Hereditäre Neuropathien

Zusammenfassung

  • Definition:Heterogene Gruppe hereditärer Erkrankungen mit chronischer Polyneuropathie. Beginn meist im frühen Kindesalter.
  • Häufigkeit:Die Prävalenz hereditärer Neuropathien weltweit wird auf ca. 40/100.000 geschätzt. Mehr als 3/4 aller chronischen Neuropathien im Kindesalter sind hereditären Ursprungs.
  • Symptome:Meist schlaffe Paresen mit Muskelatrophie und Fußfehlstellungen. Je nach Krankheitsentität zusätzliche Ausfälle sensibler oder autonomer Nerven.
  • Befunde:Schlaffe Paresen mit Kraftminderung, Abschwächung der Muskeleigenreflexe, evtl. Ataxie, Sensibilitätsausfälle. Meist Beginn in den unteren Extremitäten distal betont. Je nach Krankheitsbild zusätzlich autonome Regulationsstörungen, kardiale Symptome etc.
  • Diagnostik:Ausführliche Anamnese einschl. Familienanamnese. Elektrophysiologische Diagnostik, genetische Testung, ggf. Nervenbiopsie.
  • Therapie:Für die meisten hereditären Neuropathien ist keine kausale Therapie verfügbar. Physiotherapie, moderate körperliche Aktivität, Ergotherapie, ggf. orthopädische Hilfsmittel, operative Korrektur von Kontrakturen oder Deformitäten, Gehhilfen.

Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Artikel auf diesen Referenzen.1-4

Hintergrund

  • Die meisten hereditären Neuropathien treten infolge einer Duplikation, Punktmutation oder Deletion der Gene für die verschiedenen Myelinkomponenten auf: peripheres Myelinprotein 22 (PMP 22), Protein Null (P0 oder MPZ) und Kanalprotein Connexin 32 (Cx32).1,5

Häufigkeit

  • Die Prävalenz hereditärer Neuropathien weltweit wird auf ca. 40/100.000 geschätzt.2
  • Mehr als 3/4 aller chronischen Neuropathien im Kindesalter sind hereditären Ursprungs.3
  • Die Charcot-Marie-Tooth (CMT) Neuropathie (auch hereditäre motorisch-sensible Neuropathie – HMSN) mit ihren verschiedenen Varianten ist die häufigste Form hereditärer Neuropathien und eine der häufigsten genetisch bedingten Erkrankungen.6

Diagnostische Überlegungen

  • Hereditäre Neuropathien bilden eine sehr heterogene Gruppe von Krankheiten.
  • Klinische Manifestation einer peripheren Neuropathie im Kindes- und Jugendalter3
    • meist mit motorischen Symptomen
      • schlaffe Parese, Verlust der Muskeleigenreflexe
      • Muskelatrophie
      • Kontrakturen, Fußfehlstellungen, z. B. Ballenhohlfuß (Friedreich-Fuß)
    • evtl. zusätzlich sensible Ausfälle
      • dann meist Störungen des Berührungsempfindens und der Tiefensensibilität
      • Seltener sind die Fasern der Hinterstrangbahn betroffen (Schmerz- und Temperaturempfinden).
    • evtl. neuropathische Ataxie
    • evtl. Symptome des autonomen Nervensystems
      • Hautsymptome: Kälte, Hypo- oder Hypohidrose
      • Blasenentleerungsstörungen
    • betroffene Areale bei Polyneuropathien meist symmetrisch und an den unteren Extremitäten, distal betont
      • Mit fortschreitender Erkrankung kommen die oberen Extremitäten und rumpfnahe Muskeln hinzu.
      • Auch primärer Befall der oberen Extremitäten, der Schulter- und Beckengürtelmuskulatur oder der Hirnnerven ist möglich.
  • Gründliche Anamnese
    • Beginn und bisheriger Verlauf der Symptome?
    • Familienanamnese
  • Heterogene Verlaufsformen beachten
    • Bei klassischer CMT meist geringe Progredienz. Die Gehfähigkeit bleibt meist erhalten. Oft bis ins höhere Alter nur milde Symptome. In derselben Familie können jedoch bei einzelnen Betroffenen auch schwere Verläufe auftreten.
    • bei hereditärer sensibler und autonomer Neuropathie (HSAN, HSN) meist schwerer Verlauf

Differenzialdiagnosen4,7

ICPC-2

  • N94 Periphere Neuritis/Neuropathie
  • N99 Neurologische Erkrankung, andere

ICD-10

  • G60 Hereditäre und idiopathische Neuropathie8
    • G60.0 Hereditäre sensomotorische Neuropathie
      • Hereditäre sensomotorische Neuropathie, Typ I–IV
      • Charcot-Marie-Tooth-Hoffmann-Syndrom
      • Déjerine-Sottas-Krankheit
      • Hypertrophische Neuropathie des Kleinkindalters
      • Peronäale Muskelatrophie (axonaler Typ) (hypertrophische Form)
      • Roussy-Lévy-Syndrom
    • G60.1 Refsum-Krankheit
    • G60.2 Neuropathie in Verbindung mit hereditärer Ataxie
    • G60.3 Idiopathische progressive Neuropathie
    • G60.8 Sonstige hereditäre und idiopathische Neuropathien
      • Morvan-Krankheit
      • Nélaton-Syndrom
      • Sensible Neuropathie:
        • dominant vererbt
        • rezessiv vererbt
    • G60.9 Hereditäre und idiopathische Neuropathie, nicht näher bezeichnet

Hereditäre sensomotorische Neuropathie

 Charcot-Marie-Tooth(CMT)-Neuropathie

  • Auch Charcot-Marie-Tooth-Hoffmann-Syndrom
  • CMT ist die häufigste hereditäre Neuropathieform.
  • Die Krankheit bildet eine heterogene Gruppe hereditärer motorisch-sensibler Neuropathien (HMSN).
  • Es gibt zwei Haupttypen: Typ 1 (CMT1) und Typ 2 (CMT2).
    • Viele Unterformen. Im Folgenden werden nur die für die Routinediagnostik wichtigsten dargestellt.
    • Beide Typen werden in der Regel dominant vererbt.

Epidemiologie

  • Die Prävalenz beträgt etwa 40 auf 100.000 Einw.2
  • Etwa 50 % aller Betroffenen haben die Variante CMT1.

CMT1 und Genetik/Pathologie3,7

  • CMT1 wird wiederum in Untergruppen aufgeteilt, u. a. Typ 1A und 1B.
  • Ausgeprägte Demyelinisierung und Hypertrophie der Axone, wobei verdickte Nerven manchmal ertastet werden können.

CMT2 und Genetik/Pathologie3,7

  • CMT2 ist die axonale Variante und macht 20–40 % der CMT-Fälle aus.
  • In der Regel liegt eine autosomal-dominante Vererbung vor.
  • CMT2A
    • Lokalisierung auf 1p36.22 mit Mutation in Gen MFN2, bei dem das Genprodukt ein Transportprotein (Mitofusin 2) ist.
    • Optikusatrophie
  • CMT2B
    • Lokalisierung auf 3q21.3
    • sensible Neuropathie mit ausgeprägter Neigung zu persistierenden Fußulzera
  • CMT2C
    • Lokalisierung auf 12q24.11
    • Beginn in der frühen Kindheit
    • Stimmbandparese, Gelenkkontrakturen, kongenitale distale spinale Muskelatrophie (DSMA)

Anamnese und klinische Untersuchung, CMT Typ 13,7

  • Bei den meisten Betroffenen treten die Symptome vor dem 20. Lebensjahr auf.
  • Paresen und Atrophie der distalen Muskulatur in den Beinen (insbesondere Musculus tibialis anterior und Musculus peroneus) sind die Leitsymptome.
  • Das typische klinische Bild sind „Storchenbeine“ mit deutlicher Atrophie der Unterschenkelmuskulatur.
  • Bei den meisten Betroffenen kommt es auch zu leichten sensiblen Ausfällen.
  • Die Krankheit breitet sich langsam aus und kann auch die oberen Extremitäten betreffen. Es kommt zu distaler Atrophie und Schwäche, in einigen Fällen auch zu Krallenhänden.
  • Schwierigkeiten beim Gehen
    • Diese werden langsam zum dominierenden Symptom und treten infolge einer Kombination aus Parese und sensorischer Ataxie auf.
    • Steppergang und Instabilität in den Sprunggelenken sind ebenfalls typisch.
  • Sehr häufig kommt es zu einem Hohlfuß (Pes cavus) und Hammerzehen.
  • Belastungsschmerzen können sehr ausgeprägt sein, während neuropathische Schmerzen seltener vorkommen.
  • Verdickte periphere Nerven können in einigen Fällen ertastet werden.

Anamnese und klinische Untersuchung, CMT Typ 2

  • Klinisch ähnlich wie Typ 1

Weitere Diagnostik

  • Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (mit Elektroneurografie)
  • Gentests
    • Molekulargenetische Diagnostik in einem spezialisierten Zentrum

Therapie bei CMT1 und CMT27

  • Es gibt keine kausale Therapie.
  • Physiotherapie, moderate körperliche Aktivität (z. B. Schwimmen)
  • Ergotherapie
  • Ggf. orthopädische Hilfsmittel wie Orthesen, Bandagen etc.
  • Ggf. operative Korrektur von Kontrakturen oder Deformitäten an Fuß- oder Sprunggelenk
  • Ggf. Gehhilfe, Rollstuhl
  • Ggf. leitliniengerechte Behandlung eines begleitenden Diabetes mellitus
  • Diese beiden Varianten der Krankheit sind nicht lebensbedrohlich.

Weitere Varianten

Déjerine-Sottas-Krankheit (DSS)3,7

  • Sehr selten
  • Frühere Bezeichnung: CMT3
  • Es handelt sich um eine schwere Form der hereditären sensomotorischen Neuropathie.
  • Sie setzt im Säuglingsalter ein und führt zu erheblichen Funktionseinschränkungen.
  • Bei den meisten Betroffenen kommt es zu einer ausgeprägten Myelopathie mit stark reduzierter Nervenleitgeschwindigkeit.

X-chromosomal vererbte Erkrankung (CMTX)

  • Macht 10–20 % der Fälle aus.
  • Häufigste Variante: CMT1X
    • Mutationen des Transmembranproteins Connexin 32 auf Xq13.1
    • axonal-demyelinisierende Polyneuropathie
  • Klinisch ähnelt die Krankheit CMT1, und es gibt keine phänotypischen Kennzeichen, die CMT1 von CMTX unterscheiden.
  • Tastbare verdickte Nerven kommen bei CTMX nicht vor, und die Nervenleitgeschwindigkeit ist nicht gleichermaßen herabgesetzt.
  • Klinische Symptome zeigen sich bei CMTX praktisch nur bei Männern, bei denen die Krankheit in der frühen Kindheit einsetzt, während Trägerinnen der Mutation in der Regel einen subklinischen Verlauf zeigen.

Hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmungen (HNPP)3,7

  • HNPP = Hereditary Neuropathy with Liability to Pressure Palsies
  • Auslösbarkeit sensorischer oder motorischer Symptome durch Druck- oder Dehnungseinwirkungen auf periphere Nerven
  • Die Krankheit wird autosomal-dominant vererbt (Deletion oder Punktmutation im Chromosom 17p11.2-12).
  • Die Krankheit tritt meist zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr auf.
  • Schmerzlose, vorübergehenden Paresen

Riesenaxon-Neuropathie (GAN)3

  • Sehr seltene autosomal-rezessiv vererbte Krankheit, die sich in der frühen Kindheit manifestiert und relativ schnell fortschreitet.
  • Lokalisierung: 16q24
  • Histologisch: stark verdickte Axone
    • Es ist eine der wenigen hereditären Neuropathien, bei denen die Auffälligkeiten in der Histologie krankheitsspezifisch sind.
  • Zu Beginn überwiegen die Symptome der Neuropathie.
  • Im weiteren Verlauf
    • zerebelläre Ataxie mit rasch voranschreitendem Verlust der Gehfähigkeit
    • Epilepsie
  • Lebenserwartung meist unter 40 Jahren

Hereditäre sensorisch-autonome Neuropathien (HSAN)

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.2-3,7

Allgemeines

  • Es gibt Hinweise darauf, dass der molekulare Mechanismus dieser Erkrankungen mit der Familie der Nervenwachstumsfaktoren (Neurotrophine) verknüpft ist.
  • Die Funktion der Neurotrophine wird über die Rezeptortyrosinkinase (RTK) vermittelt.

Klassifikation

HSAN13

  • Autosomal-dominant vererbt
  • Typ 1A, die häufigste Form, beruht auf einer Mutation auf Chromosom 9 (q22.31) und manifestiert sich in der Regel im Alter von 20–40 Jahren.
  • Es kommt zu sensiblen Nervenausfällen, insbesondere der Schmerz- und Temperaturempfindung, distaler Muskelatrophie, Fehlstellungen in den Gelenken (Charcot-Gelenke) und Ulzerationen an den Füßen sowie einer reduzierten oder fehlenden Schweißbildung in den betroffenen Dermatomen.

HSAN23

  • Autosomal-rezessiv vererbt.
  • Phänotypisch ähnlich zu Typ I, je nach Subtyp mit:
    • Muskelatrophie, Zungenatrophie
    • Entwicklungsstörungen
    • autonomen Symptome wie Hyperhidrose, Alakrimie, Erbrechen
  • Je nach Subtyp Beginn im Neugeborenenalter, bei älteren Kindern oder Jugendlichen
  • Schmerzlose Ulzerationen und Frakturen treten relativ häufig auf.

HSAN33

  • Auch Riley-Day-Syndrom oder familiäre Dysautonomie
  • Autosomal-rezessiv vererbt
  • Betrifft primär Kinder von aschkenasischen Juden (Osteuropa). Die Symptome treten kurz nach der Geburt auf.
  • Hyporeflexie, Verlust oder Minderung der Schmerz- und Temperaturempfindung, autonome Regulationsstörungen, Erbrechen, mentale Retardierung
  • Zunge: Fehlen der fungiformen Papillen
  • Diagnosesicherung durch negativen Histamin-Intrakutantest

HSAN43

  • Autosomal-rezessiv vererbt
  • Angeborene Anhidrose, Verlust der Schmerz- und Temperaturempfindung, mentale Retardierung, episodische Fieberschübe.
  • Schwerer Verlauf

HSAN53

  • Erhöhte Schmerz- und Temperaturunempfindlichkeit bei normaler Berührungs- und Lageempfindung
  • Anhidrose
  • Muskeleigenreflexe, -kraft und Propriozeption sind intakt.
  • Schwerer Verlauf

Andere sehr seltene hereditäre Neuropathien

Hereditäre neuralgische Amyotrophie (hereditäre Brachial-Plexus-Neuropathie)

  • Die hereditäre neuralgische Amyotrophie manifestiert sich in der Regel zwischen dem 10. und 30. Lebensjahr.
  • Es gibt verschiedene Formen, wobei die wahrscheinlich häufigste (HNA1) autosomal-dominant vererbt wird und auf 17q25 lokalisiert ist.
  • Sie kennzeichnet sich durch wiederholte Episoden mit Schulter- und Armschmerzen, gefolgt von Schwäche und vorübergehender Besserung
  • Die Muskelschwäche ist ausgeprägter als die sensiblen Nervenausfälle.

Neurometabolische Erkrankungen

Refsum-Krankheit3-4,7

  • Wird autosomal-rezessiv vererbt.
  • Peroxisomale Erkrankung mit Speicherung der Phytansäure
  • Die Symptome treten meist vor dem 20. Lebensjahr auf, die Diagnose wird aber häufig erst im Erwachsenenalter gestellt.
  • Retinopathia pigmentosa mit Nachtblindheit und Gesichtsfeldeinschränkungen (Tunnelblick)
  • Progrediente motorisch-sensible periphere Neuropathie, fortschreitender Hörverlust, Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmackssinnes
  • Nephropathie, Kardiomyopathie, schuppenartigen Hautveränderungen und verkürzte Knochen in Fingern und Zehen
  • Die Diagnose wird durch die Messung der Phytansäurekonzentration in Serum und Urin bestätigt.
  • Eine phytansäurearme Diät kann Linderung verschaffen, jedoch kann es nach einem akuten Anfall auch zu einer natürlichen Remission der Krankheit kommen.
  • Bei einigen Betroffenen schreitet die Krankheit langsam und allmählich fort, während es in anderen Fällen zu einer schnelleren Entwicklung mit evtl. tödlichem Verlauf infolge von Herz- oder Nierenversagen kommt.

Neuropathie bei Porphyrie3-4,7

  • Sie tritt vor allem im Zusammenhang mit akuter intermittierender Porphyrie mit Bauchschmerzen und psychischen Störungen auf.
  • Diese Formen der Porphyrie werden dominant vererbt und kennzeichnen sich durch Störungen der Hämsynthese und eine Überproduktion von Porphyrinen.
  • Die akute intermittierende Porphyrie tritt am häufigsten auf.
  • Dabei kommt es zu einem Defekt des Enzyms Porphobilinogen-Deaminase, und bei einem Anfall kommt es insbesondere zu hohen Konzentrationen von Porphobilinogen und Delta-Aminolävulinsäure im Urin.
  • Die Anzeichen einer motorischen Neuropathie dominieren (akute oder subakute proximale motorische Neuropathie).

Metachromatische Leukodystrophie3-4,7

  • Es kommt zu einem Arylsulfatase-A-Mangel, sodass das Myelin sowohl im peripheren als auch im zentralen Nervensystem degeneriert.
  • Die spätinfantile Form mit beginnender Gehbehinderung im Alter von 12–30 Monaten ist am häufigsten.
  • Bei der adulten Form kann als anfänglich vorherrschendes Merkmal eine periphere Neuropathie auftreten.
  • Bei der klinischen Untersuchung zeigen sich Anzeichen von Schädigungen des peripheren und zentralen Nervensystems.

Amyloidneuropathie4,6-7

  • Die Krankheit kann autosomal-dominant vererbt werden.
  • Die familiäre Amyloidneuropathie (FAP) ist auf Chromosom 18 (Transthyretin), 11 (Apolipoprotein AI) oder 9 (Gelsolin) lokalisiert.
  • Die Krankheit kann frühzeitig ausbrechen und insbesondere das Schmerz- und Temperaturempfinden beeinträchtigen.
  • Allmählich breitet sie sich auf die anderen sensorischen Funktionen aus, und es kommt zu einer distalen Schwäche und Atrophie.
  • Die autonome Affektion mit erektiler Dysfunktion, Obstipation, Inkontinenz und Anhidrose dominiert.
  • Darüber hinaus kommt es zu einer orthostatischen Hypotonie und Störungen des Erregungsleitungssystems des Herzens sowie anomalen Pupillen.
  • Die Möglichkeit einer Amyloidneuropathie sollte vor allem dann in Betracht gezogen werden, wenn es zu einer sensomotorischen Polyneuropathie mit autonomen Symptomen und Schmerzen kommt und Diabetes mellitus ausgeschlossen werden kann.
  • Mit einer Biopsie aus Rektalschleimhaut oder Bauchfettgewebe kann Amyloid nachgewiesen werden.

Tangier-Krankheit3-4,7

  • Autosomal-rezessiv vererbt
  • HDL-Mangel, niedriger Cholesterinspiegel, Phospholipid-Mangel, evtl. erhöhte Triglyzeridwerte im Serum
  • Etwa die Hälfte der Betroffenen zeigt neuropathische Symptome, meist in Form einer asymmetrischen sensomotorischen Polyneuropathie.

Morbus Fabry3-4,7

  • Die Krankheit wird X-chromosomal-rezessiv vererbt. Dabei kommt es zu einem Defekt im Enzym Alpha-Galactosidase A mit einer Anhäufung von Ceramidtrihexosid in verschiedenen Geweben, einschließlich der Spinalganglien.
  • Die Symptome treten in der Regel bereits früh auf und kennzeichnen sich durch brennende Schmerzen, insbesondere in Händen und Füßen, Parästhesien, Anhidrose und Bauchschmerzen.
  • Neben den klassischen Symptomen des M. Fabry wie Angiokeratome, Akroparästhesien, hypertrophe Kardiomyopathie und Hornhauttrübung können andere unspezifische Beschwerden, z. B. gastrointestinale Symptome, auftreten.
  • Der M. Fabry wird erst spät oder gar nicht erkannt. Zwischen Symptombeginn und Diagnose liegen durchschnittlich mehr als 10 Jahre. Die Enzymersatztherapie mit gentechnisch hergestellter humaner Alpha-Galaktosidase A ist hinsichtlich der meisten Krankheitsmanifestationen effektiv.
  • Kausal behandelbar9
    • durch Substitution von Alpha-Galactosidase A – oder –
    • mit dem Chaperon Migalastat
      • Korrigiert die fehlerhafte Faltung der alpha-Galactosidase A und ermöglicht somit den Abtransport in die Lysosomen.
    • Ein früher Behandlungsbeginn ist entscheidend für den Therapieerfolg.

Sonstige

  • Hereditäre Neuropathien treten auch in Kombination mit der Friedreich-Ataxie und anderen Heredoataxien auf, und es kann ein fließender phänotypischer Übergang zwischen diesen Erkrankungen vorliegen.
  • Die Untersuchung umfasst neben der Elektromyografie und Elektroneurografie (die unauffällig sein können) auch autonome Funktionstests, u. a. Untersuchung der kardiovaskulären Regulationsfunktionen, quantitative sensorische Testung (CST), Hautbiopsie zur Quantifizierung von epidermalen Nervenfasern sowie evtl. eine Suralisbiopsie.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Gesellschaft für Neuropädiatrie. Differentialdiagnose der hereditären und erworbenen Neuropathien im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 022-027. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Diagnostik bei Polyneuropathien. AWMF-Leitlinie Nr. 030-067. S1, Stand 2019. www.awmf.org

Literatur

  1. Fridman V, Murphy SM. The spectrum of axonopathies: from CMT2 to HSP. Neurology 2014; 83:580. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Hanewinckel R, Ikram MA, Van Doorn PA. Peripheral neuropathies. Handb Clin Neurol 2016;138: 263-82. PMID: 27637963. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Gesellschaft für Neuropädiatrie. Differentialdiagnose der hereditären und erworbenen Neuropathien im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 022-027. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
  4. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Diagnostik bei Polyneuropathien. AWMF-Leitlinie Nr. 030-067. S1, Stand 2019. www.awmf.org
  5. Klein CJ, Middha S, Duan X, et al. Application of whole exome sequencing in undiagnosed inherited polyneuropathies. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2014; 85:1265. PubMed
  6. Gess B, Schirmacher A, Boentert M, Young P. Charcot-Marie-Tooth disease: frequency of genetic subtypes in a German neuromuscular center population. Neuromuscul Disord 2013; 23: 647-51. PMID: 23743332. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Siskind CE, Lewis RA. Charcot-Marie-Tooth disease. BMJ Best Practice. Last reviewed: 7 Apr 2021. Last updated: 09 Mar 2018. bestpractice.bmj.com
  8. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2021. Stand 18.09.2020; letzter Zugriff 07.05.2021. www.dimdi.de
  9. Lenders M, Brand E. Fabry Disease: The Current Treatment Landscape. Drugs 2021; 81: 635-45. PMID: 33721270 PubMed

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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