Akute interstitielle Nephritis

Die akute interstitielle Nephritis (AIN) oder akute tubulointerstitielle Nephritis ist eine plötzlich auftretende Nierenerkrankung, die mit einer eingeschränkten Nierenfunktion einhergehen kann. Es kommt zu einer Entzündungsreaktion innerhalb der Niere, v. a. im Bereich zwischen den Nierenkanälchen und -körperchen (im Interstitium). Die Entzündung kann durch Medikamente, eine Infektion oder eine überschießende Immunreaktion ausgelöst werden.

Was ist ein akutes Nierenversagen?

Eine akute interstitielle Nephritis bezeichnet eine Entzündung der Niere. Diese betrifft vor allem das Gewebe, was zwischen den funktionellen Untereinheiten der Niere (Nierenkörperchen und - kanälchen) liegt und als Interstitium bezeichnet wird. Meist sind gleichzeitig auch die Tubuluszellen betroffen, die die Nierenkanälchen bilden, weswegen man auch von einer tubulo-interstitiellen Nephritis spricht.

Kommt es zu einer Entzündung der Tubuluszellen und des Interstitiums, kann die Nierenfunktion deutlich eingeschränkt werden. Es entsteht das Bild eines akuten Nierenversagens. Die Niere kann ihrer Filterungs- und Regulationsfunktion nur noch eingeschränkt nachkommen, weshalb der Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt beeinträchtigt werden kann. Es kommt z. B. zu einer verminderten Urinausscheidung, zu einer vermehrten Ausscheidung von Proteinen über den Urin (Proteinurie) sowie zu Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen. Auch Fieber, Hautausschläge und Gelenk- sowie Flankenschmerzen können auftreten. Die Erkrankung kann anfangs auch symptomlos verlaufen. Je nach Ursache können auch andere Anzeichen der möglicherweise auslösenden Grunderkrankung vorliegen.

Ursache

Als häufigste Ursache entsteht eine akute interstitielle Nephritis im Rahmen einer allergischen Reaktion auf ein Medikament. Es sind zahlreiche Medikamente bekannt, die eine akute interstitielle Nephritis verursachen können, u. a. bestimmte Antibiotika, Schmerzmittel (NSAR), magensäurehemmende Mittel (Omeprazol) oder entwässernde Medikamente (Diuretika). Das Risiko für die Entwicklung der Erkrankung scheint unabhängig von der Dosis zu sein. Von der Einnahme bis zum Einsetzen der Erkrankung liegen in der Regel ca. 10–14 Tage. Eine akute interstitielle Nephritis als allergische Reaktion auf ein Medikament kann in manchen Fällen allerdings auch erst später auftreten.

Auch im Rahmen von Infekten kann eine akute interstitielle Nephritis entstehen, z. B. nach einer bakteriellen Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis). Auch Vireninfekten (z. B. Zytomegalievirus, HIV, Pfeiffer-Drüsenfieber) oder Pilzinfektionen können mit der Erkrankung assoziiert sein. Die Nephropathia epidemica ist eine interstitielle Nephritis, die in Mitteleuropa vorkommen kann und durch eine Infektion mit Hantaviren hervorgerufen wird. Infektassoziierte Nephritiden treten häufig bei immungeschwächten Patienten auf, insbesondere nach einer Nierentransplantation.

Weiterhin sind Autoimmunerkrankungen bekannt, die mit einer akuten interstitiellen Nephritis einhergehen, z. B. das Sjögren-Syndrom, der systemische Lupus erythematodes, die Sarkoidose, der Morbus Crohn und die Granulomatose mit Polyangiitis. Verschiedene Formen einer Glomerulonephritis bewirken ebenfalls eine interstitielle Entzündung.

Diagnostik

Neben dem Erfragen der Krankengeschichte (Anamnese) und der eingenommenen Medikamente ist die körperliche Untersuchung wichtig, bei der auf die oben genannten körperlichen Anzeichen geachtet wird.

In manchen Fällen wird die Erkrankung bei einer Blutuntersuchung erkannt, die auf eine verschlechterte Nierenfunktion bzw. auf ein akutes Nierenversagen hinweisen. Im Blut können auch weitere Werte auffällig sein, z. B. das Blutbild. Im Urin können möglicherweise Blut, Proteine und weiße Blutkörperchen vorkommen. Außerdem wird in der Regel eine Ultraschalluntersuchung der Nieren durchgeführt.

Besteht der Verdacht, dass die akute interstitielle Nephritis durch eine Medikamenteneinnahme bedingt ist, so wird zunächst das Medikament abgesetzt. Bleibt eine Besserung der Nierenfunktion auch nach Absetzen des Medikamentes aus oder ist die Diagnose unsicher, wird in der Regel eine Nierenpunktion durchgeführt. Hierbei wird mit einer dünnen Nadel Nierengewebe entnommen und anschließend unter dem Mikroskop untersucht.

Therapie

Die Behandlung der akuten interstitiellen Nephritis hängt von der auslösenden Ursache ab. Der erste und wichtigste Schritt ist, nach möglichen auslösenden Medikamenten zu forschen und diese abzusetzen. Nehmen Patienten mehrere Medikamente, sollten möglichst viele davon nacheinander ausgetauscht werden. Bei den meisten Patienten erholt sich die Nierenfunktion nach dem Absetzen des auslösenden Medikaments.

Als medikamentöse Therapie kommen Kortikosteroide in Frage. Sie können die Erholung bei einer medikamentenverursachten Nephritis beschleunigen. Bei Nephritiden, die mit Autoimmunerkrankungen assoziiert sind, kommen in der Regel ebenfalls Kortikosteroide zum Einsatz. Wenn keine Besserung eintritt, sind u. U. auch andere immununterdrückende Medikamente wie Cyclophosphamid oder Azathioprin erforderlich.

Es erfolgt eine regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion. In manchen Fällen ist möglicherweise eine Blutwäsche (Dialyse) angezeigt. Außerdem werden Symptome wie Fieber oder Schmerzen behandelt.

Verlauf und Prognose

Die Prognose hängt von der Ursache der akuten interstitiellen Nephritis ab. Als Komplikation kann die Erkrankung einen langwierigen Verlauf nehmen und es kann sich eine chronische interstitielle Nephritis entwickeln. Eine weitere Komplikation ist die Entstehung einer chronischen Nierenkrankheit.

Die meisten Patienten mit einer akuten interstitiellen Nephritis können allerdings nach einem frühzeitigen Absetzen des verursachenden Medikaments mit einer Normalisierung der Nierenfunktion innerhalb weniger Wochen rechnen. Je früher die schädliche Medikation abgesetzt wird, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit für eine vollständige Erholung der Nierenfunktion.

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  • Marleen Mayer, Ärztin, Mannheim

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Interstitielle Nephritis, akute. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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