Pilzinfektionen (Mykosen) in Mund und Rachen

Zusammenfassung

  • Definition:Pilzinfektion der Mundhöhle, meist hervorgerufen durch Candida albicans.
  • Häufigkeit:Die Infektion ist häufig bei geschwächtem Immunsystem oder  Prothesen.
  • Symptome:Wunden, Schmerzen im Mund, Zungenbrennen, Geschmacksstörungen, manchmal auch symptomlos.
  • Befunde:Schmerzhafte weiße Flecken auf erythematöser Schleimhaut in der Mundhöhle.
  • Diagnostik:Mykologische Kultur.
  • Therapie:Meist lokale antifungale Therapie, Beseitigung der zugrunde liegenden Ursachen, ggf. systemisch.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Pilzinfektion des Mund- und Rachenraumes, meist durch Candida albicans, auch oropharyngeale Kandidose oder Mundsoor genannt.1

Häufigkeit

  • Candida albicans findet sich im Mund bei ca 50 % der gesunden Personen.2
  • Orale Kandidose kommt bei  HIV-Patient*innen zwischen 6 und 93 % vor, die Häufigkeit  bei krebskranken bzw. allogen transplantierten Patient*innen ohne antimykotische Prophylaxe liegt bei 25–35 %.1

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

  • Candida albicans findet sich im Mund bei ca 50 % der gesunden Menschen.
  • Bei Störungen der spezifischen zellulären Immunität, entweder lokal oder systemisch, kann es zu Candidosen der Mundschleimhaut kommen.1
  • Seltener gibt es Infektionen der Mundhöhle durch andere Pilzarten wie Mucor, Aspergillus, Kryptokokken, Blastokokken, Kokzidioidokokken oder Rhinosporiden.3  
    • In diesen Fällen bleibt die Infektion selten auf die Mundschleimhaut beschränkt und eher andere Organinfektionen (insbesondere der Lunge) bestimmen das Krankheitsbild.

Pathogenese

  • Pilzinfektionen im Mundbereich treten gehäuft auf bei:
    • Säuglingen
    • Schwächung des Immunsystems (HIV, Stammzelltransplantation, Immundefekte, Chemotherapie, lokale Strahlentherapie)
    • Diabetes
    • Antibiotikatherapie
    • Zahnprothesen
    • Kortisoninhalation bei Asthma.
  • Charakteristisch für eine orale Kandidose sind weiße, teils abstreifbare Beläge; die zugehörigen Läsionen sind schmerzhaft, verbunden mit Brennen, Geschmacksstörungen und Mundwinkelrhagaden (Cheilitis angularis).1 
  • Es kann zu einer Ausbreitung der Pilzerkrankungen kommen, entweder lokal auf Ösophagus und Larynx oder zu einer systemischen Candida-Infektion.

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • D83 Mund-/Zungen-/Lippenerkrankung

ICD-10

  • B37 Candidose der Haut

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Typischer Befund
  • Tritt eine Pilzinfektion bei sonst Gesunden auf, kann, falls keine andere offensichtliche Ursache vorliegt, ein Ausschluss von hämatologischen Mangelerkrankungen, Diabetes mellitus, Schwächung des Immunsystems, Neutropenie oder HIV durch entsprechende Untersuchungen sinnvoll sein.3

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Brennen und Schmerzen im Mund 
  • Veränderungen des Geschmackssinns
  • Sprechen und Nahrungsaufnahme können beeinträchtigt sein.
  • Vorerkrankungen
  • Medikamente

Klinische Untersuchung

  • Gerötete Schleimhäute im Mund, oft bildet sich ein weißer Belag.5

Akute pseudomembranöse Candidiasis (Soor)

  • Tritt auf bei Neugeborenen, bei geschwächtem Allgemeinzustand, bei Immunschwäche wie HIV und AIDS, bei Behandlung mit Breitspektrum-Antibiotika, Zytostatika usw.
  • Die Schleimhaut ist unter den Belägen besonders erythematös und blutet leicht.
    Human_tongue_infected_with_oral_candidiasis.jpg
    Candida-Infektion

Erythematöse Kandidose

  • Geschwollene, glänzende, hochrote Mundschleimhaut mit verstrichenen Papillen
  • Häufig ist die Zungenoberfläche betroffen.

Chronisch atrophische Kandidose

  • Häufig unter den Auflagestellen von Prothesen.
  • Oft sind besonders die Mundwinkel wund und spröde (Mundwinkelrhagaden).
    Orale Candidiasis
    Mundwinkelrhagaden

 

Ergänzende Untersuchungen

  • Mykologische Kultur
  • Ggf. Biopsie bei entsprechendem Verdacht, zur Abgrenzung einer prämalignen Leukoplakie5
  • Auch der Stuhl sollte auf Pilze untersucht werden (ein ausgeprägtes Hefepilzreservoir des Darmes erfordert ggf. eine längere Therapiedauer).5
  • Der Nachweis von C. albicans aus der Mundhöhle, Stuhl o. Ä. ist nicht gleichzusetzen mit dem Nachweis einer Infektion.6

Therapie

Therapieziel

  • Die Infektion beseitigen.

Allgemeines zur Therapie

  • Eine vorliegende Grunderkrankung sollte ausreichend behandelt werden.
  • Sorgfältige Hygiene
  • Prothesendesinfektion- und sanierung1
  • Ggf. Prothesenpause
  • Meist reicht eine lokale antimykotische Therapie aus.
  • Es gibt Tropfen, Lutschtabletten, Salben und Mundspülungen, die lokal benutzt werden können.
  • Gleichzeitig bestehende Mundwinkelrhagaden  können topisch mit Nystatin, Clotrimazol oder Ketoconazol behandelt werden.

Medikamentöse Therapie

Candidiasis (Mundsoor)

  • Bei einer unkomplizierten oropharyngealen Candidose kommen topische Polyene und Azole zum Einsatz.1
    • Nystatin-Gel 1 g (100.000 IE Nystatin) 3–6 x/d über 2–3 Tage über das Verschwinden der Symptome hinaus
    • Nystatin-Suspension 0,5–1,5 ml (bei Neugeborenen und Kleinkindern bis 2 Jahre bis 1 ml)  4 x/d abhängig von der Schwere der Erkrankung (geeignet auch zur Verminderung des Hefereservoirs des Darmes, hier 2 Wochen Therapiedauer)
    • Amphotericin B 100 mg/4/d für 2–3 Tage (nicht bei Frühgeborenen)
  • Bei hartnäckigen Erkrankungen, Ausweitung auf den Ösophagus oder systemischen Grunderkrankungen kann eine systemische Therapie erforderlich sein.
    • Fluconazol (200–400 mg/d; oral oder intravenös) bzw. Itraconazol-Lösung, die über einen Zeitraum von 7–14 Tage (bei Ösophagusbefall 21 Tage) verabreicht wird.
    • In schweren Ausnahmefällen oder bei Fluconazol-refraktären Erkrankungen ist Amphotericin B Desoxycholat oder liposomales Amphotericin B (beides intravenös) möglich.

Andere Pilzinfektionen

  • Häufig ist eine systemische antimykotische Therapie erforderlich, ggf. kombimiert mit einer chirurgischen Extirpation des befallenen Gewebes.

Prävention

  • Bei rezidivierendem Mundsoor wird Fluconazol 3 x/Woche 100 mg/d p. o. bei Hochrisikopatient*innen empfohlen.1,7
  • HIV-Patient*innen sollten eine ausreichende antiretrovirale Therapie erhalten, um einem oralen Candidiasisbefall vorzubeugen.7
  • In Einzelfällen wird bei Hochrisikopatient*innen mit erwarteter längerfristiger Neutropenie oder mit Hochdosis-Immunsuppression eine antimykotischen Prophylaxe empfohlen, hierfür zugelassen sind Itraconazol, Fluconazol oder Posaconazol.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Raucherentwöhnung, verbesserte orale und/oder Zahnprothesenpflege, optimale Prothesenanpassung
  • Regelmäßiges Mundausspülen nach Inhalation von Kortikosteroiden

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die Pilzinfektion kann sich auf Larynx und Ösophagus ausbreiten.1

Komplikationen 

  • Risikofaktoren für die Ausbreitung einer Pilzinfektion auf den gesamten Körper (invasive Pilzinfektion) sind:8
    • angeborene Immundefekte
    • lang dauernde tiefe Granulozytopenie
    • allogene Stammzelltransplantation
    • medikamentöse Immunsuppression oder Prednisontherapie
    • Intensivbehandlung
    • strukturelle Lungenerkrankungen
    • schwer verlaufende Influenza- oder COVID-19-Erkrankungen.9

Prognose

  • Unbehandelt kann Mundsoor Monate und Jahre andauern.
  • Rezidive treten vor allem bei Weiterbestehen der prädisponierenden Faktoren auf.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Human_tongue_infected_with_oral_candidiasis.jpg
Candida-Infektion (Abbildung zur Verfügung gestellt von James Heilman)
Orale Candidiasis
Mundwinkelrhagaden

Quellen

Leitlinien

  • Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG). Candida-Infektionen, Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 082-005. S1, Stand 2020. www.awmf.org

Literatur

  1. Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG). Candida-Infektionen, Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 082-005, Klasse S1, Stand 2020. www.awmf.org
  2. Gupta S. Mucosal Candidiasis. Medscape, updated March 2020 emedicine.medscape.com
  3. Gupta S. Noncandidal Fungal Infections of the Mouth. Medscape, updated March 2018 emedicine.medscape.com
  4. Worthington HV, Clarkson JE, Khalid T, Meyer S, McCabe M. Interventions for treating oral candidiasis for patients with cancer receiving treatment. Cochrane Database of Systematic Reviews 2010, Issue 7. Art. No.: CD001972. DOI: 10.1002/14651858.CD001972.pub4. DOI
  5. P. Altmeyer.E. Die Online Enzyklopädie der Dermatologie, Venerologie, Allergologie und Umweltmedizin. Zugriff 16.11.2020 www.enzyklopaedie-dermatologie.de
  6. RKI. Pilzinfektionen. Stand 2015 www.rki.de
  7. Pappas PG, Kauffman CA, Andes D, et al. Clinical practice guidelines for the management of candidiasis: 2016 update by the Infectious Diseases Society of America. Clin Infect Dis. 2009;48:503-535. academic.oup.com
  8. von Lilienfeld-Toal M, Wagener J, Einsele H, Cornely OA, Kurzai O: Invasive fungal infection—new treatments to meet new challenges. Dtsch Arztebl Int 2019 www.aerzteblatt.de
  9. RKI. Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19. Stand 13.11.2020 Zugriff am 18.11.2020 www.rki.de

Autor*innen

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit