Bakterielle Infektionen der Haut

Allgemeine Informationen

Definition

  • Bakterielle Hautinfektionen umfassen ein weites Spektrum heterogener Krankheitsbilder, das von harmlosen Lokalinfektionen bis hin zu schweren, foudroyant-septischen Erkrankungen reicht.1

Häufigkeit

  • Bakterielle Haut- und Weichgewebeinfektionen gehören zu den häufigsten Infektionen weltweit.2 
  • Bei Kindern sind Hautinfektionen der häufigste dermatologische Konsultationsgrund, noch vor dem atopischen Ekzem.3
    • davon 50 % Virusinfektionen, 30 % bakterielle Infektionen und 20 % Pilzinfektionen

Ätiologie und Pathogenese

  • Viele bakterielle Hautinfektionen nehmen ihren Ausgang von chronischen Wunden (deren Häufigkeit mit zunehmendem Alter der Patient*innen ansteigt), andere von kleinen oberflächlichen Läsionen (Impetigo oder Fußmykose), wiederum andere von akuten Traumata oder Operationswunden.2
  • Die Bakterien gelangen so in die Haut und können dort zu einer lokalen, oberflächlichen Infektion oder durch Ausbreitung auf das Subkutangewebe, die Faszie oder die Muskulatur zu einer schweren lokalen Infektion mit oder ohne Allgemeinreaktion des Körpers führen.
  • Hauptverursacher von bakteriellen Haut- und Weichteilinfektionen sind Staphylokokken und Streptokokken.1

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • S10 Furunkel/Karbunkel/Abszess
  • S11 Hautinfektion posttraumatisch
  • S84 Impetigo

ICD-10

  • A26.0 Haut-Erysipeloid
  • A46 Erysipel
  • L00 Staphylococcal scalded skin syndrome (SSS-Syndrom)
  • L01 Impetigo
  • L02 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel
  • L03 Phlegmone
  • L08 Sonstige lokale Infektionen der Haut und der Unterhaut inkl. Ekthyma
  • M72.6 Nekrotisierende Fasziitis

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Es ist wichtig zu unterscheiden, ob es sich um eine lokale Hautinfektion handelt, ob sich die Infektion auf das Subkutangewebe, die Faszie oder die Muskulatur ausgebreitet hat, oder bereits eine sich diffus ausbreitende Infektion mit Allgemeinreaktion vorliegt.
  • Folgende Grundkrankheiten erschweren ein Ansprechen der Therapie und erfordern besondere Aufmerksamkeit:2

Differenzialdiagnosen

Virale oder Pilzinfektionen

Superinfektionen von Hauterkrankungen

  • Bei chronischen Hauterkrankungen, z. B. dem atopischen Ekzem, können gehäuft bakterielle Superinfektionen auftreten.

Impetigo contagiosa

  • Oberflächliche Hautinfektion, meist durch S. pyogenes, die durch spontan auftretende Hauterosionen, die von einem honiggelben Schorf bedeckt sind, gekennzeichnet ist.
    Impetigo
    Impetigo
  • Die Infektion ist ansteckend. Meist sind Kinder im Alter von 2–6 Jahren betroffen.

Ecthyma (Ekthyma)4

  • Relativ seltene Superinfektion kleinerer Hautverletzungen mit meist Beta-hämolysierenden Streptokokken, die sich v. a. am Unterschenkel manifestiert.
  • Umschriebene, wie ausgestanzt wirkende, scharfrandige Ulzera der Haut
  • Gehäuft bei immuninkompetenten Personen und Reiserückkehrer*innen aus den Tropen
    • z. B. Insektenstiche als Eintrittspforte
  • Als Therapie werden reinigende antiseptische Verbände, bei intakter Durchblutung eine Kompressionstherapie empfohlen.
  • Evtl. antibiotische Therapie (möglichst nach Antibiogramm) mit Penicillin V 3 x tgl. 1 Mega IE p. o. über 10 Tage
    • bei Penicillin-Allergie Erythromycin 4 x  tgl. 500 mg p. o.
  • Siehe auch die Abbildung zu Ecthyma bei Medscape.

Follikulitis/Furunkulose, Karbunkel, Abszess

  • Follikulitis ist eine meist bakteriell bedingte Entzündung der Haarfollikel.
  • Bei einem Furunkel handelt es sich um eine tief liegende Follikulitis, die zu einem Abszess fortgeschritten ist.
  • Bei Auftreten mehrerer Furunkel spricht man von Furunkulose.
  • Bei einem Karbunkel handelt es sich um eine tief liegende Infektion einer Gruppe von Haarfollikeln. Dadurch bildet sich ein größerer Abszess, bei dem es häufig zu einer Eitersekretion aus mehreren Öffnungen kommt.
  • Bei Lokalisation in der Zentrofazialregion sollte eine rasche intravenöse Antibiotikatherapie eingeleitet werden, um die Gefahr einer Orbitaphlegmone, Sinus-cavernosus-Thrombose oder Meningitis zu verringern.2

Begrenzte Phlegmone

Phlegmone
Phlegmone
  • Infektion der Dermis und Subkutis, die weder ein (streptokokkenbedingtes) Erysipel noch eine eitrig-nekrotische, bis an die Faszie reichende Infektion (schwere Phlegmone) darstellt. Sie bedarf in der Regel keiner chirurgischen Versorgung, wohl aber einer antimikrobiellen Behandlung.2

Schwere Phlegmone

  • Invasive, grenzüberschreitende, meist eitrige Infektion mit deutlichen Zeichen einer systemischen Reaktion
    IMG_20170921_092228.jpg
    Zeigefinger-Phlegmone
  • Notwendigkeit einer dringlichen chirurgischen Versorgung2

Nekrotisierende Fasziitis

  • Unmittelbar lebensbedrohliche Infektion der Haut und tiefer liegender Schichten mit toxinvermittelter Pathogenese, die sich durch fulminanten Verlauf kennzeichnet.
  • Es liegt häufig ein für die sichtbare Hautsymptomatik ungewöhnlich starker Schmerz vor.
  • Hier ist ein frühes, radikales chirurgisches Débridement notwendig mit ausreichend hoher Dosierung der Antibiotika in den möglichen Maximaldosen.2

Erysipel

  • Erysipel, einseitig
    Erysipel, einseitig
    Akute, meist mit Fieber und Schüttelfrost einhergehende, bakterielle Infektion der Haut mit typischerweise scharf begrenzter Rötung, Schwellung und Schmerzen
  • Schwellung regionaler Lymphknoten
  • Bei unkompliziertem Erysipel ansonsten gesunder Erwachsener ist eine orale antibiotische Therapie ausreichend.2
    • Bei kompliziertem Erysipel ist eine parenterale Antibiotikagabe indiziert.

Erysipeloid

  • Bakterielle Zoonose durch das Bakterium Erysipelothrix rhusiopathiae, das beim Hantieren mit infiziertem Fleisch oder Fisch über kleine Verletzungen in die Haut eindringt.
  • Die Infektion betrifft in erster Linie die Hände und Finger.
  • Klinischer Befund ist das Erysipeloid: eine gerötete Schwellung der Haut, häufig rosa in der Mitte und aufgeworfen am Rand.

Staphylococcal Scalded Skin Syndrome

  • Potenziell lebensbedrohliche Erkrankung mit Blasenbildung und Ablösung der Haut, die toxinvermittelt durch Staphylokokken verursacht wird.
  • Sehr selten, betrifft vor allem Kleinkinder.

Anamnese

  • Beginn und Verlauf der Symptomatik
  • Begleitsymptome
    • Anhalt für systemische Beteiligung, z. B. Fieber oder Schüttelfrost
  • Vorerkrankungen
    • Erkrankungen der Haut als Eintrittspforte
    • Grunderkrankungen, die schwere Verläufe begünstigen und/oder ein Therapieansprechen erschweren können.
  • Medikamenteneinnahme
    • insbesondere Immunsuppressiva
  • Bekannte Allergien gegen Antibiotika
    • relevant für die Therapieauswahl

Klinische Untersuchung

  • Genaue Dokumentation der Hautveränderungen
    • Ggf. ist eine Markierung des Ausmaßes der Infektion mit wasserfestem Stift zur Verlaufsbeurteilung sinnvoll.
  • Anzeichen einer möglichen systemischen Beteiligung/Sepsis2
    • Fieber > 38 °C oder Hypothermie (< 36 °C)
    • Leukozytose > 12.000/µl oder Leukopenie < 400/µl)
    • Tachykardie (> 90/min) 
    • Tachypnoe (> 22 Atemzüge/min)
    • niedriger systolischer Blutdruck (≤ 100 mmHg)
    • veränderter mentaler Status
  • Untersuchung der benachbarten Lymphknotenregionen

Weitere Untersuchungen in Hausarztpraxis

  • Labor mit BlutbildBSG, CRP
    • Dient zur Verlaufskontrolle und Beurteilung des Therapieansprechens.
  • Bei schweren, initial kalkuliert behandelten Infektionen Gewinnung von Abstrichen, Aspiraten oder Gewebeproben vor Ansetzen der Antibiotikatherapie zur Erstellung eines Antibiogramms2
  • Bei Fieber sollten drei Blutkultursets (jeweils aerob und anaerob) abgenommen werden.2

Indikationen zur Einweisung

Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Dieser Abschnitt basiert auf der Leitlinie des Paul-Ehrlich-Instituts.2
  • Zu den Infektionen mit überwiegend konservativer Behandlung gehören die primär kutanen, oberflächlichen bakteriellen Infektionen, z. B. Impetigo contagiosa.
  • Indikationen für eine systemische Antibiotikagabe sind die diffuse Ausbreitung einer Infektion im Weichgewebe und/oder eine infektionsbedingte Allgemeinreaktion des Körpers, wie Frösteln, Fieber, Abgeschlagenheit, neutrophile Leukozytose und CRP-Erhöhung.
  • Indikationen für eine parenterale (ggf. sequentielle) Antibiotika-Therapie sind allgemein:
    • schwere Infektion mit ausgeprägten systemischen Zeichen oder mit Zeichen einer beginnenden Sepsis
    • kritische Lokalisation mit dem Risiko gravierender Folgen (z. B. Hand- oder Gesichtsbereich)
    • Vorliegen entsprechender Komorbiditäten (z. B. Durchblutungsstörungen, gastrointestinale Resorptionsstörungen)
    • relevante Immunsuppression

Weitere Informationen

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Video

Illustrationen

  • Siehe auch die Abbildung zu Ecthyma bei Medscape.
Erysipel, einseitig
Erysipel, einseitig
Phlegmone
Phlegmone
Impetigo
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Zeigefinger-Phlegmone (mit freundlicher Genehmigung von Dr. med. Erich Ramstöck)

Quellen

Leitlinien

  • Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2018. AWMF-Leitlinie 082-006. S2k, Stand 2017 (abgelaufen). www.awmf.org

Literatur

  1. Rongisch R, Fabri M. Weichgewebeinfektionen. Der Hautarzt 2022; 73: 223-33. link.springer.com
  2. Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2018. AWMF-Leitlinie 082-006. S2k, Stand 2017 (abgelaufen). www.awmf.org
  3. Theiler M, Schwieger-Briel A, Weibel L. Akute Hautinfektionen und deren Imitatoren. Pädiatrie 2019; 31: 32-39. link.springer.com
  4. Altmeyer P. Die Online-Enzyklopädie der Dermatologie, Venerologie, Allergologie und Umweltmedizin. Ekthyma. Springer. Stand 22.12.2022. Letzter Zugriff 01.04.23. www.enzyklopaedie-dermatologie.de

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Münster
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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