Was ist ein Enddarmvorfall?
Der Begriff „Enddarmvorfall“ (Enddarmprolaps) umfasst Analprolaps und Rektumprolaps. Beim Analprolaps treten Haut und Schleimhaut des unteren Teils des Enddarms durch den Anus aus – maximal 2 cm. Rektumprolaps bezeichnet dagegen das Austreten größerer Teile des Enddarms (aller Schichten der Darmwand) – bis zu 10 cm.
Ein Enddarmvorfall kommt selten vor. Er tritt meistens bei Frauen im höheren Alter auf, kann aber bei Frauen und Männern in jedem Alter vorkommen. Die Zahl der Neuerkrankungen wird mit 0,2–0,4 % pro Jahr angegeben.
Ursachen
Ursache ist eine Schwäche in der Darmwand in Verbindung mit hohem Druck im Enddarm. Der obere Teil des Enddarms stülpt sich in den unteren Teil hinein („Intussuszeption“ des Darms). Im frühen Verlauf bleibt dies unbemerkt, aber mit der Zeit drängt der Prolaps weiter in den Enddarm hinein, und die Schließmuskulatur wird geschwächt. Schließlich drängt der Prolaps aus der Enddarmöffnung heraus.
Eine häufige Ursache ist Verstopfung. Viele der Patienten mit Analprolaps leiden unter Hämorrhoiden (Ausbuchtungen der Venen im Analbereich).
Andere prädisponierende Faktoren für einen Rektumprolaps sind: Alter über 40 Jahre, weiblich, vaginale Entbindungen (Risiko steigt mit Mehrlingsgeburten), frühere Operationen im Becken, chronische Verstopfung, chronischer Durchfall und Funktionsstörungen der Beckenbodenmuskulatur.
Symptome und Beschwerdebilder
Ein Rektumprolaps verursacht im Allgemeinen größere Beschwerden als ein Analprolaps. Das häufigste Symptom ist, dass Sie merken, wie sich ein Stück des Darms heraus stülpt, wenn Sie auf der Toilette sitzen, oder in anderen Situationen, in denen sich der Druck im Bauchraum erhöht (z. B. beim Husten, in der Hocke sitzen oder bei längerem Stehen). Häufige Symptome sind Unwohlsein, leichte Blutungen der Schleimhaut und verstärktes Nässen aus dem After. Schmerzen und Juckreiz in der betreffenden Region können aufgrund anhaltender Feuchtigkeit und unzureichender Körperhygiene entstehen.
Bei Patienten mit Rektumprolaps können sich die Stuhlgewohnheiten verändern und einige Patienten können Luft und Kot nicht halten – sie bekommen Stuhlinkontinenz. Dies trifft auf bis zu 75 % der Patienten mit Rektumprolaps zu. Die Lebensqualität ist in diesem Fall stark beeinträchtigt.
Diagnostik
Der Arzt ermittelt die Symptome und Beschwerden aus der Krankengeschichte. Die Diagnose wird in der Regel bei der Untersuchung der Enddarmöffnung gestellt, aus der der Prolaps heraustritt, während der Patient steht oder sich in die Hocke setzt. Kommt eine Operation in Betracht, können zusätzliche Untersuchungen wie Röntgen, Endoskopie, MRT und Druckmessungen nötig werden.
Behandlung
Analprolaps
Bei einem Analprolaps sollten Sie Aktivitäten vermeiden, die den Druck im Enddarm erhöhen, wie z. B. schweres Tragen und starkes Pressen, wenn Sie auf der Toilette sitzen. Verstopfung kann durch reichliche Flüssigkeitsaufnahme, ballaststoffreiche Ernährung, gute Toilettengewohnheiten und eventuell durch Abführmittel reduziert werden. Wenn die Schleimhaut beim Stuhlgang hervor tritt, kann es helfen, sie vorsichtig mit Toilettenpapier wieder zurück zu schieben.
Ein Analprolaps kann versuchsweise mit Kortisonsalbe behandelt werden. Bei ernsthaften Beschwerden kann eine chirurgische Behandlung nötig werden.
Rektumprolaps
Ein Rektumprolaps muss operiert werden. Ohne einen Eingriff würden die Beschwerden zunehmen. Verschiedene chirurgische Verfahren werden verwendet. In der Forschung konnte bislang jedoch nicht hinlänglich entschieden werden, welche Methode die beste ist.
Ein Verfahren, das vorzugsweise bei älteren Personen angewandt wird, ist die Entfernung des „überschüssigen“ Teils der Schleimhaut. In anderen Fällen werden alle Schichten der Darmwand operativ entfernt.
Bei jüngeren Patienten wird in der Regel die Rektopexie bevorzugt. Diese haben einen weniger ausgeprägten Prolaps, und die Kraft des Schließmuskels ist ausreichend. Der Eingriff wird üblicherweise laparoskopisch durchgeführt. Das Rektum wird „hochgezogen“ und am Kreuzbein (Sakrum) befestigt.
Es gibt weniger Rückfälle nach Rektopexie (unter 10 %) als nach anderen Behandlungen.
Weiterführende Informationen
- Hämorrhoiden
- Enddarmvorfall – für ärztliches Personal
Autoren
- Philipp Ollenschläger, Medizinjournalist, Köln
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Literatur
Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Anal- und Rektumprolaps. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.
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