Post-Zoster-Neuralgie

Zusammenfassung

  • Definition:Persistierende oder neu auftretende Schmerzen mehr als 3 Monate nach einem Zoster.
  • Häufigkeit:Die Erkrankung tritt bei etwa 10 % aller Patient*innen mit Zoster auf.
  • Symptome:Neuropathische Schmerzen im betroffenen Nervenversorgungsgebiet. Häufig brennender oder einschießender Schmerz.
  • Befunde:Evtl. Allodynie (Schmerzauslösung durch geringfügige Reize), Schmerzbegrenzung auf das betroffene Nervenversorgungsgebiet.
  • Diagnostik:Die Diagnose kann meist aufgrund von Anamnese und klinischem Bild gestellt werden. Wenn eine vorausgehende Zoster-Erkrankung anamnestisch nicht festzustellen ist, dann ist bei entsprechender Symptomatik eine breitere differenzialdiagnostische Neuropathie-Abklärung notwendig, einschließlich Entzündungsparametern und Varizella-Zoster-Serologie in Blut und Liquor.
  • Therapie:Für die medikamentöse Erstlinientherapie werden Antidepressiva oder Antikonvulsiva (Pregabalin oder Gabapentin) empfohlen. Ggf. kann auch eine topische Behandlung mit Lidocain- oder hoch dosierten Capsaicinpflastern an 1. Stelle stehen. Manche Betroffene profitieren von transkutaner elektrischer Nervenstimulation (TENS). Besonders bei chronischen Verläufen ist eine multimodale Therapie mit psychoedukativen und -therapeutischen Elementen angezeigt. Bei sehr schweren therapieresistenten Verläufen evtl. invasive Verfahren wie epidurale spinale Elektrostimulation oder intrathekale Injektionen.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Als Post-Zoster-Neuralgie oder postherpetische Neuralgie bezeichnet man persistierende oder neu auftretende Schmerzen mehr als 3 Monate nach dem Beginn einer akuten Infektion mit Zoster.
  • Die Schmerzen können über Wochen oder Monate, gelegentlich auch über viele Jahre anhalten.1
  • Manche Autor*innen verwenden den Begriff Post-Zoster-Neuralgie auch für den mit einer akuten Zoster-Infektion assoziierten Schmerz.2

Häufigkeit

  • Prävalenz
    • Hängt davon ab, wann die Erkrankung nach einer akuten Infektion festgestellt wird.
      • Ab welchem Zeitpunkt man von einer Post-Zoster-Neuralgie sprechen kann, ist kontrovers.
    • Etwa jeder 5. Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an Zoster.3
    • Laut internationalen Studien tritt bei 10–70 % aller Patient*innen mit Zoster eine Neuralgie auf.4
  • Inzidenz in Deutschland
    • Jährlich erkranken etwa 6 von 1.000 Personen an Zoster.5
    • Retrospektive Daten zeigen, dass in den Jahren 2005–2009 die Inzidenz von Zoster bei den über 50-Jährigen von 10,4 auf 10,9 Erkrankungen pro 1.000 Personenjahre anstieg.6
      • Etwa 70 % aller Patient*innen erhielten eine virostatische Therapie.
      • Der Inzidenz der Post-Zoster-Neuralgien stieg in diesem Zeitraum von 12 % auf 15 % aller Zoster-Patient*innen. 
    • In einer prospektiven Studie an 635 ambulanten Zoster-Patient*innen, die keine virostatische Therapie erhalten hatten, trat bei 28 % eine Post-Zoster-Neuralgie auf, definiert als Schmerzen im betroffenen Nervenversorgungsgebiet, die noch 4–5 Wochen nach der Verkrustung bestanden.4
  • Inzidenz international
    • laut Daten aus der Primärversorgung in Großbritannien und Island ca. 2–3 Fälle pro 1.000 Personen pro Jahr7-8
    • Bei Personen unter 60 Jahren beträgt das Risiko der Entwicklung einer Post-Zoster-Neuralgie weniger als 2 %, während es in der Altersgruppe von 60–69 Jahren bei 7 % und über 70 Jahren bei 19 % liegt.9

Ätiologie und Pathogenese

  • Nach überstandener Erstinfektion persistiert das Virus lebenslang in den Ganglien von Hirn- und Rückenmarksnerven.
  • Beim Zoster handelt es sich um eine akute Infektion durch Reaktivierung des latenten Varizella-zoster-Virus (humanes Herpes-Virus 3) bei Personen mit Teilimmunität nach einer früheren Windpockenerkrankung.
  • Die Infektion führt zu einer Ganglionitis und einer Dermatitis in den entsprechenden Dermatomen.
    • Sie kann auch zu Myelitis, Radikulopathie, Neuritis oder Vaskulitis führen.
    • Die Schwächung des zellulären Immunsystems durch zunehmendes Alter, aufgrund von Krankheiten oder immunsuppressiver Therapie disponiert zur Entwicklung einer Neuritis.
  • Schmerzmechanismen
    • Die Schmerzen beruhen wahrscheinlich sowohl auf Entzündungen und Schädigungen von Nervenstrukturen als auch auf lokalen Entzündungen der Haut und des Unterhautgewebes.
    • Außerdem führt die Aktivität in den primär afferenten Nervenfasern im Hinterhorn offensichtlich zu einer Sensibilisierung und verursacht Schmerzimpulse unabhängig von Gewebeschädigungen.
    • Als weitere Mechanismen werden eine spinale Disinhibition afferenter Impulse aufgrund von Schädigungen an Spinalnerven sowie ein Verlust der physiologischen Inhibition von C-Fasern infolge von Schädigungen myelinisierter Nerven diskutiert.
    • Dass sich die beschriebenen Prozesse über längere Zeiträume hinziehen, scheint zu erklären, dass eine Post-Zoster-Neuralgie häufig chronisch verläuft.

Prädisponierende Faktoren

  • Alter7
  • Starke Schmerzen in der Zoster-Phase
  • Schwere Hautausschläge
  • Prodromale Dermatomschmerzen vor Ausbruch des Ausschlags

ICPC-2

  • S70 Herpes Zoster
  • N92 Trigeminusneuralgie

ICD-10

  • B02.2 Zoster mit Beteiligung anderer Abschnitte des Nervensystems

Diagnostik

Leitlinie: Diagnostik zosterbedingter Schmerzen2

  • Es wird empfohlen, grundsätzlich zwischen nozizeptivem und neuropathischem Schmerz zu unterscheiden.
  • Es wird empfohlen, Schmerzen mittels einer validierten Schmerzintensitätsskala wie z. B. der visuellen Analogskala oder der numerischen Ratingskala (NRS) zu erheben (0 = kein Schmerz, 10 = stärkster vorstellbarer Schmerz).
  • Zusätzliche Messinstrumente (Fragebögen) können bei ausgewählten Patient*innen empfohlen werden.
  • Die Erhebung der Zufriedenheit der Patient*innen mit der Schmerzeinstellung kann empfohlen werden (NRS: 0 = nicht zufrieden bis 10 = sehr zufrieden).

Diagnostische Kriterien

  • Früherer Zoster
  • Anhaltende oder vor kurzem aufgekommene Schmerzen im gleichen Innervationsareal wie in der akuten Phase mehr als 3 Monate nach dem Ausbruch von Zoster

Anamnese

  • Früherer Zoster
    • am häufigsten nach einer Beteiligung des Trigeminus und bei Patient*innen über 60 Jahre
    • auch häufig bei Beteiligung der thorakalen (T4–T6) und zervikalen Nervenwurzeln
  • Neuropathische Schmerzen 
    • Sehr häufig sind anhaltende brennende Schmerzen.
    • Der Schmerz folgt der Ausbreitung der ursprünglichen Infektion, kann sich aber auch über die typischerweise betroffenen Dermatome hinaus ausbreiten.10
    • Auch spontan einschießende, stechende oder stoßartige Schmerzen (wie ein elektrischer Schlag) sind typisch für die Post-Zoster-Neuralgie, aber auch für andere lokalisierte neuropathische Schmerzsyndrome wie die Trigeminusneuralgie oder Stumpfschmerzen.
    • Auch die Schmerzintensität variiert, ist aber oft sehr intensiv und kräftig.
    • Eine Hypersensitivität der Haut, bei der kleine oder unbedeutende Reize starke Schmerzen auslösen (Allodynie), ist häufig.11
      • Die mechanische Allodynie ist typisch für die Post-Zoster-Neuralgie, während die Kälteallodynie eher nach Nervenverletzungen, bei bestimmten Neuropathien und chemotherapieinduziert auftreten.10
  • Die Lebensqualität kann erheblich reduziert sein; es kann zu psychosozialen Problemen, Schlafstörungen, Appetitverlust und verminderter Libido kommen.

Klinische Untersuchung

  • In der Regel liegen keine sichtbaren Symptome vor, wenn der Ausschlag zurückgegangen ist. Im betroffenen Areal bestehen jedoch Allodynie und Hypersensitivität.
    Aktuelle Zoster-Infektion
    Aktuelle Zoster-Infektion

Ergänzende Untersuchungen

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.10
  • In der Regel kann die Diagnose aufgrund der Anamnese und der klinischen Präsentation gestellt werden.
  • In seltenen Fällen, etwa wenn ein Zoster mit den typischen Effloreszenzen nicht erinnerbar ist, können neuropathische Schmerzen (siehe dort) eine breitere differenzialdiagnostische Abklärung erforderlich machen.
  • Dazu gehört u. a. die Bestimmung von Entzündungsparametern und ggf. eine VZV-Serologie in Blut und Liquor. 

Indikationen zur Überweisung

  • Anhaltende Schmerzen, die schlecht auf die Therapie ansprechen.

Therapie

Leitlinie: Pharmakotherapie zosterbedingter Schmerzen2

Nozizeptive Zoster-assoziierte Schmerzen

  • Eine umgehende Therapie bei Zoster-assoziierten Schmerzen mittels systemischer Analgetika wird empfohlen.
  • Eine analgetische Therapie des nozizeptiven Zosterschmerzes entsprechend dem WHO-Schmerzstufenschema wird empfohlen:
    • geringe Schmerzintensität: NSAR oder andere Nicht-Opioidanalgetika
    • mittlere Schmerzintensität: Kombination von Nicht-Opioidanalgetika mit schwach wirksamen Opioiden
    • starke Schmerzintensität: Kombination von Nicht-Opioidanalgetika mit stark wirksamen Opioiden

Neuropathische Schmerzen (Post-Zoster-Neuralgie)

  • Bei neuropathischen Schmerzen wird die zusätzliche Therapie in aufsteigender Dosierung mit den Antikonvulsiva Gabapentin oder Pregabalin empfohlen, ggf. ergänzt durch ein Antidepressivum (z. B. Amitriptylin).
  • Wenn der neuropathische Schmerz unter Therapie nach WHO-Stufenschema sowie Antiepileptika nicht ausreichend therapiert ist, wird eine Therapiemodifikation nach 2–4 Wochen empfohlen.
  • Hierzu kann eine zusätzliche Therapie mit trizyklischen Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) oder bei lokal begrenztem Schmerz und nach Abheilen der Hautläsionen mit Capsaicin, ggf. auch Lidocain-Pflaster empfohlen werden.
  • Bei persistierenden Schmerzen trotz Schmerztherapie (4 Wochen nach Abheilung der Hautläsionen) wird die Mitbehandlung durch einen Schmerzspezialisten empfohlen.

Therapieziele

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.10
  • Reduzierung der Intensität und Dauer der Schmerzen bei festgestellter Post-Zoster-Neuralgie
  • Verbesserung der Schlafqualität
  • Verbesserung der Lebensqualität
  • Erhalt der sozialen Aktivitäten
  • Erhalt der Arbeitsfähigkeit

Allgemeines zur Therapie

  • Den meisten Patient*innen reicht die Erklärung, dass es oft einige Zeit dauert, bevor die Beschwerden oder Schmerzen wieder verschwinden.
  • Nichtpharmakologische Therapieoptionen umfassen psycho- und physiotherapeutische Verfahren.
  • Bei milden Beschwerden können zunächst leichte Schmerzmittel versucht werden (Paracetamol).
  • Bei schwereren Symptomen kann eine lokale Therapie mit Capsaicinsalbe versucht werden, die aber laut einer Metaanalyse nur mäßige Wirkung zeigt.13
  • Häufig ist eine systemische Therapie erforderlich: Trizyklische Antidepressiva als Mittel der 1. Wahl14, Antiepileptika als Mittel der 2. Wahl, die auch kombiniert werden können, z. B. mit Opioiden.

Nichtmedikamentöse Verfahren

  • Wie nimmt die betroffene Person ihre Krankheit wahr?
  • Patientenschulung
    • Information über die Schmerzmechanismen
    • Information über Behandlungsplan und mögliche Nebenwirkungen der gewählten Therapie
  • Vereinbarung realistischer Therapieziele (s. o.)
  • Besonders bei chronischen Verläufen sind nichtmedikamentöse Therapiemaßnahmen im Rahmen einer multimodalen Schmerztherapie essenziell, z. B.:
    • kognitive Verhaltenstherapie
    • Ergotherapie
    • physikalische Therapie
      • Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) 2- bis 4-mal täglich für ca. 30 Minuten kann besonders bei erhaltener Hautsensibilität von Nutzen sein. Die Elektroden sollen nicht direkt in die Allodynieareale geklebt werden.10
    • Physiotherapie
    • Entspannungsverfahren.

Medikamentöse Therapie

Leitlinie: Pharmakotherapie zosterbedingter Schmerzen2

Nozizeptive Zoster-assoziierte Schmerzen

  • Eine umgehende Therapie bei Zoster-assoziierten Schmerzen mittels systemischer Analgetika wird empfohlen.
  • Eine analgetische Therapie des nozizeptiven Zosterschmerzes entsprechend dem WHO-Schmerzstufenschema wird empfohlen:
    • geringe Schmerzintensität: NSAR oder andere Nicht-Opioidanalgetika
    • mittlere Schmerzintensität: Kombination von Nicht-Opioidanalgetika mit schwach wirksamen Opioiden
    • starke Schmerzintensität: Kombination von Nicht-Opioidanalgetika mit stark wirksamen Opioiden

Neuropathische Schmerzen (Post-Zoster-Neuralgie)

  • Bei Neuropathische Schmerzen wird die Therapie in aufsteigender Dosierung mit den Antikonvulsiva Gabapentin oder Pregabalin empfohlen, ggf. ergänzt durch ein Antidepressivum (tri- und tetrazyklische Antidepressiva oder Duloxetin*10)
    • Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) stufen Antikonvulsiva und Antidepressiva gleichrangig als Erstlinienmedikamente ein. Topische Therapien mit Lidocain oder Capsaicin stehen demnach an 2., Opioide an 3. Stelle.10
  • Wenn der neuropathische Schmerz unter Therapie nach WHO-Stufenschema sowie Antiepileptika nicht ausreichend therapiert ist, wird eine Therapiemodifikation nach 2–4 Wochen empfohlen.
  • Hierzu kann eine (zusätzliche) Therapie mit trizyklischen Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) oder bei lokal begrenztem Schmerz und nach Abheilen der Hautläsionen mit Capsaicin, ggf. auch Lidocain-Pflaster empfohlen werden.
    • Laut DGN-Leitlinien können die erwähnten topischen Medikamente ggf. auch als primäre Therapien eingesetzt werden.10
  • Bei persistierenden Schmerzen trotz Schmerztherapie (4 Wochen nach Abheilung der Hautläsionen) wird die Mitbehandlung durch einen Schmerzspezialisten empfohlen.

* Off label – die Zulassung erstreckt sich nur auf die diabetische Polyneuropathie.

Lokale Therapie

  • Die Wirksamkeit einer lokalen Therapie mit Lidocain ist unter allen neuropathischen Schmerzsyndromen für die Post-Zoster-Neuralgie am besten belegt. 10,15
    • Lidocainpflaster sind für diese Indikation zugelassen und können auch als primäre Therapie in Erwägung gezogen werden.10
    • Besonders von Vorteil sind sie bei:
      • begrenzter Schmerzausdehnung, z. B. in Arealen mit Berührungsallodynie
      • bei älteren Patient*innen oder Polypharmazie: Aufgrund der geringen systemischen Resorptionsrate sind weder systemische – etwa zentralnervöse – Nebenwirkungen zu erwarten, noch relevante Interaktionen mit anderen Arzneimitteln.10
    • schneller Wirkungseintritt, geringes Risiko für systemische Nebenwirkungen und keine Hinweise auf Toleranzentwicklung16
    • Einer Cochrane-Metaanalyse zufolge ist der Nutzen einer lokalen Therapie mit Lidocain bei neuropathischen Schmerzen im Allgemeinen noch nicht zweifelsfrei durch aussagekräftige randomisierte Studien nachgewiesen. Auch die methodische Qualität der bisherigen Studien zur Behandlung der Post-Zoster-Neuralgie mit Lidocain sind wegen methodischer Schwächen überwiegend von eingeschränkter Aussagekraft.17
    • Ein Behandlungsversuch mit dieser generell sehr gut verträglichen topischen Therapie erscheint dennoch in vielen Fällen angebracht.10
  • Auch eine lokale Behandlung mit hochdosiertem Capsaicin 8 % kann zur Therapie neuropathischer Schmerzen empfohlen werden.10
    • Der Effekt ist bei guter Verträglichkeit vergleichbar mit dem etablierter oraler Medikamente.
    • Bei Post-Zoster-Neuralgie und anderen lokalisierten neuropathischen Schmerzsyndromen ist auch der primäre Einsatz zu erwägen.
    • etwa 3 Monate anhaltende Schmerzlinderung nach einmaliger Anwendung
      • Achtung: Erfordert sorgfältige Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung! Die Anwendung sollte durch geschulte Personen erfolgen, die Anwendungshinweise sollten genau beachtet werden.
    • Die Behandlung kann alle 90 Tage wiederholt werden.
  • Offen angewandte Zubereitungen mit 0,025–0,075 % Capsaicin sind bei Patient*innen mit postzosterischer Neuralgie nur schwach wirksam.2

Antidepressiva2,10

  • Beispielsweise Amitriptylin oder Nortriptylin mindestens 3–6 Wochen18
    • Beispiel: Amitriptylin 10 mg am Abend, langsame Steigerung jeden 2. Tag, bis die schmerzlindernde Wirkung einsetzt und die Nebenwirkungen akzeptabel sind. Anzustreben sind mindestens 50 mg zur Nacht.
    • In einer Studie wurde Nortriptylin besser toleriert als Amitriptylin.19
  • Nebenwirkungen: Müdigkeit, Schwäche, trockener Mund, Verstopfung. Bei einigen Patient*innen kommt es zu nicht akzeptablen Nebenwirkungen (NNH, Number Needed to Harm = 17).20
  • Wirkmechanismus
    • Analgetische Wirkung bei niedrigeren Dosen als für die antidepressive Wirkung. Man geht von einer Erhöhung der Inhibition nozizeptiver Signale von der Peripherie aus.21
    • NNT (Number Needed to Treat) = 2–3 für signifikanten Effekt

Antikonvulsiva

  • Unter den Antikonvulsiva haben sich nur Gabapentin und Pregabalin als wirksam erwiesen.22-23
    • Wegen unzureichender Wirksamkeitsbelege und einem erheblichen Nebenwirkungsrisiko kommen andere Antikonvulsiva wie Carbamazepin nur in gut begründeten Ausnahmefällen in Betracht. Aus denselben Gründen sollten z. B. Phenytoin und Topiramat nicht zur Therapie neuropathischer Schmerzen eingesetzt werden.10
  • Gabapentin
    • Im Durchschnitt erzielen 35 % der Patient*innen eine Schmerzreduktion von mindestens 50 %.24
    • Anfangsdosis 300 mg pro Tag
    • Dann Erhöhung um 300 mg täglich oder jeden 2. Tag bis zur optimalen Erhaltungsdosis, verteilt auf 3–4 Dosen/Tag. Die Maximaldosis beträgt 3.600 mg, also 3 x 1.200 mg.25
    • NNT = 2–3
    • Gabapentin 1.800 mg täglich führte in einer Studie zur Behandlung der postherpetischen Neuralgie zur einer effektiven Schmerzlinderung.26
  • Pregabalin27-28
    • Anfangsdosis 50 mg täglich, Steigerung um 25 mg jeden 3.–5. Tag bis mindestens zu einer effektiven Dosis von 2 x 75 mg, normalerweise 2 x 150 + 225 mg
    • Eine weitere Steigerung bis zur Maximaldosis von 2 x 300 mg ist möglich.
    • Falls die Therapie abgesetzt werden soll, wird sie über 3–6 Wochen allmählich ausgeschlichen.
    • NNT = 3
    • Abhängigkeitspotenzial beachten!10
      • vor allem bei Menschen mit Substanzabhängigkeit, besonders bei Opiatkonsum
      • Vor allem unter sehr hohen Dosierungen beobachtet, die teilweise weit über der maximal zugelassenen Tagesdosis von 600 mg lagen (Median 2.100 mg, Bereich 800–7.500 mg).

Andere Analgetika

  • Opioide haben nachweislich Wirkung gegen die Post-Zoster-Neuralgie.
    • Sie sind aber bei neuropathischen Schmerzen generell weniger wirksam als bei nozizeptiven und sollten wegen des Gewöhnungs- und Missbrauchsrisikos nach Möglichkeit zurückhaltend eingesetzt werden.3,10,29
  • Ob NSAR bei neuropathischen Schmerzen einen Effekt haben, konnte nicht durch geeignete Studien geklärt werden.30 Sie sollten daher nicht zur Therapie chronischer neuropathischer Schmerzen eingesetzt werden.10

Invasive Verfahren

  • Epidurale spinale Elektrostimulation
  • Intrathekale Injektionen
    • In extremen Fällen konnten durch bis zu 4 im wöchentlichen Abstand verabreichte intrathekale Injektionen mit Methylprednisolon zusammen mit Lidocain sehr positive Ergebnisse erzielt werden.31
    • Es sind weitere Studien erforderlich.

Prävention

  • Primärprävention des Zosters
    • Die Impfung gegen Varizella-Zoster-Virus (VZV) reduziert sowohl das Risiko eines Zosters als auch das Risiko einer Post-Zoster-Neuralgie.12
      • Näheres zur Indikation siehe Abschnitt „Prävention“ im Artikel Zoster.
  • Prävention neuropathischer Schmerzen bei Zoster
    • Die virostatische Therapie von Zoster hat keine vorbeugende Wirkung in Bezug auf die Post-Zoster-Neuralgie.32
      • Die Ergebnisse sind allerdings nicht eindeutig. Die größte in die Metaanalyse32 eingeschlossene Studie zeigte keinen Effekt von Aciclovir.
    • Kortikosteroide haben keine vorbeugende Wirkung gegen die Post-Zoster-Neuralgie.
  • Vorbeugung einer Chronifizierung bei postherpetischer Neuralgie
    • Amitriptylin 25 mg täglich für 3 Monate ab Beginn der Symptome reduzierte in einer Studie die Prävalenz von Patient*innen mit Schmerzen nach 6 Monaten um 50 %.33

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Bei der überwiegenden Mehrheit der Patient*innen verschwinden die Schmerzen auch ohne Behandlung. Obwohl es Jahre dauern kann, verschwinden die Schmerzen letztendlich vollständig.
  • In einer isländischen Studie mit 421 Zoster-Patient*innen betrug das Risiko für eine Post-Zoster-Neuralgie 3 Monate nach Abklingen der Zoster-Efflorenzenzen in der Altersgruppe der unter 60-Jährigen 1,8 %, bei den über 60-Jährigen 12 %.7

Prognose

  • Etwa 3 % aller Patient*innen der o. g. isländischen Studie7 hatten nach 12 Monaten noch Schmerzen.
    • Diese Schmerzen waren bei allen Betroffenen von milder bis mittelschwerer Intensität.
    • Die Hälfte dieser Betroffenen war nach 2–7 Jahren schmerzfrei.

Verlaufskontrolle

  • Es besteht in der Regel keine Notwendigkeit für regelmäßige Verlaufskontrollen.
  • Bei Dauereinnahme von Medikamenten sollten je nach Wirkstoff ggf. fortlaufende Kontrollen zu Verträglichkeit, Sicherheit und Interaktionen erfolgen.

Patienteninformationen

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Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Frische Hauteffloreszenzen bei Herpes zoster. Die Post-Zoster-Neuralgie ist eine Folgeerscheinung dieser Infektion und zeigt in den meisten Fällen keine sichtbaren klinischen Symptome.
Frische Hauteffloreszenzen bei Herpes zoster. Die Post-Zoster-Neuralgie ist eine Folgeerscheinung dieser Infektion und zeigt in den meisten Fällen keine sichtbaren klinischen Symptome.

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Dermatologische Gesellschaft, Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie. AWMF-Leitlinie Nr. 013-023, Klasse S2k, Stand 2019. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 030-114, Klasse S2k, Stand 2019. www.awmf.org

Literatur

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  2. Deutsche Dermatologische Gesellschaft, Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie. AWMF-Leitlinie Nr. 013-023, Klasse S2k, Stand 2019. www.awmf.org
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Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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