Pseudozysten des Pankreas

Zusammenfassung

  • Definition:Pseudozysten des Pankreas sind lokalisierte Flüssigkeitsansammlungen mit reichlich Amylase in oder an der Bauchspeicheldrüse.
  • Häufigkeit:Sie kommen bei 20–50 % der Patient*innen mit akuter Pankreatitis vor, treten aber am häufigsten bei der chronischen Pankreatitis auf.
  • Symptome:Sie können asymptomatisch verlaufen, aber in der Regel treten Schmerzen (90 %), Übelkeit, Gewichtsabnahme und Raumforderung im Bauch auf.
  • Befunde:Außer bei Komplikationen gibt es keine klinischen Befunde.
  • Diagnostik:Häufig basierend auf Anamnese und evtl. klinischem Befund. Zusatzuntersuchungen in Form von bildgebenden Verfahren wie Sonografie, CT, MRT und die Analyse von Zystenaspirat können im Rahmen der Differenzialdiagnostik erforderlich sein.
  • Therapie:Oft kommt es zu einem spontanen Rückgang, evtl. ist eine chirurgische Drainage notwendig.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Pseudozysten des Pankreas sind lokalisierte Flüssigkeitsansammlungen angereichert mit Amylase, in oder an der Bauchspeicheldrüse, die von fibrösem Gewebe und Granulationsgewebe ohne Epithelauskleidung umgeben werden.1
  • Sie differenzieren sich zu echten Zysten durch das Fehlen von Epithelgewebe.2
  • Pseudozysten entstehen meist infolge einer akuten oder chronischen Pankreatitis.3

Klassifikation

  • Typ I
    • postnekrotisch aufgrund akuter Pankreatitis, innerhalb von 2 Wochen
    • normales Gangsystem, selten Verbindung zum Pankreasgang
  • Typ II
  • Typ III
    • Retentionszysten
    • pathologisches Gangsystem (Striktur) und Verbindung zwischen Gang und Zyste
  • CT bei Typ III
    • oval/sphärisch, innerhalb des Pankreasparenchyms, gute Begrenzung

Häufigkeit

  • Pseudozysten kommen bei ca. 20–50 % der Patient*innen mit akuter Pankreatitis vor, treten aber am häufigsten infolge einer chronischen Pankreatitis auf.4
    • Bei der Pathogenese stellt die alkoholbedingte chronische Pankreatitis mit bis zu 78 % Prävalenz5 die größte Subgruppe dar.
  • Pseudozysten machen im klinischen Alltag ca. 80–90 % der gefundenen Zysten aus.6

Ätiologie und Pathogenese

  • Ätiologie
    • Postinflammatorische Pseudozysten sind die häufigsten zystischen Schwellungen, die vom Pankreas ausgehen.
    • Auftreten oft nach einer akuten oder chronischen Pankreatitis7 aber auch infolge Operationen, Pankreasgangobstruktionen oder durch Traumata möglich, Letzteres insbesondere bei Kindern.
    • Auftreten normalerweise > 4 Wochen nach der Entzündung
    • Ca. 40 % der Pankreaspseudozysten verschwinden spontan innerhalb von 2–6 Wochen.5 Spontane Rückbildung nach mehr als 12 Wochen5 ist sehr selten/unwahrscheinlich.
  • Anzahl und Lokalisation
    • Pseudozysten des Pankreas sind meist freistehende (solitäre) Zysten, aber bei ca. 15 % können multiple Zysten mit variierender Größe auftreten.
    • Sie sind im oder auf dem Pankreas lokalisiert.
    • Ca. 2/3 dieser Läsionen bilden sich im Pankreasschwanz.
    • In seltenen Fällen erstrecken sich Ansammlungen bis in das Becken oder sogar bis in das Mediastinum.
  • Pathogenese
    • Etwa 80 % der Pseudozysten treten in Folge einer alkohol- oder gallensteinbedingten Pankreatitis auf.5 Eine totale oder partielle Blockierung der Pankreasgänge kann zu einem Austreten von Pankreassekret und zur Bildung von Zysten führen.
    • Die meisten Pseudozysten haben eine Verbindung zum Gangsystem des Pankreas und enthalten eine hohe Konzentration an Verdauungsenzymen wie Amylase, Lipase und Elastase, die auch Gewebe verdauen können.
    • Die Expansion von Pseudozysten kann mit Bauchschmerzen, Obstruktion von Duodenum oder Galle, vaskulärer Obstruktion oder Fistelbildung in den inneren Organgen, der Pleurahöhle oder dem Perikard einhergehen.5
    • spontane Infektionen als mögliche Komplikation
    • Arrodierung und Destruktion von angrenzenden Gefäßen durch gewebeverdauende Enzyme der Pseudozysten kann u. a. zur Entstehung von Pseudoaneurysmen führen. Dadurch kann es zu einer plötzlichen, schmerzhaften Expansion einer Zyste oder gastrointestinalen Blutung kommen.

Akute Pankreatitis

  • Bei einer akuten Pankreatitis bilden sich Pseudozysten aufgrund von Schädigungen der Gänge durch eine Pankreasnekrose (postnekrotische Pseudozysten), und durch die entstehende Leckage kommt es zu einer Extravasation des enzymreichen Pankreassekrets, das sich in möglichen Hohlräumen sammeln kann.8
  • Die meisten Flüssigkeitsansammlungen bei einer akuten Pankreatitis bilden sich von selbst wieder zurück.
  • Pankreaspseudozysten, die nach 4–6 Wochen noch nicht zurückgebildet sind, werden häufig mit einer fibrösen Kapsel umgeben.
  • Auch Zysten, die nach 6 Wochen noch vorhanden sind, können konservativ beobachtet werden, wenn der Durchmesser kleiner als 6 cm ist. Ist der Durchmesser größer als 5 cm, ist dies meist ein Hinweis darauf, dass die Wahrscheinlichkeit eines vollständigen spontanen Rückgangs gering ist.5
  • Große Zysten (> 5 cm), die sich nach 3–6 Monaten nicht spontan zurückgebildet haben, sollten aufgrund eines erhöhten Morbiditätsrisikos (Ruptur, Infektion, Ikterus, Hämorrhagie) drainiert werden.5

Chronische Pankreatitis

  • Bei einer chronischen Pankreatitis bilden sich Pseudozysten durch einen erhöhten Druck in den Pankreasgängen aufgrund von Strikturen, Steinen im Pankreasgang oder anderen Ursachen.5
  • Der erhöhte Druck im Ausführungsgang führt zu kleinen Verletzungen im Gang, sodass sich die austretende Flüssigkeit im Parenchym sammelt (Retentionszysten).
  • Die chronische Pankreatitis ist die häufigste Ursache für Pseudozysten des Pankreas.5

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • D99 Erkrankung Verdauungsyst., andere

ICD-10

  • K86 Sonstige Krankheiten des Pankreas
    • K86.2 Pankreaszyste
    • K86.3 Pseudozyste des Pankreas

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Anamnese, die den Verdacht der Erkrankung erregt.
    • In der Anamnese sollten sich in der Regel Hinweise auf auslösende Faktoren finden lassen, z. B. eine Pankreatitis.
  • Die Diagnose wird durch bildgebende Verfahren bestätigt, aber die Unterscheidung zwischen Pseudozysten und zystischen Neoplasien des Pankreas kann schwierig sein.
  • Aspiration und Analyse des Flüssigkeitsinhalts der Zyste kann die Diagnose stützen.

Differenzialdiagnosen

  • Akute Pankreatitis
  • Chronische Pankreatitis
  • Pankreaskarzinom
  • Zystische Neoplasien: seröses oder muzinöses Zystadenom oder Zystadenokarzinom
    • Gewichtsverlust, palpabler Tumor, Fehlen einer durchgemachten Pankreaserkrankung in der Anamnese und das Vorhandensein multiokulärer Zysten erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer malignen Erkrankung.
  • Akute pankreatische Flüssigkeitsansammlungen: in den ersten 3, 4 Wochen nach einer akuten Erkrankung
  • Pankreasnekrose: schwererer Krankheitsverlauf

Anamnese

  • Verläuft hin und wieder asymptomatisch, meist jedoch symptomatisch.
  • Schmerzen (90 %), Übelkeit, Gewichtsabnahme, spürbare Schwellung im Abdomen, Ikterus
  • Bekannte (chronische) Pankreatitis?
  • Bauchtrauma?
  • Frühere Operationen?
  • Obstruktionssymptome?
  • Infektionszeichen?
  • Gastrointestinale Blutung?
  • Zysten können in seltenen Fällen rupturieren und zu einer allgemeinen Peritonitis führen.
  • Patient*innen mit chronischer Pankreatitis haben in der Regel unspezifische Bauchschmerzen, ein rasch einsetzendes Sättigungsgefühl und leiden manchmal an Übelkeit und Erbrechen.

Klinische Untersuchung

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Labor
    • Serumtests sind von begrenztem Nutzen.1
    • Die Amylase- und Lipasewerte sind meist erhöht, können aber auch normal sein.
    • Durch die Analyse der Zystenflüssigkeit kann zwischen Zysten und Tumoren unterschieden werden.
    • Das karzinoembryonale Antigen (CEA) ist bei Pseudozysten niedrig und bei Tumoren häufig erhöht.
  • Sonografie

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • CT
    • Aufgrund der Sensitivität von mehr als 90 % ist die CT die empfohlene Untersuchung.9
  • MRT
  • MRCP
  • EUS (Endosonografie)
  • ERCP
  • Bei einem Verdacht auf ein Pseudoaneurysma sollte zur Beurteilung eine MRT-Angiografie/Angiografie durchgeführt werden.
  • Aspiration von Flüssigkeit
    • Wird zur Differenzierung von neoplastischen Pankreaszysten verwendet.
    • Kann mittels eines endoskopischen Ultraschalls oder CT-gesteuert erfolgen.
    • In der Regel ist die Konzentration von Amylase in der Flüssigkeit erhöht.
    • Hohes CEA und hohe Viskosität sprechen für Malignität.

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf die Erkrankung

Therapie

Therapieziele

  • Komplikationen vermeiden.
  • Komplikationen treten in ca. 20 % der Fälle auf.5
  • Asymptomatische Pseudozysten ohne Komplikationen, unabhängig von der Größe, bedürfen keiner Behandlung.5
  • Eine Behandlungsindikation gibt es allerdings für asymptomatische Pseudozysten > 5 cm, die sich nach 3–6 Monaten nicht spontan zurückgebildet haben.5

Allgemeines zur Therapie

  • Etwa 40 % aller Pseudozysten bilden sich innerhalb der ersten 6 Wochen spontan zurück.5 Bei leichten Symptomen der Pseudozysten sollte in jedem Fall 6–8 Wochen abgewartet werden.10
  • Geringe Wahrscheinlichkeit der spontanen Rückbildung nach > 12 Wochen5
  • Symptomatische Pseudozysten können operativ behandelt oder perkutan bzw. endoskopisch drainiert werden.5 Alle 3 Verfahren haben vergleichbare Resultate und Rezidivraten.
    • Kontrolle mittels CT oder Ultraschall
  • Wahl des Verfahrens abhängig von Lokalisation/Größe der Pseudozyste und individuellen Kontraindikationen5
  • Komplikationen, die eine interventionelle Therapie erforderlich machen können:5
    • Infektion mit Abszessbildung
    • Ruptur der Pseudozyste, die zu Aszites führen kann.
    • Blutungen aufgrund von angrenzenden erodierenden Blutgefäßen
    • Obstruktion der Gallenwege, des Duodenums und des Pylorus.

Therapieverfahren

  • Operativ, perkutan oder endoskopisch5
  • Endoskopische Verfahren sind die transmurale oder die transpapilläre Stenteinlage.5
  • Chirurgische interne Drainage
    • Zystojejunostomie
    • Zystogastrostomie
    • Zystoduodenostomie
    • Resektion von Zyste/Pankreasgewebe, häufig in Kombination mit Splenektomie

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Bei einer akuten Pankreatitis bilden sich fast 40 % der Zysten spontan zurück, ca. 20 % der Zysten bleiben unverändert oder werden kleiner.
  • Eine spontane Regression tritt selten nach > 12 Wochen oder bei einer Zystengröße über 5 cm auf.5

Komplikationen

  • In bis zu ca. 20 % der Fälle interventionsbedürftige Komplikationen5
  • Pankreaspseudozysten größer > 5 cm sind häufiger mit Komplikationen vergesellschaftet.5
  • Bei Pseudozysten kann es zu einer Sekundärinfektion kommen, sodass Abszesse entstehen.
  • Erodiert der entzündliche Prozess in ein größeres Blutgefäß, kann es zu schweren Blutungen in der Zyste kommen.
  • Ruptur in das Peritoneum kann zu Aszites und (schwerer) Peritonitis führen.

Prognose

  • Für die meisten Patient*innen ist die Prognose gut.
  • Komplikationen können auch letal verlaufen.6

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Sonographie: Pankreas-Pseudozyste nach einer Pankreatitis  (Mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e.V., Hamburg)
Sonografie: Pankreas-Pseudozyste nach einer Pankreatitis (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg)

Quellen

Literatur

  1. Lambiase LR. Pancreatic pseudocysts. eMedicine, 2015. www.emedicine.com. emedicine.medscape.com
  2. Howell DA, Shah, RJ, Lawrence C. Diagnosis and management of pseudocysts of the pancreas. UpToDate, last updated Aug 6, 2009. UpToDate
  3. Brun A, Agarwal N, Pitchumoni CS. Fluid collections in and around the pancreas in acute pancreatitis. J Clin Gastroenterol. Aug 2011;45(7):614-25. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Khalid A, McGrath K. Classification of pancreatic cysts. UpToDate, last updated Dec 16, 2013 UpToDate
  5. Löhr JM et al. United European Gastroenterology evidence-based guidelines for the diagnosis and therapy of chronic pancreatitis (HaPanEU). United European Gastroenterology JournalVolume 5, Issue 2 p. 153-199 2017. pmid:28344786 PubMed
  6. Hollerbach S. Zystische Läsionen und Tumoren des Pankreas klar differenzieren. Gastro News, Ausgabe 4/2018. www.springermedizin.de
  7. Lerch MM, Stier A, Wahnschaffe U, Mayerle J. Pankreaspseudozysten. Abwarten, endoskopisch drainieren, resezieren? Dtsch Arztebl Int 2009; 106(38): 614-21; DOI: 10.3238/arztebl.2009.0614 www.aerzteblatt.de
  8. Soliani P, Franzini C, Ziegler S. Pancreatic pseudocysts following acute pancreatitis: risk factors influencing therapeutic outcomes. JOP 2004; 5: 338-47. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Jani N, Bani Hani M, Schulick RD, Hruban RH, Cunningham SC. Diagnosis and management of cystic lesions of the pancreas. Diagn Ther Endosc. 2011;2011:478913 PubMed
  10. Pitchumoni CS, Agarwal N. Pancreatic pseudocysts. When and how should drainage be performed? Gastroenterol Clin North Am 1999; 28: 615-39. PubMed

Autor*innen

  • Vedat Altun, Facharzt für Innere Medizin und Allgmeinmedizin, Gävle
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

 

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit