Zusammenfassung
- Definition:Steinmaterial in der Harnblase, das nicht bei der normalen Harnentleerung ausgeschieden wird; in der Regel basierend auf einer Obstruktion (Prostata) und/oder Infektion.
- Häufigkeit:In unserem Teil der Welt sind Blasensteine selten und treten meist in Verbindung mit einer zugrunde liegenden Erkrankung auf. Blasensteine treten vor allem bei Männern auf.
- Symptome:Sie können asymptomatisch sein, aber auch suprapubische Schmerzen und Beschwerden bei der Blasenentleerung verursachen.
- Befunde:Klinische Befunde sind eher selten, allerdings treten Blasensteine häufig gleichzeitig mit einer vergrößerten Prostata auf. Blasensteine können Restharn und eine Harnblasenerweiterung verursachen.
- Diagnostik:Urinmikroskopie und -kultur können den Verdacht auf Blasensteine wecken. Nicht alle Blasensteine sind röntgendicht, aber Ultraschall, CT und Urografie können sie nachweisen.
- Therapie:Die Entfernung des Steinmaterials ist notwendig; dies kann medikamentös oder invasiv erfolgen.
Allgemeine Informationen
Definition
- Steinmaterial in der Harnblase
- Es wird zwischen primären und sekundären Steinen unterschieden.
- Primäre Blasensteine bilden sich durch eine Auskristallisierung im Urin direkt in der Blase.
- Sekundäre Blasensteine sind Ablagerungen, die sich in der Niere oder im Harnleiter gebildet haben und dann in die Blase wandern.1
- Das Vorhandensein von Steinen in den oberen Harnwegen (Urolithiasis) ist nicht notwendigerweise eine Voraussetzung für die Bildung von Blasensteinen.2
Häufigkeit
- In Industrienationen treten Harnsteine in der Blase hauptsächlich bei Männern über 50 mit Abflussstörungen (Prostatavergrößerung, Verengung der Harnröhre) auf.2
- 3 % aller Harnsteine werden in in der Harnblase und Harnröhre gefunden.1
- Durch Mangelernährung in Entwicklungsländern (v. a. Nordafrika, der mittlere und ferne Osten3) kommen Blasensteine bei Kindern nicht selten vor, Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.2
Ätiologie und Pathogenese
- Wenn Salze im Urin nicht vollständig aufgelöst werden können, kristallieren sie aus und bilden zunächst kleine Klümpchen, die mit der Zeit zu größeren Konkrementen heranwachsen können.
- Blasensteine entstehen überwiegend aufgrund einer Harnblasenentleerungsstörung.
- Eine angeborene Veränderung der Harnröhrenklappen (infravesikale Obstruktion) kann zu einer schweren Verengung der Harnröhre führen.
- Vergrößerung der Prostata
- Komplikation nach einer Prostatachirurgie (Blasenhalskontraktur/Sklerose)4
- Patient*innen mit Rückenmarksschäden5-10
- Fremdkörper in der Harnblase11-12
- Dauerkatheterisierung13
- Restharn erhöht das Risiko, dass sich Blasensteine ausbilden.
- Die Zusammensetzung von Blasensteinen ist vom pH- und dem Sättigungswert des Harns beeinflusst.14
- Die meisten Blasensteine bestehen aus Kalziumoxalat (ca. 80 %).15
- Struvitsteine können sich durch häufige bakterielle Blasenentzündungen bilden.
- Harnsäuresteine kommen bei Hyperurikämie vor.
- Es gibt seltene Formen von Blasensteinen, bei denen eine genetische Disposition (Kalziumphosphat-, Xanthin- und Zystinsteine) vorliegt.
- Sind die Steine klein, können sie, ohne Symptome zu verursachen, mit dem Urin ausgeschwemmt werden.
- Manchmal verursachen sie durch mechanische Reizung der Schleimhäute Hämaturien.
- Sind die Steine größer, können sie die den Ausgang zur Harnröhre verstopfen, es kommt zu unregelmäßigem, stotterndem Harnfluss oder sogar zu Harnverhalt.
Disponierende Faktoren
- Häufige Harnwegsinfekte
- Prostatavergrößerung
- Angeborenen Harnwegsanomalien
- Hyperurikämie
- Geringe Flüssigkeitsaufnahme
ICPC-2
- U95 Harnstein
ICD-10
- N21.0 Stein in der Harnblase
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Verdacht durch Klinik
- Bestätigung durch bildgebende Verfahren (Ultraschall, Röntgen, CT) oder Zystoskopie
Differenzialdiagnosen
- Harnblasendivertikel
- Bakterielle Zystitis
- Harnröhrenstrikturen
- postentzündlich
- traumatisch
- postoperativ nach transurethraler Prostataresektion
- nach Strahlenbehandlung
- Blasenkarzinom
- Ureterozele
- Neurogene Blase
- Polyp in der Harnblase
Anamnese
- Blasensteine können völlig asymptomatisch sein.
- Symptome können auftreten in Form von:
- Schmerzen
- Beschwerden bei der Harnentleerung
- häufiger Harndrang mit nur geringen Urinmengen
- Blut im Urin
- variierender Harnstrom, evtl. plötzliches Stocken im Harnstrom
- Fremdkörpergefühl
- Schleimhautreizung
- Harnverhalt.
- Abklärung der Vorgeschichte: Operationen, Verletzungen, Vorerkrankungen
Klinische Untersuchung
- Es gibt keine wegweisenden klinischen Befunde, das Abdomen sollte z. A. anderer Krankheitsursachen klinisch untersucht werden.
- Durch eine rektale Untersuchung kann eine vergrößerte Prostata festgestellt werden.
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Harnmikroskopie
- Kann Hämaturie und Kristallurie, Bakteriurie oder Pyurie zeigen.
- Urinkultur
- Kann das Wachstum von Bakterien zeigen.
Diagnostik bei Spezialist*innen
Bilddiagnostik
- Das Röntgen kann nur röntgendichte Steine zeigen.
- Mehr als 50 % der Blasensteine in Europa sind auf Übersichtsbildern nicht sichtbar.16
- Röntgen-Kontrastmitteluntersuchung (Urografie)
- Kann Steine in der Blase aufdecken.
- Andere Blasenanomalien, wie Divertikel oder Ureterozele, können bei der Untersuchung erkannt werden.
- Ultraschall
- Weist Blasensteine nach.
- zur Bestimmung der Restharnmenge
- Weist Blasensteine nach.
- CT
- Ist äußerst sensitiv und spezifisch zum Steinnachweis überall in den Harnwegen.
Endoskopie
- Bei einer Zystoskopie kann die Anzahl, Größe und Lage der Steine festgestellt werden.
- Andere Ursachen für einen Harnverhalt können ausgeschlossen werden.
- Oft können kleine Blasensteine schon bei einer Zystoskopie entfernt werden.
Indikationen zur Überweisung
- Bei Verdacht auf Blasensteine
Checkliste zur Überweisung
Blasensteine
- Zweck der Überweisung
- Therapie? Weitere/s?
- Anamnese
- Beginn und Dauer? Wie wurde die Diagnose gestellt? Wahrscheinliche Ursache? Entwicklung?
- Symptomatik? Schmerzen? Beschwerden bei der Harnentleerung? Leerungsbeschwerden? Starker plötzlicher Harndrang? Nächtliche Beschwerden?
- Andere relevante Krankheiten? Regelmäßige Medikamente?
- Klinische Untersuchung
- Allgemeinzustand? Vergrößerte Blase?
- Prostata? − vergrößert? − Knoten?
- Ergänzende Untersuchungen
- Urin: ersichtliche/nichtersichtliche Hämaturie? Kultur
- CT Harnwege oder Ultraschall?
- Zystoskopie
Therapie
Therapieziele
- Vollständige Entfernung der Blasensteine
- Präventive Maßnahmen, um das Auftreten weiterer Steine zu verhindern.
Allgemeines zur Therapie
- Kleine Steine werden meist von allein ausgeschwemmt. Dies kann durch eine Erhöhung der Trinkmenge gefördert werden.
Medikamentöse Therapie
- Medikamente aus der Gruppe der Alphablocker (z. B. Tamsulosin) können bei der Ausscheidung hilfreich sein, die Behandlung ist aber off label.
- Harnsäuresteine können durch Anhebung des ph-Wertes des Urins aufgelöst werden.
- Allopurinol kann den Harnsäurespiegel senken.
- Analgetika und Antibiotika bei Bedarf
Operative Therapie
- Harnblasensteine könne entweder durch eine endoskopische Harnblasensteinlithotripsie oder durch eine offene chirurgische Steinsanierung der Blase (Sectio alta) entfernt werden.
- Die Auswahl des Verfahrens hängt von der Größe der Steine und den Begleiterkrankungen ab.17
- Offene Chirurgie, Zystotomie
- Der Stein wird in toto entfernt.
- Offene Zystotomie kann indiziert sein, wenn der Stein besonders groß ist (> 4 cm), oder wenn der Versuch einer transurethralen Lithotripsie gescheitert ist.
- bei gleichzeitig geplanter operativer Versorgung einer Prostatavergrößerung
- Bei Kindern ist die offene Steinentfernung das Mittel der Wahl.18
- Alternativ gibt es perkutane Operationsverfahren.19
- Endoskopischen Harnblasensteinlithotripsie
- Die Harnsteine werden endoskopisch durch die Harnröhre entfernt oder durch mechanische, elektrohydraulische oder elektromechanische Verfahren vorher noch verkleinert.
Weitere Verfahren
- Durch extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) können Harnblasensteine verkleinert und anschließend ausgeschieden werden.20-21
Prävention
- Die grundlegenden Ursachen behandeln.
- Für sekundäre Blasensteine gelten dieselben Metaphylaxen wie bei Urolithiasis.
- Analyse des Steins, damit evtl. metabolische Veränderungen behandelt werden können.22
- Viel trinken!
- Intermittierende Katheterisierung, um einen chronisch irritierenden Blasenkatheter zu vermeiden.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Häufig asymptomatische Entwicklung
Komplikationen
- Bei endoskopischen Verfahren besteht die Gefahr der Blasenperforation.
- Blutung
- Infektion
- Wundheilungsstörungen
- Harnwegsinfekte
- Blasensteine sind mit einem erhöhten Risiko für Harnblasenkarzinome verbunden.23
Prognose
- Rezidive können auftreten, insbesondere wenn sich die Ursachen nicht ausreichend behandeln lassen.
Verlaufskontrolle
- Regelmäßige Kontrollen werden empfohlen, um die Neubildung von Steinen auszuschließen.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Urologie. Urolithiasis: Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe. AWMF-Leitlinie Nr. 043-025. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Urologie. Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Harnblasenkarzinoms. AWMF-Leitlinie Nr. 032-038OL. S3, Stand 2020. www.awmf.org
Literatur
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- Deutsche Gesellschaft für Urologie. S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Harnblasenkarzinoms. AWMF-Leitlinie Nr. 032/038OL, Stand 2020. www.awmf.org
Autor*innen
- Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).