Zusammenfassung
- Definition:Das Eczema herpeticatum ist eine schwere Infektion der Haut mit Herpesviren (HSV) bei vorbestehendem atopischem Ekzem.
- Häufigkeit:Seltene Erkrankung.
- Symptome:Der Ausschlag beginnt mit Bläschen, die nach und nach verschwinden und denen klar begrenzte krustige Erosionen und erythematöse Plaques folgen.
- Befunde:Der Schweregrad variiert von milden Verläufen bis zu lebensbedrohlichen Zuständen.
- Diagnostik:Zur apparativen Diagnostik kann ein Nachweis von HSV in den Ekzemen und möglicherweise eine bakteriologische Untersuchung erfolgen.
- Therapie:Die wichtigste Therapie ist eine systemische antivirale Behandlung.
Allgemeine Informationen
Definition
- Das Eczema herpeticatum ist eine schwere Infektion der Haut mit Herpesviren (HSV) bei vorbestehendem atopischem Ekzem.1
- Es handelt sich um einen dermatologischen Notfall.
- Wenn die Erkrankung nicht behandelt wird, kann es zu Komplikationen wie Herpes corneae und disseminierten HSV-Infektionen mit Beteiligung innerer Organe kommen.
- Die Ekzeme sind in der Regel auf dem Gesicht, Hals und Rumpf lokalisiert und manchmal mit systemischen Symptomen verbunden.2
- Synonyme: Pustulosis acuta varioliformis Juliusberg, Eccema herpetiformis, Pustulosis acuta varicelliformis, Ekzema herpeticatum, Eccema herpetiforme Kaposi, Pustulosis vacciniformis acuta, Pustulosis herpetica infantum, Eczema herpeticum3
Häufigkeit
- Seltene Erkrankung, tritt bei ca. 3 % der Patient*innen mit atopischem Ekzem auf, häufiger bei Kindern.4
Ätiologie und Pathogenese
- Ursache: Herpes-simplex-Virus (HSV) Typ 1
- Pathophysiologie: nicht genau geklärt, wahrscheinlich Inokulation des Virus durch die beeinträchtigte Hautbarriere bei atopischem Ekzem
- Eine reduzierte Interferonbildung in der betroffenen Haut und damit erhöhte Anfälligkeit für Infektionen scheint eine Rolle zu spielen.4
Prädisponierende Faktoren
- Frühes Auftreten einer atopischen Dermatitis und ein hoher Scoring Atopic Dermatitis Index (SCORAD)5 gehen häufiger mit EH einher.4,6
- Nachgewiesene Risikofaktoren sind hohe Gesamt-IgE-Spiegel, Lymphopenie, weitere allergische Manifestationen in der Anamnese sowie eine frühe Manifestation des atopischen Ekzems in der Kindheit.6
ICPC-2
- S71 Herpes simplex
- S87 Dermatitis/atopisches Ekzem
ICD-10
- B00.0 Eczema herpeticatum Kaposi
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Atopisches Ekzem, das durch einen vesikulären Ausschlag kompliziert wird, bei dem sich das Herpes-simplex-Virus nachweisen lässt.
Differenzialdiagnosen
- Windpocken
- Impetigo contagiosa
- Varizelliforme Eruption Kaposi
- Ein disseminierter Ausbruch von HSV in Haut, die bereits von einer anderen Dermatitis betroffen ist. Dagegen bezieht sich Eczema herpeticatum spezifisch auf das atopische Ekzem.4
Anamnese
- Der Ausschlag beginnt mit monomorphen Papulovesikeln, die nach 1–2 Wochen austrocknen und teils krustige Erosionen sowie erythematöse Plaques bilden.4
- Üblicherweise sind der Kopf, Hals und Rumpf betroffen.
- Der Schweregrad variiert, wobei der Hautausschlag auch von systemischen Symptomen wie Fieber, Krankheitsgefühl und Lymphkontenschwellung begleitet werden kann.
- Warnzeichen: schnelle Entwicklung, großflächige Ausbreitung, schnelle Verschlechterung des Allgemeinzustandes, Mitbeteiligung des Gesichtes6
Klinische Untersuchung
- Der Schweregrad variiert von milden Ausbrüchen bis zu lebensbedrohlichen Zuständen.
Apparative Diagnostik
- Nachweis von HSV in den Läsionen
- Polymerase-Kettenreaktion (PCR)
- direkte Immunfluoreszenz: Antikörpertest
- Elektronenmikroskopie: häufig nicht verfügbar
- Serologie: in der akuten Phase von geringem Wert
- Kultur: geringere Sensitivität und höherer Zeitbedarf bis zum Ergebnis
- Bakteriologische Untersuchungen
- Sekundäre Infektionen der Haut sind sehr häufig.
- am häufigsten S. aureus4
Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung
- Sofortige Notfalleinweisung bei Verdacht auf die Erkrankung, insb. bei Auftreten von Warnzeichen
- Sofortige ophtalmologische Vorstellung bei v. a. Augenbeteiligung
- Bei leichten Verläufen ohne Warnzeichen, entsprechender Expertise und guter Adhärenz der Patient*innen kann eine ambulante orale Therapie unter engmaschiger Kontrolle durchgeführt werden.6
Therapie
Therapieziel
- Eine generalisierte Infektion verhindern.
Allgemeines zur Therapie
- Die wichtigste Therapie ist die systemische antivirale Behandlung.
- Gabe von Nukleosidanaloga, z. B. Aciclovir
- Bei Verdacht sofortige Einleitung der Therapie, ohne die Diagnostik abzuwarten.
- Lokaltherapie mit z. B. Lotio alba3
Medikamentöse Therapie
- Antivirale Therapie
- Bei milderen Verläufen ist eine orale Therapie indiziert: Aciclovir 5 x 100 mg bei Kindern < 2 Jahre, 5 x 200 mg bei Kindern > 2 Jahre und Erwachsenen für 5–10 Tage.
- bei schweren Verläufen intravenöse Behandlung mit Aciclovir
- Valaciclovir ist vermutlich ebenso wirksam, hat aber eine bessere perorale Bioverfügbarkeit. Dosierung: 2 x 5 mg für 5 Tage6
- Augenbehandlung
- Häufig werden lokale antivirale Mittel zur Vorbeugung gegen eine Keratokonjunktivitis eingesetzt, falls Läsionen rund um die Augenlider vorliegen.
- Antibiotika
- Sind oft notwendig, um Superinfektionen zu behandeln.
- Kortikosteroide
- Lokale oder systemische Kortikosteroide sind in der Regel nicht zu empfehlen und können die Erkrankung durch Schwächung der Immunantwort sogar verschlechtern.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Akute Komplikation eines atopischen Ekzems
Komplikationen
- Sekundäre bakterielle Infektionen der Haut
- Keratokonjunktivitis, Keratitis mit Folge von Blindheit
- Gingivostomatitis
- Virämie, Meningitis, Enzephalitis6-7
Prognose
- Die Sterblichkeitsrate liegt unbehandelt bei 6–10 %.6
Patienteninformationen
Patienteninformation in Deximed
Illustrationen
Quellen
Literatur
- Mackool BT, Goverman J, Nazarian RM. Case records of the Massachusetts General Hospital. Case 14-2012. A 43-year-old woman with fever and a generalized rash. N Engl J Med 2012; 366:1825. New England Journal of Medicine
- Fenner J, Silverberg NB. Skin diseases associated with atopic dermatitis. Clin Dermatol 2018; 36: 631-40. pmid:30217275. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Altmeyer P. Eccema herpeticatum. Online-Enzyklopädie der Dermatologie, Kapitel B00.0. Springer-Verlag o.D., Zugriff: 15.07.2021. www.enzyklopaedie-dermatologie.de
- Damour A, Garcia M, Seneschal J, Lévêque N, Bodet C. Eczema Herpeticum: Clinical and Pathophysiological Aspects. Clinical Reviews in Allergy & Immunology 2020; 59: 1-18. pmid:31836943 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Stalder JF et al. Severity scoring of atopic dermatitis: the SCORAD index. Consensus Report of the European Task Force on Atopic Dermatitis. Dermatology. 1993; 186(1): 23-31. pmid:8435513 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Khan A, Shaw L, Bernatoniene J. Fifteen-minute consulta- tion: eczema herpeticum in a child.. Arch Dis Child Educ Pract Ed 2015; 100(2): 64-68. doi.org
- Finlow C, Thomas J. Disseminated herpes simplex virus: a case of eczema herpeticum causing viral encephalitis. J R Coll Physicians Edinb 2018; 48 (1): 36-39. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Kaufbeuren
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).