Störungen des Sozialverhaltens

Zusammenfassung

  • Definition:Verhaltensstörungen, die einen eindeutigen Verstoß gegen die sozialen Erwartungen und Normen in dem jeweiligen Alter darstellen und mit der Zeit zu funktionellen Beeinträchtigungen im Alltag führen.
  • Häufigkeit:Oppositionelles Trotzverhalten tritt bei 1–16 % der Kinder auf. Von Störungen des Sozialverhaltens sind 1–10 % betroffen.
  • Symptome:Als Symptom ist ein oppositionelles, negatives, aggressives oder antisoziales Verhalten zu beobachten.
  • Untersuchung:Als klinische Befunde liegen eine auffällige Form der Kontaktaufnahme, mangelnde Empathie gegenüber anderen, Reizbarkeit, Affektlabilität und eine schwache Impulskontrolle vor.
  • Diagnostik:Es können verschiedene psychologische/psychiatrische Tests indiziert sein.
  • Therapie:Die Therapie gestaltet sich schwierig, sollte frühzeitig beginnen, interdisziplinär erfolgen und langfristig ausgelegt sein.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Störungen des Sozialverhaltens sind durch ein Muster oppositionellen, negativen, aggressiven oder antisozialen Verhaltens gekennzeichnet, das einen eindeutigen Verstoß gegen die sozialen Erwartungen und Normen in dem jeweiligen Alter darstellt und mit der Zeit zu funktionellen Beeinträchtigungen im Alltag führt.1
  • Ein gestörtes, auffälliges Sozialverhalten tritt häufig als Teil oder als Folge anderer, spezifischerer klinischer Krankheitsbilder auf, es kann jedoch auch eine komorbide Störung darstellen.
  • Häufig werden oppositionelles Trotzverhalten und Störungen des Sozialverhaltens (mit vorhandenen oder fehlenden sozialen Bindungen) unterschieden.
    • Verhaltensstörungen, die sich auf den familiären Rahmen beschränken, sind in der Regel als weniger schwer einzustufen.
    • Liegt eine Kombination einer Störung des Sozialverhaltens und einer affektiven Störung vor, deutet dies auf eine schwerere Störung mit Komorbidität hin. In diesem Fall muss die Verhaltensstörung in Übereinstimmung mit den entsprechenden Leitlinien untersucht und therapiert werden.
  • Das Verhaltensmuster muss über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten vorhanden sein.

Häufigkeit

  • Oppositionelles Trotzverhalten
    • Die Angaben zur Häufigkeit variieren je nach den angewandten Kriterien, den Untersuchungsmethoden und dem Alter zwischen 1 und 16 %.2-3
    • Bei Kindern unter 4 Jahren sind häufige Proteste und Wutausbrüche so weit verbreitet, dass die Diagnose mit großer Zurückhaltung zu stellen ist.
    • Beginnt meist im späten Vorschul- bis frühen Grundschulalter, kann aber auch erst im Jugendalter einsetzen.2,4 
  • Störungen des Sozialverhaltens
    • Die Häufigkeit variiert je nach den angewandten Kriterien, den Untersuchungsmethoden und dem Alter zwischen 1 und 10 %.
    • Die Geschlechterverteilung zwischen Jungen und Mädchen beträgt 4:1.
    • In der Stadt sind sie weiter verbreitet als auf dem Land.
    • In den niedrigeren sozialen Schichten treten sie häufiger auf als in höheren.
    • Tendenziell nimmt die Symptomatik mit dem Alter zu. Bei Jugendlichen ist das problematische Verhalten häufig deutlicher sichtbar, und der Schweregrad nimmt zu.

Ätiologie und Pathogenese

  • Vermutlich liegen Wechselwirkungen zwischen konstitutionellen Faktoren und dem Umfeld, in dem das Kind aufwächst, vor. Die relative Bedeutung genetischer und milieubezogener Faktoren ist nicht geklärt.
  • Die Störungen sind multifaktoriell und von kumulativer Natur.
  • Zu den psykologischen Faktoren gehören unsichere Bindung und nicht-responsive Eltern.5
  • Das Verhalten der Eltern ist ein wichtiger ursächlicher Faktor,6und elterliche Psychopathologie ist mit oppositionellem Trotzverhalten verbunden, z. B. mütterliche Aggression, Missbrauch, strenge Bestrafung, autoritäre oder inkonsistente Erziehung.7

Prädisponierende Faktoren

Beim Kind

  • Hyperaktivität
  • „Schwieriges Temperament“
  • Lernstörungen/Schwierigkeiten in der Schule
  • Depression und geringes Selbstwertgefühl
  • Unterentwickelte soziale Fähigkeiten, evtl. Tendenz, die Handlungen anderer als feindlich fehlzudeuten/aufzufassen

In der Familie

  • Psychische Gesundheit, Kriminalität und Alkoholmissbrauch der Eltern
  • Konflikte zwischen den Eltern, Mangel an Wärme und Stabilität im familiären Umfeld
  • Autoritäre oder inkonsistente Erziehung (Erziehungskompetenz)

ICPC-2

  • P22 Verhaltensauffäll./Entwickl.stör. Kind
  • P23 Verhalt.auff./Entwickl.stör. Adolesz.

ICD-10

  • F91 Störungen des Sozialverhaltens
    • F91.0 Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens
    • F91.1 Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen
    • F91.2 Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen sozialen Bindungen
    • F91.3 Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten
  • F92 Kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen
    • F92.0 Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung
    • F92.8 Sonstige kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

Allgemein

  • Die Diagnose wird auf Grundlage von Verhaltensmerkmalen des Kindes/Jugendlichen gestellt, die im Laufe der Zeit zu Hause, im Kindergarten/der Schule oder anderenorts identifiziert werden.
  • Es muss geprüft werden, ob die Verhaltensprobleme mit anderen Phänomenen oder Störungen in Zusammenhang stehen können.
    • Verhalten als eine Form der Kommunikation/Alternative zur Verbalisierung
      • Somatische Erkrankung oder körperliche Vernachlässigung
      • Sekundäre, sozial bedingte Reaktion auf ein eigenes Handicap
      • Dissoziale Reaktionen aufgrund kultureller Normen
      • Situations- und stressbedingte, episodische Affektreaktionen
      • Altersentsprechende Regelverstöße
    • Teil einer anderen definierten psychischen Störung (siehe Differenzialdiagnosen)
    • Störungen des Sozialverhaltens als eigene diagnostische Kategorie (siehe unten)

Störungen des Sozialverhaltens (F91) als eigene diagnostische Kategorie

  • Diese sind durch ein sich wiederholendes und anhaltendes Muster dissozialen, aggressiven und aufsässigen Verhaltens charakterisiert. Dieses Verhalten übersteigt mit seinen gröberen Verletzungen die altersentsprechenden sozialen Erwartungen.
  • Es ist schwerwiegender als gewöhnlicher kindischer Unfug oder jugendliche Aufmüpfigkeit und muss mindestens sechs Monate bestehen.
  • Störungen des Sozialverhaltens können auch bei anderen psychiatrischen Krankheiten auftreten, in diesen Fällen ist die zugrunde liegende Diagnose zu verwenden.
  • Beispiele für Verhaltensweisen, welche diese Diagnose begründen:
    • Hohes Maß an Sturheit, Zanklust, Reizbarkeit, Raufereien
    • Hohes Maß an Aufmüpfigkeit, Trotz, provokativem Verhalten
    • Anklagendes Verhalten gegenüber anderen, Rachsucht
    • Hänseln, Mobbing, Tyrannisieren
    • Ungehorsam und Regelverstöße
    • Erhebliche Destruktivität
    • Häufiges Lügen
    • Stehlen
    • Schulschwänzen oder Weglaufen von zu Hause
    • Besonders gravierend sind:
      • Sachbeschädigung, Vandalismus
      • Gewalt gegenüber Tieren
      • Gewalt gegenüber Personen, evtl. sexualisierte Gewalt
      • Feuerlegen
      • Substanzmissbrauch
      • Kriminalität, etwa Einbruch, Raub oder Gebrauch von Waffen8

Diagnostische Untergruppen

  • Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens (F91.0)
  • Unterscheidung zwischen einer sozialisierten (F91.2) und einer nichtsozialisierten Form (F91.1), die durch das Vorhandensein bzw. Fehlen von dauerhaften Beziehungen zu Gleichaltrigen definiert sind
  • Bei Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten (F91.3) meist weniger schwerwiegende Symptomatik, am häufigsten bei jüngeren Kindern zu beobachten
  • Bei kombinierten Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen sowohl Kriterien für Störungen des Sozialverhaltens als auch Kriterien für eine Depression (F92.0), Angststörung oder Zwangsstörung (F92.8) erfüllt

Differenzialdiagnosen

Achtung!

  • Bei mehreren dieser Diagnosen handelt es sich um häufige Begleiterkrankungen. Sie sollten entweder als Differenzialdiagnose oder als Komorbidität diagnostiziert werden, und zwar insbesondere, wenn spezifische therapeutische Maßnahmen existieren, z. B. bei einer Psychose, dem Tourette-Syndrom, Lernschwierigkeiten oder Hyperkinesie.

Anamnese

Diagnostik, teilweise beim Spezialisten

  • Gründliche Anamnese, vorzugsweise mit mehreren Quellen
    • Entwicklung des Kindes
    • Aktuelle diagnostische Symptome (siehe diagnostische Kriterien); bis zu 40% haben gleichzeitig ADHS9
    • Aktuelle Funktionsfähigkeit in Bezug auf Familienmitglieder, Gleichaltrige/Freunde, Kindergarten/Schule, Freizeit
  • Medizinische Anamnese
  • Familienanamnese
    • Auftreten ähnlicher Probleme bei anderen Mitgliedern der Familie
    • Psychosoziale Belastungsfaktoren
    • Fälle von Substanzmissbrauch oder Kriminalität
    • Erziehungskompetenz und Bewältigungsstrategien der Eltern
    • Schwere Krankheit in der Familie (Kinder als Angehörige)
  • Individuelle Untersuchung
    • Gespräch mit dem Kind/Jugendlichen Ggf. Verhaltensbeobachtung (kleine Kinder) in Bezug auf Kontakte, Vertrauen, Empathie, Stimmung, Impulskontrolle, Verantwortungsbewusstsein für das eigene Handeln, Suchtprobleme
  • Fragebogen: ggf. zur Anwendung durch Fachärzte
    • CBCL (Child Behavior Checklist)
    • YSR (Youth Self Report)
    • TRF (Teacher Report Form)
  • Ggf. Einholung ergänzender Informationen aus dem Kindergarten/der Schule

Klinische Untersuchung

  • In der Gesprächssituation kann Folgendes aufgedeckt werden:
    • Auffällige Form der Kontaktaufnahme (lässt wenig Kontakt zu, zeigt kaum Vertrauen, evtl. unkritische Form des Kontakts)
    • Kaum Empathie gegenüber anderen
    • Reizbarkeit, Affektlabilität
    • Schwache Impulskontrolle
    • Beschuldigung anderer, fehlendes Verantwortungsbewusstsein für das eigene Handeln
    • Wahrnehmung der Handlungen anderer als feindlich

Weitere Diagnostik beim Spezialisten

Untersuchung verschiedener Funktionen/Fähigkeiten

  • Kognitive Fähigkeiten, vorzugsweise unter Verwendung formaler Tests (z. B. Wechsler-Tests)
  • Neurologische Untersuchung
  • Sonderpädagogische Untersuchungen

Psychologische/psychiatrische Begutachtung des Kindes/Jugendlichen

  • Empathiefähigkeit und Vertrauen
  • Impulskontrolle
  • Verantwortungsbewusstsein in Bezug auf das eigene Handeln
  • Fähigkeit, Schuld zu empfinden
  • Stimmung/Emotionen/Selbstwertgefühl
  • Beziehungen zu Gleichaltrigen, insbesondere Qualität dieser Beziehungen
  • Wahnvorstellungen
  • Missbrauch von Alkohol/Drogen

Weitere Diagnostik

  • Es können verschiedene ergänzende Untersuchungen indiziert sein, um etwaige Komorbiditäten oder Differenzialdiagnosen abzuklären.

Indikationen zur Überweisung

  • Früzeitige Intervention ist wichtig.1 
  • Wenn ein Kind anhaltende, schwere Verhaltensstörungen aufweist, sollte dies dem Jugendamt gemeldet bzw. das Kind überwiesen werden

Überweisung an die kinder- und jugendpsychiatrische Abteilung

  • Bei Unsicherheit hinsichtlich der Diagnose
  • Wenn die Vertreter der Primärversorgung (primäre Gesundheitsversorgung, Jugendamt, Schule, pädagogisch-psychologische Sachverständige) feststellen, dass ein interdisziplinärer Ansatz nicht zum Erfolg geführt hat
  • Wenn festgefahrene Familienprobleme vorliegen

Therapie

Therapieziel

  • Förderung der normalen kindlichen Entwicklung
  • Verhinderung einer weiteren dissozialen Entwicklung

Allgemeines zur Therapie

  • Verhaltensstörungen sind oft hartnäckig und schwer zu behandeln. Die Therapie ist am erfolgreichsten, wenn sie frühzeitig eingeleitet wird und im normalen Umfeld des Kindes stattfindet.
  • Die therapeutischen Maßnahmen sollten systematisch über einen definierten Zeitraum erprobt werden. Zeigen bestimmte Maßnahmen kaum oder keine Wirkung, sind sie durch neue zu ersetzen.
  • Häufig muss eine Koordinationsgruppe gebildet werden, um sich dem Problem interdisziplinär annähern zu können (psychologisch/psychiatrisch/somatisch/sonderpädagogisch/sozial).
  • Die Therapie muss langfristig ausgelegt sein.
  • Der Schwerpunkt sollte auf den zwischenmenschlichen Beziehungen liegen.
  • Zu empfehlen ist eine Elternschulung mit gezielten Beratung, wie die Eltern auf das Verhalten des Kindes reagieren sollten.5,10 
  • Begleiterkrankungen sind nach den jeweiligen Leitlinien zu behandeln.
  • Die Therapie kann auch Maßnahmen des Jugendamts umfassen.

Aufklärung

  • Sämtliche Personen, die Teil des Alltags des Kindes/Jugendlichen sind, müssen über die Störung aufgeklärt werden.
  • Es sollte insbesondere auf eine umfassende Aufklärung der Eltern und der Kontaktpersonen in der Schule/im Kindergarten geachtet werden.
  • Die Kinder/Jugendlichen sollten so umfassend wie möglich direkt über ihre Schwierigkeiten und ihre Stärken aufgeklärt werden.

Medikamentöse Therapie

  • Es wurden Neuroleptika, Antidepressiva, Lithium, Carbamazepin und Propranolol zur Behandlung eingesetzt, die Wirksamkeit der Medikamente ist jedoch bis heute nicht sicher belegt.
  • Eine Störung des Sozialverhaltens ist an sich keine Indikation zur einer medikamentösen Therapie. Bei gleichzeitigem Vorliegen weiterer Störungen wie etwa einer hyperkinetischen Störung oder einer Depression sollte jedoch eine Therapie gemäß den jeweiligen Empfehlungen erfolgen.

Weitere Therapien

  • In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Programme entwickelt und erprobt, die darauf abzielen, die Entwicklung von Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern oder diese zu reduzieren.

Ambulante Therapie in Fachzentren

  • Familieninterventionen, die eine Beratung, eine Schulung in geeigneten Bewältigungsstrategien und eine Familientherapie umfassen
    • Arbeit mit den Stärken der Eltern
    • Schulung in konsequenter Erziehung und im Umgang mit Konflikten („Parent Management Training“)
    • Unterstützung der Eltern bei der Bewältigung eigener Probleme (psychische Erkrankungen, Sucht, Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Schwierigkeiten)
  • Einzeltherapie zur Herstellung einer tragfähigen Beziehung, ggf. kognitives Training in Problemlösung.
  • Die kognitive Verhaltenstherapie hat sich als wirksam erwiesen10, ggf. als Gruppentherapie.11
  • Gemeinsames Problemlösen (Collaborative Problem Solving, CPS), bei dem Eltern und Kind zusammenarbeiten, ist eine weitere wirksame Methode, die gleich gute Behandlungsergebnisse wie das kognitiv-behaviorale Elterntraining (Parent Management Training, PMT) erzielt.12-13

Psychosoziale Unterstützungsmaßnahmen anderer Stellen

  • Sonderpädagogische Maßnahmen/Anleitung für Lehrer
  • Begleitpersonen zur Unterstützung in der Freizeit/Entlastung
  • Sonstige Maßnahmen in Bezug auf das Umfeld, um die Kinder/Jugendlichen in für die Entwicklung günstige Gruppen zu integrieren/in Kontakt mit guten erwachsenen Vorbildern zu bringen
  • Unterbringung in einer Pflegefamilie, bei schwerer Vernachlässigung evtl. mit Intensivbetreuung
  • Unterbringung in einer Kinderschutzeinrichtung, wenn die Therapie Methoden, z. B. Grenzen, erfordert, die außerhalb einer Einrichtung nicht gewährleistet werden können
  • Multisystemische Therapie, die ein „Paket“ mehrerer Angebote auf individueller, Familien- und Netzwerkebene umfasst

Ambulante Therapie

  • Methoden und organisatorische Modelle zur Therapie dieser Patientengruppe, die umfassender als das Angebot in Facharztzentren sind und im näheren sozialen Umfeld der Patienten stattfinden

Stationäre Therapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie

  • Aus früheren Studien geht hervor, dass eine langfristige stationäre Therapie bei schweren Störungen des Sozialverhaltens nur begrenzt Wirkung zeigt.
  • Kürzere Aufenthalte können indiziert sein, wenn die Diagnostik und/oder die Einleitung der Therapie ambulant nicht möglich sind. Eine stationäre Therapie kann in folgenden Fällen sinnvoll sein:
    • Zum Durchbrechen asozialen und selbstzerstörerischen Verhaltens, bei Suizidgefahr
    • Bei fehlender Kooperation bei der Diagnostik, um überhaupt Kontakt herstellen zu können
    • Wenn die Therapie eine Einweisung erfordert, um bestimmte Maßnahmen durchführen zu können, z. B. Grenzen zu setzen

Prävention

  • Präventive Maßnahmen müssen früh einsetzen (Vorschulalter).
  • Im Vorschul- bis Jugendalterangewandte Trainingsprogramme, die die sozialen Kompetenzen, das Lösen von Konflikten und das Hantieren von Wut verbessern, können das Entstehungsrisiko für ein oppositionelles Trotzverhalten verringern.14

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Bei Kindern mit schweren Störungen des Sozialverhaltens – insbesondere bei Jugendkriminalität – kommt es im Erwachsenenalter gehäuft zu:5
    • psychischen Erkrankungen, insbesondere Persönlichkeitsstörungen
      • bei über 90 % wird im Laufe ihres Lebens eine psychische Erkrankung diagnostiziert.9,15-16  
    • antisozialem Verhalten
    • Kriminalität: Bei etwa 40 % der Kinder mit einer Störung des Sozialverhaltens kommt es im Erwachsenenalter zur Kriminalität; bei etwa 90 % der jungen kriminellen Erwachsenen lag im Kindesalter eine Störung des Sozialverhaltens vor.

Komplikationen

  • Anhaltende schwere Störung mit antisozialem Verhalten und Kriminalität, evtl. schwerem Alkohol- oder Drogenmissbrauch

Prognose

  • Studien haben ergeben, dass für die Prognose in erster Linie der Schweregrad der Verhaltensstörung eine Rolle spielt und nicht, ob sie allein oder zusammen mit anderen auftritt.
  • Oppositionelles Trotzverhalten
    • Dieses setzt meist vor Vollendung des 8. Lebensjahres ein. Die Verhaltensauffälligkeiten treten zu Beginn meist nur zu Hause auf, können mit der Zeit aber auch im Kindergarten/in der Schule und in anderen Situationen in Erscheinung treten.
    • Längsschnittstudien haben ergeben, dass bei etwa einem Drittel der Kinder dauerhafte Verhaltensauffälligkeiten vorliegen und sich mit der Zeit eine Störung des Sozialverhaltens (mit vorhandenen oder fehlenden sozialen Bindungen) entwickelt.
    • Die übrigen zwei Drittel erfüllen die Kriterien für die Diagnose oppositionelles Trotzverhalten nach einem Zeitraum von drei Jahren nicht mehr.
    • Ein frühes Einsetzen der Symptome ist mit einem erhöhten Risiko dauerhafter Auffälligkeiten assoziiert.

Verhaltensstörungen, ungünstige prognostische Faktoren

  • Früher Beginn (< 12 jahren)>
  • Zahlreiche Symptome
  • Verhaltensauffälligkeiten in allen Lebensbereichen des Kindes (zu Hause, Schule, Freizeit)
  • Anhaltende Verhaltensauffälligkeiten
  • Hirnorganische Dysfunktion, evtl. Hyperaktivität, evtl. Leseschwäche/Lernstörung
  • Weglaufen von zu Hause, Feuerlegen, Kriminalität
  • Schwach entwickeltes soziales Netzwerk
  • Anhaltende Konflikte zwischen den Eltern und zwischen den Eltern und dem Kind
  • Psychische Erkrankung der Eltern, evtl. Kriminalität
  • Schwere Vernachlässigung

Verhaltensstörungen, günstige prognostische Faktoren

  • Gut entwickelte Fähigkeiten
  • Gute Bindung (Kontaktfähigkeit)
  • Enger Kontakt mit mindestens einem stabilen Erwachsenen
  • Gut entwickeltes soziales Netzwerk

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Referenzen

  1. Riley M, Ahmed S. Common questions about oppositional defiant disorder. Am Fam Physician 2016 Apr 1; 93(7): 586-591. www.aafp.org
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  16. Copeland WE, Shanahan L, Costello EJ, Angold A. Childhood and adolescent psychiatric disorders as predictors of young adult disorders. Arch Gen Psychiatry 2009; 66(7): 764–772.

Autoren

  • Kerstin Malmberg Med dr och överläkare, BUP Skärholmen (Medibas)
  • Marit S. Indredavik, spesialist i barnepsykiatri, overlege, Barne- og ungdomspsykiatrisk klinikk, St.Olavs hospital, Universitetssykehuset i Trondheim, Helse Midt-Norge

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