Adenovirus-Infektion

Zusammenfassung

  • Definition:Erkrankungen, die durch verschiedene humanpathogene Adenoviren verursacht werden.
  • Häufigkeit:Sie sind weltweit verbreitet und kommen das ganze Jahr über gleich häufig vor.
  • Symptome:Je nach Virentyp kann es zu Erkältungssymptomen wie Fieber, Halsschmerzen, Schnupfen und Husten, zu gastrointestinalen Symptomen wie Bauchschmerzen und Durchfall oder zu Symptomen einer Augeninfektion kommen.
  • Befunde:Der klinische Befund weist normalerweise auf eine Infektion der oberen Atemwege, eine Gastroenteritis oder eine Bindehautentzündung hin.
  • Diagnostik:Der CRP-Wert kann erhöht sein.
  • Therapie:Eine kausale Therapie ist nicht möglich, die Behandlung ist rein symptomatisch.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Es handelt sich um Infektionskrankheiten, die durch verschiedene humanpathogene Adenoviren verursacht werden.
  • Adenoviren werden in 6 verschiedene Genotypen unterteilt (A–F) und in 49 verschiedenen Serotypen.1

Häufigkeit

  • Adenovirus-Infektionen sind weltweit verbreitet und kommen das ganze Jahr über gleich häufig vor.
  • Insbesondere bei Kleinkindern kommt es häufig zur Infektion mit Adenoviren.
  • Nicht selten kommt es insbesondere in Gemeinschaftseinrichtungen zu örtlich gehäuftem Auftreten bis hin zu Kleinepidemien.2
  • Adenoviren gehören zu den bei Pharyngitis am häufigsten isolierten Erregern (5 %)3
  • Die Erkrankung ist gemäß Infektionsschutzgesetz nicht meldepflichtig. Eine Ausnahme stellt der Nachweis von Adenoviren im Konjunktivalabstrich dar. Dieser ist laut § 7 (1) IfSG meldepflichtig.
  • Seit Einführung der Meldepflicht im Jahr 2001 war die Zahl der jährlichen Erkrankungsfälle von Keratoconjunctivitis epidemica  großen Schwankungen unterworfen und betrug zwischen 82 und 658 Erkrankungen pro Jahr. Im Jahr 2015 gab es 563 gemeldete Fälle.2

Ätiologie und Pathogenese

  • Bei den Adenoviren handelt es sich um unbehüllte Doppelstrang-DNA-Viren mit einem Durchmesser von 90–100 nm. Sie bestehen aus einem Proteinkapsid, das gruppen- und typspezifische Antigene enthält. Adenoviren sind sehr umweltresistent und bei Zimmertemperatur unter Umständen über Wochen infektiös.2 
  • Adenoviren werden durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion übertragen.
  • Die epidemische Keratokonjunktivitis ist hoch ansteckend und wird häufig über die Finger oder über Untersuchungsinstrumente übertragen.
  • Die follikuläre Konjunktivitis und das Pharyngokonjunktivalfieber können auch durch kontaminiertes Schwimmbadwasser übertragen werden.2 
  • Adenoviren führen zu Gewebeschäden und erhöhten CRP-Werten, weshalb mitunter fälschlicherweise eine bakterielle Infektion vermutet wird.4-5
  • Die unterschiedlichen Serotypen rufen verschiedene Krankheitsbilder hervor.
    • Infektionen der Atemwege bei Kindern
      • am häufigsten durch die Serotypen 1–3, 4, 6, 7, 14, 21
    • Keratoconjunctivitis epidemica durch die Serotypen 8, 19 und 37 
    • follikuläre Konjunktivitis durch die Serotypen 3, 4, 7 
    • Pharyngokonjunktival-Fieber
      • am häufigsten durch Serotyp 3, 7 und 14
      • Infektion der Atemwege mit Fieber, Schnupfen, Lymphknotenschwellung und hämorrhagischer Konjunktivitis
      • in Kindergruppen, im Ferienlager usw. oftmals weit verbreitet
    • Gastroenteritis
      • am häufigsten durch Serotyp 40, 41 oder 43
      • Stellt die zweithäufigste Ursache für Durchfall bei Kindern dar (häufigste Ursache: Infektion mit Rotaviren).
      • mit mesenterialer Lymphadenopathie bei den Serotypen 1, 2, 5, 6
    •  Pneumonien durch die Serotypen 1–4, 7, 142

Prädisponierende Faktoren

  • Geschwächtes Immunsystem

ICPC-2

  • A77 Virale Erkrankung NNB, andere
  • F70 Konjunktivitis, infektiöse
  • D70 Gastrointest. Infekt., Erreger gesichert
  • D73 Gastroenteritis vermutlich infektiös
  • N71 Meningitis/Enzephalitis
  • R74 Infektion obere Atemwege, akute

ICD-10

  • A85.1† Enzephalitis durch Adenoviren (G05.1*)
  • B30.1† Konjunktivitis durch Adenoviren (H13.1*)
  • B34.0 Infektion durch Adenoviren nicht näher bezeichneter Lokalisation
  • B97.0 Adenoviren als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind
  • A87.1† Meningitis durch Adenoviren (G02.0*)
  • B30.0† Keratokonjunktivitis durch Adenoviren (H19.2 *)
  • A08.2 Enteritis durch Adenoviren
  • J12.0 Pneumonie durch Adenoviren

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Nachweis von Adenoviren (PCR) bei einer Infektion der Atemwege, der Augen oder des Gastrointestinaltrakts

Differenzialdiagnosen

  • Erkältung (Rhinovirus-Infektion) oder andere Virusinfektionen
  • Bakterielle Konjunktivitis
  • Rotavirus-Infektion des Gastrointestinaltrakts
  • Bakterielle Infektion

Anamnese

  • Die Inkubationszeit beträgt 5–12 Tage.
  • Die unterschiedlichen Serotypen des Adenovirus rufen verschiedene, typische Krankheitsbilder hervor.
  • Infektionen der Atemwege
    • am häufigsten durch die Serotypen 1–3, 4, 6, 7, 14, 21 
    • Erkältungssymptome mit Fieber, Halsschmerzen, Schnupfen, Husten
    • Pneumonien durch die Serotypen 1–4, 7, 14
  • Pharyngokonjunktival-Fieber
    • am häufigsten durch Serotyp 3, 7, 14
    • akute Halsentzündung, Schnupfen, zervikale Lymphadenopathie und begleitende milde Konjunktivitis. 
    • Adenoviren können eine ausgeprägte Tonsillitis mit auch purulentem Exsudat verursachen.
  • Gastroenteritis
    • am häufigsten durch Serotyp 40, 41 oder 43
    • Durchfall und Fieber
    • Stellt vermutlich die zweithäufigste Ursache für Darminfekte bei Kindern dar (häufigste Ursache: Infektion mit Rotaviren).
  • Epidemische Keratokonjunktivitis
    • Serotyp 8, 19 oder 37
    • schwere Konjunktivitis
    • Hohes Infektionsrisiko, kann in Institutionen zur endemischen Infektion werden.
  • Follikuläre Konjunktivitis durch die Serotypen 3, 4, 7  
    • Die durch Serotyp 3 verursachte Konjunktivitis wird auch als Schwimmbad-Konjunktivitis bezeichnet.

Klinische Untersuchung

  • Infektionen der Atemwege
    • Fieber, Schnupfen, unterschiedlich starke Halsrötung
  • Epidemische Keratokonjunktivitis
    • Plötzlicher Beginn mit Rötung, ringförmiger Bindehautschwellung sowie präaurikulärer Lymphknotenschwellung. Subjektive Beschwerden sind Fremdkörpergefühl, Lichtscheu, Juckreiz und Tränenfluss. Die ödematöse Schwellung der Lider führt zu einer entzündlichen Ptosis.
    • evtl. subkonjunktivale Blutungen
  • Gastroenteritis
    • Durchfall, Fieber, evtl. Erbrechen

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Bei einer Infektion mit Adenoviren ist der CRP-Wert häufig erhöht, weshalb sie fälschlicherweise für eine bakterielle Infektion gehalten werden kann.4-5
  • In den meisten Fällen kann die Diagnose anhand der klinischen Befunde gestellt werden.
  • Kommt es bei einer ganzen Gruppe zur Infektion mit Adenoviren, also zu einer Epidemie, kann die Entnahme von Proben sinnvoll sein.
  • Infektionen der Atemwege
    • Nachweis von Viren in nasopharyngealem Aspirat oder Rachenabstrich
  • Konjunktivitis
    • Nachweis von Viren im Konjunktivalabstrich
    • Am sensitivsten ist der Nachweis mittels PCR, alternativ ist auch ein Antigennachweis (Immunfluoreszenz, immunchromatografischer Schnelltest) oder die Anzüchtung in Zellkultur möglich.6 
  • Gastroenteritis
    • Nachweis von Viren in Stuhlproben

Indikationen zur Überweisung

  • Adenovirus-Infektionen werden normalerweise ambulant behandelt.
  • Bei einer Keratokonjunktivitis sollte die Überweisung an einen Augenarzt erfolgen.

Therapie

Therapieziel

  • Symptomatische Behandlung bis zur spontanen Ausheilung der Infektion

Allgemeines zur Therapie

  • Eine kausale Therapie ist nicht möglich, die Behandlung ist rein symptomatisch.

Prävention

  • Eine aktive oder passive Immunisierung ist nicht möglich.2
  • Durch die Einhaltung der allgemeinen Hygieneregeln, insbesondere durch regelmäßiges und gründliches Händewaschen, kann eine Übertragung der Adenoviren bei Epidemien verhindert werden.
  • Für detaillierte Informationen zur Hygiene siehe auch Kapitel Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen im RKI-Ratgeber.2

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Es handelt sich um eine selbstlimitierende Erkrankung.
  • Atemwegsinfektionen und Darminfektionen dauern in der Regel etwa 1 Woche.
  • Augeninfektionen können länger andauern, u. U. mehrere Wochen.
  • Eine Ansteckung ist möglich, solange das Virus in Sekreten nachweisbar ist, in der Regel während der ersten 2 Wochen der Erkrankung (in der Literatur werden auch Zeiten bis zu 3 Wochen beschrieben).2

Prognose

  • Die Prognose ist im Allgemeinen gut, dennoch kann es zum Ausbruch von Infektionen mit seltenen Serotypen kommen, die einen gravierenderen Krankheitsverlauf bedingen.1
    • Beispiel: Serotyp 14, der u. a. in den USA zur epidemischen Verbreitung von Pneumonien geführt hat. Ein Verdacht für eine pulmonale  Infektion mit dem Serotyp 14 ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5a IfSG (einzelne Erkrankung) und 5b IfSG (2 oder mehr gleichartige Erkrankungen im Sinne eines Ausbruchs) meldepflichtig.7
    • Auch die Serotypen 5, 7 und 21 sind bekannt dafür, schwere Krankheitsverläufe zu verursachen.
  • Bei der epidemischen Keratokonjunktivitis kommt es fast immer zur vollständigen Ausheilung, nur gelegentlich kann sich eine Visusminderung entwickeln.2 
  • Im Anschluss an eine Adenovirus-Infektion bildet sich eine serotypspezifische Immunität unter Bildung neutralisierender Antikörper. Wegen der Typenvielfalt sind aber wiederholte Adenovirus-Infektionen möglich.2
  • Bei schwerer Immunsuppression sind sehr selten lebensbedrohliche disseminierte Infektionen mit multiplen Organbeteiligungen möglich. Eine gefürchtete Komplikation ist die Meningoencephalitis.Die Therapie erfolgt dann stationär mit Cidofovir (off-label).8

Adenovirus-Infektionen in Kindertagesstätten

  • Kinder mit Fieber oder reduziertem Allgemeinzustand sollten Kindertagesstätten generell nicht besuchen, solange sie krank sind.
  • Eine durch Adenoviren verursachte Konjunktivitis lässt sich nur schwer von einer bakteriellen Konjunktivitis unterscheiden.
  • Bei Vorliegen einer Keratokonjunktivitis epidemica sollte das Kind die Gemeinschaftseinrichtung nicht besuchen. Wegen der hohen Kontagiösität sollte die Wiederzulassung von der Vorlage eines schriftlichen ärztlichen Attestes abhängig gemacht werden.2 
  • Wenn der Verdacht auf eine bakterielle Infektion besteht und antibiotische Tropfen verwendet werden, kann das betroffene Kind einen Tag nach Behandlungsbeginn wieder wie gewohnt in der Kindertagesstätte betreut werden.

Patienteninformation

Worüber sollten Sie die Patienten informieren?

  • Harmlose und selbstlimitierende Infektion
  • Hygienemaßnahmen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM). Mikrobiologische Diagnostik bei Infektionen des Auges. AWMF-Leitlinie Nr.067/008. 2011. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Halsschmerzen. Leitlinie Nr. 14. AWMF-Leitlinie Nr. 053/010. 2009. www.awmf.org
  • Häusler M. Nicht-eitrige ZNS Infektionen von Gehirn und Rückenmark im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 022/004. Juni 2015. www.awmf.org

Literatur

  1. Flomenberg P. Epidemiology and clinical manifestations of adenovirus infection. UpToDate 19.2 2011; oppslag oktober 2011. UpToDate
  2. Robert-Koch-Institut. Adenovirus-Konjunktivitis. RKI-Ratgeber für Ärzte. Stand März 2010. www.rki.de
  3. DEGAM. Halsschmerzen.Leitlinie Nr. 14. AWMF-Register 053 - 010. 2009. www.awmf.org
  4. Appenzeller C, Ammann RA, Duppenthaler A. Serum C-reactive protein in children with adenovirus infection. Swiss Med Wkly 2002; 29: 345-50. PubMed
  5. Cheng CC, Huang LM, Kao CL, et al. Molecular and clinical characteristics of adenoviral infections in Taiwanese children in 2004-2005. Eur J Pediatr 2008; 167: 633-40. PubMed
  6. Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM). Mikrobiologische Diagnostik bei Infektionendes Auges. AWMF-Leitlinie Nr.067/008. 2011. www.awmf.org
  7. Robert-Koch-Institut. Adenovirus-Pneumonien. März 2014. www.rki.de
  8. Häusler M. Nicht-eitrige ZNS Infektionen von Gehirn und Rückenmark im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 022/004. Juni 2015. www.awmf.org

Autoren

  • Dr. Birgit Wengenmayer, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Freiburg
  • Bertil Christensson, professor och överläkare, Infektionskliniken, Skånes universitetssjukhus
  • Kurt Østhuus Krogh, specialist inom barnsjukdomar, barne- og ungdomsklinikken, St. Olavs Hospital, Trondheim

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