B. Diuretika und andere Antihypertensiva, Lithium
Pollakisurie
- Verminderte Blasenkapazität, z. B. bei Detrusorhyperaktivität
- Vermehrter Harndrang (> 8 Harnentleerungen/24 h) bei normaler Gesamtharnmenge (bis 2,8 l/24 h)
- Überaktive Blase
- Infravesikale Obstruktion, evtl. bis zur Harnretention, z. B. bei:
- Prostataerkrankungen
- Tumoren der Harnblase von Nachbarorganen im kleinen Becken
- Genitaldeszensus.
- Infekte der Harnwege und des Genitals
- Urolithiasis
- Fremdkörper der Harnblase
- Urethralsyndrom (Urethral Pain Syndrome)
- Interstitielle Zystitis
- Genitalatrophie
- Neurologische Erkrankungen
- Endokrinologische Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus)
- Herzinsuffizienz mit Nykturie
Anamnese
Harnentleerung und Flüssigkeitszufuhr
- Änderungen im Vergleich zu früher?
- Wie häufig muss die betroffene Person nachts aufstehen, um zu urinieren?
- Wasserlassen nach dem morgendlichen Aufstehen nicht mitzählen.
- Trinkt die betroffene Person abends viel?
- Miktionskalender (Blasentagebuch)
- Führen eines Toiletten-/Trinkprotokolls über 2 bis 5 Tage kann nützliche Informationen bringen und wird zur Abklärung einer Detrusorüberaktivität empfohlen.
Blasensymptome
- Red Flags
- Infektion (z. B. Pyelonephritis, Urosepsis; siehe Artikel Komplizierter Harnwegsinfekt)
- Beschwerden bei der Harnentleerung?
- rasche Erhöhung der Anzahl der Miktionen
- Vorhergehende Harnwegsinfektionen?
- Fieber?
- Schmerzen (Infektion? Urolithiasis? Tumor? Trauma?)
- Hämaturie (Infektion? Urolithiasis? Tumor? Trauma? iatrogen?)
- Vorheriger akuter Harnverhalt (Urolithiasis? Tumor? Harnröhrenstriktur?)
- Inkontinenz? (Infektion? Tumor? neurologische Störung, z. B. Konus-Kauda-Syndrom, multiple Sklerose, Demenz, autonome Neuropathie z. B. bei Diabetes mellitus)
- Sensibilitätsausfälle im „Reithosenareal", abgeschwächter Analsphinktertonus und -reflex: Konus-Kauda-Syndrom? Neurologische Systemerkrankung?
- Infektion (z. B. Pyelonephritis, Urosepsis; siehe Artikel Komplizierter Harnwegsinfekt)
- Entleerungsprobleme als Anzeichen für Detrusorinstabilität oder Prostataobstruktion?
- Startschwierigkeiten beim Wasserlassen, schwacher Harnstrahl, das Gefühl einer unvollständigen Blasenentleerung, Unterbrechungen beim Wasserlassen, das Bedürfnis zu pressen/zu drücken, Nachtropfen, Brennen oder Schmerzen bei der Miktion.
- Bei Männern mit Hinweisen auf Obstruktion: IPSS-Score verwenden. Dieser steigt mit zunehmendem Alter.
Medikamente
- Antihypertensiva?
- Diuretika?
- Lithium?
- Naturheilmittel, z. B. harntreibende Phytotherapeutika?
Neurologische Erkrankung
Verhalten, Psyche, Sexualität
- Psychische Exploration
- Schlafstörungen?
- z. B. obstruktive Schlafapnoe; ggf. Schlaftagebuch
- Sexualanamnese
Klinische Untersuchung
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Allgemeines
- Allgemeine klinische Untersuchung mit Schwerpunkt, zugrunde liegende Erkrankungen zu finden (siehe Abschnitt Differenzialdiagnosen).
- Vorerkrankungen? (BMI, Diabetes, Herzinsuffizienz, frühere Operationen)
- Bei Polyurie
- Hinweise auf eine Herz- oder Niereninsuffizienz (periphere Ödeme, arterieller Hypertonus etc.)?
- Ausschluss Diabetes mellitus und insipidus
- Bei Pollakisurie
- bei Männern: digital-rektale Untersuchung (DRU) der Prostata
- Siehe auch TrainAMed Digital-rektale Untersuchung (Uni Freiburg).
- orientierende neurologische Untersuchung
- Inkl. Sensibilitätsprüfungen Reithosenareal, besonders bei begleitender Lumbago oder anderen Symptomen, die auf eine Beteiligung von Spinalnerven hinweisen könnten.
Ergänzende Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
- Urinstix, ggf. Urinkultur zum Ausschluss eines Harnwegsinfektes
- Evtl. 24-Stunden-Urinvolumen bestimmen.
- Blutzucker
- Kreatinin
- Elektrolyte
- PSA
- Sollte bei Symptomen des unteren Harntrakts, nach gründlicher Information der Patienten über die Bedeutung des PSA-Wertes, bestimmt werden.
- Hat bei symptomfreien Patienten keinen Wert für ein Screening.
- PSA ist z. B. auch bei Harnwegsinfektionen in vielen Fällen vorübergehend erhöht.
- Die Hälfte aller erhöhten Ergebnisse normalisiert sich wieder im Laufe einer 1- bis 4-jährigen Verlaufskontrolle ohne medizinische oder chirurgische Eingriffe.
- Die DEGAM empfiehlt folgendes Vorgehen im Umgang mit der Bestimmung des PSA-Wertes im Rahmen der Prostatakrebs-Früherkennungsuntersuchung im hausärztlichen Bereich:12
- Männer, die von sich aus nach einer Früherkennungsuntersuchung fragen – mit oder ohne PSA-Wert-Bestimmung – sollen ergebnisoffen über die Vor- und Nachteile aufgeklärt werden.
- Männer sollten im Rahmen der Früherkennungsuntersuchung nicht aktiv auf die Bestimmung des PSA-Wertes angesprochen werden.
- Nutzen und Risiken (Überdiagnose und Übertherapie) in natürlichen Zahlen und auch grafisch darstellen.
- geeignete Grafiken für das Aufklärungsgespräch in der DEGAM-Praxisempfehlung Hausärztliche Beratung zu PSA-Screening12
- Aussagekraft von positiven und negativen Testergebnissen erklären.
- Die Evidenz für den Nutzen einer digital-rektalen Untersuchung reicht nicht aus, um sie generell empfehlen zu können.
- Sonografie der unteren Harnwege und ggf. der Nieren
- Tumor, Stein, Fremdkörper?
- Restharn?
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
- Überweisung zur Urologie z. B.:
- bei Hinweisen auf Harnwegsobstruktion, komplizierten Harnwegsinfekt, Urolithiasis, Harnverhalt
- zur symptomatischen Behandlung einer überaktiven Blase: ab 2 oder mehr nächtlichen Miktionen und je nach Leidensdruck der betroffenen Person.
- Überweisung zur Gynäkologie z. B. bei Hinweisen auf Genitalprolaps, urogenitale Infektion, Fistel
- Überweisung zur Neurologie/Neurochirurgie z. B. bei Konus-Kauda-Syndrom, Hinweisen auf zentralnervöse Erkrankung, Polyneuropathie
- Überweisung zur Endokrinologie z. B. bei Hinweis auf Diabetes insipidus
- Überweisung zur Kardiologie z. B. bei Hinweis auf Herzinsuffizienz
- Überweisung zur Nephrologie z. B. bei kompliziertem Harnwegsinfekt, Hinweisen auf Nierentumor, Nierenfunktionsstörungen
Checkliste zur Überweisung
Nykturie
- Zweck der Überweisung
- Ursachensuche, Differenzialdiagnostik?
- Biopsie? Zystoskopie? Therapie?
- Anamnese
- Beginn und Dauer?
- Bisheriger Verlauf?
- Pollakisurie oder Polyurie?
- Beschwerden bei der Harnentleerung? Beschwerden bei der Entleerung? Starker plötzlicher Harndrang? Nächtliche Beschwerden? Harnverlust? Hämaturie? Hämatospermie? Urinretention? Weitere/s?
- Evtl. Behandlungsversuch − Ansprechen?
- Andere relevante Krankheiten? Regelmäßige Medikamente?
- Konsequenzen?
- Klinische Untersuchung
- Allgemeinzustand?
- Prostata? − vergrößert? − Knoten?
- Rektum? − palpabler Tumor?
- Periphere Ödeme?
- Ergänzende Untersuchungen
Allgemeine Maßnahmen
- Ratschläge zu den Trinkgewohnheiten
- Vermeiden, abends viel zu trinken. Die Trinkmenge sollte 3 Stunden vor dem Schlafengehen reduziert werden.
- Vor dem Schlafengehen Alkohol und koffeinhaltige Getränke meiden.
- Bei Beinödemen
- Ca. 1 Stunde vor dem Schlafengehen mit hochgelagerten Beinen sitzen.
- Körperliche Aktivität
- Fördert den tiefen Schlaf und erhöht die Blasenkapazität.13
- Näheres dazu siehe auch die Artikel Überaktive Blase und LUTS, Symptome des unteren Harntraktes.
Medikamentöse Therapie
- Bei Nachweis einer organischen Ursache steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund.
- Die folgenden Empfehlungen gelten für die Behandlung einer Nykturie nach Ausschluss einer organischen Ursache.
Nächtliche Polyurie: ggf. Desmopressin (ein Vasopressin-Analogon)
- Ansprechrate bei nächtlicher Polyurie: ca. 25–30 %
- Laut Cochrane-Review Reduktion der nächtlichen Miktionszahl um durchschnittlich 0,61 (95 % KI: 0,10–9,03)14
- basierend auf Studien niedriger Qualität
- niedrige Effektstärke mit fraglicher klinischer Relevanz
- Bei älteren Menschen besteht die Gefahr einer Hyponatriämie. Herz- und Niereninsuffizienz sind Kontraindikationen.
- Dosierungsbeispiele1
- Desmopressin 10–40 μg nasal
- Desmopressin 0,1–0,4 mg p. o.
Detrusorüberaktivität: ggf. Antimuskarinikum (Anticholinergikum)
- Näheres zur dieser Substanzgruppe und zu Behandlungsalternativen bei Detrusorüberaktivität siehe Artikel Überaktive Blase.
- In Deutschland zugelassene orale Substanzen sind Darifenacin, Fesoterodin, Oxybutynin, Propiverin, Solifenacin und Tolterodin und Trospiumchlorid. Oxybutynin ist zudem als transdermales Pflaster erhältlich.
- Die Wirksamkeit ist durch randomisiert kontrollierte Studien belegt.15
- Kontraindikationen beachten.
- Anticholinergika können bei Demenz-Patient*innen die kognitiven Funktionen noch weiter einschränken, evtl. eignet sich Tolteridon besser als andere Anticholinergika.
- Es gibt vorläufige Hinweise darauf, dass die in der Demenzbehandlung eingesetzten Cholinesterasehemmer mit Anticholinergika interagieren und eine Detrusorüberaktivität auslösen oder verstärken können.5
- Engwinkelglaukom
- Ileus
- Stenose des Gastrointestinaltrakts
- schwere chronisch entzündliche Darmerkrankungen
- toxisches Megakolon
- Myasthenia gravis
- Tachyarrhythmien
- schwere subvesikale Obstruktion (Cave bei Prostatahyperplasie!)
- Harnverhalt
- Bei älteren Menschen mit Vorbehalt einsetzen.5
- Altersbedingte Änderungen der Pharmakokinetik beachten.
- Ggf. wird eine ausreichende Wirksamkeit bereits bei niedrigeren Dosierungen erreicht.
- Indikation sorgfältig prüfen, Polypharmazie vermeiden.
- Potenzielle Arzneimittelinteraktionen berücksichtigen.
- Dosierungsbeispiele
- Oxybutinin 2–3 x 2,5–5 mg/d; Dosis ggf. steigern, Maximaldosis 20 mg/d.
- Oxybutinin retard 5 mg/d; Dosis ggf. steigern, Maximaldosis 30 mg/d.
- Tolterodin 2 x 1–2 mg /d
- Tolterodin retard 2–4 mg/d
- Darifenacin retard 7,5–15 mg/d
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Deutsche Kontinenz Gesellschaft
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Diagnostik und Therapie von neurogenen Blasenstörungen. AWMF-Leitlinie Nr. 030-121. S1, Stand 2020. www.awmf.org
- European Association of Urology. Non-Oncology Guidelines. Management of Non-neurogenic Male LUTS. Stand 2020, Zugriff am 12.10.2021. uroweb.org
- Deutsche Gesellschaft für Urologie. S3-Leitlinie Prostatakarzinom. AWMF-Leitlinie Nr. 043-022OL. Stand 2021. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. S3, Stand 2018. www.awmf.org
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Diagnostik und Therapie von neurogenen Blasenstörungen. AWMF-Leitlinie Nr. 030-121, S1, Stand 2020 www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Die überaktive Blase (ÜAB). AWMF-Leitlinie Nr. 015-007, S2k, Stand 2010 (abgelaufen). www.awmf.org
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- Deutsche Gesellschaft für Urologie. Benignes Prostatasyndrom (BPS), Diagnostik und Differenzialdiagnostik. AWMF-Leitlinie Nr. 043-034, Klasse S2e, Stand 2009 (abgelaufen). www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen – S3-Leitlinie und Anwenderversion der S3-Leitlinie Harnwegsinfektion. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. Stand 2018. www.awmf.org
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Autor*innen
- Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).