Insektenstiche und -bisse

Red Flags und abwendbar gefährliche Verläufe1-2

Red Flags

Abwendbar gefährlicher Verlauf

Stridor (Hypersalivation, kloßige Sprache)

Stich/Biss im Bereich des Rachens oder der oberen Atemwege: Schwellung der Atemwege, Verlegung der Atemwege, Glottisödem, Anaphylaxie

Dyspnoe

Stich/Biss im Bereich der oberen Atemwege: Schwellung der Atemwege, Verlegung der Atemwege, Glottisödem, Anaphylaxie, Asthmaanfall

Husten

Stich/Biss im Bereich der Atemwege: Schwellung der Atemwege, Verlegung der Atemwege, Glottisödem, Asthmaanfall

Schwellung im Kopfbereich, vor allem:

  • Lippen
  • Zunge
  • Augen
  • Hals

Dysphagie

Stich/Biss im Bereich Rachens oder der oberen Atemwege: Schwellung der Atemwege, Verlegung der Atemwege, Glottisödem, Angioödem, Anaphylaxie, Asthmaanfall.

Blutdruckabfall, Synkope

Anaphylaxie

Gastrointestinale Symptome

  • Nausea und/oder Erbrechen
  • Bauchkrämpfe
  • Diarrhö

Anaphylaxie

Lokalisation des Stichs

  • in der Mundhöhle
  • im Pharynx/Larynx
  • im Hals

Schwellung der Atemwege, Verlegung der Atemwege, Glottisödem

Sich rasch ausdehnende, progrediente lokale Reaktion

Hyperreaktion, Infektion, Anaphylaxie

Generalisierter Ausschlag mit Pruritus

Urtikaria bei Anaphylaxie

Bekannte schwergradige Allergien auf

  • Wespenstiche
  • Bienenstiche
  • Hummelstiche

Anaphylaxie

Allgemeine Informationen

Definition

  • Insektenstiche und -bisse können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und sich durch sofortige Schmerzen und Juckreiz bemerkbar machen oder überhaupt keine Beschwerden hervorrufen.
  • Die gesundheitlichen Folgen reichen von lokalen Traumata, der Injektion verschiedener toxischer oder reizender Stoffe, der Übertragung von Krankheiten und der sekundären Infektion bis hin zu systemischen allergischen Reaktionen.

Relevante Insekten und Milben in Deutschland

Insekten3

  • Mückenstiche
    • meist juckende Quaddel, dann Papel, selten Blasenbildung; seltener auch allergische Reaktionen
    • zunehmende Häufigkeit lokaler Überreaktion mit Blasenbildung: Culicosis bullosa. Besonders nach Stichen durch Mücken oder Stechfliegen.
    • Kriebelmückenstiche: lokale Blutergüsse möglich
      Culicosis bullosa.JPG
      Culicosis bullosa
  • Bienen-, Wespen-, Hummel-, Hornissenstiche
    • Schmerzhafte Schwellung und Rötung, Stachel teilweise noch nachweisbar. Stiche im Mundraum können zu einem bedrohlichen Glottisödem führen, vor allem bei allergischen Reaktionen. Allergien auf das Gift mit systemischen Reaktionen bis hin zur Anaphylaxie, vor allem auf Bienen- und Wespengift.
  • Bremsenstiche
    • schmerzhafte jedoch meist harmlose Schwellung
  • Flohbisse
    • juckende Quaddeln und Papeln, meist mehrere Effloreszenzen in unmittelbarer Nachbarschaft. Relevant sind vor allem der Menschenfloh (Pulex irritans), aber auch der Hundefloh oder der Katzenfloh. Seltener Hühnerfloh (Ceratophyllus gallinae).

Milben4

  • Milben gehören zu den Spinnentieren.
  • Milbenbisse können juckende Hautläsionen hervorrufen.
  • Milben sind zudem Überträger verschiedener Erkrankungen (Rickettsiosen, Tsutsugamushi-Fieber u. a.).
  • Allergien auf Hausstaubmilben und Vorratsmilben sind häufig. 
  • Für den Menschen relevant ist vor allem auch die humane Krätzmilbe (Sarcoptes scabiei), Auslöser der Krätze (Skabies).
  • Eine Beteiligung von Demodex-Milben an der Entstehung der Akne vulgaris wird diskutiert.

Echte Läuse5

  • Körperläuse (Pediculus humanus corporis)
  • Kopfläuse (Pediculus humanus capitis)
  • Filzläuse (Phtirus pubis)
  • Überträger von Typhus (Salmonella typhi), Fleckfieber (Rickettsia prowazeki), 5-Tage-Fieber (Bartonella quintana) und Rückfallfieber (Borrelia recurrentis).
  • Lokal häufig ausgeprägt juckende Papeln mit Sekundärinfektion durch Kratzeffekte.

Wanzen

  • Bettwanzen (Cimex lectularius), blutsaugender Parasit

Zecken (Ixodes ricinus)

  • Zecken gehören zu den Spinnentieren.
  • Zu den von Zecken übertragenenen Erkrankungen siehe die Artikel Borreliose und FSME.

Häufigkeit

  • Insektenstiche und -bisse sind weit verbreitet und insbesondere in den Sommermonaten zu beobachten.
  • Anaphylaktische Reaktionen sind eher selten, können jedoch lebensbedrohlich werden.6-7

ICPC-2

  • S12 Insektenbiss /-stich
  • S13 Bisswunde (Tier/Mensch), off. Wund.

ICD-10

  • T14.0 Insektenstiche
  • T00.9 Multiple oberflächliche Verletzungen, nicht näher bezeichnet

Differenzialdiagnosen

Insektenstiche im Allgemeinen

  • Juckende Hautveränderungen, die plötzlich oder in unregelmäßigen Abständen auftreten, sind häufig auf Insektenstiche zurückzuführen.
  • Menschen reagieren unterschiedlich auf Insektenstiche. Bei manchen Personen kommt es zu schweren Reaktionen und sogar zur Blasenbildung, bei anderen wiederum zeigt sich bei einem Stich der gleichen Insektenart nur eine leichte oder gar keine Reaktion.
  • Bei Patient*innen, die Haustiere halten oder eine Tier- oder Geflügelzucht betreiben, sind Insektenstiche und -bisse nicht selten.

Flöhe

  • Flohbisse
    Flohbisse
    Vogelflohbisse sind im Frühling und Frühsommer weit verbreitet.

Pelzmilben

  • Ein Pelzmilbenbiss ist in Betracht zu ziehen, falls die Patient*innen einen Hund oder eine Katze haben.

Vogelmilben

  • Vogelmilben können in Innenräumen über Monate hinweg überleben und sind häufig mit Flöhen vergesellschaftet.
    Reaktion auf Skabies
    Reaktion auf Skabies
  • Vogelmilben verursachen Hautreizungen, jedoch keine Stichmale.

Skabies

Skabies, Milbengang
Skabies, Milbengang
  • Bei hartnäckigem, persistierendem Juckreiz sollte eine Skabies in Betracht gezogen werden.
  • Typisch ist, dass bei einer Person mit bis dahin gesunder Haut relativ plötzlich starker Juckreiz auftritt, der nachts am intensivsten in Erscheinung tritt.
  • Am stärksten ist der Juckreiz in den Bereichen, in denen die Milbe sitzt; im weiteren Verlauf kann der Juckreiz jedoch eine generalisiertere Ausprägung annehmen. 
  • Die Milbengänge sind am besten auf den Seitenflächen der Finger, der volaren Seite des Handgelenks, der gestreckten Seite des Ellbogens und eventuell im Umkreis der Brustwarzen oder auf der Haut des Penis oder Hodensacks zu finden.
  • Die Diagnose wird klinisch gestellt, sowie evtl. durch Entfernung der Milbe aus dem Gang und Betrachtung unter dem Mikroskop gesichert.

Bettwanzen

  • Typischerweise wachen die Patient*innen morgens mit Hautveränderungen an Körperteilen auf, die nachts nicht von Bettzeug oder Kleidung bedeckt waren.
  • In der Regel liegen große, papulöse bis urtikarielle Veränderungen mit einem mittigen Bissmal vor.
    Bettwanzenstiche_Arm.jpg
    Bettwanzenstiche mit typischer Stichstraße
  • Die Bettwanze hinterlässt bluthaltige, dunkle Exkremente, die einen unangenehmen, süßlichen Geruch aufweisen. Die Exkremente verursachen Flecken, die sich nicht abkratzen lassen.

Anamnese

Können die Patient*innen Insekten oder Milben ausgesetzt gewesen sein?

  • Wichtig ist, dass Insektenstiche als mögliche Ursache des Problems der Betroffenen berücksichtigt werden. Wespen-, Bienen- oder Mückenstiche verursachen kaum Probleme bei der Diagnose.

Ist ein Flohbiss möglich?

  • Vorrangig im Frühjahr
  • Kontakt mit einem evtl. von Flöhen befallenen Ort?
    • Befindet sich ein Vogelnest in der Nähe der Wohnung?
    • Haben die Patient*innen Haustiere oder Vögel oder betreiben sie eine Tier- oder Geflügelzucht?
    • Zeigt die Katze oder der Hund Beschwerden oder kann sie/er Flöhe eingeschleppt haben?
    • Gibt es weitere Personen im näheren Umfeld, die unter Juckreiz leiden?
    • Haben die Patient*innen alte Möbel gekauft, die ins Schlafzimmer gestellt wurden?
    • Haben die Patient*innen in einer Unterkunft mit einem geringen hygienischen Standard übernachtet?

Klinische Untersuchung

 
  • Bei Flohbissen sind asymmetrische, stark juckende, urtikarielle Papeln zu beobachten, die mittig evtl. ein Papulovesikel aufweisen. Die Veränderungen treten im Bereich von Bündchen der Kleidung oft gehäuft auf.
  • Besteht der Verdacht auf eine Skabies, soll an den Prädilektionsstellen nach Milbengängen gesucht werden. Bei Verdacht auf Kopf- oder Filzläuse muss nach Nissen und Läusen gesucht werden.
  • Pelzmilben rufen einen uncharakteristischen papulösen Ausschlag ohne Stichmale in Bereichen hervor, die im Kontakt mit Tierfell standen.
  • Blasenbildung bei Culicosis bullosa nach Mücken- oder Kriebelmücksnstichen.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Die Diagnose wird in der Regel klinisch aufgrund des typischen Hautbildes und der Anamnese gestellt.
  • Bei allergischen Reaktionen auf Bienen- oder Wespenstiche sollte eine Blutprobe für eine Untersuchung auf spezifische IgE-Antikörper entnommen werden.
    • Die Zusammenarbeit mit Allergolog*innen bei Bienen- oder Wespengiftallergie ist ratsam. 

Maßnahmen und Empfehlungen

Zur Linderung der Beschwerden7

  • Liegt eine Reaktion auf bekannte Insekten wie Wespen, Bienen oder Mücken vor, erfolgt eine symptomatische topische Behandlung mit Kühlung und ggf. anschließender kurzfristiger, punktueller Wärmeanwendung zur Denaturierung der Insektengiftstoffe.
  • Zudem kann eine Glukokortikoidsalbe Juckreiz und Schwellung lindern, auch bei Culicosis bullosa.
    • z. B. Hydrokortison-Creme 0,1–0,5 %
  • Topische Antihistaminika haben nur einen geringen Effekt, der meist über den lokalen Kühleffekt durch das Gel nicht hinausgeht.
  • Bei ausgeprägteren Reaktionen können Antihistaminika zusätzlich oral verabreicht werden.
    • z. B. Cetirizin 10 mg 1x abends
  • Bei sehr ausgeprägter Schwellung und Rötung aufgrund einer lokalen allergischen Reaktionen kann Prednisolon in absteigender Dosierung für einige Tage oral eingenommen werden. 
    • z. B. 0,5–1 mg Prednisolonäquivalent/kg Körpergewicht p. o.

Prävention

  • Allgemeine Maßnahmen zum Schutz vor Insekten
    • helle, lange Kleidung
    • Moskitonetze
    • Hygienestandards einhalten.
  • Evtl. Antihistaminika und Glukokortikoide (als Creme und ggf. oral) in die Reise-Apotheke

Anaphylaktische Reaktion

  • Nach Stichen von Wespen und Bienen können anaphylaktische Reaktionen auftreten.
  • Werden bei einer Person, die eine schwere allergische Reaktion zeigt, IgE-Antikörper nachgewiesen, sollte ihr eine Hyposensibilisierung angeboten werden. Zudem sollte sie mit einem Anaphylaxie-Pen (Adrenalin-Fertigspritze) ausgestattet und in dessen Gebrauch unterrichtet werden.6
  • Auf eine Betablocker- oder ACE-Hemmer-Therapie bei Patienten mit gesicherter Bienen- oder Wespengiftallergie und systemischer Reaktion sollte verzichtet werden, da Anaphylaxien unter diesen Medikamenten schwerer verlaufen können.7

Sonstiges

  • Besteht der Verdacht auf Pelzmilben (Cheyletiella), kann eine Zusammenarbeit mit Tiermediziner*innen erforderlich werden.
  • Bei Verdacht auf Bettwanzen sollte Kontakt mit einem Kammerjäger aufgenommen werden.

Weitere Informationen

Illustrationen

  • Abbildungen von Culicosis bullosa bei DermIS.net
Culicosis bullosa.JPG
Culicosis bullosa
Bettwanzenstiche_Arm.jpg
Bettwanzenstiche mit typischer Stichstraße (Quelle: Wikimedia Commons)
Skabies, Milbengang
Krätze: Die Milbengänge sind grauweiß (mit Luft gefüllt) und dünn, weisen einen geschlängelten Verlauf und eine Länge von 1–2 bis zu 10 mm auf, und die weibliche Milbe kann als schwarzer Punkt am Ende des Gangs erkennbar sein.
Erythema migrans
Borreliose: Erythema migrans nach einem Zeckenstich am Oberschenkel
Läusebiss hinter dem Ohr
Läusestiche hinter dem Ohr
Vogelflohbisse
Vogelflohbisse sind im Frühling und Frühsommer weit verbreitet.
Reaktion auf Skabies
Bei einer Skabies tritt bei den Patienten typischerweise relativ plötzlich ein starker Juckreiz auf, der nachts am stärksten ausgeprägt ist.

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Bienen- und Wespengiftallergie, Diagnose und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 061-020. S2k, Stand 2011. www.awmf.org

Literatur

  1. Schaufelberger M, Meer A, Furger P, Derkx H et al.. Red Flags - Expertenkonsens - Alarmsymptome der Medizin. Neuhausen am Rheinfall, Schweiz: Editions D&F, 2018.
  2. Fleischmann T. Fälle Klinische Notfallmedizin - Die 100 wichtigsten Diagnosen. München, Deutschland: Elsevier, 2018.
  3. Altmeyer P. Enzyklopädie der Dermatologie. Insektenstiche (Übersicht). 2018. www.enzyklopaedie-dermatologie.de
  4. Altmeyer P. Enzyklopädie der Dermatologie. Milben. 2018. www.enzyklopaedie-dermatologie.de
  5. Altmeyer P. Enzyklopädie der Dermatologie. Läuse. 2017. www.enzyklopaedie-dermatologie.de
  6. Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Anaphylaxie, Akuttherapie und Management. AWMF-Leitlinie Nr. 061-025, Stand 2013. www.awmf.org
  7. Przybilla B, Ruëff F. Insektenstiche - Klinisches Bild und Management. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(13): 238–48. www.aerzteblatt.de

Autor*innen

  • Caroline Beier, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg

Frühere Autor*innen

  • Tore Särnhult, överläkare, Hudmottagningen, Kungsbacka (Medibas)
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, redaktør NEL
  • Sylvi Torvund, spesialist i allmennmedisin, Nidarvold legesenter, Trondheim
  • Kristin Ryggen, overlege, Hudavdelingen, Regionsykehuset i Trondheim

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