Aphthen

Zusammenfassung

  • Definition:Rezidivierende Ulzerationen, oral oder pharyngeal, Ursache wahrscheinlich multifaktoriell.
  • Häufigkeit:15‒20 % der Bevölkerung sind davon betroffen.
  • Symptome:Kleine Schleimhautläsionen mit einem Durchmesser von 2‒8 mm, die normalerweise innerhalb von 10–14 Tagen abheilen. Anfänglich Hyperästhesie, danach schmerzhafte Ulzerationen.
  • Befunde:Variierende Morphologie: klein, groß, solitär, multipel. Scharf abgegrenzt und umgeben von einem tiefroten Randsaum.
  • Diagnostik:Zusatzuntersuchungen haben keinen diagnostischen Wert.
  • Therapie:Lokale Therapeutika; selten systemische Therapie erforderlich.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Aphthen sind rasch entstehende schmerzhafte orale oder pharyngeale Schleimhautinfiltrate mit zentraler fibrinbedeckter Erosion.1
  • Man unterscheidet:1
    • solitäre Aphthen
    • rezidivierende habituelle Aphthen (Minortyp, Majortyp, herpetiformer Typ): runde bis ovale, oberflächliche, weiche, weiße Bläschen oder Wunden mit entzündlichem Halo; lokalisiert auf der Zunge, am Gaumen, am Mundboden, auf der Innenseite der Wangen oder den Lippen2
    • Aphthen bei Morbus Behçet
    • Aphthen bei tropischer Sprue, M. Crohn oder Colitis ulcerosa
    • aphthöse Veränderungen bei einer Herpes-simplex-Infektion.

Häufigkeit

  • Rezidivierende Aphthen gehören zu den häufigsten Erkrankungen der Mund- und Rachenschleimhaut.3
  • Prävalenz
    • Insgesamt beträgt die Häufigkeit von rezidivierenden Aphthen zwischen 5 und 60 %.3
  • Alter
    • Die Krankheit tritt meist im 2. und 3. Lebensjahrzent auf, selten bei alten Menschen.
    • Mundaphthen sind aber auch die häufigste Läsion der Mundschleimhaut bei Kindern und Jugendlichen.
  • Geschlecht
    • Tritt bei Frauen häufiger auf.

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Ursachen sind unbekannt.
  • Eine familiäre Häufung rezidivierender Aphthen wird bei 30–40 % der
    Patient*innen beobachtet.
  • Die Ätiologie ist wahrscheinlich multifaktoriell, möglicherweise gibt es eine immunologische Komponente mit Wechselwirkung mikrobieller und autoimmuner Faktoren.
  • Veränderungen in der lokalen zellvermittelten Immunabwehr können von Bedeutung sein.
  • Auch ein Zusammenhang mit der Reaktivierung einer latenten Virusinfektion ist möglich.
  • Man geht davon aus, dass lokale Traumata und Stress auslösende Faktoren sein können.
  • Ca. 80 % der Patient*innen mit rezidivierenden Aphthen haben kleine Schleimhautläsionen mit einem Durchmesser von 2‒8 mm, die innerhalb von 10–14 Tagen abheilen. Selten kommen auch größere Läsionen vor, dann ggf. herpetiform, schmerzhafter und länger anhaltend.
  • Die Phasen der oralen Aphthose sind gekennzeichnet durch:3
    • Prodromalstadium
      • Kribbeln, Spannungsgefühl, Brennen, Rauigkeit (bis 24 Stunden)
    • präulzeröse Phase
      • inflammatorisches Erythem/indurierte Papel (1–3 Tage)
    • ulzeratives Stadium
      • fibrinbelegte Ulzeration mit aufgeworfenem Rand (1–16 Tage)
    • Abheilungsphase (4–30 Tage).
  • Die Intervalle zwischen den Episoden können wenige Tage bis mehrere Monate lang sein.
  • Einteilung nach Verlauf4
    • Die einfach chronisch rezidivierende (habituelle) Aphthose geht mit 3–6 Episoden/Jahr von wenigen schnell heilenden, gering schmerzhaften und auf die Mundhöhle beschränkten Läsionen einher.
    • Die komplexe Aphthose weist häufig rezidivierende Aphthen mit nur kurzen läsionenfreien Intervallen bis hin zu kontinuierlich auftretenden Läsionen und starken Schmerzen. 
  • Morbus Behçet
    • Der Morbus Adamantiades-Behçet (MAB) ist eine chronisch-rezidivierende Systemvaskulitis, bei der meist zuerst orale Aphthen auftreten, bei 64,7 % der Patient*innen kommen rezidivierende genitale Aphthen hinzu.4
    • Iritis, Uveitis, retinale Vaskulitis sowie Hautveränderungen wie ein Erythema nodosum, Follikulitis, sterile Pusteln, aphthöse Ulzerationen der Haut gehören oft zum Krankheitsbild dazu.
    • Ein positiver Pathergie-Test besteht zu 25–75 %, d. h. Auftreten einer papulopustulösen Effloreszenz an der Stelle eines einfachen Nadelstiches in die Haut oder einer intrakutanen Injektion von Kochsalz nach einer Latenzzeit von 24–48 Stunden.5

Prädisponierende Faktoren

  • Die Läsionen können in Verbindung mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, Zöliakie, Vitaminmangelerkrankungen, Zink-, Eisen- oder Kalziummangel stehen.6
  • Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln, z. B. Nüsse, Tomaten, Alkohol
  • Sie treten häufiger bei Nichtraucher*innen auf.7
    • Vermutlich gibt es antiinflammatorische Effekte von Nikotin auf Keratinozyten.
  • Stress 

ICPC-2

  • D83 Mund-/Zungen-/Lippenerkrankung

ICD-10

  • K12 Stomatitis und verwandte Krankheiten
    • K12.0 Rezidivierende orale Aphthen

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Typische Anamnese mit wiederholt schmerzhaften Episoden und charakteristischer klinischer Befund mit schmerzhaften, runden/ovalen Ulzera an der Mundschleimhaut
    • zentral gelbweiße Membran und mit rotem Halo

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Rezidivierende Beschwerden mit vereinzelten oder multiplen Läsionen der Mundschleimhaut
  • Anfänglich Hyperästhesie
  • Beeinträchtigung und dadurch Reduktion der Nahrungsaufnahme
  • Dauer und Häufigkeit der schmerzhaften Läsionen
  • Begleitsymptome wie Fieber, gastrointestinale Symptome, Lymphknotenschwellung oder Krankheitsgefühl
  • Familiäre Häufung?

Klinische Untersuchung

Aphthe
Aphthe
  • Runde bis ovale, oberflächliche, weiche, weiße Bläschen oder Läsionen mit entzündlichem Halo; lokalisiert auf der Zunge, am Gaumen, am Mundboden, auf der Innenseite der Wangen oder den Lippen2
  • Die Läsionen weisen eine variierende Morphologie auf: klein, groß, solitär oder multipel.
  • Normalerweise 1‒2 mm groß, in einigen Fällen auch 1‒2 cm
  • Sie sind scharf abgegrenzt und umgeben von einem tiefroten Randsaum.
  • Runde, mit einer weiß-gelben Pseudomembran bedeckte Ulzerationen

Klinische Formen3

  • Die häufigste Form (Typus minor oder Mikulicz) besteht aus runden, klar abgegrenzten Läsionen in Form von vereinzelten oder multiplen Elementen, weniger als 0,5‒1 cm im Durchmesser, die innerhalb von 10–14 Tagen ohne Narbenbildung verheilen.
  • Bei der zweiten Variante (Typus maior oder Sutton) sind die Ulzerationen größer, tiefer, halten länger an und bei der Abheilung können Narben entstehen.
  • Bei der herpetiforme Variante gibt es viele kleine Ulzerationen, meist ohne Bläschenbildung, die sich nach und nach zu größeren Wunden verbinden. Die Heilung dauert 1–2 Wochen und ist meist weniger schmerzhaft.
  • Die 3 morphologischen Varianten können gelegentlich gleichzeitig auftreten.4

Ergänzende Untersuchungen 

  • Sind normalerweise nicht indiziert.
  • Beim Verdacht auf eine hämatologische oder immunologische Erkrankung als Hintergrund einer aphthoiden bzw. ulzerösen Läsion sollte eine weiterführende spezialisierte Diagnostik erfolgen.3

Therapie

Therapieziele

  • Symptome lindern.
  • Bei systemischen Krankheiten als Ursache der Aphthen sollten diese gut eingestellt/therapiert werden.

Allgemeines zur Therapie

  • Bei den meisten Patient*innen mit Aphthen, die geringe Beschwerden verursachen, ist keine oder nur eine periodische Lokaltherapie erforderlich.
  • Die Verwendung Natriumlaurylsulfat(SLS)-freier Zahnpflegeprodukte ist vorteilhaft.
    • Eine SLS-freie Zahnpasta verringert signifikant die Dauer bis zur Abheilung und die Schmerzhaftigkeit der Aphthen.8
  • Lokale Behandlung
    • Meist ist eine lokale Behandlung mit Kortikosteroiden, topischen Antiseptika und Anästhetika ausreichend.9
  • Systemische Behandlung
    • Die systemische Behandlung sollte Patient*innen mit schwerster Aphthose vorbehalten sein.
    • In einer Metaanalyse konnte man keine grundsätzlich wirksame systemische Behandlung finden, sodass über einen Behandlungsversuch immer im Einzelfall entschieden werden sollte (Ia).10

Medikamentöse Therapie

Lokale Therapie

  • Durch die lokale Applikation von Anästhetika ist oftmals eine zufriedenstellende Schmerzlinderung zu erreichen.
  • Lokalanästhetisch wirksame Medikamente sollten vor der Einnahme von Mahlzeiten angewendet werden.
    • Lidocain als 1-prozentige Creme, 2-prozentiges Gel oder als Spray11
    • Polidocanol als Paste
    • Benzocain in Form von Lutschpastillen
  • Alle anderen Lokaltherapeutika sind eher nach dem Essen anzuwenden und ggf. kurzfristig mit einem Tupfer abzudecken.3
  • Lokaltherapie mit Glukokortikoid
    • Kann die Heilung günstig beeinflussen.
    • Möglich ist z. B. die  Kombination eines lokalen Anästhetikums tagsüber (Lidocain-Gel) mit einer Triamcinolon-Haftsalbe zur Nacht.4
  • Antiseptische Mundspülung mit z. B. Chlorhexidin
    • Kann den Verlauf der Krankheit verkürzen, reduziert aber nicht die Inzidenz der Läsionen.2
  • Adstringierende Mundspülungen mit Tinctura myrrhae et ratanhiae, Salbei oder Kamille können die Heildauer verkürzen.
  • Wiederholte tägliche Mundspülungen mit Tetracyclinlösung können bei Aphthen vom Major-Typ angewandt werden, um Superinfektionen zu verhindern.4

Systemische Therapie

  • Bei Aphthen, die zyklusabhängig auftreten, können östrogenbetonte Kontrazeptiva die Häufigkeit verringern.4
  • Bei schwersten Aphthosen sollten lokale Maßnahmen und systemische Behandlung (Sucralfat, Colchicin, Prednisolon) angewandt werden.
  • Kortikosteroide12
    • In Deutschland sind nur Kortikosteroide zur systemischen Therapie zugelassen.
    • 10–30 mg/d Prednisolon p. o. in der Akutphase kurzfristig (bis zu einem Monat)4
  • Colchicin4
    • Ein Off-Label-Therapieversuch mit Colchicin über 6 Wochen in einer Dosierung von 1–2 mg/d peroral mit einer anschließenden Dauertherapie kann unternommen werden.
      • Empfängnisverhütende Maßnahmen sind angezeigt bei Frauen bis 3 und bei Männern bis 6 Monate nach Absetzen der Therapie.
      • Gastrointestinale Beschwerden traten bei bis zu 45 % der Patient*innen auf.
      • Nach Absetzen der Therapie kommt es häufig zu Rezidiven.
  • Weitere systemische Medikamente sind sämtlich „off label“ und Einzelfällen vorbehalten.
    • Sucralfat
      • Sucralfat-Suspension führt zu einer schnelleren Abheilung und einer Verringerung der durch die Läsionen verursachten Schmerzen.
    • Dapson (100 mg/d)
    • Pentoxfyllin (300 mg 1- bis 3-mal/d)
    • Azathioprin
    • Methotrexat
    • Ciclosporin-A
    • Interferon-α
    • TNF-α-Inhibitor
    • Thalidomid in nur Ausnahmefällen, z. B. schwere Verläufe im Rahmen einer HIV-Infektion4,13-14
    • Aufgrund der Teratogenität ist es in der Schwangerschaft absolut kontraindiziert.4
  • Zur Therapie des Morbus Behçet siehe entsprechenden Artikel.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Verzicht auf Zahncreme mit Natriumlaurylsulfat
  • Nahrungsmittel, die anamnestisch bereits Aphthen begünstigt hatten, sollten vermieden werden.
  • Belastungen der Schleimhäute durch zu harte Zahnbürsten, harte Speisen oder saure Getränke sollten vermieden werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Bei den meisten Patient*innen heilen die Läsionen innerhalb von 7‒14 Tagen von selbst ab, einige erst nach 6 Wochen.
  • Die Beschwerden rezidivieren typischerweise nach 1–4 Monaten.
  • Schwerwiegende Verläufe sind seltener.

Prognose

  • Die wiederholten Episoden hören häufig im Alter von 20–30 Jahren auf.
  • Im Erwachsenenalter soll bei Läsionen, die länger als 14 Tage anhalten,
    eine Biopsie durchgeführt werden.3

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Aphthöse Wunde
Aphthöse Wunde

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Diagnostik und Therapieoptionen von Aphthen und aphtoiden Läsionen der Mund- und Rachenschleimhaut. AWMF-Leitlinie Nr. 007-101. S2k, Stand 2016 (in Überarbeitung). www.awmf.org

Literatur

  1. P. Altmeyer.E. Die Online Enzyklopädie der Dermatologie, Venerologie, Allergologie und Umweltmedizin. Zugriff 7.2.21 www.enzyklopaedie-dermatologie.de
  2. Scully C, Porter S. Oral mucosal disease: recurrent aphthous stomatitis. Br J Oral Maxillofac Surg. 2008;46:198-206. PubMed
  3. Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Diagnostik und Therapieoptionen von Aphthen und aphtoiden Läsionen der Mund- und Rachenschleimhaut. AWMF-Leitlinie Nr. 007 - 101, Stand 2016 (in Überarbeitung). www.awmf.org
  4. Altenburg A, El-Haj N, Micheli C, Puttkammer M, Abdel-Naser MB, Zouboulis CC: The treatment of chronically recurring aphthous mouth ulcers. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 665–73. www.aerzteblatt.de
  5. International Team for the Revision of the International Criteria for Behçet's Disease (ITR-ICBD) (2014). The International Criteria for Behçet's Disease (ICBD): a collaborative study of 27 countries on the sensitivity and specificity of the new criteria. J Eur Acad Dermatol Venereol. 28(3), 338-347.
  6. Ogura M, Yamamoto T, Morita M, Watanabe T. A case-control study on food intake of patients with recurrent aphthous stomatitis. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod 2001; 91: 45-9. PubMed
  7. Rivera-Hidalgo F, Shulman JD, Beach MM. The association of tobacco and other factors with recurrent aphthous stomatitis in an US adult population. Oral Dis 2004; 10: 335-45. PubMed
  8. Shim Y, Choi JH, Ahn HJ, Kwon JS: Effect of sodium lauryl sulfate on recurrent aphthous stomatitis: a randomized controlled clinical trial. Oral Dis 2012; 18: 655–60. www.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Scully C, Gorsky M, Lozada-Nur F. The diagnosis and management of recurrent aphthous stomatitis: a consensus approach. J Am Dent Assoc 2003; 134: 200-7. PubMed
  10. Brocklehurst P, Tickle M, Glenny AM, et al. Systemic interventions for recurrent aphthous stomatitis (mouth ulcers). Cochrane Database Syst Rev 2012 Sep 12;9:CD005411. www.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Descroix V, Coudert AE, Vigé A, et al.: Efficacy of topical 1 % lidocaine in the symptomatic treatment of pain associated with oral mucosal trauma or minor oral aphthous ulcer: a randomized, double-blind, placebo-controlled, parallel-group, single-dose study. J Orofac Pain 2011; 25: 327–32. www.ncbi.nlm.nih.gov
  12. Liu C, Zhou Z, Liu G, et al. Efficacy and safety of dexamethasone ointment on recurrent aphthous ulceration. Am J Med. 2012;125:292-301. PubMed
  13. Letsinger JA, McCarty MA, Jorizzo JL. Complex aphthosis: a large case series with evaluation algorithm and therapeutic ladder from topicals to thalidomide. J Am Acad Dermatol 2005; 52: 500-8. PubMed
  14. Ramirez-Amador VA, Esquivel-Pedraza L, Ponce-de-Leon S, Reyes-Teran G, Gonzalez-Guevara M, Ponce-de-Leon S, et al. Thalidomide as therapy for human immunodeficiency virus-related oral ulcers: a double-blind placebo-controlled clinical trial. Clin Infect Dis 1999; 28: 892-4. PubMed

Autor*innen

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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