Zusammenfassung
- Definition:Chronische Bronchitis wird als anhaltender Husten mit Auswurf definiert, der in 2 aufeinanderfolgenden Jahren über mindestens 3 Monate fast täglich auftritt. Eine chronische Bronchitis entsteht meist durch Einatmen von Stoffen, die die Atemwege reizen, am häufigsten durch Tabakrauch. Abzugrenzen sind Asthma und COPD mit entsprechenden Einschränkungen der forcierten Exspiration in der Spirometrie und unterschiedlicher Reaktion auf Salbutamol oder inhalative Steroide. Die Erkrankung kann auch durch Luftverschmutzung oder berufsbedingt entstehen.
- Häufigkeit:Die Prävalenz der chronischen Bronchitis wird bei der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland auf 10–15 % geschätzt.
- Symptome:Die Diagnose wird auf der Grundlage von anhaltendem Husten mit Auswurf gestellt, für den es keine andere Erklärung gibt.
- Befunde:Keine spezifischen klinischen Befunde.
- Diagnostik:Eine Abklärung mit Spirometrie, Röntgen, Bronchoskopie oder Thorax-CT kann notwendig sein, um andere Erkrankungen, die mit produktivem Husten verbunden sind, auszuschließen.
- Therapie:Stoffe vermeiden, die die Atemwege reizen. Oft bedeutet dies, mit dem Rauchen aufzuhören oder den Arbeitsplatz zu wechseln.
Allgemeine Informationen
Definition
- Bei Raucheranamnese, Husten und Auswurf besteht der Verdacht auf eine chronische Bronchitis.1
- Chronische Bronchitis wird als Husten mit Auswurf definiert, der in 2 aufeinanderfolgenden Jahren über mindestens 3 Monate fast täglich auftritt (laut WHO).1-2
- Die Diagnose stützt sich ausschließlich auf die Anamnese. Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose.3
- Eine beruflich verursachte chronische (nichtobstruktive) Bronchitis kann als Vorstufe einer COPD und damit als Hinweis auf eine vermehrte Exposition gegenüber Irritanzien des Atemtraktes angesehen werden.2
- Bei Nachweis einer Obstruktion wird die Diagnose einer COPD dann gestellt, wenn der Anteil der forcierten Vitalkapazität (FEV1) am gesamten exspiratorischen Volumen (FVC) unter 70 % liegt und nach Inhalation von Salbutamol nicht um mindestens 15 % zunimmt. Eine stärker ausgeprägte Bronchodilatation spricht für ein Asthma.2
- Eine chronische Bronchitis kann Vorstufe einer COPD sein.2
Häufigkeit
- Die chronische Bronchitis durch Rauchen dürfte die häufigste Ursache eines chronischen Hustens sein.3
- In einer auf mehr als 60 Studien basierenden Metaanalyse aus fast 30 Ländern ergab sich für anhaltenden Husten mit Auswurf eine Prävalenz von 6,7 %.4
- Wie bei der COPD ist die Prävalenz der chronischen Bronchitis in unteren sozialen Schichten höher.7
Ätiologie und Pathogenese
- Die Exposition gegenüber Tabakrauch führt zu einer Vermehrung der Becherzellen und einer stärker peripheren Verteilung.8
- In einer Reihe von Studien konnte gezeigt werden, dass die Reizung der Atemwege durch Stoffe wie Chlor, Stickoxid oder Schwefeldioxid zu einer Hyperplasie der Becherzellen und zu einer chronischen Entzündung führt.
- Bei Raucher*innen führt die Hypertrophie der Drüsenschicht und die chronische Entzündung zu einer vermehrten Schleimsekretion.
- Eine chronische Bronchitis ist auch im Zusammenhang mit beruflicher Exposition gegenüber Stoffen, die die Atemwege reizen – z. B. bei Bergleuten und Landwirt*innen – zu beobachten.9
Prädisponierende Faktoren
- Die Exposition gegenüber Tabakrauch als absolut dominierende Ursache
- Exposition gegenüber chemischen Noxen und organischen Stäuben (berufsbedingt) sowie das Passivrauchen1
- Wiederholte oder längere Exposition prädisponiert zu einer chronischen Bronchitis.
- Es gibt Hinweise, dass genetische Faktoren für die Entwicklung einer chronischen Bronchitis prädisponieren.10
ICPC-2
- R79 Chronische Bronchitis
ICD-10
- J41 Einfache und schleimig-eitrige chronische Bronchitis
- J41.0 Einfache chronische Bronchitis
- J41.1. Schleimig-eitrige chronische Bronchitis
- J41.8 Mischformen von einfacher und schleimig-eitriger chronischer Bronchitis
- J42 Nicht näher bezeichnete chronische Bronchitis
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Die Diagnose basiert auf der Anamnese: Anhaltender Husten mit Auswurf, der in 2 aufeinanderfolgenden Jahren über mindestens 3 Monate fast täglich auftritt.
- Bei der Diagnose handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose, d. h. andere relevante Ursachen von chronischem Husten müssen ausgeschlossen werden.
- Eine anamnestisch identifizierbare Ursache (Rauchen, Passivrauchen, starke arbeitsplatzbezogene Schadstoffbelastung) hilft, die Diagnose chronische (nicht obstruktive) Bronchitis wahrscheinlich zu machen.3
Differenzialdiagnosen
- Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
- COPD2
- chronischer Husten + Spirometrie-Kriterium nach Bronchodilatation: FEV1/FVC < 0,70
- Infektionen der Atemwege
- Tuberkulose ausschließen, ggf. Röntgenthorax.
- Virale Infektionen können anhaltenden Husten verursachen.
- bronchiale Hyperreagibilität (postinfektiös)
- Upper Airway Cough Syndrome (UACS, früher bezeichnet als postnasales Drip-Syndrom)
- Asthma
- Spirometrie mit Reversibilitätstest
- anfallsartige Verschlechterung mit Schweratmigkeit
- Gastroösophageale Refluxkrankheit
- Kann chronischen Husten verursachen.
- Eine Linderung der Beschwerden durch Protonenpumpenhemmer oder eine 24-h-pH-Metrie können die Diagnose bestätigen.
- Bronchialkarzinom
- Röntgen- oder CT-Thorax ist angezeigt.
- Bronchiektasen
- Verursachen Symptome, die den Symptomen der chronischen Bronchitis sehr ähnlich sind.
- CT-Thorax ist zur Abklärung angezeigt.
- Aspiration kann chronischen Husten verursachen (selten).
- Medikamente
- Eosinophile Bronchitis
- Chronische Linksherzinsuffizienz
- Stimmbanddysfunktion
- Pertussis
- Interstitielle Lungenerkrankungen (z. B. Sarkoidose)
- Hodgkin-Lymphom
- Zystische Fibrose
- Ösophageale Divertikel
Anamnese
- Anhaltender Husten mit Auswurf, der in 2 aufeinanderfolgenden Jahren über mindestens 3 Monate fast täglich auftritt.
- Tritt charakteristischerweise morgens nach dem Aufstehen auf und führt per se selten zur ärztlichen Konsultation, da er als „normal" empfunden wird.1
- Alle Patient*innen mit Husten sollen nach ihrem Tabakkonsum gefragt werden. Der Raucherstatus soll regelmäßig dokumentiert werden.1
- Frage nach Exposition gegenüber anderen inhalativen Noxen (z. B. berufliche Schadstoffe, Tierkontakt)1
- Hämoptysen oder Hämoptoe gehören neben Atemnot, Thoraxschmerz, Begleiterkrankungen und hohem Fieber zu den Alarmzeichen bei Husten und sollten Anlass zu einer weiteren Diagnostik geben.3
Klinische Untersuchung
- Die Diagnose stützt sich ausschließlich auf die Anamnese. Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose.
- Keine spezifischen klinischen Befunde
- Auskultation zur Beurteilung von Atemnebengeräuschen
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Die Spirometrie ist zur Beurteilung des Vorhandenseins einer Obstruktion erforderlich.2
- Kl. BB, BSG, CRP: zur Erfassung des Allgemeinzustandes sowie ggf. von Infektion oder Entzündung
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Eine Röntgenaufnahme des Thorax ist zum Ausschluss anderer zugrunde liegender Erkrankungen empfohlen.1
- negativer Befund bei nichtobstruktiver Bronchitis1
- 24-Stunden-pH-Metrie bei Verdacht auf Reflux als Ursache
- CT-Thorax bei Verdacht auf Bronchiektasien/Tumoren
Therapie
Therapieziele
- Symptome lindern.
- Einer Entwicklung zur COPD vorbeugen.
Allgemeines zur Therapie
- In der aktuellen DEGAM-Leitlinie beschränken sich die Empfehlungen zu Therapie und Prävention der chronischen Bronchitis primär auf:1
- Raucherentwöhnung
- ggf. Schutzimpfung gegen
- Das primäre Ziel ist es somit, die Exposition gegenüber den auslösenden Stoffen zu unterbinden. In den meisten Fällen ist hierfür eine Raucherentwöhnung erforderlich.
- Antitussiva sollten beim chronischen Husten nur bei Pertussis oder bei gut kontrolliertem Asthma mit persistierendem Husten vorübergehend verwendet werden.3
Empfehlungen für Patient*innen
- Die auslösenden Stoffe meiden.
- Mit dem Rauchen aufhören.
Medikamentöse Therapie
- Es gibt Anzeichen, dass Mukolytika eine geringe Wirkung bei chronischer Bronchitis und COPD haben.11
- Sie verhindern bestenfalls alle 3 Jahre eine Exazerbation.
- Bei chronischer Bronchitis und COPD wird eine schleimlösende Therapie nicht als Standardbehandlung empfohlen.
- Eine antibiotische Therapie ist nur in wenigen Ausnahmefällen indiziert.3
DEGAM Leitlinie: Empfehlung bei therapierefraktärem chronischem Husten
- Beim ungeklärten oder therapierefraktären chronischen Husten bei erwachsenen Patient*innen kann bei hoher Symptomlast eine logopädische oder physiotherapeutische Therapie, falls verfügbar, angeboten werden.
- Diese kann mit einer medikamentösen Therapie des Hustens gemeinsam durchgeführt werden.
- Beim ungeklärten oder therapierefraktären chronischen Husten bei erwachsenen Patient*innen kann bei Patientenwunsch, hohem Leidensdruck und umfassender Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen eine Therapie mit Gabapentin oder niedrig dosiertem Morphin angeboten werden.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Bei weiterer Exposition bleiben die Symptome bestehen und verstärken sich in der Regel mit der Zeit.
- Nach Aufhören der Exposition nehmen die Symptome allmählich ab. Häufig verschwinden sie vollständig, wenn es nicht im Rahmen einer COPD zu dauerhaften Veränderungen gekommen ist.
- Zwischen Überproduktion von Sputum und der Verringerung von FEV1 besteht ein bekannter Zusammenhang.
- Husten und Sputumbildung sind mit erhöhter Sterblichkeit bei milder bis mittelgradiger COPD verbunden.
Anerkennung als Berufskrankheit
- Tritt chronische Bronchitis im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auf, kann diese Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt werden.12
- Zuständig hierfür sind die gesetzlichen Unfallversicherungsträger.
- Der Verdacht auf eine Berufskrankheit muss dort gemeldet werden (Meldebogen13).
- Es wird eine ausführliche Arbeits- und Gefährdungsanamnese erhoben, und ein Gutachten entscheidet über die Anerkennung als Berufskrankheit.
- Dann können bestimmte Maßnahmen auf Kosten der GUV durchgeführt werden:
- geeignete Schutzvorrichtungen
- spezielle therapeutische Maßnahmen
- Einstellung der gefährdenden Tätigkeit
- Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zur Zahlung einer Rente.14
- Manchmal muss die Tätigkeit erst vollständig aufgegeben werden, damit die Anerkennung als Berufskrankheit erfolgen kann.
Komplikationen
- Wiederholte Atemwegsinfektionen
- COPD
Prognose
- Bei Raucher*innen mit chronischer Bronchitis besteht ein höheres Risiko der Entwicklung einer COPD als bei Raucher*innen, die nicht von Husten mit Auswurf betroffen sind.15-16
- Das Auftreten einer chronischen Bronchitis ist mit einer erhöhten Mortalität verbunden, auch wenn keine COPD vorliegt.17
- Risikofaktoren für die Entwicklung einer COPD2
- genuine Faktoren
- genetische Prädisposition (z. B. Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel)
- bronchiale Hyperreaktivität (Asthma)
- Störungen des Lungenwachstums
- exogene Faktoren
- inhalativer Tabakkonsum (auch passiv)
- berufsbedingte inhalative Noxen
- Umweltnoxen (Biomasseexposition, Luftverunreinigung)
- intrauterine und frühkindliche Einwirkungen
- Atemwegsinfektionen (in der Kindheit)
- sozioökonomischer Status.
- genuine Faktoren
Verlaufskontrolle
- Rauchgewohnheiten oder andere Exposition bei allen Kontakten erfassen.
- Spirometrie in regelmäßigen Abständen bzw. bei Auftreten von Kurzatmigkeit
- Röntgenverlaufskontrolle, wenn bei Raucher*innen eine Veränderung der Hustenqualität eintritt.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
- Erklären Sie den Zusammenhang zwischen Exposition zu Tabakrauch oder anderen inhalativen Noxen und ihren Symptomen.
- Bei weiterer Exposition besteht ein hohes Risiko eines chronischen Verlaufs und der Entwicklung von COPD.
Patienteninformationen in Deximed
- COPD, chronisch obstruktive Lungenerkrankung
- Warum sollten Sie das Rauchen aufgeben, und wie gelingt es?
- Spirometrie
Weitere Informationen
- Siehe Artikel Beurteilung der Fahreignung.
- Siehe Artikel Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle.
- BGW: Formular für die ärztliche Anzeige
- DGUV: Meldebogen
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Diagnostik, Prävention und Therapie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). AWMF-Leitlinie 020-006. S2k, Stand 2018. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Akuter und chronischer Husten. AWMF-Leitlinie Nr. 053-013. S3, Stand 2021. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Pneumologie. Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten. AWMF-Leitlinie Nr. 020–003. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Akuter und chronischer Husten. AWMF-Leitlinie Nr. 053-013. S3, Stand 2021. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). AWMF-Leitlinie 020-006, Stand 2018. www.awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Pneumologie. Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten. AWMF-Leitlinie Nr. 020–003, Stand 2019. www.awmf.org
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Autor*innen
- Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).