Zusammenfassung
- Definition:Die Balanitis ist eine Entzündung der Eichel und der Vorhaut.
- Häufigkeit:Relativ häufig im Kindes- und Jugendalter, seltener nach Beschneidung.
- Symptome:Schmerzen , Brennen und Juckreiz, Schwierigkeiten beim Urinieren.
- Befunde:Rötung der Eichel und Vorhaut, ödematöse Veränderungen, Belägen, Ulzerationen oder Ausfluss.
- Diagnostik:Klinische Diagnose, Ausschluss von Systemerkrankungen, ggf. Keimnachweis.
- Therapie:Lokale antiinfektiöse Behandlung oder lokal applizierte Kortikosteroide, verbesserte Hygiene, ggf. chirurgische Behandlung.
Allgemeine Informationen
Definition
- Die Balanitis ist eine Entzündung der Eichel (Glans penis).
- Ist auch die Vorhaut (Präputium) an der Entzündung beteiligt, spricht man von einer Balanoposthitis.1
- Die Erkrankung kann entzündliche, infektiöse oder präkanzeröse Ursachen haben.
Häufigkeit
- Die Erkrankung ist häufig im Kindes- und Jugendalter, kann aber in jedem Alter auftreten und betrifft ca. 3–11 % der Patienten.1
Ätiologie und Pathogenese
- Zwischen Vorhaut und Eichel befindet sich Smegma (abgeschilferte Epithelzellen und Talgdrüsensekret). Bei unzureichender Hygiene oder enger Vorhaut kann das Smegma sich anreichern und bildet einen guten Nährboden für Pilze, Bakterien oder Viren.
- Die Ursache ist meist multifaktoriell:
Infektionen
- Bakterien
- häufig Staphylokokken
- beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B2
- Gonokokken (Gonorrhö), Treponema pallidum (Syphilis) und andere sexuell übertragenen Bakterien
- Auch bei Diphtherie oder Tuberkulose kann es zu einer ulzerierenden Balanitis kommen.
- Viren
- Herpes-simplex-Infektion, entweder im Rahmen der Erstinfektion oder durch Aktivierung einer latenten Infektion
- Condylomata acuminata (Infektion durch humane Papillomaviren)3
- Pilze
- Candida-Infektionen sind häufige Ursache einer Balanitis oder Balanoposthitis.4
- Prädisponierende Faktoren sind hier Alter und Diabetes mellitus.5
- Auch andere Pilzerkrankungen können vorkommen.
- Candida-Infektionen sind häufige Ursache einer Balanitis oder Balanoposthitis.4
- Parasiten
- Skabies (Krätze)
- Filzlausbefall
- Trichomonaden
- Amöben
Andere Ursachen
- Atopisches Ekzem/Dermatitis
- Allergisches oder durch Irritation ausgelöstes Kontaktekzem
- Seborrhoische Dermatitis
- Das warmfeuchte Milieu unter der Vorhaut scheint die Entstehung eines Lichen sclerosus zu begünstigen.6
- Die Manifestation des Lichen sclerosus et atrophicus an Glans penis und Präputium wird auch Balanitis xerotica obliterans genannt.7
- Lichen planus
- Psoriasis
- Auch beim Morbus Behçet kann eine Beteiligung der Eichel und der Vorhaut vorkommen.8
- Zoon-Balanitis: eine chronische erythematöse Balanitis bei älteren, nicht beschnittenen Männern9
- Bei reaktiven Arthritiden kann es zu Bläschenbildung an der Glans penis kommen, die rupturieren und sich zu schmerzlosen Erosionen entwicklen (Balanitis circinata).10
- Ein Zusammenhang mit chronischen Darmerkrankungen wird beschrieben.4
- Präkanzerose
- Erythroplasie Queyrat:11Carcinoma in situ der Genitalschleimhaut; Schleimhautvariante des Morbus Bowen
- Ein Peniskarzinom kann zu einer Entzündung an Eichel und Vorhaut führen oder fällt dadurch primär auf.
- Eine Progression der Infektion kann Narbenbildung, Verformungen oder kanzeröse Läsionen verursachen.
Prädisponierende Faktoren
- Phimose
- Diabetes mellitus
- Peniskarzinom (ältere Männer)
- Candida-Infektion
- Steroidvorbehandlung
- Urethritis
ICPC-2
- Y75 Balanitis
ICD-10
- N48 Sonstige Krankheiten des Penis
- N48.1 Balanoposthitis
- N51.-* Krankheiten der männlichen Genitalorgane bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- N51.2* Balanitis bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- Balanitis:durch Amöben (A06.8+)
- 32179Balanitis: durch Candida (B37.4+)
- N51.2* Balanitis bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Die Diagnose lässt sich mit dem Befund einer rötlichen bis tiefroten Eichel und Vorhaut mit Belägen oder Ausfluss stellen.
- Langzeitig persistierende, flächige Einblutungen im Bereich der Glans penis sind verdächtig auf Lichen sclerosus et atrophicus.12
Anamnese
- Beginn und Dauer der Veränderungen
- Schmerzen, Brennen und Juckreiz
- Probleme beim Wasserlassen
- Probleme beim Geschlechtsverkehr
- Ausfluss, Inkontinenz
- Hauterkrankungen, Diabetes mellitus oder andere systemische Erkrankungen sollten erfragt werden.
- Trauma in der Anamnese
- Sexuelle Praktiken
Klinische Untersuchung
- Eichel und Vorhaut gerötet, mitunter Einblutungen oder Petechien
- Ödemtöse Schwellung der Vorhaut mit Schwierigkeiten, die Vorhaut zurückzuziehen.
- Beläge, Ulzerationen
- Ausfluss aus der Urethra
- Bei einem Lichen sclerosus besteht oft eine weißlicher Verdickung der Vorhaut (Balanitis xerotica obliterans).
- Bei Kindern besteht häufig eine Phimose.
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Abstrich von Eichel und Vorhaut, ggf. Untersuchung des Erststrahlurins zum kulturellen Nachweis der Keime
- Für den mikrobiologischen Nachweis von Chlamydien stellen Nukleinsäureamplifikationstests (NAAT) die Methode der Wahl dar.13
- Histologische und immunologische Untersuchung bei therapieresistenten Verläufen mit Verdacht auf Präkanzerose oder Peniskarzinom.
- Evtl. Screening auf andere sexuell übertragbare Krankheiten
- Chlamydien, Trichomonaden, Syphilis, Gonorrhö
- Evtl. Ausschluss systemischer Erkrankungen, z. B. Diabetes
Indikationen zur Überweisung
- Bei rezidivierenden Beschwerden
- Bei Verdacht auf Peniskarzinom oder Präkanzerosen
Therapie
Therapieziele
- Infektion sanieren und Symptome lindern.
- Rezidiv verhindern.
Allgemeines zur Therapie
- Zugrunde liegende Systemerkrankungen sind zu behandeln.
- Infektionen und Superinfektionen können mit lokal zu verabreichende Antibiotika oder Antimykotika behandelt werden.14
- Bei jeder Lokalbehandlung ist daran zu denken, dass Kondome dadurch ihre Reißfestigkeit verlieren können.
- In seltenen Fällen ist eine systemische Therapie möglichst nach Antibiogramm erforderlich.
- Bei Präkanzerosen und häufigen Rezidiven kommt evtl. eine Beschneidung oder Exzision der Bereiche in Betracht.
Medikamentöse Therapie
- Bakterielle Infektionen
- Polyvidon-Jod-Salben oder Gentamicin-Creme, evtl. mit Mullstreifen unter die Vorhaut, regelmäßig wechseln, insbesondere nach dem Urinieren8
- Penisbäder mit synthetischen Gerbstoffen oder Spülungen mit Octenidin
- Candida15
- antimykotische Creme
- z. B. Clotrimazol Creme: 2 x tgl. über 1–2 Wochen
- alternativ Nystatin, Amphotericin-B-Salben
- Bei Ekzemen und Kontaktdermatitis
- lokale milde Kortikosteroidsalben
Weitere Therapien
- Therapie bei Chlamydien-Infektion: Doxycyclin 2 x 100 mg p. o. pro Tag für 7 Tage13
- Therapie der 2. Wahl: Azithromycin 1,5 g p. o. Einmalgabe
- Ein Lichen sclerosus et atrophicans (Balanitis xerotica obliterans) sollte immer behandelt werden.
- Operativ steht die radikale Zirkumzision im Vordergrund.
- Alternativ zur radikalen Zirkumzision kann eine Therapie mit Clobetasolpropionat 0,05 % versucht werden.16
- Condylomata können mit topische Therapieverfahren (Podophyllotoxin 0,5 % Lösung, Imiquimod 5 % Creme, Sinecatechine 10 % Salbe) oder chirurgische/ablative Therapieverfahren (Kürettage, Scherenschlagexzision, Elektrokauter und modifizierte koagulierende Verfahren, Lasersysteme, Kryotherapie oder Trichloressigsäure 80–90 %) behandelt werden.3
Operative Therapie
- Eine Zirkumzision (Beschneidung) kann vor Rezidiven schützen und ist vor allem das Mittel der Wahl bei Präkanzerosen.
Prävention
- Größere Sorgfalt bei der Hygiene
- Keine Irritanzien wie z. B. antibakterielle Seife verwenden, keine übertriebene Sauberkeit
- Keine üblichen Allergene wie Parfums, parfümierte Seifen oder Reinigungsmittel verwenden.
- Ggf. nur neutrale Cremes oder Öle verwenden.
- Mechanische Reize vermeiden.
- Die Verwendung eines Kondoms kann das Infektionsrisiko reduzieren.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Meist vorrübergehend, kann rezidivieren.
Komplikationen
- Meatusstenose durch Narbenbildung und Verformungen
- Maligne Entartung
- Invasive Ausbreitung einer Candida-Infektion15
Prognose
- Die Prognose ist von der Grunderkrankung abhängig, für Infektionen in der Regel gut.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Leitlinien
- Edwards S, Bunker C, Ziller F, van der Meijden WI. 2013 European guideline for the management of balanoposthitis. Int J STD AIDS. 2014 May 14, 25 (9):615-626. std.sagepub.com
- Deutsche STI-Gesellschaft. Infektionen mit Chlamydia Trachomatis. AWMF-Leitlinie-Nr. 059-005. S2k, Stand 2016. www.awmf.org
- Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG). Candida-Infektionen, Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 082-005. S1, Stand 2020. www.awmf.org
- Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. HPV-assoziierte Läsionen der äußeren Genitoanalregion und des Anus. AWMF-Leitlinie Nr. 082-008. S2k, Stand 2017. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Phimose und Paraphimose. AWMF-Leitlinie Nr. 006-052. S2k, Stand 2017. www.awmf.org
Literatur
- Leber M. Balanitis . Medscape, updated November 2018 emedicine.medscape.com
- Wakatsuki A. Clinical experience of streptococcal balanoposthitis in 47 healthy adult males. Hinyokika Kiyo 2005;51:737-740. PubMed
- Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. HPV-assoziierte Läsionen der äußeren Genitoanalregion und des Anus. AWMF-Leitlinie-Nr. 082-008. Stand 2017 www.awmf.org
- Osipov V. Balanoposthitis. Medscape, updated October 2020 emedicine.medscape.com
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- Altmeyer P. Online Enzyklopädie Dermatologie. Balanitis. Zugriff 15.11.2020 www.enzyklopaedie-dermatologie.de
- Hugh JM, Lesiak K, Greene LA, Pierson JC. Zoon's balanitis. J Drugs Dermatol. 2014 Oct. 13 (10):1290-1. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Poddubnyy D. Spondyloarthritiden Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage 2016 Thieme-Verlag S.2671
- Altmeyer P. Erythroplasie Queyrat- Online Enzyklopädie Dermatologie. Kapitel D07.4, Zugriff 15.11.2020 www.enzyklopaedie-dermatologie.de
- Altmeyer P. Online Enzyklopädie Dermatologie. Lichen sclerosus des Penis. Zugriff 15.11.2020 www.enzyklopaedie-dermatologie.de
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Autor*innen
- Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).