Thrombangiitis obliterans (Morbus Winiwarter-Buerger)

Zusammenfassung

  • Definition:Schubweise verlaufende, segmentale Vaskulitis der kleinen bis mittelgroßen Gefäße (Arterien und Venen) mit Gefäßverschlüssen durch entzündungszellreiche Thromben; zumeist im Rahmen eines schweren Nikotinabusus.
  • Häufigkeit:In Westeuropa ca. 2 % der Patient*innen mit PAVK. 
  • Symptome:Claudicatio im Bereich der distalen Extremitäten.
  • Befunde:Verminderte Pulse, in 40 % der Fälle Raynaud-Syndrom, im Verlauf Ulzerationen, Gangrän.
  • Diagnostik:Diagnosestellung durch Prädisposition (Rauchen), Klinik und ergänzende Angiografie mit typischen Befunden.
  • Therapie:Wichtigste Maßnahme ist ein konsequenter Rauchstopp, nur dann kann eine Amputation zumeist vermieden werden. Verschiedene Verfahren zur Verbesserung der Perfusion ohne eindeutig etabliertes Behandlungskonzept.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Schubweise verlaufende, segmentale Vaskulitis der kleinen bis mittelgroßen Gefäße (Arterien und Venen) mit Gefäßverschlüssen durch entzündungszellreiche Thromben1
  • Zumeist im Rahmen eines schweren Nikotinabusus auftretend1
  • Entzündliche Gefäßerkrankung, dennoch bislang nicht in die Chapel-Hill-Klassifikation der Vaskulitiden aufgenommen1-2

Häufigkeit

  • Weltweites Vorkommen der Erkrankung3
  • Gesamtinzidenz
    • Die weltweite jährliche Inzidenz beträgt 5–12/100.000 Einw. mit großen regionalen Unterschieden (0,25–693/100.000)4
  • Prävalenz bei Patient*innen mit PAVK
    • Westeuropa ca. 2 %5
    • Osteuropa ca. 4 %5
    • Hochprävalenzregionen in Asien (mittlerer Osten, indischer Subkontinent, Ostasien) ca. 16–66 %6
    • Israel (Aschkenasim) ca. 80 %6
  • Alter
    • Auftreten überwiegend zwischen 20. und 45. LJ7-8
    • Bei Kindern und älteren Menschen kommt die Erkrankung nicht vor.9
  • Geschlechtsverteilung
    • Männer zu Frauen ca. 3:19
    • Zunahme des Frauenanteils in den vergangenen Jahren, vermutlich durch Erhöhung des Anteils der Raucherinnen9

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

  • Die Ätiologie ist unbekannt.6
  • Enge Assoziation mit schwerem Nikotinabusus

Pathophysiologe

  • Verschiedene pathophysiologische Mechanismen werden diskutiert:
    • immunologische Prozesse8
    • prothrombotische/hämorheologische Veränderungen8
    • Imbalance zwischen Oxidanzien und Antioxidanzien10
    • endotheliale Dysfunktion mit verminderter Relaxation.11
  • Die ausgeprägten regionalen und ethnischen Unterschiede beim Auftreten der Erkrankung sprechen zudem für eine Beteiligung genetischer Faktoren.
  • Bei der Entwicklung der Thrombangiitis obliterans werden 3 Phasen unterschieden:8,12
    • Akute Phase: Ein initialer Entzündungsprozess führt zur Bildung eines hyperzellulären (Neutrophile und Riesenzellen) Thrombus mit Gefäßokklusion, die Gefäßwand bleibt ausgespart.
    • subakute Phase: Organisation des Thrombus bei weitergehender Entzündung
    • chronische Phase: nachlassende Entzündung, Ausbildung eines fibrotischen Thrombus.
  • Die Erkrankung verläuft schubweise, Fortschreiten von distal nach proximal, klinisch mit Ischämie (Claudicatio) von Füßen/Unterschenkeln und Händen/Unterarmen.7-8,13
  • In fortgeschrittenem Stadium Entstehung von Ulzerationen, Nekrosen und Gangrän1
  • Raynaud-Phänomen bei 40 % der Patient*innen6
  • Neben den Extremitäten können weitere Gefäßbereiche betroffen sein.8,14
    • Gehirn, Augen, Herz, Lunge, Nieren, Gastrointestinaltrakt
  • Eine Oligoarthritis kann der Erkrankung vorausgehen.1

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • K92 Arteriosklerose/periphere Gefäßerkrankung

ICD-10

  • I73.1 Thrombangiitis obliterans (Morbus Winiwarter-Buerger)

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Wichtige Elemente verschiedener bisher vorgeschlagener diagnostischer Kriterien sind:12
    • Alter < 30–50 Jahre
    • Nikotinabusus
    • Claudicatio, Ruheschmerz, digitale Ulzeration
    • distale arterielle Erkrankung
    • Thrombophlebitis migrans
    • typisches angiografisches Bild.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Symptome
    • Von den Symptomen sind bevorzugt die unteren Extremitäten, aber nicht selten alle Extremitäten betroffen.
      • Ein auf eine Extremität begrenzter Prozess spricht eher gegen Thrombangiitis obliterans.1
    • intermittierende Claudicatio
    • Ruheschmerzen
    • Raynaud-Symptomatik bei 40 % der Patient*innen
    • Ulzerationen
    • Oberflächliche, wandernde Thrombophlebitiden
    • bei zusätzlichem Organbefall evtl. Symptome je nach betroffenem Gefäßgebiet
  • Nikotinabusus
  • Vorerkrankungen (Differenzialdiagnosen)

Klinische Untersuchung

  • Raynaud-Syndrom
    Raynaud-Syndrom
    Inspektion
  • Pulsstatus
  • Blutdruckmessung
  • Auskultation auf arterielle Geräusche
  • Funktionelle Tests
    • Allen-Test
    • Ratschow-Lagerungsprobe

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Labor

  • Keine typischen Veränderungen im Routinelabor durch Thrombangiitis obliterans
    • Trotz des entzündlichen Gefäßprozesses sind CRP und BSG typischerweise normal.12
  • Ggf. Labordiagnostik zum Ausschluss/Nachweis von Differenzialdiagnosen

Diagnostik bei Spezialist*innen

Angiografie

  • Aufgrund der besseren räumlichen Auflösung wird die invasive Angiografie gegenüber MR- oder CT-Angiografie bevorzugt.8
  • Typische, wenn auch nicht pathognomonische Veränderungen sind:1
    • multipler segmentaler, diskontinuierlicher Befall
    • glattwandige Gefäße in den nicht betroffenen Segmenten
    • scharf begrenzte Verschlüsse
    • Korkenzieherkollateralen.

Biopsie

  • im Einzelfall bei atypischer Präsentation mit unklarer Diagnose11

Indikationen zur Überweisung

  • Bei klinischem Verdacht auf die Erkrankung

Therapie

Therapieziele

  • Eine weitere Progression verhindern.
  • Komplikationen vermeiden.
  • Beschwerden lindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Die Therapie beruht auf:
    • Lebensstiländerung: Raucherentwöhnung 
    • Verbesserung der Perfusion mit verschiedenen therapeutischen Ansätzen
    • Analgesie
    • Vermeidung und Behandlung von Wundinfektionen.

Raucherentwöhnung 

  • Raucherentwöhnung gilt als wichtigste therapeutische Maßnahme.1
    • Auch der Konsum weniger Zigaretten pro Tag führt zur Progression.8
    • Nikotinersatz sollte vermieden werden, da auch dies die Krankheitsaktivität erhöhen kann.8

Verbesserung der Perfusion

  • Zwar gibt es eine Reihe von angewandten Verfahren, allerdings kein allgemein akzeptiertes Behandlungskonzept.15 
  • Medikamentöse Optionen sind:
    • Prostaglandininfusionen16
    • Kalziumantagonisten1
    • Bosentan17
    • Adenosin18
    • Der Nutzen von Thrombozytenaggregationshemmern ist nicht belegt, aber weit verbreitet.1
  • Intermittierende pneumatische Kompression19
  • Sympathektomie11,20
  • Gabe angiogener Wachstumsfaktoren15
  • Stammzelltherapie21-22
  • Lokale kathetergestützte Lyse1
  • Chirurgische Revaskularisation nur selten durchführbar23

Analgesie

  • Schwierig und häufig Einsatz von Opioiden erforderlich1
  • In Einzelfällen Neurostimulation als Option11,20

Vermeidung und Behandlung von Wundinfektionen

  • Hautpflege und Vermeidung von mechanischen oder thermischen Traumen
  • Angepasstes Schuhwerk
  • Behandlung von lokalen Wundinfektionen

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

Verlauf und Prognose

  • Die Prognose wird entscheidend davon geprägt, ob die Raucherentwöhnung gelingt:9
    • Bei anhaltendem Nikotinkonsum liegt die 8-Jahres-Amputationsrate bei 43 %.
    • nach Nikotinstopp Amputationsrate insgesamt 6 %
      • bei Nikotinstopp vor kritischer Ischämie Amputationsrate nahe 0 %
  • Nicht selten sind mehrere Gliedmaßen von Amputationen betroffen.1
  • Die Mehrheit der Patient*innen (85 %) mit großer Amputation erleidet zudem einen Arbeitsplatzverlust.8

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Das Raynaud-Syndrom erscheint bei etwa 40 % der Patient*innen mit Morbus Winiwarter-Buerger.
Knöchelblutdruck, Zeichnung
Knöchelblutdruck, Zeichnung

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin. Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), Diagnostik, Therapie und Nachsorge. AWMF-Leitlinie Nr. 065–003. S3, Stand 2015. www.awmf.org

Literatur

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  10. Sharebiani H, Fazeli B, Maniscalco R, et al. The Imbalance among Oxidative Biomarkers and Antioxidant Defense Systems in Thromboangiitis Obliterans (Winiwarter-Buerger Disease). J Clin Med 2020; 9: 1036. doi:10.3390/jcm9041036 DOI
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Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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