Zerkariendermatitis

Zusammenfassung

  • Definition:Juckender Ausschlag infolge einer Lokalreaktion auf Larven von Saugwürmern, die beim Baden in Süßwasser die Haut zu durchdringen versuchen. Nach vorheriger Sensibilisierung kann es zu einem generalisierten Ausschlag kommen.
  • Häufigkeit:Zerkarien leben meist in Süßwasser mit einer Temperatur von etwa 20 °C. Sie halten sich in flachen Gewässern auf. Weltweit wird eine zunehmende Häufigkeit beobachtet.
  • Symptome:Einige Minuten bis 1 Stunde nach Verlassen des Gewässers kann eine lokale Reaktion mit Quaddeln und Pusteln auftreten. Bei wiederholter Exposition sind häufig stärkere Reaktionen wie ein generalisiertes Exanthem nach 10–24 Stunden möglich.
  • Befunde:Neben typischen, mückenstichähnlichen Ausschlägen treten manchmal auch Allgemeinsymptome sowie Schwellungen an Armen oder Beinen auf.
  • Diagnostik:Anamnese und typischer Befund. Ein mikroskopischer Nachweis der Zerkarien kann bei Entnahme von Schnecken aus dem Gewässer erfolgen, die als Zwischenwirte fungieren.
  • Therapie:Die Erkrankung ist harmlos und heilt innerhalb von 10–20 Tagen aus; bei Bedarf erfolgt eine symptomatische Therapie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Juckender Ausschlag infolge einer Lokalreaktion auf Larven von Saugwürmern, die beim Baden in Süßwasser die menschliche Haut zu durchdringen versuchen.
    • Bei Erstexposition lokal juckende Quaddeln an den Stellen, an denen die Larven versuchen, die Haut zu durchdringen.1
  • Nach einem vorangegangenen Kontakt besteht eine Sensibilisierung. Bei diesen Personen kann es 10–24 Stunden nach erneuter Exposition gegenüber Zerkarien zu einem generalisierten makulopapulösen Exanthem kommen.1

Häufigkeit

  • Der Erreger kommt häufig in Süßwasser vor, wenn die Wassertemperatur an heißen und sonnigen Tagen auf 20 °C steigt.
  • Weltweit wird ein zunehmender Befall der Gewässer mit Zerkarien beobachtet.
  • Gehäuftes Vorkommen von Zerkariendermatitis in Reisanbaugebieten, sie wird als Berufskrankheit bei Reisanbauer*innen betrachtet.2

Ätiologie und Pathogenese

  • Saugwürmer der Gattung Schistosoma (z. B. Trichobilharzia, ca. 100 Spezies):2 Wasservögel (Enten) dienen dem Wurm als Hauptwirte, Schnecken als Zwischenwirte.
    • Über den Vogelkot gelangen die Wurmeier in das Wasser.
    • Im Wasser schlüpfen daraus Larven (Mirazidien), die in bestimmte Schneckenarten eindringen.
    • In der Schnecke entwickelt sich die Larve zu einer Sporozyste: Aus dieser gehen wiederum neue Sporozysten hervor, die die nächste Generation von Larven (Zerkarien) hervorbringt.
    • An heißen, sonnigen Tagen halten sich die Zerkarien an der Oberfläche des Gewässers auf und versuchen, über die Blutgefäße in den Schwimmhäuten von Wasservögeln in deren Blutkreislauf einzudringen.
    • Sie können sich hierbei aktiv vorwärts bewegen und reagieren auf wechselnde Lichtverhältnisse (z. B. Schatten eines Wasservogels).2 
  • Beim Menschen können Zerkarien einige Millimeter tief in die Haut eindringen. Das Eindringen in die Haut wird durch histolytische Enzyme gesteuert und hängt von verschiedenen Faktoren ab (z. B. Anzahl mehrfach ungesättigter Fettsäuren auf der Hautoberfläche).3
  • Der Mensch ist ein Fehlwirt.
    • Die Zerkarien sterben rasch ab, können aber lokale allergische Reaktionen auslösen.
    • Bei Immunsupprimierten wird ein mögliches Eindringen der Zerkarien in den Organismus diskutiert.2
    • Da sich die Zerkarien meist in seichtem Wasser aufhalten, werden in erster Linie Kinder befallen.
  • Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch erfolgt nicht.
  • Vereinzelt wurden Zerkarien auch in Meerwasser mit Seevögeln als Hauptwirt gefunden.

Prädisponierende Faktoren

  • Schwimmen in Süßwasser, wenn die Wassertemperatur an heißen, sonnigen Tagen über 20 °C liegt.

ICPC-2

  • S88 Allergische- / Kontaktdermatitis

ICD-10

  • B65.3 Zerkariendermatitis

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Juckender Hautausschlag nach Schwimmen in Süßwasser an beim Baden unbedeckten Körperpartien1

Differenzialdiagnosen

  • Diese Referenz bezieht sich auf den gesamten Abschnitt.1
  • Trombidiose: Urtikaria unter enganliegender Badebekleidung
  • Nesseltierlarven-Dermatitis: urtikarielles Exanthem unter der Badebekleidung, ausgelöst durch Larven der Qualle Linuche unguiculata. Bezug zum Badeereignis im Salzwasser (Atlantik)
  • Urtikaria

Anamnese

  • Bei den meisten Menschen löst der erste Kontakt leichte Beschwerden aus.
    • Es kann Minuten bis Stunden nach dem Verlassen des Wassers zu Papeln und Quaddeln an den Stellen kommen, an denen die Larven in die Haut eindringen.1
  • Bei wiederholter Exposition kann bei sensibilisierten Personen eine allergische Reaktion auftreten, die mit einem generalisieren juckenden und makulopapulösen Hautausschlag einhergeht.
    • Eine generalisierte Reaktion tritt ca. 10–24 Stunden nach Exposition auf.
    • Die Intensität des Ausschlags variiert, kann manche Patient*innen aber stark beeinträchtigen.
    • Der Ausschlag hält 10–20 Tage an.
  • Bei Befall mit vielen Zerkarien kann es zu Allgemeinsymptomen wie Lymphknotenschwellungen, Fieber oder Übelkeit kommen.4  

Klinische Untersuchung

  • Juckender und makulopapulöser Ausschlag nach dem Schwimmen in Süßwasser, entweder an vereinzelten lokalen Stellen oder generalisiert1
    • Von Badekleidung bedeckte Körperpartien sind von dem lokalen Ausschlag ausgenommen.

Weitere Diagnostik

  • Normalerweise erfolgt keine weitere Diagnostik.
  • Im Labor sind eine Eosinophilie und ein erhöhtes IgE meist nachweisbar.5
  • Bei Entnahme der Schnecken aus dem Gewässer und Übersiedeln in ein Glas mit Wasser können nach einigen Tagen mikroskopisch Zerkarien im Wasser nachgewiesen werden.

Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Bei Bedarf kann eine Behandlung zur Linderung der Symptome erfolgen.

Medikamentöse Therapie

  • Evtl. Gabe von Antihistaminika und/oder kortisonhaltigen Cremes 
  • Beispielsweise Hydrokortison-Creme 0,5–1 %, Cetirizin Tbl. 10 mg 1 x/d

Prävention

  • Das Auftreten von Zerkarien in Badegewässern muss nicht unbedingt zu einem Badeverbot führen, aber Badende sollten über die Erkrankung und die damit verbundenen Risiken informiert sein.
  • Individuelle Schutzmaßnahmen
    • Durch das Abduschen direkt nach dem Schwimmen können Zerkarien von der Haut abgespült werden.
    • Nicht zu lange in einem kontaminierten Gewässer aufhalten.
    • Mehrere kürzere Zeitintervalle im Wasser senken das Risiko eines Zerkarienbefalls.
    • Nach dem Schwimmen gründlich mit einem Handtuch abtrocknen (mechanische Entfernung und Austrocknung der Zerkarien).
    • In befallenen Gewässern Bereiche mit ablandigem Wind, tiefem Wasser oder leichter Strömung vorziehen.
    • Gewässer vorziehen, in denen es wenige Schnecken (steiniger Grund) und Seevögel gibt.
    • Wasserfeste Sonnenschutzmittel mit integriertem Quallenschutz senken das Risiko, dass Zerkarien in die Haut eindringen.6
    • Guten Schutz bieten auch wasserfeste Sonnenschutzmittel, die das Medikament Niclosamid enthalten.6

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Es handelt sich um eine selbstlimitierende und harmlose Erkrankung, die nach etwa 10–20 Tagen ausgeheilt ist.

Komplikationen

  • Bakterielle Superinfektion2 

Prognose

  • Gut

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Zerkariendermatitis.png
Zerkariendermatitis: generalisierte Reaktion nach vorausgegangener Sensibilisierung
4027-2-cerkariedermatitt-svommerkloe.jpg
Zerkariendermatitis (Badedermatitis)

Quellen

Literatur

  1. Altmeyer P. Zerkariendermatitis. Enzyklopädie Dermatologie, Springer 2021. Last updated May 2019 www.altmeyers.org
  2. Horák P, Mikeš L, Lichtenbergová L, Skála V, Soldánová M, Brant SV. Avian Schistosomes and Outbreaks of Cercarial Dermatitis. Clinical Microbiology Reviews. 2015;28(1):165-190. www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Haas W, Häberlein S 2009. Penetration of cercariae into the living human skin: Schistosoma mansoni vs. Trichobilharzia szidati. Parasitol Res 105:1061–1066. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Kolářová L, Horák P, Skírnisson K, Marečková H, Doenhoff M 2013. Cercarial dermatitis, a neglected allergic disease. Clin Rev Allergy Immunol 45:63–74. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Lichtenbergová L, Kolbeková P, Kouřilová P, Kašný M, Mikeš L, Haas H, Schramm G, Horák P, Kolářová L, Mountford AP 2008. Antibody responses induced by Trichobilharzia regenti antigens in murine and human hosts exhibiting cercarial dermatitis. Parasite Immunol 30:585–595. www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Wulff C, Haeberlein S, Haas W. Cream formulations protecting against cercarial dermatitis by Trichobilharzia. Parasitol Res 2007; 101: 91-7. PubMed

Autor*innen

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Susanne Schlesinger, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Freiburg/Br.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit