Hepatorenales Syndrom

Beim hepatorenalen Syndrom kommt es im Rahmen einer fortgeschrittenen Lebererkrankung (z. B. Leberzirrhose) zu einer Nierenfunktionsstörung.

Was ist das hepatorenale Syndrom?

Beim hepatorenalen Syndrom (HRS) kommt es im Rahmen einer Lebererkrankung (hepato-) zu einer Nierenfunktionsstörung (renal). Die Nierenfunktion kann sich im Verlauf potenziell wieder bessern. Als Grunderkrankung liegt in der Regel eine fortgeschrittene Leberzirrhose vor, die z. B. durch übermäßigen Alkoholkonsum oder eine Viruserkrankung (Hepatitis B oder Hepatitis C) bedingt ist. Im Rahmen der fortgeschrittenen Leberzirrhose besteht in der Regel gleichzeitig Flüssigkeit in der Bauchhöhle (Aszites).

Die Nierenfunktionsstörung rührt von einer verminderten Durchblutung her. Durch die Lebererkrankung kommt es zur Drosselung der Blutzufuhr der Nieren. Die genauen Mechanismen hierfür sind allerdings unbekannt. Auslösend können bakterielle Infekte oder Flüssigkeitsverluste sein, z. B. durch Blutungen im Magen-Darm-Trakt (z. B. bei Krampfadern in der Speiseröre (Ösophagusvarizen), Durchfall oder eine entwässernde Therapie (Diuretika oder Ablassen von einer großen Menge Wasser im Bauch).

Man unterscheidet zwei Typen des hepatorenalen Syndroms. Bei Typ 1 kommt es innerhalb von Tagen zu einem raschen Anstieg der Nierenwerte (Kreatinin) im Blut, was mit einer ungünstigen Prognose vergesellschaftet ist. Bei Typ 2 steigt das Kreatinin eher langsam über Wochen und Monate an. Hier ist die Prognose besser.

Bei Patienten mit Leberzirrhose und niedriger Muskelmasse kann ein Nierenversagen auch schon bei niedrigeren Kreatininwerten vorliegen.

Das hepatorenale Syndrom tritt bei fortgeschrittener Leberzirrhose mit Aszites häufig auf.

Symptome

Durch das akute Nierenversagen kommt es zu einer verringerten Ausscheidung von Urin. In manchen Fällen wird gar kein Urin mehr produziert. Dies führt zu Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme). Außerdem kann sich das Nierenversagen in Übelkeit, Erbrechen, unspezifischen Bauchschmerzen, Müdigkeit, Verwirrtheit, Schwäche und Konzentrationsstörungen äußern. Gleichzeitig liegen Symptome der Leberzirrhose vor, z. B. Gelbsucht (Ikterus), Juckreiz, Bauchwasser (Aszites), Störungen der Blutgerinnung, Müdigkeit bis hin zur Bewusstseinstrübung.

Diagnostik

Mit der Diagnostik sollen andere Ursachen für ein akutes Nierenversagen bei Patienten mit Leberzirrhose (siehe auch Artikel Akutes Nierenversagen, Symptome und Diagnostik) bzw. andere Ursachen für eine kombinierte Leber- und Nierenfunktionseinschränkung ausgeschlossen werden.

Zunächst wird die Krankengeschichte (Anamnese) erhoben und nach Symptomen sowie Vorerkrankungen (z. B. bekannte Leberzirrhose) gefragt. In der körperlichen Untersuchung wird u. a. auf das Vorhandensein von Aszites und andere Anzeichen für eine Leber- und Nierenerkrankung geachtet. Im Blut werden Leber- und Nierenwerte bestimmt sowie ein möglicherweise vorliegender Eiweißmangel und Gerinnungsstörungen durch die eingeschränkte Leberfunktion abgeklärt. Außerdem wird der Säure-Basen- und Elektrolythaushalt erhoben. Der Urin wird auf Elektrolyte, Proteine und Blut untersucht. Außerdem wird er mikroskopiert. Sind viele Proteine, Blut oder Harnzylinder (Zellklumpen aus weißen oder roten Blutkörperchen) vorhanden, spricht dies eher für ein akutes Nierenversagen anderer Ursache. Weiterhin erfolgt eine Ultraschalluntersuchung der Harnwege und Nieren. In unklaren Fällen kann es außerdem angezeigt sein, Gewebeproben zu entnehmen (Nierenbiopsie) oder bildgebende Untersuchungen (CT oder MRT der Nieren/Harnwege) durchzuführen.

Therapie

Die Therapie des hepatorenalen Syndroms Typ 1 erfolgt in der Regel im Krankenhaus. Zunächst ist es wichtig, die Leberfunktion möglichst zu normalisieren. Damit bessert sich auch die Nierenfunktion wieder. Ziel ist es, das Blutvolumen innerhalb der Gefäße zu erhöhen, damit die Blutversorgung der Nieren verbessert wird. Hierzu wird Albumin, ein Protein, und Terlipressin, ein gefäßwirksames Medikament, gegeben und entwässernde Medikamente (Diuretika) abgesetzt. Außerdem kann bei manchen Patienten mit Leberzirrhose die Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) erwogen werden, einer künstlichen Gefäßverbindung zwischen Lebervene und Pfortader. Dieser sorgt dafür, dass das vor der Leber gestaute Pfortaderblut besser in den großen Venenkreislauf abfließen kann, was die Durchblutungssituation für die Nieren verbessert.

Das hepatorenale Syndrom Typ 2 kann oft außerhalb des Krankenhauses behandelt werden. Das Hauptproblem des hepatorenalen Syndroms Typ 2 ist ein Aszites, der nicht mehr auf die therapeutischen Maßnahmen anspricht (therapierefraktär). Möglicherweise ist es sinnvoll, die Flüssigkeit aus der Bauchhöhle mehrmals abzulassen (Aszites-Drainage oder Parazentese) sowie Albumin zu geben. Auch hier kann eine TIPS-Anlage erwogen werden, sofern keine Gegenanzeigen bestehen.

Die einzige Therapie, die das hepatorenale Syndrom heilen kann, ist eine Lebertransplantation. Da Spenderorgane jedoch knapp sind und bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um eine Lebertransplantation erhalten zu können, kommt dies nicht für alle Patienten infrage. Wenn eine Lebertransplantation möglich ist, kann die Wartezeit auf ein geeignetes Spenderorgan sehr lange sein. Ggf. kommen dann überbrückende Maßnahmen zur Behandlung des hepatorenalen Syndroms zum Einsatz, z. B. Dialyse.

Vorbeugung

Die Einnahme nierenschädigender Medikamente (z. B. NSAR) sollte bei chronischen Lebererkrankungen möglichst vermieden werden. Zudem sollte das Fortschreiten einer Leberzirrhose verhindert werden. Bei einer Leberzirrhose, die durch Alkohol hervorgerufen wurde, bedeutet dies z. B. einen strikten Verzicht auf Alkohol. Patienten mit einer chronischen Lebererkrankung sollten bei sich auf Anzeichen eines akuten Nierenversagens achten und die behandelnden Ärzte aufsuchen, sobald Symptome festgestellt werden. Auch Infektionen und Blutungen sollten frühzeitig behandelt werden.

Prognose

Das hepatorenale Syndrom ist eine ernste Erkrankung, die die Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten mit einer chronischen Lebererkrankung vermindern kann. Allerdings sind die Langzeitaussichten von Patient zu Patient unterschiedlich. Bei HRS Typ 1 ist die Sterbewahrscheinlichkeit hoch, bei HRS Typ 2 ist die Prognose besser. 

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Autoren

  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden
  • Marleen Mayer, Ärztin, Mannheim

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Hepatorenales Syndrom (HRS). Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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