Herpes simplex

Zusammenfassung

  • Definition:Infektion mit Herpes-Viren, häufig rezidivierend, orolabial und genital, in seltenen Fällen als primäre Gingivostomatitis, schwere systemische Herpesinfektionen.
  • Häufigkeit:In der erwachsenen Bevölkerung haben etwa 90 % Antikörper gegen das Herpesvirus vom Typ 1 und 25–40 % gegen das Herpesvirus vom Typ 2.
  • Symptome:An der Inokulationsstelle kommt es zu Überempfindlichkeiten, Schmerzen, milden Parästhesien oder einem brennenden Gefühl, bevor die Läsionen erscheinen. Evtl. Fieber, Lymphknotenschwellungen.
  • Befunde:Kleine gruppierte Bläschen auf erythematösem Grund, meist labial.
  • Diagnostik:Viruskultur oder PCR.
  • Therapie:Lokale Behandlung; ggf. antivirale Medikamente, lokal oder systemisch.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Herpes-simplex-Viren (HSV-1 und HSV-2) können eine Vielzahl von Infektionen hervorrufen.1
  • Meist sind Haut und Schleimhäute befallen: Es bilden sich kleine Bläschen gruppiert auf erythematösem Grund, häufig orolabial und genital.
  • Die Virusinfektion kann aber auch das zentrale Nervensystem (Herpes-simplex-Enzephalitis) sowie innere Organe betreffen.
  • Durch Persistenz der Viren kommt es häufig zu Rezidiven.

Häufigkeit

  • HSV-1-Infektionen werden häufiger und früher als HSV-2-Infektionen erworben.1
  • Mehr als 90 % aller Erwachsenen besitzen im 5. Lebensjahrzehnt HSV-1-Antikörper.
  • In Deutschland beträgt die Seroprävalenz von HSV-2-Antikörpern in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen 4,3 %, der Anteil steigt in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen auf 17,3 % an.1
  • HSV-Infektionen treten ganzjährig auf.
  • Mit einer Inzidenz von 5/100.000 Einw./Jahr ist die Herpes-simplex-Enzephalitis die häufigste Virusenzephalitis in Mitteleuropa.2

Ätiologie und Pathogenese

  • Es gibt 2 Typen von Herpes-simplex-Viren: HSV-1 und HSV-2.
  • Die Infektion mit HSV 1 erfolgt meist im Kindesalter durch engen körperlichen Kontakt, z. B. zwischen Mutter und Kind, zwischen Geschwistern oder Spielkamerad*innen. Der genitale Herpes wird dagegen in erster Linie bei sexuellen Kontakten übertragen, der Infektionszeitpunkt liegt daher im Durchschnitt später.3
  • Herpes labialis
    • HSV-1 liegt bei 90 % der Patient*innen vor, HSV-2 wird allerdings immer häufiger.
  • Herpes genitalis (bei Frauen, bei Männern)
    • HSV-2 liegt bei 90 % der Patient*innen vor, HSV-1 wird allerdings immer häufiger.
    • HSV-2-Infektionen erhöhen die Übertragungsrate von HIV.
  • Beide Infektionen persistieren lebenslang (das Virus überlebt in Nervenenden), und es kann wiederholt, in individuell unterschiedlich langen Abständen, zum Auftreten der typischen Herpes-Bläschen kommen.3

Pathophysiologie

  • HSV dringt in neuronale, epidermale und dermale Zellen ein und repliziert sich dort.4
  • Das Virus wandert vom Hautkontakt in sensible Spinalganglien, wo es in eine Latenzphase eintritt.
  • Orale HSV-1-Infektionen werden aus den sensiblen Fasern des Ganglion trigeminale reaktiviert und betreffen die faziale Haut, die orale, labiale und oropharyngeale Schleimhaut sowie die Konjunktiva.
  • Die Primärinfektion entsteht 2–20 Tage nach Kontakt mit einer infizierten Person.
  • Die Virusausscheidung aus einer Läsion hält über 48–60 Stunden an.

Primärinfektion (oral)

  • Die primäre orale Infektion mit Herpes-simplex-Virus (HSV) erfolgt in der Regel bereits in jungen Jahren und verläuft meist asymptomatisch.
  • Manche Kinder entwickeln eine symptomatische Primärinfektion (Gingivostomatitis herpetica), die sich in Form eines akuten Ausbruchs mit Bläschen im Mundraum äußert, die rasch platzen und erythematöse und ulzerierende Areale bilden.
  • Gleichzeitig kommt es häufig zu geschwollenen Lymphknoten am Hals, Fieber, Schüttelfrost, Appetitlosigkeit und Reizbarkeit.
  • Bei Jugendlichen und Erwachsenen kann auch eine schwere Pharyngitis auftreten.
  • Die Symptome können bis zu 14 Tagen persistieren.

Herpes labialis

  • Nach der oralen Primärinfektion verbleibt das HSV-Virus latent im Ganglion trigeminale.
  • Später kann das Virus reaktiviert werden, es kann zu einer asymptomatischen Ausscheidung im Speichel kommen.
  • Oft kommt es zu Schleimhautulzerationen am Rand des Lippenrots oder der Gesichtshaut.
  • Bekannte Auslöser für die Reaktivierung sind ultraviolettes Licht, Trauma, Fieber, Immunsuppression, Stress und Menstruation.
  • Bei immunsupprimierten Patient*innen können sich die Infektionen bis in tiefere Gewebeschichten ausbreiten.1
  • Das Virus verbleibt in variabler Länge inaktiv, oft kommt es bei einer oralen HSV-1-Infektion aber zu 1–6 Rezidiven pro Jahr.

Herpes genitalis

  • Die meisten Personen mit einer HSV-2-Infektion sind sich nicht bewusst, dass sie Herpes genitalis haben, da die Symptome wenig ausgeprägt sind; sie können die Infektion dennoch an Sexualpartner und bei der Geburt an das Neugeborene übertragen.
    • Studien haben gezeigt, dass eine Virusausscheidung auch in der asymptomatischen Phase nicht ungewöhnlich ist, und dass eine Virusausscheidung bei Patient*innen, die bereits mit HSV-2 angesteckt wurden (d. h. Antikörper haben), auch ohne klinischen Ausbruch stattfinden kann.5

Andere Herpesmanifestationen

  • Herpes periungualis
  • Herpes gladiatores
  • Ekzema herpeticatum
  • Herpes-Infektionen des Auges
  • Viszerale Herpes-Infektionen
  • Herpes-Infektion des Nervensystems
  • Herpes neonatorum

Prädisponierende Faktoren

  • Mehrere Faktoren können ein Rezidiv auslösen, z. B.:
    • Exposition gegenüber starkem Sonnenlicht
    • reduzierter Allgemeinzustand
    • psychischer Stress
    • Trauma
    • Fieber
    • Menstruation
    • Zahnbehandlungen.

ICPC-2

  • S71 Herpes simplex

ICD-10

  • B00.- Infektionen durch Herpesviren [Herpes simplex]
    • B00.1 Dermatitis vesicularis durch Herpesviren
    • B00.9 Infektion durch Herpesviren, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose wird anhand der typischen Anamnese und klinischen Untersuchung gestellt.
  • Bei einem atypischen Erkrankungsmuster kann die Diagnose mithilfe von Viruskultur, PCR, Serologie und Fluoreszenz-Antikörper-Untersuchungen erfolgen.

Differenzialdiagnosen

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.6
  • Herpangina
    • Papeln und Bläschen meistens am hinteren Gaumenbereich, verursacht durch Infektion mit Coxsackievirus
  • Hand-Fuß-Mund-Krankheit
    • Papeln und Vesikeln zumeist im vorderen Bereich des Mundes, Kinn und Zunge; ursächlich ist eine Infektion mit Coxsackievirus.
    • oft Hautausschlag an Händen und Füßen gleichzeitig
  • Impetigo contagiosa
  • Zoster
  • Syphilis
  • Candidiasis
  • Stomatitis aphthosa
  • Erythema multiforme
    • meist typische Hautveränderungen (Target-Läsionen) und Blasenbildung in bullöser Form und Schleimhauterosionen im Mund
    • Eine Infektion mit Herpes simplex kann evtl. vorausgegangen sein.
  • Lichen

Anamnese

  • Die primäre HSV-Infektion verläuft beim Typ 1 bei 90 % der Infizierten, beim Typ 2 bei 75 % der Infizierten asymptomatisch.
  • Wenn Symptome auftreten, dann 3–7 Tage oder erst später nach dem Kontakt.
  • An der Inokulationsstelle kommt es zu Überempfindlichkeiten, Schmerzen, milden Parästhesien oder einem brennenden Gefühl, bevor die Läsionen erscheinen.

Klinisches Erscheinungsbild

Herpes labialis

  • Prodromalsymptome in Form von Juckreiz, Brennen, Stechen, die zwischen 12 und 36 Stunden andauern, treten bei rund 60 % der Betroffenen auf.7
  • Danach kommt es zum Ausbruch mit Ansammlungen von Bläschen an der Übergangszone der Lippen. Die Bläschen platzen, ulzerieren und bilden innerhalb von 24–48 Stunden Krusten.
    Herpes simplex labialis
    Herpes simplex labialis
  • Die Spontanheilung beginnt nach 3–4 Tagen und dauert 7–10 Tage.
  • Bei Personen mit gesundem Immunsystem verläuft der Herpes labialis normalerweise mild und selbstlimitierend. Schmerzen, Schwellungen und kosmetische Beschwerden können jedoch zum Arztbesuch motivieren.

Orale Herpes-simplex-Infektion

  • Die akute Gingivostomatitis herpetica tritt vor allem bei Kindern zwischen 6 Monaten und 5 Jahren auf.
  • Die Betroffenen klagen über Schmerzen, wollen nicht essen, sind allgemein kraftlos, manchmal kommt Fieber hinzu und die regionären Lymphknoten sind geschwollen und schmerzhaft.
    Mundfäule.jpg
    Schleimhautulzera bei oraler Herpes-simplex-Infektion
  • Im frühen Verlauf sind vesikuläre Läsionen in der Mundhöhle auf Schleimhaut, Zunge, Lippen und Zahnfleisch zu sehen.
  • Die Erkrankung geht innerhalb von 7–14 Tagen zurück.7
  • Es kann zu Rezidiven kommen, dann aber nicht immer symptomatisch und meist manifestiert als Herpes labialis. Die Erkrankung kann auch intraoral auftreten, normalerweise im hinteren Bereich der Gaumenschleimhaut als intraoral rezidivierender Herpes.

Herpes gladiatorum

  • Eine besondere Variante der Hautinfektion mit dem Herpes-simplex-Virus8
  • Diese Erkrankung tritt am häufigsten bei Ringern und in anderen Sportarten mit engem und direktem Hautkontakt auf.
  • Die Infektion verbreitet sich durch direkten Haut-zu-Haut-Kontakt.
  • Die Läsionen treten in der Regel 7–14 Tage nach dem Kontakt mit einer infizierten Person auf.

Herpes genitalis (bei Frauen, bei Männern)

  • Schmerz, Juckreiz, Dysurie (bei Frauen, bei Männern), vaginaler oder urethraler Ausfluss können die Symptome eines Herpes genitalis sein.
  • Dazu kommen ausgedehnte bilaterale Läsionen am äußeren Genitale: Bläschen, Pusteln oder schmerzhafte erythematöse Ulzera.1
  • Es kann auch eine HSV-Proktitis auftreten.

Ekzema herpeticatum

  • Das Herpes-simplex-Virus kann alle Schleimhautgewebe betreffen. Haut, die bereits durch ein Ekzem geschädigt ist, hat eine schlechtere Barrierefunktion, sodass es zu einer Sekundärinfektion mit HSV kommen kann.
  • Das Ekzema herpeticatum kann anhand der klinischen Untersuchung diagnostiziert werden, kann aber mit Windpocken, Impetigo contagiosa oder sekundärinfizierten Ekzemen verwechselt werden.
  • Die Diagnose wird durch den Virusnachweis aus Bläschen oder Wunden bestätigt.
  • Ggf. muss eine systemische Therapie mit Aciclovir erfolgen.

Fingerherpes (periunguale HSV-Infektion)9

  • Es kommt zu Prodromalsymptomen wie Schmerzen, Juckreiz, Stechen und Hitzegefühl, bevor die herpestypischen Läsionen (Panaritium durch Herpesviren) auftreten.
    Herpes-simplex-Infektion am Finger (Panaritium)
    Herpes-simplex-Infektion am Finger (Panaritium)
  • Fieber und Lymphadenopathie treten häufig auf.
  • Kann auch bei Pflegepersonal auftreten, insbesondere in der Zahnmedizin.
  • Auch bei Kindern kommt diese Erkrankung vor.

Herpetische Infektionen des Auges1

  • HSV-Infektionen am Auge äußern sich meist als einseitige Keratitis mit akuten Schmerzen, Sehstörungen und Konjunktivitis mit charakteristischen dentritischen Läsionen der Kornea.
    • Eine topische Anwenung von Glukokortikoiden kann den Verlauf verschlechtern, da es zu einem Befall tieferer Augenabschnitte kommen kann.
  • Die  tritt v. a. bei Neugeborenen oder bei Patient*innen mit HIV-Infektion auf.

HSV-Infektion des zentralen und peripheren Nervensystems2

  • Die akute virale (Meningo-)Enzephalitis ist charakterisiert durch quantitative und qualitative Bewusstseinsstörungen, Paresen, aphasische Störungen, fokale oder generalisierte Anfälle, der Meningismus kann fehlen.
  • Häufig geht der (Meningo-)Enzephalitis ein katarrhalisches Prodromalstadium voraus.
  • Hauptmerkmale einer HSV-Enzephalitis sind plötzlicher Fieberanstieg und fokale neurologische Symptome.2
  • Die HSV-Enzephalitis ist unbehandelt bei mindestens 70 % der Fälle letal.
  • HSV-2-Viren können auch eine Mollaret-Meningitis, eine gutartige rezidivierende Meningitis auslösen, die im Allgemeinen nach einem mehrjährigen rezidivierenden Verlauf selbstlimitierend verläuft.2
  • In Verbindung mit HSV-Infektionen werden Dysfunktionen des vegetativen Nervensystems wie Taubheit oder Kribbelparästhesien beobachtet.
  • Sehr selten kann es zu einer Querschnittsmyelitis oder einem Guillain-Barré-Syndrom kommen.
  • Auch bei Hirnnervenparesen kann HSV beteiligt sein.

Viszerale Infektionen

  • Eine HSV-Ösophagitis kann entweder direkt durch Ausbreitung der Viren aus dem Mund-Rachen-Raum entstehen oder durch Reaktivierung des Virus über den N. vagus.
  • Bei Virämien mit HSV kann es auch zu Infektionen innerer Organe kommen (meist bei immunsupprimierten Patient*innen).
    • HSV-Pneumonie
    • HSV-Hepatitis

Herpes neonatorum

  • Bei infektiösen Genitalsekreten kann sich während der Geburt das Kind mit HSV infizieren.
  • Es kommt hier häufig zu Infektionen innerer Organe oder des ZNS.
  • Unbehandelt beträgt die Letalität neonataler Herpes-Infektionen 65 %.1

 Herpes und Schwangerschaft

  • Herpes-Rezidive sind häufig in der Schwangerschaft, führen aber selten zu einer Gefährdung des Kindes.
  • Bei einer zum Entbindungszeitpunkt zeitnahen Infektion kann eine Kaiserschnittentbindung erwogen werden.
    • Die tägliche Gabe von Aciclovir 400 mg ab der 36. SSW kann einer HSV-Läsion zum Entbindungstermin vorbeugen.10
  • Bei einer akuten Primärinfektion mit HSV kann es zu Spontanabort, Frühgeburten oder intrauterine Wachstumsretardierungen kommen.
  • In Einzelfällen kommt es zu einer viszeralen Disseminierung, die zum Tod von Mutter und Kind führen kann.1

Klinische Untersuchung

  • Wunden und Blasenbildung, vor allem auf den Lippen und perioral
  • Bei einer symptomatischen Primärinfektion ist die Schleimhaut betroffen, manchmal kommt es auch zu einem allgemeinen Krankheitsgefühl mit Fieber.
  • Das häufigste Erscheinungsbild beim Herpes Typ 1 ist die Gingivostomatitis herpetica bei Kindern.
  • Lokale Schmerzen, schmerzhafte Lymphadenopathie, Kopfschmerzen und Fieber sind charakteristische Prodromalsymptome.

 Weitere Diagnostik

  • Bei Unklarheit oder zur Bestätigung der Diagnose oder des HSV-Typs kann ein Abstrich aus den Läsionen (optimalerweise des Bläscheninhaltes) entnommen werden.
  • Bei einem atypischen Erkrankungsmuster kann die Diagnose mithilfe von Viruskultur, PCR, Serologie und direkter Immunfluoreszenz erfolgen.4
  • Die Diagnose der akuten HSV-Infektion soll über den direkten Virusnachweis erfolgen.11
  • Serologie
    • Ein Antikörpernachweis (IgM und IgG) ist erst nach 10–12 Tagen möglich.12
    • Akute HSV-(Primär-)Infektionen können durch den Nachweis einer HSV-IgG-Serokonversion diagnostiziert werden. Dies erfordert die Verfügbarkeit von sequentiell abgenommenen Blutproben, wobei die initiale Probe HSV-IgG negativ sein muss.11
    • Ein negativer HSV-IgG-Befund schließt eine rezidivierende HSV-Infektion aus.
  • Viruskultur
    • Das Material wird aus einem Vesikel entnommen, das z. B. mit einer sterilen Nadel punktiert wird.
    • Vesikel enthalten in den ersten 24–48 Stunden den höchsten Virustiter.
    • Die Sensitivität beträgt nur etwa 50 %.
  • PCR
    • Ist sensitiver als die Viruskultur.
    • Methode der Wahl ist der Nachweis von Virusgenomen mittels PCR in Bläscheninhalt, Genitalabstrich, Liquor, Gewebe, Fruchtwasser, Serum oder EDTA-Blut. HSV1 und 2 können unterschieden werden.
  • Direkte Immunfluoreszenz
    • Kann einen Virustypisierung in 80 % der kulturpositiven Fälle erbringen.13

Therapie

Therapieziele

  • Symptome lindern.
  • Sekundärinfektionen verhindern.
  • Ausbrüche verhindern.

Behandlung bei Herpes labialis

  • In der Regel spontane Heilung
  • Beim unkomplizierten Herpes simplex sind virustatische, desinfizierende, adstringierende ggf. auch antibiotische Lokaltherapeutika angezeigt.12
  • Im Krustenstadium kann z. B. 5 % Panthenolcreme aufgetragen werden.
  • Bei Erstinfektionen oder sehr ausgedehntem Befall sowie bei immunsupprimierten Patient*innen sollte eine systemische Therapie mit Virustatika erfolgen.

Behandlung bei Herpes genitalis

  • Primärinfektion: Hier wird die orale antivirale Therapie empfohlen.10
  • Folgende Therapieregimes können eingesetzt werden:
    • Aciclovir: 5 x 200 mg tgl. oder 3 x 400 mg tgl. 
    • Famciclovir: 3 x 250 mg tgl. 
    • Valaciclovir: 2 x 500 mg tgl.
    • Die Behandlung soll im Lauf der ersten 2–3 (4–7) Tage nach dem Ausbruch begonnen werden, um eine Wirkung zu erzielen.
    • Die Behandlungsdauer beträgt 5–10 Tage je nach Intensität des Ausbruchs.
    • Aciclovir, Valaciclovir und Famciclovir sind alle effektiv, um Schwere und Dauer der Episoden zu reduzieren.
    • Topische antivirale Medikamente werden nicht empfohlen, da diese weniger wirksam sind und zur Resistenzentwicklung beitragen.1
    • Bei ausgeprägten Beschwerden können Lokalanästhetika wirksam sein, insbesondere hinsichtlich Miktion oder Defäkation.
    • Eine intravenöse Medikation sollte nur erfolgen, wenn die orale Therapie nicht möglich ist.
  • Rezidivinfektion
    • Eine Behandlung mit antiviralen Mitteln ist in der Regel nicht angezeigt, da die Wirkung gering ist; der Krankheitsverlauf wird um nur 1–2 Tage verkürzt.
    • Bei raschem/unverzüglichem Beginn der antiviralen Behandlung (binnen 48 Stunden) kann eine reduzierte Dauer der Läsionen, Symptome und Virausscheidung erreicht werden.
    • Beim Einsatz von Medikamenten sollte die Kurzzeittherapie bevorzugt werden.
    • empfohlene Kurzzeitbehandlung10
      • Aciclovir: 3 x 800 mg über 2 Tage
      • Famciclovir: 2 x 1 g für 1 Tag  
      • Valaciclovir: 2 x 500 mg über 3 Tage
    • alternativ längere Therapiedauer
      • Aciclovir: 5 x 200 mg über 5 Tage oder 3 x 400 mg über 3–5 Tage
      • Famciclovir: 2 x 125 mg über 5 Tage
      • Valaciclovir: 2 x 500 mg über 5 Tage
  • Suppressionstherapie (Langzeitbehandlung)
    • Bei Patient*innen mit häufigen und schmerzhaften Rezidiven kann eine Suppressionstherapie mit Aciclovir oder Valaciclovir die Ausbrüche  reduzieren.1
    • Dosierung bei Langzeitbehandlung (Sekundärprophylaxe bei mehr als 4 Episoden/Jahr) für 6 Monate14
      • Aciclovir: 4 x 200 mg oder 2 x 400 tgl. 
      • Famciclovir: 2 x 250 mg tgl.
      • Valaciclovir: 1 x 500 mg tgl.
    • Alternativ kann dafür gesorgt werden, dass Aciclovir oder Valaciclovir für die Patient*innen leicht zugänglich ist und die Behandlung sofort bei Auftreten eines Rezidivs begonnen wird.
  • Das Übertragungsrisiko einer HSV-2-Infektion auf die Sexualpartner*innen kann durch Valaciclovir (1 x 500 mg/d) reduziert werden.1

Behandlung bei herpetischen Augeninfektionen

  • Je nach Tiefe der Entzündung (Augenärzt*in) Virustatika lokal oder systemisch
  • Topische Glukokortikoide können den Verlauf verschlechtern.

ZNS-Infektionen durch HSV

  • Patient*innen mit akuten viralen Enzephalitiden sollten auf der Intensivstation betreut werden.2
  • Durch frühzeitigen Therapiebeginn lässt sich die Letalität auf 20 % senken.
  • Aciclovir sollte dementsprechend schon im Verdachtsfall ohne zeitlichen Verzug intravenös verabreicht werden.
  • 3 x 10 mg/kg (langsam infundieren, über 1 Stunde) für mindestens 14 Tage, oder bis im Liquor keine Virus-DNA mehr nachgewiesen werden kann.
  • Auch bei Radikulitis wird Aciclovir i. v. empfohlen, es gibt allerdings keine Studien.1

Herpes-Infektion in der Schwangerschaft

  • Herpes-Rezidive sind häufig in der Schwangerschaft, führen aber selten zu einer Gefährdung des Kindes.
  • Bei einer zum Entbindungszeitpunkt zeitnahen Infektion kann eine Kaiserschnittentbindung erwogen werden.
    • Die tägliche Gabe von Aciclovir 400 mg ab der 36. SSW kann einer HSV-Läsion zum Entbindungstermin vorbeugen.10,14
  • Bei Primärinfektionen eines Herpes genitalis in der Schwangerschaft wird eine antivirale Therapie mit Aciclovir (3 x 400 mg/d oder 5 x 200 mg p. o. für 10 Tage) oder Valaciclovir (2 x 500–1.000 mg/d) für 7–10 Tage von den meisten Expert*innen empfohlen.1

Besonderheiten

  • Bei Patient*innen unter Chemotherapie
    • Für Aciclovir konnte eine Verringerung der Dauer der Virusausscheidung, der Schmerzen und Beschwerden sowie der Gesamtdauer des Ausbruchs nachgewiesen werden.
  • Bei Patient*innen mit AIDS und nach Organtransplantation sind Aciclovir-resistente HSV-Stämme beschrieben.
    • In diesen Fällen ist alternativ Foscarnet (3 x 60 mg/kg i. v. innerhalb von 1 h infundiert) über 3 Wochen zu geben.2
  • In schweren Fällen kann die Off-Label-Gabe von Brivudin (Erwachsene 1 x 125 mg/d, Kinder 3 x 5–15 mg/kg) erwogen werden.
    • nicht zugelassen bei immunsupprimierten Patient*innen

Empfehlungen für Patient*innen

  • Patient*innen sollten zur Vorbeugung Lippenbalsam mit hohem Lichtschutzfaktor verwenden, um das Risiko eines Rückfalls zu verringern.
  • Achtung: Ansteckungsrisiko oral-genital!

Prävention

  • Es gibt keine Impfungen.
  • Bei bestehendem Herpes genitalis (bei Frauen, bei Männern) mit Läsionen oder auch im Prodromalstadium kein ungeschützter Geschlechtsverkehr zum Schutz der Partner*innen10
  • Zur Vermeidung eines Herpes neonatorum kann evtl. ein Kaiserschnitt erwogen werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die primäre HSV-Infektion verläuft beim Typ 1 bei 90 % der Infizierten, beim Typ 2 bei 75 % der Infizierten asymptomatisch.
  • Herpes-simplex-Infektionen verlaufen in 2 Phasen, der Primärinfektion und der Sekundärphase, die durch rezidivierende Ausbrüche an der gleichen Stelle gekennzeichnet ist.
  • Eine symptomatische Primärinfektion dauert einige Wochen.
    • Wenn die Haut- und Schleimhautveränderungen zurückgehen, persistiert das Virus in den sensorischen Nerven und Ganglien der Region.
    • Rezidive dauern in der Regel kürzer, die Ausbrüche sind weniger intensiv.
  • In den meisten Fällen ist ein Herpes labialis oder ein Herpes genitalis eine mild verlaufende Erkrankung, die innerhalb 7–10 Tagen ohne Narbenbildung ausheilt.
  • Herpes simplex kann aber auch schwere Erkrankungen verursachen, insbes. bei immungeschwächten Patient*innen.

Komplikationen

Prognose

  • Rezidivierende Ausbrüche
  • Morbidität und Mortalität schwerer Herpes-Infektionen werden durch eine schnelle Therapieeinleitung verringert.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Special Olympics

Illustrationen

Mundfäule.jpg
Schleimhautulzera bei oraler Herpes-simplex-Infektion
Herpes simplex auf der Lippe, Frühphase
Herpes simplex auf der Lippe, Frühphase
Herpes simplex labialis
Herpes simplex labialis
Herpes-simplex-Infektion am Finger (Panaritium)
Herpes-simplex-Infektion am Finger (Panaritium)

Quellen

Leitlinien

  • European guideline for the management of genital herpes. IUSTI/WHO European STD guidelines Editorial Board, Stand 2017. www.iusti.org
  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Virale Meningoenzephalitis. AWMF- Leitlinie Nr. 030-100. S1, Stand 2018. www.awmf.org
  • Gesellschaft für Virologie. Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. AWMF- Leitlinie Nr. 093-001. S2k, Stand 2014 (in Überarbeitung). www.awmf.org
  • Deutsche STI-Gesellschaft: Sexuell übertragbare Infektionen (STI) – Beratung, Diagnostik, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 059-006. S2k, Stand 2018. www.awmf.org

Literatur

  1. Mühlenbein S. Hertl M. Herpes-simplex-Infektionen. Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage 2016 Thieme-Verlag S. 1439ff
  2. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Virale Meningoenzephalitis. AWMF-Leitlinie Nr.030-100, Klasse S1, Stand 2018. www.awmf.org
  3. Robert Koch Institut Berlin. Infektionskrankheiten Herpes simplex Zugriff 06.08.2020 www.rki.de
  4. Usatine RP, Tinitigan R. Nongenital herpes simplex virus. Am Fam Physician 2010; 82: 1075-82. www.aafp.org
  5. Tronstein E, Johnston C, Huang M-L, et al. Genital shedding of herpes simplex virus among symptomatic and asymptomatic persons with HSV-2 infection. JAMA 2011; 305: 1441-9. www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Gonsalves WC, Chi AC, Neville BW. Common oral lesions: Part I. Superficial mucosal lesions. Am Fam Physician 2007; 75: 501-7. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Cernik C, Gallina K, Brodell RT. The treatment of herpes simplex infections: an evidence-based review. Arch Intern Med 2008; 168: 1137-44. PubMed
  8. Anderson BJ. The epidemiology and clinical analysis of several outbreaks of herpes gladiatorum. Med Sci Sports Exerc. 2003; 35: 1809-14. PubMed
  9. Wu IB, Schwartz RA. Herpetic whitlow. Cutis 2007; 79: 193-6. PubMed
  10. European guideline for the management of genital herpes. IUSTI/WHO European STD guidelines Editorial Board, Stand 2017. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Gesellschaft für Virologie. Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. AWMF- Leitlinie Nr. 093-001, Klasse S2k, Stand 2014 (in Überarbeitung). www.awmf.org
  12. P. Altmeyer.E. Die Online Enzyklopädie der Dermatologie, Venerologie, Allergologie und Umweltmedizin. Zugriff 07.08.2020 www.enzyklopaedie-dermatologie.de
  13. Chan EL, Brandt K, Horsman GB. Comparison of Chemicon SimulFluor direct fluorescent antibody staining with cell culture and shell vial direct immunoperoxidase staining for detection of herpes simplex virus and with cytospin direct immunofluorescence staining for detection of varicellazoster virus. Clin Diagn Lab Immunol 2001; 8: 909-12. PubMed
  14. Deutsche STI-Gesellschaft: Sexuell übertragbare Infektionen (STI) – Beratung, Diagnostik, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 059-006. S2k, Stand 2018. www.awmf.org

Autor*innen

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge

Frühere Autor*innen

  • Mikael Tarstedt, överläkare, Hudmottagningen, Karlskoga lasarett

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit