Yersinien-Infektion

Die Yersinien-Infektion (Yersiniose) ist eine bakterielle Magen-Darm-Entzündung, häufig ausgelöst durch den Verzehr von rohem Schweinefleisch.

Was sind Yersinien?

Yersinien sind Stäbchenbakterien aus der Familie der Enterobakterien. Sie umfassen hauptsächlich drei Arten, die beim Menschen Krankheiten verursachen. Yersinia enterocolitica und pseudotuberculosis verursachen Darmerkrankungen. Ihr wichtigstes Tierreservoir sind Schweine, sie kommen aber auch bei Rindern, Wildtieren und einigen Nagetieren vor. Yersinia pestis hingegen ist der Erreger der Pest. Beim Menschen kommen Yersinien normalerweise nicht vor, und darum führen sie bei einer Infektion zur Erkrankung. Infektionen, die von Tieren übertragen werden, werden Zoonosen genannt. Eine Yersiniose ist also eine Zoonose.

Übertragungswege

Die Infektion mit Yersinien ist in den meisten Fällen lebensmittelbedingt. Der Verzehr von rohem Schweinefleisch (Mett, Hackfleisch) gilt als Hauptrisikofaktor. Andere mögliche Infektionsquellen sind kontaminiertes Trinkwasser oder damit gewaschene Speisen. Die Erreger können sich auch bei 4 °C noch vermehren. Bei Lagerung im Kühlschrank kann die Keimzahl in einem verunreinigten Lebensmittel und damit das Infektionsrisiko ansteigen. Direkte Übertragungen der Yersinien von Tier zu Mensch oder von Mensch zu Mensch spielen nur eine untergeordnete Rolle. 

Der Magen-Darm-Trakt ist die Eingangspforte für die Infektion. Nach dem Verzehr des verunreinigten Fleisches dringen die Organismen über die Schleimhaut des Dünndarms ein. Sie setzen sich im Lymphgewebe der Darmschleimhaut und später auch in den Lymphknoten der Bauchhöhle fest. Sie verursachen Entzündungsreaktionen und kleine Wunden auf der Darmschleimhaut. Wenn sich der Erreger über das Blut im gesamten Körper ausbreitet, dann können sie auch andere innere Organe wie Leber, Lunge und Hirnhaut angreifen (sekundärer Befall). Es kann nach der Infektion auch zu Gelenkentzündungen (Reaktive Polyarthritis) kommen, am ehesten bei Betroffenen mit einer bestimmten genetischen Variante (HLA B27 positiv).

Besonders Kinder unter 2 Jahren sind für eine Infektion empfänglich, da ihr Immunsystem noch nicht voll ausgereift ist. Auch bei ihnen gilt das rohe Schweinefleisch als Hauptinfektionsquelle. Der Kontakt zu Vögeln oder das Spielen im Sandkasten werden als Risikofaktoren diskutiert, jedoch konnte bisher nur ein schwacher Zusammenhang zur Yersinien-Infektion festgestellt werden.

Häufigkeit

Yersinien kommen weltweit vor. Die Infektion wird in über 90 % der Fälle vom Erreger Yersinia enterocolitica verursacht. In Mitteleuropa werden jährlich etwa 3 Fälle pro 100.000 Einw. diagnostiziert. Ländliche Gebiete sind häufiger betroffen. Größere Ausbrüche und Todesfälle sind sehr selten. Männer sind leicht häufiger betroffen als Frauen.

Was sind die Symptome der Infektion?

Das Krankheitsbild bei einer Infektion mit Yersinia enterocolitica ist sehr vielfältig. Die Symptome rühren vom Magen-Darm-Trakt her und äußern sich in Durchfall, Bauchschmerzen und in manchen Fällen in Übelkeit und Erbrechen. Der Durchfall kann mehrere Tage bis einige Monate andauern, blutig oder unblutig sein. Bei Kleinkindern treten oft Bauchschmerzen und Fieber auf. Bei älteren Kindern ähneln die Symptome einer Blinddarmentzündung mit starken Schmerzen im rechten Unterbauch. Blutiger Stuhl und schmerzhafter Stuhldrang sind nicht ungewöhnlich. Bis zu 20 % haben auch Halsschmerzen. Bei Erwachsenen sind die Magen-Darm-Symptome weniger stark ausgeprägt. Es kommt aber häufiger zu einer Rachenentzündung und grippeähnlichen Symptomen. Nach der Infektion sind Immunreaktionen in Form einer reaktiven Arthritis oder eines Erythema nodosum (Knotenrose) möglich.

Wie kann man sich infizieren?

Die Infektion erfolgt hauptsächlich über Schweinefleisch oder andere Nahrungsmittel, die durch Schweinekot verunreinigt wurden. Sie können sich auch über verunreinigtes Trinkwasser infizieren. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist sehr selten, kann aber unter Familienangehörigen vorkommen. Meist dauert es drei bis fünf Tage vom Verzehr der verunreinigten Nahrungsmittel bis zu den ersten Symptomen der Erkrankung. Nehmen Sie große Mengen der Bakterien zu sich, kann die Infektion bereits nach 24 Stunden auftreten.

Diagnostik

Das Stellen der Diagnose kann schwierig sein, da die Infektion mit diffusen Symptomen beginnt und einer einfachen Darminfektion ähnelt. Weder Symptome, Anzeichen, normale Blutuntersuchungen noch Röntgenbilder können zur Diagnostizierung herangezogen werden. Eine Yersiniose kann nur durch Bakterien im Stuhl (Zellkulturen) oder Antikörper im Blut (Serologie) nachgewiesen werden. Zellkulturen und Blutausstriche müssen in ein Labor geschickt werden und die Untersuchung dauert etwa eine Woche.

Therapie

Nur selten werden Betroffene im Krankenhaus behandelt. Der Krankheit verläuft meist leicht und geht von selbst vorüber. Beachten Sie folgende Hinweise:

  • Achten Sie bei starkem Durchfall darauf, dass es nicht zur Austrocknung kommt.
  • Nehmen Sie ausreichend Flüssigkeit zu sich.
  • Kinder sollten zusätzlich Energieträger einnehmen.
  • Entsprechende Elektrolytpulver mit Zucker und Salzen sind u. a. in der Apotheke erhältlich.

Nur bei schweren Infektionen wird eine Antibiotikatherapie empfohlen. Es ist nicht nachgewiesen, dass Antibiotika bei schwächeren Krankheitsverläufen helfen. Auch besteht kein Grund zu der Annahme, dass Antibiotika Komplikationen und chronische Beschwerden verhindern.

Prävention

Folgende Maßnahmen zur Vermeidung einer Yersinien-Infektion werden empfohlen:

  • (Schweine-)Fleisch vor dem Verzehr für mindestens 2 Minuten auf mindestens 70 °C erhitzen.
  • Vermeiden Sie eine „Kreuzkontamination" über Hände, Schneidbretter oder Messer!
  • Besonders empfindliche Personengruppen (Kleinkinder, Schwangere, Senior*innen und Personen mit geschwächter Immunabwehr) sollten auf den Verzehr von rohem Fleisch verzichten.
  • Waschen Sie nach jedem Toilettenbesuch gründlich die Hände mit Wasser und Seife.
  • Waschen Sie Ihre Hände auch nach jedem Kontakt mit möglicherweise  kontaminierten Gegenständen (z. B. Windeln), Arbeitsgeräten und -flächen in der Küche und vor der Zubereitung von Mahlzeiten.
    • Das Waschen führt zwar nicht zur sicheren vollständigen Beseitigung, aber zur deutlichen Reduzierung der bakteriellen Keimkonzentration an den Händen.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit

Die Ausscheidung von Bakterien über den Stuhlgang kann nach Besserung der Beschwerden noch lange anhalten. Der Stuhl bleibt in der Regel für 2–3 Wochen infektiös. Beachten Sie dies bei infizierten Kindern, wenn Sie deren Windeln wechseln.

Kindergarten/Gemeinschaftseinrichtungen

Nach zwei symptomfreien Tagen kann das Kind wieder in den Kindergarten gehen. Personen, die an einer Yersinien-Infektion erkrankt oder dessen verdächtig sind, dürfen nicht tätig sein

  • beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln, wenn sie dabei mit diesen in Berührung kommen:
    • Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus
    • Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis
    • Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus
    • Eiprodukte
    • Säuglings- und Kleinkindernahrung
    • Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse
    • Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage
    • Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte Soßen, Nahrungshefen
    • Sprossen und Keimlinge zum Rohverzehr sowie Samen zur Herstellung von Sprossen und Keimlingen zum Rohverzehr.
  • In Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung.

Eine Wiederaufnahme der Tätigkeit ist, wenn keine Symptome mehr bestehen, unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Da die Stuhlausscheidung von Yersinien noch längere Zeit andauern kann, ist für einen Zeitraum von etwa 4 Wochen nach Ausbleiben der Symptome verstärkt auf die strikte Einhaltung einer Händehygiene zu achten, um eine direkte oder indirekte Verunreinigung von Lebensmitteln zu vermeiden. Betroffene Personen sollten in diesem Zeitraum nicht in lebensmittelhygienisch sensiblen Bereichen tätig werden.

Prognose und Komplikationen

Die Infektion klingt in der Regel ohne Spätfolgen von selbst ab. Kontrollproben sind nicht notwendig.

In seltenen Fällen treten immunologische Komplikationen auf, wie z. B. der reaktiven Arthritis. Sie geht mit Gelenkbeschwerden einher, die sich 1–2 Wochen nach der akuten Darminfektion zeigen. Eine solche Gelenkentzündung heilt meist nach 1–4 Monaten aus. Eine andere Komplikation ist das Erscheinen eines Erythema nodosum (Knotenrose), einer entzündlichen Erkrankung des Unterhautfettgewebes. Die Läsionen treten 2–20 Tage nach dem ersten Fieber auf und bilden sich normalerweise innerhalb von 1 Monat zurück.

Eine lebensgefährliche Komplikation ist die Blutvergiftung (Sepsis). Kinder unter 1 Jahr, ältere Menschen oder immungeschwächte Personen haben ein höheres Risiko, eine Blutvergiftung zu entwickeln. 34–50 % dieser Betroffenen überleben diesen schweren Verlauf einer Yersinien-Infektion nicht.

Weitere Informationen

Autor*innen

  • Hannah Brand, Ärztin, Berlin

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Yersinien-Infektion. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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