Pyogenes Granulom

Zusammenfassung

  • Definition:Gutartiger Gefäßtumor von Haut und Schleimhäuten. Rasch exophytisch wachsende Läsion, die spontan oder posttraumatisch entsteht. Es zeigt sich ein gehäuftes Auftreten in der Schwangerschaft.
  • Häufigkeit:Die meisten Fälle treten in den ersten 5 Lebensjahren in Erscheinung, danach sinkt die Inzidenz.
  • Symptome:Die Läsionen beginnen als kleine, einzelne Papeln, die rasch an Größe zunehmen. Es kommt häufig zu Blutungen.
  • Befunde:Solitäre, scharf begrenzte, leicht blutende Papel mit einer Größe von 1–3 cm. Häufig entwickelt sich ein Stiel an der Basis. Vorwiegend an Kopf, Hals und den Extremitäten, insbesondere den Fingern lokalisiert. Es können jedoch auch Schleimhäute betroffen sein.
  • Diagnostik:Klinische Diagnose. Die Sicherung der Diagnose erfolgt durch eine histopathologische Untersuchung.
  • Therapie:Therapeutisches Mittel der Wahl ist eine möglichst vollständige Exzision der Läsion.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Das pyogene Granulom ist eine gutartige vaskuläre Läsion von Haut und Schleimhäuten1-5
  • Die Läsion ist weder infektiös noch granulomatös, wie es der Name pyogenes Granulom suggeriert. Die histopathologische Bezeichnung lautet lobuläres kapilläres Hämangiom4,6   
  • Meist nach Traumen, aber auch spontan entstehender, rasch exophytisch wachsender, gutartiger Gefäßtumor. An der Oberfläche bilden sich häufig Ulzerationen. Satellitose oder disseminierte Formen können auftreten, sind jedoch selten.
  • Lokalisation vor allem an Lippen, Kopfhaut, Gesicht, Fingerkuppen, Zunge, Hohlhand und Zehen oder im Bereich der Mundschleimhaut. Selten können die Läsionen auch im Gastrointestinaltrakt vorkommen4,7
  • Es zeigt sich ein gehäuftes Auftreten in der Schwangerschaft, insbesondere im Bereich der Gingiva (Epulis gravidarum). 
  • Synonyme: Granuloma pediculatum, Botryomykom, Botryomycosis, Pseudobotryomykom, eruptives Angiom, proliferierendes Angiom, Stielknollen, Nagelfalzangiomatose, Pregnancy tumor, lobuläres kapilläres Hämangiom, Granuloma teleangiectaticum.7

Häufigkeit

  • Die Mehrheit der pyogenen Granulome tritt während der ersten 5 Lebensjahre in Erscheinung, danach sinkt die Häufigkeit.
  • In den USA macht das pyogene Granulom etwa 0,5 % aller knotigen Veränderungen der Haut aus.
  • Während der Schwangerschaft treten pyogene Granulome, einschließlich einer Variante (Epulis gravidarum) im Mund, bei etwa 5 % der Frauen, vorwiegend während dem 2. und 3. Trimenon auf8-9

Ätiologie und Pathogenese

  • Die genaue Ursache ist unbekannt.
  • Das rasche Wachstum ist eine Reaktion auf einen unbekannten Reiz, der zu einem Ungleichgewicht von pro- und antiangiogenetischen Faktoren führt und eine Proliferation von Kapillaren auslöst.
  • Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zu einer BRAF-Mutation in Endothelzellen.
  • Als weitere mögliche Auslöser gelten:
    • Traumata
    • Infektionen (z. B. Herpesviren, Parapoxviren, HPV)
    • Gefäßfehlbildungen (z. B. Naevus flammeus)
    • Hormonelle Faktoren: Erhöhte Hormonspiegel während der Schwangerschaft scheinen die Entstehung von pyogenen Granulomen insbesondere im Bereich der Mundschleimhaut zu begünstigen.
    • Medikamente
      • systemische und topische Retinoide
      • antiretrovirale Medikamente
      • Zytostatika (Pyrimidinanaloga, Taxane)
      • monoklonale Antikörper (z. B. Tyrosinkinase-Inhibitoren, TNF-alpha-Inhibitoren, EGFR-Inhibitoren, BRAF-Inhibitoren)4-5,8-9

ICPC-2

  • S79 Benigne / unklare Neubildung Haut

ICD-10

  • L98.0 Granuloma pediculatum (Granuloma pyogenicum)

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose wird anhand der typischen Anamnese und dem klinischen Befund gestellt.
  • Die Sicherung der Diagnose erfolgt über eine histopathologische Untersuchung.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Die Läsionen beginnen als kleine (weniger als 1 cm große) Papeln, die rasch an Größe zunehmen.
  • Meist liegen pyogene Granulome als solitäre Läsionen vor. Selten kommen auch Satelliten- oder disseminierte Läsionen vor.
  • Es zeigt sich ein gehäuftes Auftreten in der Schwangerschaft, insbesondere im Bereich der Gingiva (Epulis gravidarum).
  • Ein pyogenes Granulom beginnt sehr leicht zu bluten, was in den meisten Fällen der Grund für den Arztbesuch ist.4-5,7

Klinische Untersuchung

  • Solitäre, scharf begrenzte, weiche, kugelförmige, leicht blutende Papel
    4186-2-pyogent-granulom-leppe-hos-barn.jpg
    Pyogenes Granulom, Lippe
  • Die Farbe kann rot, blau oder schwarz erscheinen.
  • Die Größe beträgt ca. 1–3 cm.
  • Bei größeren Läsionen kommt es zu einer Einschnürung der Basis, die von der Epidermis kragenartig eingefasst wird.
  • Häufig zeigt sich die Oberfläche erodiert, später auch ulzeriert.7
  • Meist treten die Läsionen an Kopf, Hals und Extremitäten, besonders an den Fingern in Erscheinung.
    4185-2-pyogent-granulom-finger.jpg
    Pyogenes Granulom, Finger
  • Gelegentlich sind auch Schleimhäute betroffen.
  • Es können subcutane oder intravaskuläre Läsionen auftreten.
  • In seltenen Fällen bilden sich pyogene Granulome im Gastrointestinaltrakt und können zu Blutungen führen.4-5

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Histopathologische Untersuchung
    • Kann die Diagnose bei klinischer Unsicherheit bestätigen.
    • Es zeigen sich lobulär angeordnete Kapillaren, die in bindegewebigem Stroma eingebettet und im Bereich der Dermis lokalisiert sind. Häufig liegt eine entzündliche Begleitreaktion vor. Die darüber liegende Epidermis ist oft atrophiert, bei fortgeschrittenen Stadien können Erosionen oder Ulzerationen auftreten.4,7

Indikationen zur Überweisung

  • Wenn die Veränderung nicht in der Hausarztpraxis exzidiert werden kann.

Therapie

Therapieziel

  • Entfernung des Granuloms zur Vermeidung von Blutungen, Schmerzen und Unsicherheit hinsichtlich der Diagnose2

Allgemeines zur Therapie

  • Therapeutisches Mittel der Wahl ist eine möglichst vollständige Exzision der Läsion.
  • Im Falle einer unvollständigen Exzision kommt es häufig zu Rezidiven.
  • Bei Erwachsenen sollte eine histopathologische Untersuchung im Hinblick auf die möglichen Differenzialdiagnosen erfolgen.
  • Weitere Therapieoptionen
    • Kürettage
    • Kauterisation
    • Lasertherapie (CO2 oder Neodym-YAG-Laser)
    • Kryotherapie
    • Topische oder orale Betablockertherapie (Timolol oder Propranolol) kann insbesondere bei Kindern in Erwägung gezogen werden.4-5,7,10

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Schwangerschaftsassoziierte Läsionen im Bereich der Mundschleimhaut bilden sich meist spontan nach der Geburt zurück. Bei anderen Formen des pyogenen Granuloms ist eine spontane Abheilung selten.
  • In Ausnahmefällen entwickeln sich multiple Satellitenläsionen, nachdem eine einzelne Läsion entfernt wurde.
  • In fortgeschrittenen Stadien können Ulzerationen und Blutungen auftreten.
  • Häufig kommt es zu einer Rezidivneigung bei unvollständiger Exzision.2,4

Komplikationen

  • Ulzerationen
  • Blutungen
  • Sekundäre Infektionen4

Prognose

  • Pyogene Granulome zeigen kein malignes Potenzial.
  • Bei unvollständiger Exzision kann es zu Rezidiven kommen.4

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Es handelt sich um eine gutartige Erkrankung.
  • Bei unvollständiger Exzision kann es zu Rezidiven kommen.

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

4185-2-pyogent-granulom-finger.jpg
Pyogenes Granulom, Finger
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Pyogenes Granulom, Lippe

Quellen

Literatur

  1. Luba MC, Bangs SA, Mohler AM, Stulberg DL. Common benign skin tumors. Am Fam Physician 2003; 67: 729-38. American Family Physician
  2. Steinburg B. Pediatric pyogenic granuloma. Medscape, last updated Mar 21, 2014. emedicine.medscape.com
  3. Lawley LP. Pyogenic granuloma (Lobular capillary hemangioma). UpToDate, last updated Oct 22, 2013. UpToDate
  4. Sarwal P, Lapumnuaypol K. Pyogenic Granuloma. 2020 Dec 5. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2021 Jan–. PMID: 32310537. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Wollina U, Langner D, França K, Gianfaldoni S, Lotti T, Tchernev G. Pyogenic Granuloma - A Common Benign Vascular Tumor with Variable Clinical Presentation: New Findings and Treatment Options. Open Access Maced J Med Sci. 2017 Jul 13;5(4):423-426. doi: 10.3889/oamjms.2017.111. PMID: 28785323; PMCID: PMC5535648. www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Rachappa MM, Triveni MN. Capillary hemangioma or pyogenic granuloma: A diagnostic dilemma. Contemp Clin Dent. 2010 Apr. 1(2):119-22. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Altmeyer P. Online-Enzyklopädie der Dermatologie. Kapitel L98.00. Springer-Verlag o.D. Zugriff: 17.3.2016. www.enzyklopaedie-dermatologie.de
  8. Miller AM, Sahl WJ, Brown SA, Young SK, Quinlan CM, Patel PR, et al. The role of human papillomavirus in the development of pyogenic granulomas. Int J Dermatol 1997;36:673-6. PubMed
  9. Pierson JC, Tam CC. Dermatologic manifestations of pyogenic granuloma (lobular capillary hemangioma). Accessed March 4, 2011. emedicine.medscape.com
  10. Khandpur S, Sharma VK. Successful treatment of multiple gingival pyogenic granulomas with pulsed-dye laser. Indian J Dermatol Venereol Leprol. 2008 May-Jun. 74(3):275-7. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Susanne Engelhardt, Dr. med., Ärztin in Weiterbildung für Allgemeinmedizin, Hof
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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