Definition:Chronische (Dauer > 3 Monate) pathologische Veränderungen von Nierenstruktur oder -funktion mit Auswirkungen auf den Gesundheitszustand.
Häufigkeit:In Deutschland sind ca. 2 Mio. Menschen betroffen, zunehmende Prävalenz mit dem Alter (jede 8. Person in der Altersgruppe 70–79 Jahre). Nur bei einer Minderheit der Betroffenen ist die Erkrankung bekannt und in Behandlung.
Symptome:In den frühen Stadien wenig symptomatisch bzw. unspezifische Symptome wie Leistungsminderung, Müdigkeit. Bei fortgeschrittener Erkrankung Blässe, Übelkeit, Ödeme, Dyspnoe, Knochenschmerzen, Juckreiz, Restless Legs.
Diagnostik:Diagnose erfolgt durch 1. Nachweis eines strukturellen Nierenschadens (vor allem Erfassung einer Albuminurie) und/oder 2. Nachweis einer eingeschränkten Nierenfunktion (eGFR < 60 ml/min/1,73 m2).
Therapie:Allgemeinmaßnahmen wie begrenzte Salzzufuhr, Rauchstopp. Falls indiziert, medikamentöse Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren. Blockade des Renin-Angiotensin-Systems zur Verbesserung der Proteinurie. Ggf. Behandlung von Azidose, Anämie und Mineralstoffwechselstörungen. Bei terminaler Niereninsuffizienz Dialyse oder Nierentransplantation.
Allgemeine Informationen
Definition
Definition der chronischen Nierenkrankheit (Chronic Kidney Disease = CKD)1
pathologische Veränderungen von Nierenstruktur oder Nierenfunktion
Dauer > 3 Monate
Auswirkungen auf den Gesundheitszustand
Kriterien einer chronischen Nierenkrankheit (eines der folgenden Kriterien für > 3 Monate)
Marker eines Nierenschadens (1 oder mehrere)
Albuminurie: ≥ 30 mg/24 h bzw. Albumin-Kreatinin-Quotient (ACR) ≥ 30 mg/g (≥ 3 mg/mmol)
pathologisches Urinsediment
Elektrolytstörungen und andere pathologische Veränderungen infolge von Tubulopathien
histologische Nierenschäden
Nachweis pathologischer Nierenveränderungen durch bildgebende Verfahren
Im deutschen Sprachraum ist bislang der Begriff „chronische Niereninsuffizienz“ sehr gebräuchlich, in den nephrologischen Leitlinien wird hingegen treffender von „Chronic Kidney Disease“ (CKD) gesprochen.1,4
Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass „Niereninsuffizienz“ lediglich die verminderte Reinigungsfunktion beschreibt.
„CKD“ umfasst hingegen zusätzlich morphologische Veränderungen und die prognostisch ebenfalls bedeutsame Proteinurie.4-5
Häufigkeit
In deutschen Hausarztpraxen wird die Prävalenz der CKD auf bis zu 28 % geschätzt, überwiegend geriatrische Patient*innen mit altersbedingt eingeschränkter Nierenfunktion in den frühen CKD-Stadien.6-7
Physiologische Abnahme der Nierenfunktion im Alter, wobei die CKD-Klassifikation bislang keine Adjustierung nach Alter ermöglicht (bei über 65-Jährigen Anstieg der Mortalität erst ab einer GFR < 45 ml/min/1,73 m2).8
In Deutschland sind ca. 2 Mio. Menschen betroffen.9
Ca. 2,3 % der Menschen im Alter von 18–79 Jahren weisen eine GFR von < 60 ml/min/1,73 m2 auf.9
Bei unter 50-Jährigen selten, in der Altersgruppe 70–79 Jahre ist ca. jede 8. Person betroffen.9
Nur 28 % der Betroffenen wissen von ihrer Nierenfunktionsstörung und nur 2/3 derjenigen, die davon wissen, sind diesbezüglich in ärztlicher Behandlung.11
Insbesondere Älteren ist die Erkrankung häufig nicht bekannt.12
Ätiologie und Pathogenese
Bei hausärztlichen Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (CKD Stadium III, GFR im Durchschnitt 52ml/min lagen die folgenden Begleiterkrankungen vor:13
Auf dem Laborbericht sollte immer der eGFR-Wert angegeben werden.1,11
Bestimmung der eGFR gemäß MDRD- oder CKD-EPI-Formel (Letztere favorisiert)
Bei älteren Patient*innen (> 70 Jahre) sind diese Formeln weniger zulässig. Möglicherweise sind speziell in dieser Altersgruppe validierte Formeln besser (BIS 1).
Kreatinin ist als Frühmarker einer Nierenfunktionsstörung ungeeignet, Anstieg erst bei Funktionsunfähigkeit von mehr als der Hälfte der Nephrone.11
Werden Patient*innen erst im Spätstadium der Erkrankung überwiesen, ist dies mit einer schlechteren Prognose verbunden.17
Leitlinie: Überweisung von Patient*innen mit CKD zu Spezialist*innen7
Eine Überweisung zur nephrologischen Untersuchung sollte angeboten werden:
bei erstmals festgestellter CKD mit eGFR < 30 ml/min
bei erstmals festgestellter CKD mit eGFR zwischen 30 und 60 ml/min und
persistierender nicht urologisch erklärbarer Hämaturie 2+ oder
Albuminurie Stadium ≥ A2 oder
refraktärer Hypertonie mit ≥ 3 Blutdruckmedikamenten.
Diese Überweisungskriterien stellen allerdings keine generelle Empfehlung dar. Bei vielen Patient*innen in der Hausarztpraxis stellt die eingeschränkte Nierenfunktion aufgrund relevanter Begleiterkrankungen oder anderer Umstände (z. B. schwere Pflegebedürftigkeit, limitierte Lebenserwartung) kein prioritäres Problem dar, eine Überweisung ist in diesen Fällen nicht geboten.
Hausärztliche Maßnahmen können das Fortschreiten einer CKD verlangsamen.20
Die Behandlung einer CKD umfasst ein Bündel von allgemeinen und medikamentösen Maßnahmen.
Maßnahmen zur Behandlung einer Grunderkrankung, Verzögerung der Progression und zur Vermeidung von kardiovaskulären Komplikationen gehen dabei häufig Hand in Hand.
Bei z. B. einer hypertensiven Nierenerkrankung wird mit dem erhöhten Blutdruck die Grunderkrankung behandelt.
Eine gute Blutdruckeinstellung ist allgemein eine der wichtigsten Maßnahmen der Progressionshemmung bei chronischen Nierenerkrankungen.21
Die antihypertensive Therapie vermindert gleichzeitig das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen.
Durch eine Blockade des RAS (Renin-Angiotensin-Systems) mit z. B. ACE-Hemmer wird nicht nur der Blutdruck eingestellt, sondern auch die progressionsfördernde Albuminurie vermindert.
Lässt sich eine Progression zur terminalen Niereninsuffizienz nicht vermeiden, sollten Nierenersatzverfahren frühzeitig mit den Patient*innen diskutiert und vorbereitet werden.20
Verlangsamung der Progression/Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen
Allgemeinmaßnahmen/Lebensstil
Ernährung/Eiweißaufnahme
Die Progression einer CKD wird ebenso wie das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankung durch die Art der Ernährung beeinflusst.22
Ungünstig ist eine „westliche Diät“ mit einem Übergewicht an tierischen Proteinen und geringem Anteil an Ballaststoffen.22
Bei Patient*innen mit einer eGFR von < 30 ml/min/1,73 m2 (Kategorie G4–G5) sollte die Eiweißzufuhr auf 0,8 g/kg KG/d beschränkt werden (Ernährungsberatung empfohlen).1
Ab CKD-Stadium 4 sollte allen Patient*innen eine Ernährungsberatung angeboten werden.7
Salzzufuhr
Eine hohe nahrungsabhängige Zufuhr von Kochsalz ist ein wichtiger Risikofaktor für die Progression einer CKD.21
Die Aufnahme von Kochsalz sollte auf < 6 g pro Tag beschränkt werden.1
Flüssigkeitszufuhr
Steuerung der Flüssigkeitszufuhr sollte individuell erfolgen unter Berücksichtigung von Grunderkrankung und Komorbiditäten.17
Im Allgemeinen sollte keine hohe orale Flüssigkeitszufuhr zum „Nierenspülen“ eingesetzt werden.17
In den meisten Fällen ist eine tägliche Trinkmenge von 1,5–2 l ausreichend.20Wenn keine Herzinsuffizienz vorliegt, ist eine Restriktion der Trinkmenge nicht erforderlich.7
Hyperurikämie
keine Evidenz hinsichtlich der Wirkung einer harnsäuresenkenden Therapie auf die Progression der CKD (sowohl bei symptomatischen als auch asymptomatischen Patient*innen mit Hyperurikämie)1
regelmäßige körperliche Aktivität entsprechend der kardiovaskulären Belastbarkeit (Ziel mindestens 5 x wöchentlich für 30 min)1
Verlangsamung der Progression durch SGLT-2-Inhibition
Der SGLT-2-Inhibitor Dapagliflozin weist neben der blutzuckersenkenden auch eine renoprotektive Wirkung auf.26
Dapagliflozin wurde 2021 zur Behandlung der chronischen Nierenkrankheit für Patient*innen mit und ohne Diabetes mellitus zugelassen und kann zusätzlich zu einem ACE-Hemmer/AT1-Antagonisten eingesetzt werden.27
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) sieht einen Zusatznutzen bei Erwachsenen mit chronischer Nierenkrankheit.28
Eine abnehmende GFR ist unabhängig von anderen Risikofaktoren mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden.29
Patient*innen mit CKD mit signifikant reduzierter GFR (Stadium G3–G5) weisen per se ein hohes bis sehr hohes kardiovaskuläres Risiko auf.29
GFR 30–59 ml/min/1,73 m2 (G3): hohes kardiovaskuläres Risiko
GFR < 30 ml/min/1,73 m2 (G4–5): sehr hohes kardiovaskuläres Risiko
Validierte Instrumente zur Bestimmung des kardiovaskulären Risikos berücksichtigen die Niereninsuffizienz bei der Risikokalkulation allerdings nicht, weil diese wenig zur Genauigkeit der Risikovorhersage beitragen. Daher wird auch bei Patient*innen mit CKD die Verwendung eines der etablierten kardiovaskulären Risikoscores empfohlen.7
Eine antihypertensive Behandlung sollte bei einem RR > 140/90 mmHg eingeleitet werden.30
Insbesondere für Patient*innen mit Diabetes mellitus und/oder Albuminurie empfehlen einige Leitlinien einen Zielblutdruck von > 130 mmHg systolisch < 80 mmHg diastolisch. In der DEGAM-Leitlinie wird hier ein individuelles Therapieziel empfohlen.7
Priorität bei der Blutdrucksenkung hat die Blockade des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) mit ACE-Hemmern oder AT-Blockern, da hierdurch zusätzlich die Albuminurie günstig beeinflusst wird.30-31
Als initiale Therapie sollte eine Kombination aus RAS-Blocker/Ca-Antagonist oder RAS-Blocker/Diuretikum verwendet werden (bei eGFR < 30 ml/min/1,73m2 bevorzugt Schleifendiuretikum).30
Bei Vorliegen einer Albuminurie sollten auch normotensive Patient*innen mit einem RAS-Blocker behandelt werden (Patient*innen mit Diabetes mellitus bei ACR ≥ 30 mg/g, Patient*innen ohne Diabetes bei ACR ≥ 300 mg/g).1
Zu Beginn der Behandlung ist ein Absinken der eGFR um 10–20 % nicht ungewöhnlich.30,32
Monitoring von eGFR und Elektrolyten, nach einigen Wochen meistens Stabilisierung30
Die Behandlungsziele zwischen Diabetes-Patient*innen mit und ohne CKD unterscheiden sich nicht, es sollten individuelle festgelegt werden. Der Zielkorridor des HbA1c zur Vermeidung oder Verzögerung von mikrovaskulären Komplikationen einschließlich diabetischer Nephropathie liegt bei 6,5–7,5 %, bei Älteren/Menschen mit reduzierter Lebenserwartung sind auch Werte bis 8,0 % akzeptabel.1,7
Bei erhöhtem Risiko für Hypoglykämien können höhere HbA1c-Werte akzeptiert werden.1
Einige orale Antidiabetika müssen abhängig von der eGFR in der Dosis angepasst werden oder sind bei höhergradiger Funktionsstörung kontraindiziert.
Für den sachgerechten Einsatz von oralen Antidiabetika ist daher Kenntnis der aktuellen Nierenfunktion und ihre Verlaufskontrolle in 3- bis 6-monatigen Abständen erforderlich.2
Metformin sollte bei CKD und Typ-2-Diabetes bis zu einer eGFR von ≥ 30 ml/min/1,73 m2 bevorzugt angeboten werden, wenn der HbA1c nicht im individuellen Zielbereich liegt.
Bei höhergradiger Niereninsuffizienz (eGFR <30 ml/min/1,73 m2) kann mit einer der folgenden Substanzklassen behandelt werden:33
Glinide
DPP-4-Inhibitoren
GLP-1-RA
Insulin.
Bei Nichterreichen der Therapieziele Kombination aus Basalinsulin mit einem der oben genannten Wirkstoffe33
Bei Patient*innen mit Diabetes mellitus und Mikroalbuminurie sollte eine Behandlung mit einem RAS-Blocker auch bei noch nicht verminderter eGFR begonnen werden.21
Dyslipidämie
Aufgrund uneinheitlicher Daten, ob eine cholesterinsenkende Therapie die Progression der CKD günstig beeinflusst, wird dies kontrovers diskutiert.21,34
Patient*innen mit einer Niereninsuffizienz sind in Studien zu Statinen unterrepräsentiert.35
Die Behandlung mit Statinen entspricht den Empfehlungen für Patient*innen ohne CKD.7
Eine spezielle Gruppe sind die Patient*innen mit weit fortgeschrittener Niereninsuffizienz unter Dialyse/nach Nierentransplantation, hier ist der Nutzen einer lipidsenkenden Behandlung unsicher.36-37
Bei Patient*innen unter Dialyse: Eine lipidsenkende Therapie sollte nicht neu eingeleitet, eine bereits bestehende aber fortgeführt werden.
Patient*innen nach Nierentransplantation: Statingabe
Die Nierenfunktion ist bei der Statinmedikation und -dosis zu beachten.38
Gemäß DEGAM-Leitlinie sind bei Niereninsuffizienz Fluvastatin bzw. Pravastatin zu bevorzugen, die Dosen von Lovastatin und Simvastatin zu reduzieren.38
Behandlung einer Azidose
Die metabolische Azidose entsteht durch verminderte Ammoniogenese und dadurch verminderte Säureausscheidungskapazität sowie verminderte Reabsorption/Synthese von Bikarbonat.39
Zunehmende Prävalenz einer metabolischen Azidose mit Abnahme der GFR40
Auftreten bei ca. 3–5 % der Patient*innen mit Stadium III, 17–19 % der Patient*innen mit IV und 23 % der Betroffenen mit Stadium V39
Die Progression der Niereninsuffizienz wird durch die Azidose begünstigt, zudem hat sie ungünstige Auswirkungen auf den Stoffwechsel von Muskulatur und Knochen sowie auf die Herzfunktion und die Respiration.39
Diätetisch wirkt eine alkalisierende Ernährung mit viel Obst und Gemüse günstig.21
Patient*innen mit einem Serumbikarbonat < 22 mmol/l sollte Bikarbonat oral verabreicht werden, um den Bikarbonatspiegel im Normbereich zu halten.1
Die Anämie bei CKD entwickelt sich in der Regel ab einer GFR < 60 ml/min/1,73 m2 (Stadium G3).41
Die Anämie wird vorwiegend durch eine mit zunehmendem Funktionsverlust abnehmende Produktion von Erythropoetin verursacht.
Normozytäre, normochrome Anämie, Retikulozyten meist gering erhöht
Zudem besteht eine unzureichende Verfügbarkeit des vorhandenen Eisens (funktioneller Eisenmangel) und eine verminderte gastrointestinale Aufnahme.41
Eine Normalisierung der Hämoglobinwerte durch eine intensive Therapie mit Erythropoietin (EPO) oder Erythropoese-stimulierenden Agenzien (ESA) hatte allerdings keinen prognostischen Nutzen gezeigt.42-44
Ein hoher Ziel-Hb > 12 g/dl (> 7,5 mmol/l) führt auch nicht zu einer Verbesserung der Lebensqualität.45
Bei restriktiverem Einsatz von EPO/ESA wurde in den vergangenen Jahren vermehrt auf eine hochdosierte intravenöse Eisentherapie gesetzt.46
Grundzüge der KDIGO-Leitlinien zur Diagnose und Therapie der renalen Anämie47
Diagnostik
Diagnose einer Anämie bei Hb < 12 g/dl (<7,5 mmol/l) (Frauen) bzw. 13 g/dl (8 mmol/l)(Männer)
Bei Patient*innen mit Anämie sollten (unabhängig vom Grad der Nierenfunktionsstörung) bestimmt werden: Blutbild, Retikulozyten, Ferritin, Transferrinsättigung, Vitamin B12, Folsäure
Eisentherapie
Abwägen von Nutzen und Risiko (z. B. anaphylaktoide Reaktion bei i. v. Gabe)
Behandlungsversuch durch i. v. Infusion (bei Nicht-Dialyse-Patient*innen auch orale Gabe für 1–3 Monate), wenn
1. ein Anstieg des Hb angestrebt wird (z. B. zur Symptomverbesserung)
Bei Hb ≥ 10 g/dl (≥ 6,2 mmol/l) wird eine ESA-Therapie nicht empfohlen.
Vor Beginn einer ESA-Therapie sollten zunächst andere korrigierbare Anämieursachen behandelt werden (z. B. Eisenmangel, Entzündung).
Bei Hb ≤ 10 g/dl (≤ 6,2 mmol/l) basiert die individuelle Entscheidung auf den Anämiesymptomen, Hb-Abfall, Ansprechen auf Eisentherapie, Risiken der ESA-Therapie.
Erythrozytentransfusion
Sollte möglichst vermieden werden.
Option, wenn die ESA-Therapie unwirksam oder zu riskant ist.
Renale Osteopathie/Kalzium-Phosphat-Stoffwechsel
Veränderungen im Mineralstoffwechsel setzen bei CKD-Patient*innen bereits früh ein.20
Zu den hierdurch verursachten Veränderungen gehören die renale Osteodystrophie, aber auch extraskelettale (kardiovaskuläre) Verkalkungen.17
Zunehmend wird der Begriff „CKD-MBD“ („Chronic Kidney Disease – Mineral and Bone Disorder“) favorisiert, um eine rein knochenzentrierte Sicht zu vermeiden und das Zusammenspiel von Nierenerkrankung, Knochenstoffwechsel und Gefäßverkalkungen zu beschreiben.48
Mit fortschreitender Nierenerkrankung kommt es zu eine verminderten Aktivierung von Vitamin D, erniedrigter Kalziumaufnahme und etwa ab Stadium G4 (GFR < 30 ml/min/1,73 m2) zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus.4
Folgen sind Minderverkalkung des Knochens und Osteomalazie, klinisch Knochenschmerzen und im Stadium G5 ein zweifach erhöhtes Frakturrisiko.4
Die schließlich sich entwickelnde Hyperphosphatämie trägt maßgeblich zur Entwicklung der Gefäßverkalkungen bei.4
Die frühzeitige Diagnose entsprechender Laborveränderungen ist für die Einleitung von Therapiemaßnahmen wichtig.17
Bei Patient*innen mit CKD ab Stadium 3b (eGFR < 45ml/min/ 1,73 m2 ) sollte eine Bestimmung von Kalzium, Phosphat, intaktem Parathormon (iPTH) und 25-OH-Vitamin D3 erfolgen.17,49
Bei Hyperphosphatämie diätetische Phosphatrestriktion (orale Phosphatbindertherapie nur für Dialyse-Patient*innen zugelassen)4
Calcitriol und Vitamin-D-Analoga sollten bei Patient*innen im Stadium G3–5 (keine Dialyse) nicht routinemäßig verwendet werden, Anwendung im Stadium G4 und G5 bei schwerem Hyperparathyreoidismus.49
Sonstige Maßnahmen
Impfungen
Ansteigendes Risiko für infektiöse Erkrankungen und schwere Verläufe dieser Erkrankungen mit zunehmender Funktionsminderung der Niere17
Bei allen Patient*innen mit CKD soll daher regelmäßig der Impfstatus geprüft und Impfungen gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) auf- gefrischt werden.17
Gelegentliche Einnahme (z. B. 1-mal pro Woche) kann in Ausnahmefällen akzeptiert werden, wenn andere Analgetika nicht ausreichend wirksam sind.17
Eine notwendige Schmerztherapie sollte in erster Linie durchgeführt werden mit:20
Paracetamol
Metamizol.
Ggf. können Opioide eingesetzt werden, hier ist ab einer GFR < 60 ml/min/1,73 m2 eine Dosisanpassung vorzunehmen.20
Radiologische Untersuchungen bei CKD
Der Einsatz von Kontrastmitteln kann die Nierenfunktion verschlechtern.
Andererseits soll eine Unterdiagnostik/Untertherapie bei CKD-Patient*innen vermieden werden.17
Das Risiko eines röntgenkontrastmittelinduzierten akuten Nierenversagens bzw. einer nephrogenen systemischen Fibrose nach MR-Kontrastmitteln wird insgesamt wahrscheinlich deutlich überbewertet.17
Es wird daher neuerdings empfohlen, bei höhergradig eingeschränkter Nierenfunktion (Stadium 4–5, d. h. GFR < 30 ml/min/1,73 m2) den diagnostischen Nutzen einer Röntgen-/MRT-Kontrastmittel-Gabe mit potenzieller Reduktion der Morbidität und Mortalität gegenüber potenziellen Risiken stärker zu berücksichtigen.17
Im letzten Stadium der CKD kommt es zu Symptomen und Zeichen der Urämie (u. a. Antriebslosigkeit, Erbrechen, Bewusstseinsstörungen, Serositis, Restless Legs), Elektrolytentgleisungen und Überwässerung.51
Individuell sehr unterschiedliche Geschwindigkeit dieses Prozesses
Ab Stadium G4 (GFR < 30 ml/min/1,73 m2) sollte daher eine Aufklärung über Nierenersatzverfahren erfolgen.20
Orientierungsgröße ist auch hier die eGFR, nicht das Kreatinin.
Entscheidend für die Indikation zur Dialyse ist, ob der klinische Verlauf auf eine beginnende Urämie hinweist.4
Eine Nierenersatztherapie kann durch zentrumsbasierte Hämodialyse oder im häuslichen Rahmen durch Peritonealdialyse erfolgen.
Es gibt keine prognostischen Unterschiede zwischen den beiden Verfahren, gemeinsame Entscheidung mit den Patient*innen nach persönlicher Präferenz.4
Anteil der Peritonealdialyse in Deutschland < 5 %, in anderen Ländern z. T. deutlich höher4
Dialysepflichtige Patient*innen haben einen Anspruch auf Prüfung einer Transplantationsindikation (prognostisch günstigstes Verfahren), hier sind vor allem auch Begleiterkrankungen zu berücksichtigen.4
Urämischer Pruritus
Patient*innen mit präterminaler Niereninsuffizienz und vor allem Dialyse-Patient*innen leiden häufig unter Pruritus.
CKD ist verbunden mit erhöhtem Risiko für Komplikationen, Hospitalisation und Tod, aber auch mit erhöhten Gesundheitskosten.57
Viele Patient*innen sind über viele Jahre asymptomatisch.
Nicht selten wird die Erkrankung erst beim Auftreten erster Komplikationen festgestellt.
Eine CKD ist mit zahlreichen Komplikationsmöglichkeiten in verschiedenen Organsystemen verbunden, hervorzuheben ist dabei vor allem auch das erhöhte kardiovaskuläre Risiko.58-59
Bei Patient*innen im Stadium G3 besteht aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse ein höheres Risiko für einen vorzeitigen Tod als für eine Dialysepflichtigkeit.4
kardiovaskuläre Sterblichkeit im Stadium G3b (eGFR 30–44 ml/min pro 1,73 m2) 11-fach, im Stadium 4 (< 30 ml/min/1,73 m2) 21-fach erhöht4
Auch eine Albuminurie ist ein Prädiktor der Gesamt- und kardiovaskulären Mortalität.11
Das Risiko der CKD-Progression in Richtung terminale Niereninsuffizienz wird ebenfalls wesentlich durch GFR und Albuminausscheidung bestimmt.1
Eine seltene (50–60 Fälle/Jahr), aber lebensbedrohliche Komplikation ist die Kalziphylaxie.60-61
Kalziphylaxie
gekennzeichnet durch bläulich-livide Hautverfärbungen mit sehr schmerzhaften Ulzerationen/Nekrosen (Gefahr der Superinfektion/Sepsis) und arterielle Verkalkungen
Verlaufskontrollen
GFR und Albuminausscheidung sollten bei allen CKD-Patient*innen mindestens 1 x/Jahr gemessen werden.1
Inwieweit Verlaufskontrollen häufiger durchgeführt werden sollen, hängt neben der klinischen Entwicklung vom Progressionsrisiko ab.
Bei steigendem Progressionsrisiko werden von KDIGO Verlaufskontrollen 2- bis 4-mal jährlich empfohlen:
Kalziphylaxie (mit freundlicher Genehmigung von Dr. med. Christina Linz)
Urografie der Nieren, Normalbefund. Seitengleiche Kontrastierung der Nieren und proximalen Ureteren. 1+2 = Nierenkelche, 3 = Nierenbecken, 4 = Harnleiter
Urografie, Abdomenübersichtsaufnahme. Zeichen eines Harnstaus links: verzögerte Kontrastmittelausscheidung, erweitertes Nierenbecken (1) und dilatierte, plumpe Nierenkelche (2). Harnleiter (3)
Urografie der Harnblase (1). Verzögerte Kontrastmittelausscheidung im rechten Ureter (2)
Übersichtszeichnung der Nieren, Harnwege, Harnblase
Quellen
Leitlinien
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Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO). Clinical Practice Guideline for Lipid Management in Chronic Kidney Disease. Stand 2013. www.kdigo.org
Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO). Clinical Practice Guideline for Anemia in Chronic Kidney Disease. Stand 2012. www.kdigo.org
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Autor*innen
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Guido Schmiemann, PD Dr. med. MPH, Facharzt für Allgemeinmedizin, Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen (Review)
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).