Akute Appendizitis

Zusammenfassung

  • Definition:Akute Entzündung der Appendix.
  • Häufigkeit:Eine der häufigsten Ursachen für ein akutes Abdomen.
  • Symptome:Beginn der Bauchschmerzen zentral im Abdomen mit einer Schmerzwanderung in den rechten unteren Quadranten im Verlauf von bis zu 12 Stunden. Appetitlosigkeit, Fieber und Erbrechen sind häufig.
  • Befunde:Schmerz und Abwehrspannung im unteren rechten Quadranten, Leukozytose.
  • Diagnostik:Leukozyten und CRP erhöht. Ultraschall und ggf. CT können indiziert sein.
  • Therapie:Operative Appendektomie per Laparoskopie. Für die rein konservative antibiotische Therapie gibt es noch keine ausreichenden Erfahrungen; sie kann ggf. nach Ausschluss einer komplizierten Verlaufsform durch eine KM-CT oder Ultraschall erwogen werden.

Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1

Allgemeine Informationen

Definition

  • Akute Entzündung des Wurmfortsatzes, akute Appendizitis, „Blinddarmentzündung“, am ehesten durch eine Verlegung des Lumens durch Fäkolithen, Stuhl, Fremdkörper, infektiöse Mikroorganismen oder hyperplastisches Lymphgewebe2

Häufigkeit

  • Die akute Appendizitis ist eine der häufigsten Ursachen für ein akutes Abdomen2
  • Eine Appendizitis tritt am häufigsten bei Kindern und Jugendlichen sowie bei jungen Erwachsenen bis 59 Jahre auf.2
    • Jungen und Männer sind häufiger betroffen.
    • in einem großen Teil Manifestation als medizinischer Notfall
  • In Deutschland werden 1/3 aller Appendektomien bei Kindern und Jugendlichen (5–19 Jahre) vorgenommen. Bezieht man auch die jungen Erwachsenen (bis 29 Jahre) ein, so entfallen auf diese Bevölkerungsgruppe 56 % aller Blinddarmentfernungen.3
  • Das Lebenszeitrisiko für eine akute Appendizitis ist für Jungen/Männer 8,6 % und für Mädchen/Frauen 6,7 %.2
    • Das Lebenszeitrisiko für eine Appendektomie ist ca. 12 % (m) bzw. 23 % (w).

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

  • Physiologische Rolle der Appendix4
    • Reservoir für intestinale Flora (Mikrobiom) z. B. nach Antibiotikaeinnahme oder gastrointestinaler Infektion
    • Ursprung mesenchymaler Stammzellen im Dickdarm
  • Verlegung des Lumens der Appendix ist die Hauptursache der akuten Appendizitis, in erster Linie durch Fäkolithen, Stuhl oder hyperplastisches Lymphgewebe.2 
  • Die Basis der Appendix ist am Zäkum fixiert, wohingegen der Rest der Appendix frei liegt, sofern keine Verwachsungen vorliegen. Das erklärt die unterschiedlichen Lokalisationen der Appendix (aufsteigend retrozökal, absteigend, transversal retrozökal, aufsteigend parazökal, retroperitoneal) sowie die große Variation des Krankheitsbildes bei Appendizitis.
  • Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass eine durchlaufene Blinddarmentzündung das Risiko für eine spätere Erkrankung an Colitis ulcerosa signifikant reduziert.5

Pathophysiologie

  • Die Obstruktion führt zu Dehnung und einem erhöhten intraluminalen und intramuralem Druck.2
  • Die natürliche lokale Bakterienflora vermehrt sich stark, vor allem Bacteroides fragilis und E. coli.2
  • Die Lumendehnung der Appendix führt reflektorisch zu Übelkeit, Edbrechen und Bauchschmerzen.2
  • Lokale venöse Thrombosen entstehen, wenn der intraluminale Druck den lokalen Venendruck übersteigt. Durch fehlenden venösen Abfluss schwillt die Appendix weiter an.2
  • Die Entzündung dehnt sich auf die Serosa und das regionale parietale Peritoneum aus und führt zu lokalen Peritonitiszeichen.2
  • Im weiteren Verlauf kommt es zur Perforation und lokaler Eiteransammlung.2

Schmerz

  • Zunächst werden die Schmerzen über die viszeralen Nervenbahnen weitergeleitet, daher initial diffuser Schmerz zentral im Abdomen.
  • Im Verlauf transmurale Ausbreitung, dann werden auch die parietalen Nerven irritiert, dann Schmerzlokalisation in der rechten Fossa iliaca.

Disponierende Faktoren

  • Geringe Ballaststoffaufnahme2
  • Diskutiert werden: geringe Hygienestandards und geringer Gebrauch von Antibiotika in ärmeren Ländern, dadurch mehr gastrointestinale Infektionen mit Entzündungsreaktionen, die eine Appendizitis triggern können.2
  • Rauchen 2

ICPC-2

  • D88 Appendizitis

ICD-10

  • K35 Akute Appendizitis
    • K35.2 Akute Appendizitis mit akuter Peritonitis
    • K35.3 Akute Appendizitis mit lokalisierter Peritonitis
    • K35.8 Nicht näher bezeichnete akute Appendizitis
  • K36 Sonstige Appendizitis (chronische und rezidivierende)
  • K37 Nicht näher bezeichnete Appendizitis

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Typische Anamnese und klinische Befunde weisen auf die Diagnose hin. Die Symptome und die Befunde können bei akuter Appendizitis jedoch deutlich variieren.
  • Appendizitisverdacht besteht bei:2
    • akuten starken Schmerzen in der rechten Fossa iliaca
    • diffusen Schmerzen zentral im Abdomen, die nach und nach in den rechten unteren Quadranten wandern.
    • Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen
  • Die Diagnose basiert auf einer Kombination aus Anamnese, Untersuchung, Laborbefunden und Bildgebung.2
    • atypische klinische Befunde bei älteren Patient*innen und Schwangeren
  • Exakte Diagnosestellung ist wichtig, um die Rate negativer Appendektomien (bei unauffälliger Appendix) zu minimieren, die zwischen 15 und 20 % liegt und bei jungen Frauen sogar bei 28 %.2
  • Zur klinischen Einschätzung und Risikostratifizierung können der Alvarado- oder Air-Score angewendet werden.4
  • Bei unsicherer Diagnose und schwach ausgeprägten Symptomen kann abwartendes Offenhalten mit Symptombeobachtung über wenige Stunden hilfreich sein, bei Appendizitis deutliche Symptomzunahme.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Typische Symptome

  • Klinik kann zwischen milden unspezifischen Symptomen und hämodynamischer Instabilität mit Sepsis oder Schock variieren.2 
  • Typischer Verlauf und Symptome nur bei ca. 50 % der Fälle mit Appendizitis2
    • Beginn mit Appetitlosigkeit, im Verlauf Bauchschmerzen, dann Erbrechen
  • Bauchschmerzen2
    • Diffuse abdominelle Schmerzen periumbilikal oder epigastrisch, die im Verlauf von 1–12 Stunden in den rechten unteren Quadranten wandern.
      • Lage der Appendix variiert, deshalb auch die Schmerzlokalisation.
    • normalerweise konstante Schmerzen, intermittierend Krämpfe
    • Verschlechterung durch Bewegung und Husten
  • Fast immer Appetitlosigkeit, das Fehlen von Appetitlosigkeit macht eine Appendizitis weniger wahrscheinlich.2
  • Übelkeit und Erbrechen bei 75 % der Patient*innen2
  • Fieber erhöht die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Blinddarmentzündung.6 
    • Viele Patient*innen mit Appendizitis haben aber nur leichtes Fieber (38 °C).

Atypische Symptome

  • Bei erschwerter Kommunikation (bei sehr kleinen Kindern, Personen mit Demenz oder mentaler Retardierung oder bei Sprachbarriere):2
    • Bei neu aufgetretener verminderter Kontaktaufnahme oder Aktivität oder reduzierter Nahrungsaufnahme an Appendizitis denken.
  • Schmerzlokalisation abhängig von der Appendixlage2
    • retrozökal: Flanken- oder Rückenschmerzen 
    • retrolileale: Hodenschmerzen (durch Irritation der A. spermatica oder des Ureters)
    • pelvin: suprapubische Schmerzen
    • parakolische lange Appendix: Schmerzen im rechten oberen Quadranten
  • Ältere Menschen und Säuglinge/Kleinkinder
    • Können wenige oder ungenaue Symptome sowie leichte Abdominalschmerzen haben.
  • In der Schwangerschaft
    • Die Gebärmutter kann die Appendix verdrängen, sodass der Schmerz an untypischen Stellen lokalisiert sein kann, in der Regel höher als üblich.

Klinische Untersuchung

  • Siehe auch den Untersuchungskurs der Universität Freiburg – Abdomen, Appendizitiszeichen.
  • Cave! Zeichen einer Perforation (hohe Morbidität und Mortalität):2
    • lokale oder diffuse Peritonitis mit Abwehrspannung
    • bei periappendikalem Abszess mglw. palpable Raumforderung
    • komplizierte Appendizitis bei 4–6 % der Fälle 
      • Gangrän mit oder ohne Perforation
      • intraabdomineller Abszess
      • periappendikuläre Phlegmone
      • purulente freie Flüssigkeit
    • erhöhtes Risiko bei längerer Symptomdauer, Alter > 50 Jahre, weiblichen Patientinnen, Leukozytenzahl > 16.000/µl
  • Lokalisierter Schmerz bei Palpation des rechten Unterbauchs über dem
    • McBurney-Punkt (am Übergang zum äußeren Drittel einer Linie zwischen der echten Spina iliaca anterior superior und dem Bauchnabel) oder
    • Lanz-Punkt (am Übergang zum rechten Drittel einer Linie zwischen der rechten und linken Spina iliaca anterior superior).
  • Blumberg-Zeichen
    • kontralateraler Loslassschmerz oder Zunahme der rechtsseitigen Unterbauchschmerzen bei plötzlichem Nachlassen des schmerzauslösenden Druckes auf die Bauchdecke
  • Psoas-Zeichen
    • rechtsseitiger Unterbauchschmerz bei Heben des gestreckten rechten Beines gegen Widerstand (retroperitoneal oder retrozökal gelegene Appendix)
  • Weitere Befunde2
    • subfebrile Temperatur oder Fieber (37,8 °C)
    • Tachykardie
    • gerötetes Gesicht und Foetor oris
    • Beugung der rechten Hüfte (Psoaszeichen) bei retrozökaler Appendizitis
  • Keine routinemäßige rektale Untersuchung empfohlen, nur bei unklarer Diagnose2 
  • Zur klinischen Einschätzung und Risikostratifizierung bei Patient*innen über 16 Jahren können der Alvarado- oder Air-Score angewendet werden.2,4
    • Der Alvarado-Score kann zum Ausschluss einer Appendizitis herangezogen werden, zur Bestätigung der Diagnose ist die Spezifität zu gering.2,7
    • WSES Jerusalem guidelines empfehlen die Anwendung des AIR-Scores.7
    • Die Scores berücksichtigen eine Kombination aus Anamnese, Befunden und Laborbefunden.2
      • Das Risiko kann dann als gering, mittel oder hoch eingeschätzt werden.

Bei Schwangerschaft

  • Verzögerte Diagnose kann zu einer Perforation führen, die mit einer deutlich erhöhten mütterlichen und fetalen Mortalität einhergeht.2
    • Appendizitis ist die häufigste nicht geburtshilfliche chirurgische Erkrankung während der Schwangerschaft.
  • Nach dem 1. Trimenon Schmerzen im rechten oberen Quadranten oder der rechten Flanke lokalisiert2
  • Für eine Appendizitis sprechen:2
    • Übelkeit
    • Erbrechen
    • lokale Peritonitis.
  • Die Diagnose Appendizitis sollte in der Schwangerschaft nicht nur auf der Basis von Anamnese und Befund gestellt werden, zusätzlich sollten Entzündungsparameter im Blut untersucht werden.2,7

Kinder

  • Frühe Diagnosestellung oft durch atypisches klinisches Bild erschwert
  • In einer prospektiven Studie hatte die Verwendung von klinischen Appendizitis-Scores kombiniert mit Ultraschall eine Sensitivität von 92 % und eine Spezifität von 95 %.8
  • Die WSES Jerusalem guidelines empfehlen die Anwendung des Alvorado-Scores bei Kindern (aber nicht als alleiniges diagnostisches Kriterium).7
  • Alternativ: Pediatric Appendicitis Score8
    • jeweils 1 Punkt für:
      • Appetitlosigkeit
      • Fieber ≥ 38,0 °C
      • Übelkeit/Erbrechen
      • Schmerzverlagerung in den rechten unteren Quadranten
      • Schmerzen bei Husten/Perkussion/Klopfen gegen die Ferse
      • Schmerz im rechten unteren Quadranten bei leichter Palpation
      • Leukozytose > 10.000/µl
      • Linksverschiebung im großen Blutbild (> 75 % Neutrophile).
    • Auswertung
      • 1–3 Punkte: geringes Risiko
        • Kann zuhause überwacht werden, Kontakt bei Verschlechterung.
      • 4–7 Punkte: mittleres Risiko
        • Sonografie, bei unauffälligem Befund Überwachung zuhause wie bei geringem Risiko
        • bei positiver Sonografie: Vorstellung in Chirurgie
      • 8–10 Punkte: Vorstellung in Chirurgie ohne vorherige Bildgebung
  • Zusätzlich Blutbild und CRP7
    • Leukozyten > 16.000/µl und ein CRP > 10 mg/l starke Prädiktoren für das Vorliegen einer Appendizitis bei Kindern

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Blutuntersuchung

  • Blutbild und CRP 2 
    • Leukozytose > 10.000–18.000/µl bei 80–90 %
      • Anstieg innerhalb von 5–24 Stunden nach Symptombeginn
    • CRP-Erhöhung wahrscheinlich, aber kein klarer Cut-Off-Wert
      • Anstieg erst > 12 Stunden nach Symptombeginn
    • Kombinierter Anstieg von Leukozyten und CRP spricht mit einer Sensitivität über 95 % für eine Appendizitis.

Harnuntersuchungen

  • Bis zu 50 % der Patient*innen mit akuter Appendizitis haben eine mikroskopische Hämaturie und Pyurie. 2
    • Für die Diagnose einer Harnwegsinfektion sind zusätzlich typische Symptome (Dysurie) und, falls möglich, eine positive Urinmikroskopie erfoderlich.
    • Bei Nitritnachweis eine alternative Diagnose, wie Harnwegsinfektion oder Nierenkolik in Betracht ziehen.
  • Schwangerschaftstest bei Frauen im gebärfähigen Alter2

Abdomensonografie

  • Körperliche Untersuchung und Sonografie in Kombination empfohlen, um die diagnostische Sensitivität und Spezifität zu erhöhen.7
  • Nachweis einer pathologischen Kokarde oder freier Flüssigkeit im rechten Unterbauch
    • nicht komprimierbare und aperistaltische Struktur mit einem Außendurchmesser > 6 mm
  • Ausschluss einer Appendizitis, wenn eine normale Appendix in voller Länge dargestellt werden kann.2
    • ggf. Nachweis anderer Ursachen für Bauchschmerzen

Diagnostik in der Klinik

  • Laboruntersuchungen
  • Diagnostische Untersuchungen
    • Kulturen aus Peritonealflüssigkeit, Abszessinhalt

Bilddiagnostik

  • Zeitnahe Bildgebung sollte bei Patient*innen mit mittlerem Appendizitisrisiko (laut AIR- oder Alvorado-Score) erfolgen.7
    • Bei Patient*innen unter 40 Jahren mit starken Symptomen und hohem Appendizitisrisiko kann auf eine Bildgebung verzichtet werden.
  • Kinder
    • Laut deutscher Leitlinie ist bei Kindern und Jugendlichen die Sonografie die Bildgebung der 1. Wahl, gefolgt von der MRT-Untersuchung (ggf. CT) bei unklarem Befund und/oder Komplikationen.9
  • Ultraschall (s. o.)
    • am besten geeignete Bildgebung für Kinder und Erwachsene laut WSES Jerusalem guidelines7 
      • bevorzugte Bildgebung bei Schwangeren
  • CT Abdomen (Kontrastmittel Low-dose-CT)2,7
    • bei negativer Sonografie und Appendizitisverdacht
    • höhere Sensitivität und Spezifität als Sonografie
    • Kann eine distendierte Appendix, eine verdickte Appendixwand, Appendikolithen, periappendikale Infiltrate, evtl. mit Abszessen nachweisen.
    • bei Malignomverdacht oder Verdacht auf Abszess oder Raumforderung
  • MRT
    • Ist nach dem Ultraschall das 2. diagnostische Mittel der Wahl bei Kindern und Jugendlichen.9
    • Indiziert bei Schwangeren, wenn die Sonografie keinen eindeutigen Befund zeigt.2,7

Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Bei Verdacht auf eine akute Appendizitis
  • Notfallmäßige Einweisung bei Verdacht auf Appendizitis und Schock- oder Sepsiszeichen2
  • Geburtshilfliche Abteilung benachrichtigen bei Einweisung Schwangerer.2

Therapie

Therapieziele

  • Symptome mindern.
  • Entzündeten Blinddarm entfernen oder behandeln.
  • Komplikationen verhindern.
  • Der Krankenhausaufenthalt sollte so kurz wie möglich sein, die Patient*innen sollten rasch wieder normale Aktivitäten aufnehmen können.

Allgemeines zur Therapie

  • Laparoskopische Appendektomie ist die Therapie der 1. Wahl bei den meisten erwachsenen Patient*innen (auch bei Schwangeren).2
    • Die Operation sollte innerhalb von 24 Stunden bei Verdacht auf Appendizitis durchgeführt werden.10
      • Laut einer Metaanalyse besteht bei einer Verzögerung von mehr als 48 Stunden ein erhöhtes Risiko für Infektionen im Operationsgebiet und für Komplikationen nach 30 Tagen.
      • Verzögerung der Operation bei Patient*innen > 65 Jahre und Personen mit Vorerkrankungen vermeiden (erhöhtes Perforationsrisiko).2
    • prophylaktische Antibiotikagabe vor dem Eingriff2
    • Eine Laparoskopie führt im Vergleich zur Laparotomie zu weniger postoperativen Beschwerden und vermindert das Risiko für spätere Komplikationen.11
    • dringliche Operation bei V. a. Perforation
  • Konservatives Vorgehen mit i. v. Antibiose nur bei ausgewählten Patient*innen mit unkomplizierter Appendizitis (kein Abszess, keine Gangrän, keine Perforation, keine Phlegmone, keine Kotsteine, keine purulente freie Flüssigkeit)2
    • kein konservatives Vorgehen bei Schwangeren
  • Verzögertes Operieren kann die Zahl unnötiger Operationen reduzieren.2
    • kein erhöhtes Risiko für komplizierte Appendizitis bei Verzögerung von 12–24 Stunden
  • Präoperative Schmerzmittelgabe ist möglich (kein Risiko einer Symptomverschleierung): Paracetamol oder Morphin i. v.

Operative Therapie

Unkomplizierte Appendizitis

  • Laparoskopie innerhalb von 24 h2
  • Laparoskopie ist gegenüber Laparotomie die bevorzugte Methode, auch bei Kindern.2,7,12
    • Verursacht weniger postoperative Probleme und reduziert das Risiko für Komplikationen.11
    • Führt seltener zu Wundinfektionen, aber geringfügig häufiger zu intraabdominalen Abszessen.2
    • Ruft weniger postoperative Schmerzen hervor und führt zu einer geringeren Verweildauer.2 
    • diagnostisch bei makroskopisch unauffälliger Appendix2
    • Die Vorteile überwiegen auch bei adipösen oder älteren Patient*innen sowie bei Patient*innen mit Vorerkrankungen oder hohem operativem Risiko.7
    • empfohlene Methode bei Schwangeren7

Komplizierte Appendizitis

  • Sofortige Operation indiziert2
    • Perforation: dringliche Appendektomie
    • Phlegmone oder Abszess2,4
      • laparoskopische Appendektomie (weniger Wiedereinweisungen und Folgeeingriffe)
      • alternativ perkutane CT-gesteuerte Drainage des Abszesses in Kombination mit Infusionen und Antibiotika, ggf. Appendektomie nach 6 Wochen
      • im Intervall Malignitätsausschluss (Neoplasien in der Appendix) bei Patient*innen über 40 Jahre mittels Koloskopie und Kontrastmittel-verstärkter CT7
  • Laparoskopie gegenüber Laparotomie auch bei komplizierter Appendizitis zu bevorzugen.2,7

Zeitfaktoren2,13

  • Eine retrospektive Studie über Appendizitis bei Kindern zeigt, dass 5 % der Fälle bei der ersten Untersuchung in der Notaufnahme übersehen wurden. Die Gruppe der Patient*innen mit verspäteter Diagnose hatte ein erhöhtes Auftreten von Komplikationen.14

Konservative medikamentöse Therapie

  • Unzureichende Evidenz für die Empfehlung eines konservativen Vorgehens 2,7,13
    • konservatives Vorgehen besonders bei Patient*innen mit Kotsteinen mit erhöhter Komplikationsrate verbunden
    • Rezidivgefahr innerhalb von 5 Jahren bei bis zu 39 %, dabei keine erhöhte Komplikationsrate
  • Sollte nur bei unkomplizierter Appendizitis eingesetzt werden (dies ist bei ca 20 % der erwachsenen Appendizitis-Patient*innen der Fall).15
    • Falls eine Operation nicht gewünscht wird oder bei Kontraindikationen gegen eine Operation.2
    • Aufklärung über Rezidivgefahr, das Risiko des Übersehens einer Krebserkrankung: gemeinsame Entscheidungsfindung mit den Patient*innen2,13
  • Nicht bei Schwangeren2
  • Konservatives Vorgehen auch bei unkomplizierter Appendizitis bei Kindern (ohne Kotsteine) möglich7
    • Aufklärung über die Möglichkeit von Therapieversagen und Übersehen komplizierter Verläufe
  • Antibiotika als Primärbehandlung4
    • nur bei unkomplizierten Verlaufsformen
    • nach Durchführung einer CT oder Sonografie
    • unter kontinuierlicher stationärer Überwachung durch erfahrene Untersucher*innen bzw. Viszeralchirurg*innen
    • Insgesamt wird in den vorliegenden Studien und Metaanalysen zurzeit keine eindeutige Empfehlung zur primär konservativen Therapie abgegeben.16-17
    • nur bei Patient*innen ohne Kotsteine13
  • Verschiedene Therapieoptionen (auch für postoperative Gabe)2
    • Amoxicillin 500 mg i. v. alle 8 Stunden, bei schweren Infektionen bis zu 1.000 mg alle 6 Stunden UND Metronidazol mg i. v. alle 8 Stunden ODER
    • Piperazillin/Tazobactam 4,5 g alle 8 Stunden (Steigerung bis Gabe alle 6 Stunden möglich) ODER
    • Amoxicillin/Clavulansäure 1,2 g alle 8 Stunden
  • Nach initial intravenöser Antibiotikagabe kann, je nach klinischem Verlauf, zu oraler Gabe gewechselt werden.7

Antibiotikagabe prä- und postoperativ

  • Präoperative Antibiotika reduzieren die Häufigkeit postoperativer Wundinfektionen.18
  • Prophylaktische präoperative Antibiotikagabe bei allen Patient*innen2,7
    • keine postoperative Antibiotikagabe bei unkomplizierter Appendizitis7
  • Postoperative Antibiotikagabe für 3–5 Tage bei allen Patient*innen mit komplizierter Appendizitis2
  • Antibiotika als Primärbehandlung: nur bei unkomplizierten Verlaufsformen, nach Durchführung einer CT oder Sonografie, unter kontinuierlicher stationärer Überwachung durch erfahrene Untersucher*innen bzw. Viszeralchirurg*innen Insgesamt wird in den vorliegenden Studien und Metaanalysen zurzeit keine eindeutige Empfehlung zur primär konservativen Therapie abgegeben.16-17

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Unbehandelt wird sich die Gangrän und die Perforation im Laufe von 1–2 Tagen entwickeln.
  • Rezidive bei Appendizitis nach konservativen Behandlungen und rezidivierende Bauchbeschwerden bei einzelnen Patient*innen weisen darauf hin, dass auch chronische und rezidivierende akute und subakute Appendizitiden auftreten.
    • Dies tritt jedoch so selten auf, dass in der Praxis von der Diagnose „chronische Appendizitis“ abgesehen werden kann.

Komplikationen

  • Laut BMJ BestPractice2
  • Perforation
  • Diffuse Peritonitis
  • Phlegmone
  • Abszess
  • Wundinfektion
    • vermindert bei prophylaktischer Antibiotikagabe

Prognose

  • Bei rechtzeitiger adäquater Behandlung ist die Prognose gut.2
  • Geringere Komplikationsrate bei laparoskopischer Appendektomie2
  • Mortalität7
    • unkomplizierte Appendizitis < 0,1 %
    • gangränöse Appendizitis 0,6 %
    • perforierte Appendizitis 5 %

Verlaufskontrolle

  • In der Regel ist keine spezifische Kontrolle erforderlich.
  • Eine Woche nach der Operation erfolgt die Entfernung möglicher nichtresorbierbarer Hautfäden in der Hausarztpraxis.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Video

Illustrationen

Appendizitis als Zufallsbefund.jpg
Appendizitis als Zufallsbefund in der Endoskopie (mit freundlicher Genehmigung von endoskopiebilder.de, Immanuel Albertinen Diakonie gGmbH, Hamburg)
IMG_20171208_100250_01.jpg
Phlegmonöse Appendizitis (mit freundlicher Genehmigung von Dr. med. Erich Ramstöck)
Sonografie: Appendizitis mit entzündlicher Umgebungsreaktion im Querschnitt (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Sonografie: Appendizitis mit entzündlicher Umgebungsreaktion im Querschnitt (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Sonografie: Appendizitis mit entzündlicher Umgebungsreaktion im Längsschnitt (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Sonografie: Appendizitis mit entzündlicher Umgebungsreaktion im Längsschnitt (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Sonografie: Akute Appendizitis mit Pannusbildung und Abszess (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Sonografie: Akute Appendizitis mit Pannusbildung und Abszess (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Sonografie: Akute Appendizitis mit Aszites (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Sonografie: Akute Appendizitis mit Aszites (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).

Quellen

Leitlinie

  • Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Röntgengesellschaft. Bauchschmerz bei Kindern – Bildgebende Diagnostik. AWFM-Leitlinie Nr. 064-016. S1, Stand 2020. www.awmf.org
  • Di Saverio, et al. Diagnosis and treatment of acute appendicitis: 2020 update of the WSES Jerusalem guidelines. World Journal of Emergency Surgery 2020. pubmed.nlm.nih.gov

Literatur

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  2. BMJ Best Practice. Acute appendicitis in adults. Last reviewed 28 Feb 2021 (letzter Zugriff am 30.03.2021) bestpractice.bmj.com
  3. Bertelsmann-Stiftung. Faktencheck Gesundheit Regionale Unterschiede in der Gesundheitsversorgung im Zeitvergleich. Kapitel Entfernung des Blinddarms bei Kindern und Jugendlichen. Gütersloh, 2015. faktencheck-gesundheit.de
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  5. Frisch M, Pedersen BV, Andersson RE. Appendicitis, mesenteric lymphadenitis, and subsequent risk of ulcerative colitis: a cohort study in Sweden and Denmark. BMJ 2009; 338: b716. BMJ (DOI)
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  7. Di Saverio et al. Diagnosis and treatment of acute appendicitis: 2020 update of the WSES Jerusalem guidelines. World Journal of Emergency Surgery. 2020. 15:27. www.ncbi.nlm.nih.gov
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  9. Leitlinie der Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Röntgengesellschaft. Bauchschmerz – Bildgebende Diagnostik. AWFM-Leitlinie Nr. 064/016. Stand 2020. www.awmf.org
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  16. Michael Braun. Akute Appendizitis: Moderne Diagnostik und Therapie. Hessisches Ärzteblatt 2016; 1: 17-22. www.laekh.de
  17. Umkomplizierte Appendizitis: Antibiotika statt Operation? arzneimitteltelegramm 2012. www.arznei-telegramm.de
  18. Daskalakis K, Juhlin C, Påhlman L. The use of pre- or postoperative antibiotics in surgery for appendicitis: a systematic review. Scand J Surg. 2014;103(1):14-20. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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