BBB MK 24.03.2021 Therapieempfehlungen nach Leseranfrage präzisiert.
CCC MK 07.01.2019, kleine Korrekturen nach Leseranfrage, Anpassung an LL
CCC MK 09.12.2021 Informationen zur Räude ergänzt, nach Leserhinweis.
BBB MK 19.07.2021 umgeschrieben, aktuelle Lit. berücksichtigt.
Revision at 27.10.2015 12:39:11:
German Version, MK 14.02.17 (neue LL 2016)
Borkenkrätze
Milben
Sarcoptes scabiei var. hominis
Krätzemilbe
Skabies-Milbe
Skabiesmilben
Pruritus
Scabies
Juckreiz
Sexuell übertragene Krankheit
Körperkontakt
Räude
Pseudoskabies
Zusammenfassung
Definition:Stark juckende Dermatose, die durch Milbe Sarcoptes scabiei verursacht wird (auch: Krätze).
Häufigkeit:In Mitteleuropa sporadische Erkrankung; Epidemien treten typischerweise in Institutionen auf.
Symptome:Pruritus, der durch Bettwärme deutlich zunimmt.
Befunde:Pathognomonisch: kommaförmige, oft unregelmäßig gewundene Milbengänge an Prädilektionsstellen.
Diagnostik:Diagnosesicherung durchmikroskopischen oder dermatoskopischen Nachweis von Krätzmilben.
Therapie:Permethrin lokal als Therapie der 1. Wahl. Bei Skabies crustosa Kombination mit Ivermectin oral. Umgebungsbezogene Maßnahmen und gleichzeitige Behandlung aller Kontaktpersonen.
Allgemeine Informationen
Definition
Synonym: Krätze
Stark juckende Dermatose, die durch Milbe Sarcoptes scabiei verursacht wird.1-2
in der Regel Übertragung durch direkten Haut-zu-Haut-Kontakt
Weltweites Vorkommen, Menschen jeden Alters sind betroffen.
Bei intensiver Körperhygiene kann die Anzahl der Milben noch geringer als bei gewöhnlicher Skabies sein, ohne dass sich hierdurch der Pruritus verringern muss.
Effloreszenzen sind oft diskret und auf einzelne Regionen wie z. B. die Mamillenumgebung beschränkt.
Zoonose durch Räudemilben mit stark juckenden, papulovesikulösen Effloreszenzen
Häufigkeit
Prävalenz in Deutschland
Zahlen zur Inzidenz und Prävalenz liegen nicht vor.5
Ein indirekter Anstieg der Skabiesprävalenz wird jedoch anhand angestiegener Arzneimittelverordnungen wichtiger Krätzemedikamente vermutet.5
Die vorliegenden Zahlen deuten auf eine Zunahme der Prävalenz/Inzidenz der Skabies in Deutschland hin, beweisen und quantifizieren sie aber nicht, da
Skabies in Deutschland nicht meldepflichtig ist und
die Diagnose nicht immer licht- oder auflichtmikroskopisch, gesichert wird.6
In unseren Breiten gewinnen ältere polymorbide Menschen zunehmend an Bedeutung für Prävalenz und Verbreitung der Skabies, v. a. in Senioren- und Pflegeeinrichtungen.7
Intensive Hautkontakte zwischen Patient*innen und Pflegepersonal prädisponieren für Ausbrüche.
In vulnerablen Bevölkerungsgruppen, die auf engem Raum zusammenleben, u. a. Waisen- oder Straßenkinder, liegt die Prävalenz teilweise über 70 %.
Sondersituation Migration einer großen Anzahl von Menschen
Das Risiko von Skabiesausbrüchen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Sammelunterkünften ist gering, da Asylsuchende in der Regel nicht immunkompromittiert sind, und die Wahrscheinlichkeit von intensivem Hautkontakt (außer in Familien) gering ist.9
In Deutschland zeigten unter 2.602 Asylsuchenden, vorzugsweise aus Syrien und Afghanistan, während der Flüchtlingskrise 2015 lediglich 44 (1,7 %) klinische Zeichen einer Skabies.10
Aus Eiern schlüpfen nach 2–3 Tagen Larven, die an die Hautoberfläche ausschwärmen und sich dort in Falten, Vertiefungen und Haarfollikeln zu Nymphen und nach etwa 2–3 Wochen zu geschlechtsreifen Milben entwickeln.
Dieser Zeitraum ist der Angriffspunkt für eine Behandlung mit Substanzen, die nicht ovizid sind.
Übertragung
Die Übertragung setzt großflächigen, längeren und kontinuierlichen Haut-zu-Haut-Kontakt in Größenordnung von 5–10 min voraus.9
Handschütteln, Begrüßungsküsse, Umarmungen etc. von Patient*innen mit gewöhnlicher Skabies ist somit ohne Risiko.
Cave: Ausnahme ist die hochkontagiöse Skabies crustosa mit teilweise Millionen von Milben auf befallenen Hautarealen!
Hier können bereits abgelöste Schuppen Milben tragen und zur Ansteckung führen.
Die Ansteckung erfolgt im Regelfall über Mitglieder einer Familie oder Wohngemeinschaft, z. B. Paare, eng vertraute Geschwister, Eltern mit Kleinkindern sowie pflegebedürftige Personen, deren Betreuer*innen und Pfleger*innen.9
Bei Erwachsenen oft auch sexuell übertragene Krankheit
Theoretisch ist eine Übertragung von Skabiesmilben über Textilien wie Bettwäsche möglich, aber bei gewöhnlicher Krätze wegen rasch abnehmender Infektiosität außerhalb der Haut, geringer Milbenzahl bei immunkompetenten Menschen und langsamer Fortbewegung der Milben selten.3
Die Infektiosität von Skabiesmilben ist umso geringer, je länger sie vom Wirt getrennt sind.3
Bei in Deutschland üblichen Raumtemperaturen (21 °C) und relativer Luftfeuchtigkeit von 40–80 % sind die Skabiesmilben mit großer Wahrscheinlichkeit nicht länger als 48 Stunden infektiös.
Inkubationszeit
Die Symptome treten nach einer Inkubationszeit von 2–6 Wochen auf, bei Reinfestation bereits nach 1–3 Tagen.5
Pathophysiologie
Pruritus entsteht infolge immunologischer Hypersensibilisierung (Typ-IV-Allergie, Spättyp) durch Milben, Eier und Skybala (Kotballen).11
Aus diesem Grund sind auch in solchen Bereichen Hautveränderungen zu beobachten, in denen die Krätzmilbe nicht vorhanden ist.
Prädisponierende Faktoren
Immunsupprimierte Patient*innen, z. B. durch HIV-Infektion oder Steroidbehandlung
Uncharakteristische Hautveränderungen (meist 2–6 mm große, papulovesikulöse Effloreszenzen), die stark jucken.
Prädilektionsstellen (Unter-)Arme, Hals und Abdomen, also in erster Linie Kontaktstellen
Es handelt sich um eine Ekzemreaktion auf die Substanzen, die beim Stich der Tiermilben injiziert werden.12
Kinder reagieren oft empfindlicher auf einen Befall mit Tiermilben.
Temporär auftretende Milben sind auf der Haut des Menschen extrem selten nachweisbar.
Die beim Tier typischen, bis 1 cm langen Grabgänge in den oberen Hautschichten sind beim Menschen nicht anzutreffen.
Beschwerdebild beim Tier
Skabioide Hautalterationen beginnen meist am Kopf (Ohren), jedoch kommt es rasch zur Generalisierung an Rumpf (großflächige, haarlose Stellen, Lösung von großen, zusammenhängenden Fellstücken) und Extremitäten (Innen- und Außenschenkelbereich).
Auffälligstes Symptom ist der oft heftige Juckreiz, der mit Hyperkeratose, Papel- und Pustelbildung, Alopezie, Hautverdickung sowie -faltenbildung einhergeht.
Diagnostik
Gründliche Anamnese: Tierkontakt? Tiere im Umfeld?
Skabioide Hautveränderungen bei Tierhalter*in sollten stets dazu Anlass geben, dass das Tier bei Veterinärmediziner*in auf Ektoparasiten untersucht wird. Dies trägt auch zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung bei, etwa vom Befall mit Flöhen.
Therapie
kausale Therapie des Tieres mit Antiparasitika
Bei Menschen nur symptomatische antiinflammatorische und juckreizlindernde Therapie mit z. B. topischer Kortikoid-Creme, die ausschleichend angewendet werden sollte.
Selbstlimitierende Erkrankung, da Mensch als Fehlwirt nicht dauerhaft von Räudemilben besiedelt werden kann.
Anamnese
Hauptsymptom in allen Altersgruppen ist ein intensiver und hartnäckiger Pruritus, der nachts, in Bettwärme, schlimmer ist als am Tag.5
Der Pruritus ist am ausgeprägtesten in Bereichen, in denen Krätzmilben vorliegen: zwischen und auf Fingern, in den Beugeseite der Handgelenke, in den Achselhöhlen, periumbilikal, im Gesäß- sowie Genitalbereich.
Ähnliche Symptome bei Familienmitgliedern und Sexualpartner*innen?
Bereits durchgeführte Therapieversuche?
Klinische Untersuchung
Das klinische Bild der Skabies variiert erheblich, abhängig von Milbenzahl, Alter und Immunstatus.7
Skabiesmilben bevorzugen Areale mit verhältnismäßig hoher Temperatur und dünner Hornschicht.3
Prädilektionsstellen daher Interdigitalfalten der Hände und Füße, Ellenbogenstreckseiten, vordere Axillarfalten, Brustwarzenhof, Nabelregion, Gürtellinie, Gesäß, Analfalte, Perianalregion, Leisten, Knöchelregion, innere Fußränder und insbesondere Penisschaft
Kopf und Nacken, Palmae und Plantae sind zumeist ausgespart.9
Bei Säuglingen können Kopf, Gesicht, Handflächen und Fußsohlen befallen sein.5
Pruritus kann wegen fehlender zellulärer Immunantwort gänzlich fehlen.9
Postskabiöses Ekzem
Irritatives Ekzem infolge der Lokaltherapie oder aufgrund von Trockenheit der Haut (Exsikkationsekzem)3
Kann ein Grund für das Persistieren juckender Effloreszenzen nach erfolgreicher skabizider Therapie sein.
Ergänzende Untersuchungen
Gemäß Leitlinie und RKI werden in Ermangelung eines Mikroskops oder Dermatoskops (wie es in Mehrzahl der hausärztlichen Praxen der Fall sein wird) das typische Bild des gewundenen Ganges an Prädilektionsstellen (bei Männern v. a. Penisschaft) in Kombination mit Pruritus wird als ausreichend für eine Diagnose der Skabies angesehen.3,9
Mikroskopischer Direktnachweis
Aufritzen eines Milbengangs und mikroskopische Untersuchung des dabei gewonnenen Inhalts5
Nachweis von Milben und/oder der Eier bzw. Skybala
Durchsichtiges Klebeband mit genügender Klebekraft wird fest auf verdächtige Gangenden gedrückt, ruckartig abgezogen und anschließend auf einem Objektträger mikroskopisch untersucht.
Oft falsch-negativ, da Milben und Larven tiefer im Stratum corneum eingegraben sind.5
bei Skabies crustosa hingegen bewährt
Dermatoskopie
Suchen nach bräunlicher Dreieckskontur („Kite Sign“ oder Winddrachenzeichen, Kopf und Brustschild der Milbe entsprechend) in Verbindung mit lufthaltigem intrakornealem Gangsystem (Kielwasserzeichen)9
Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung
Das RKI empfiehlt, die Diagnose durch Dermatolog*innen stellen bzw. absichern zu lassen.9
orale Therapie mit Ivermectin, einmalig 200 μg/kg Körpergewicht
vor allem bei fehlendem Ansprechen auf Permethrin
Als Therapie der 1. Wahl in Betracht zu ziehen bei immunsupprimierten Patient*innen, stark ekzematöser oder erosiver Haut und Situationen, in denen lege artis durchgeführte Ganzkörperbehandlung nicht gewährleistet ist.
topische Therapie mit Crotamiton 10 % Creme
An 3–5 aufeinanderfolgenden Tagen (Abenden) auf den gesamten Körper auftragen und nicht abwaschen.
topische Therapie mit Benzylbenzoat 25 % Emulsion
An 3 aufeinanderfolgenden Tagen (Abenden) auftragen, am 4. Tag abduschen oder abwaschen.
Immunsupprimierte Patient*innen
Therapie der 1. Wahl: Permethrin 5 %, wie oben für Erwachsene empfohlen
zusätzlich aber Wiederholung im Abstand von 7 Tagen
bei Rezidiv zusätzlich zur Lokaltherapie Ivermectin oral (200 μg/kg Körpergewicht) mit Wiederholung nach 7–15 Tagen
Kinder ab 3 Jahren
Therapie wie bei Erwachsenen
Anwendung von Ivermectin jedoch erst ab 15 kg Körpergewicht
Neugeborene, Säuglinge und Kinder < 3 Jahre
In der Regel stationäre Therapie indiziert
Permethrin 5 % Creme für Säuglinge unter 2 Monaten laut Fachinformation kontraindiziert, jedoch auch bei ihnen Therapie der 1. Wahl
Eltern über fehlende Zulassung für diese Altersgruppe aufklären.
Anwendung von Permethrin wie bei Erwachsenen, allerdings umfasst die Lokaltherapie zusätzlich den Kopf unter Aussparung des Mund- und Augenbereiches.
Schwangere
Keines der genannten Mittel ist laut jeweiliger Fachinformation für die Schwangerschaft zugelassen.
Als Therapie der 1. Wahl empfohlen: Permethrin 5 % Creme wie oben bei Erwachsenen beschrieben
Ratsam: Schriftliche Aufklärung mit Unterschrift der Patientinnen, dass ihnen verschiedene Therapiemöglichkeiten erläutert wurden und sie trotz fehlender Zulassung einer Permethrin-Therapie zustimmen.
Stillende
Keines der genannten Mittel ist laut jeweiliger Fachinformation für die Stillzeit zugelassen.
Therapie der 1. Wahl: Permethrin 5 % Creme
Einmalig (unter Aussparung des Brustbereiches, wenn nicht befallen) für 8–12 Stunden auftragen, danach abduschen.
Anschließend Stillpause von 5 Tagen einlegen.
Wenn die Brust befallen ist, muss sie mitbehandelt werden.
Ratsam: Schriftliche Aufklärung, dass die Vorteile einer Therapie, d. h. Behandlung des Pruritus und Verhinderung einer Ansteckung des Säuglings, gegen mögliche Risiken durch in Muttermilch übergetretenes Permethrin oder durch mögliche, bislang nicht bekannte Wirkungen abgewogen wurden und dass die Zulassung fehlt.
Therapie der 1. Wahl: Kombinationstherapie lokal Permethrin und systemisch Ivermectin per os.
Permethrin 5 % Creme: Lokaltherapie kann 2-mal wöchentlich über 2 Wochen durchgeführt werden, sollte aber mindestens 1-mal nach 1 Woche wiederholt werden.
Ivermectin: 200 μg/kg Körpergewicht p. o., mit mindestens einmaliger Wiederholung im Abstand von 7–15 Tagen
Aufhebung der Isolation und stationäre Entlassung
Kann 1 Tag nach Therapiewiederholung erwogen werden, wenn Patient*in zum Zeitpunkt der Behandlung keine Schuppung und Hyperkeratosen mehr aufweist.
Lokaltherapie mit 2. Person durchführen, damit alle Körperstellen erreicht werden.
Handschuhe tragen; bei Kindern, pflegebedürftigen Patient*innen und Patient*innen mit Skabies crustosa auch Schutzkittel.
Möglichst Nägel kürzen, Ganzkörperbad (oder duschen), Antiskabiosum erst nach Trocknen der Haut und Erlangung der normalen Körpertemperatur (nach etwa 60 min) anwenden.
Nach Entfernung der Schuppen kann lokales Antiskabiosum besser wirken.
Bei älteren Kindern und Erwachsenen wird der gesamte Körper lückenlos vom Unterkiefer abwärts einschließlich Retroaurikularfalten mit dem topischen Antiskabiosum behandelt.
Bei Vorliegen verdächtiger Effloreszenzen sollten Kopfhaut und Gesicht unter Aussparung der Periokulär- und Perioralregion mitbehandelt werden (vor allem bei älteren Patient*innen kann die Indikation großzügiger gestellt werden).
Bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum 3. Lebensjahr, bei Skabies crustosa und bei immunsupprimierten Patient*innen wird Kopf einschließlich der Kopfhaut unter Aussparung der Periokulär- und Perioralregion immer in die Behandlung einbezogen.
Während der Einwirkzeit ist das Tragen von Baumwollhandschuhen zu empfehlen.
Nach angegebener Zeit sollte das lokale Antiskabiosum abgeduscht oder abgewaschen werden.
Danach neue Wäsche anziehen, Betten neu beziehen.
Um irritatives bzw. Exsikkationsekzem zu vermeiden, sollte nach spezifischer Therapie pflegende Behandlung mit blanden Salben oder Cremes, ggf. auch mit topischem Kortikosteroid, erfolgen.
Sondersituationen
Bei stark entzündlicher Haut, z. B. exsudativem Ekzem, kann vor oder mit Beginn der antiskabiösen Therapie für 2–3 Tage kortikosteroidhaltiges Externum verwendet werden, um die Resorption des Antiskabiosums zu verringern.
Bei Impetiginisierung sind je nach Ausmaß und Erreger entweder ein systemisches Antibiotikum oder lokale Antiseptika einzusetzen.
Wiederholung der Lokaltherapie nach 7 Tagen aus Sicherheitsgründen bei:
Skabies crustosa
ausgedehnter Skabies
immunuspprimierten Patient*innen
Skabiesausbrüchen in Pflegeeinrichtungen und in Situationen, in denen mehrere Personen betroffen sind (um Infektionsketten sicher zu unterbrechen).
Zweifeln, ob die erste Behandlung konsequent ausgeführt wurde.
Wiederholung der Therapie, wenn 14 Tage (oder später) nach Therapie noch Zeichen einer aktiven Infestation bestehen.
neue gangartige Papeln
mikroskopischer oder dermatoskopischer Nachweis von lebenden Skabiesmilben
Kleider, Bettwäsche, Handtücher und weitere Gegenstände mit längerem Körperkontakt (z. B. Blutdruckmanschette, Pantoffeln, Stofftiere etc.) sollten bei mindestens 50 °C für wenigstens 10 min gewaschen oder z. B. mithilfe eines Heißdampfgeräts dekontaminiert werden.
Wenn dies nicht möglich ist, können Gegenstände und Textilien in Plastiksäcke eingepackt oder in Folie eingeschweißt und für 72 Stunden bei mindestens 21 °C gelagert werden.
Erfolgt die Lagerung bei geringer Luftfeuchtigkeit z. B. direkt vor einem auf mind. 21 °C eingestellten Heizkörper, reichen auch 48 Stunden aus.
Alternativ können möglicherweise kontaminierte Gegenstände auch für 2 Stunden bei –25 °C gelagert werden.
Cave: Handelsübliche Gefriereinrichtungen kühlen oft nur auf –18 °C!
Betten sollen frisch bezogen werden.
Polstermöbel, Sofakissen oder textile Fußbodenbeläge (wenn Erkrankte mit bloßer Haut darauf gelegen haben) können mit starkem Staubsauger abgesaugt (Filter und Beutel danach entsorgen) oder für mindestens 48 Stunden lang nicht benutzt werden.
Die Maßnahmen sind wegen geringer Ansteckungsgefahr nicht zwingend erforderlich.
Zusätzliche Maßnahmen bei Skabies crustosa
Kleidung, Schuhe, Handtücher und Bettwäsche sollen bis mindestens 1 Tag nach der 2. Behandlung täglich gewechselt werden.
Falls bei der 2. Behandlung Schuppung und Hyperkeratosen noch nicht vollständig entfernt waren, soll ein täglicher Wäschewechsel weiterhin erfolgen.
Für Kleider, Bettwäsche, Handtücher oder andere Gegenstände mit längerem Körperkontakt gilt abweichend von Maßnahmen bei gewöhnlicher Skabies:
Lagerung bei 21 °C (konstante Temperatur!) erfolgt nur, wenn eine Reinigung nicht möglich ist und wird sicherheitshalber für mindestens 7 Tage durchgeführt.
Zu Tiefkühlung bei Skabies crustosa kann keine Empfehlung ausgesprochen werden, da zur Kühlung hochkontaminierter Materialien nicht genügend Informationen vorliegen.
Gegenstände, zu denen die Betroffenen längeren oder ausgedehnten bzw. flächigen Hautkontakt hatten (z. B. Blutdruckmanschetten), sollen autoklaviert oder ausreichend gereinigt werden (z. B. gemäß Hinweisen von lokalen Hygienefachkräften).
Wenn möglich sollten Einmalartikel verwendet werden.
Tägliche Reinigung des Zimmers und der Gebrauchsgegenstände
Polstermöbel, Sofakissen oder textile Fußbodenbeläge (auf denen die Patient*innen mit bloßer Haut gelegen haben) werden mit einem starken Staubsauger abgesaugt (Filter und Beutel danach entsorgen) oder mindestens 7 Tage lang nicht benutzt.
Matratzen und Bettzeug (bezogene Kissen, Decken, Matratzenauflagen etc.) sollen vor jeder Therapiewiederholung und nach Entlassung dekontaminiert (thermisch desinfiziert: 50 °C für 10 min, Kerntemperatur beachten) oder wenigstens 7 Tage lang konstant bei mindestens 21 °C (konstante Temperatur!) trocken gelagert werden.
Kontaktpersonen
Gewöhnliche Skabies
Als enge Kontaktpersonen gelten alle Personen, die zu Erkrankten engen, großflächigen Haut-zu-Haut-Kontakt über längeren Zeitraum hatten (> 5–10 min), z. B. durch gemeinsames Schlafen in einem Bett, Kuscheln, Körperpflege und Liebkosen von Kleinkindern, Geschlechtsverkehr, Körperpflege von Kranken.9
Für enge Kontaktpersonen, auch ohne Symptome, gilt, dass sie möglichst zeitgleich mit Erkrankten behandelt werden sollen.
Skabies crustosa
Es gelten alle als Kontaktpersonen, die während der manifesten Skabies crustosa oder in den letzten 4–6 Wochen vor Manifestation der Erkrankung (maximale Inkubationsphase) Kontakt zu den Erkrankten hatten.3
Unabhängig davon, ob Hautveränderungen vorliegen oder nicht, sollten alle Personen, die mit den Patient*innen oder zu der Kleidung, Decken oder anderen möglicherweise kontaminierten Materialien (indirekten „Haut-zu-Haut") Kontakt hatten, behandelt werden.
Informationen für Patient*innen
Patient*innen sollten informiert werden, dass Pruritus und Ekzem noch einige Wochen nach erfolgreicher Behandlung anhalten können (v. a. bei bekannter Atopie), aber an Intensität abnehmen.3
Nach Abschluss der ersten Behandlung können Kinder in die Schule und Erwachsene zur Arbeit gehen (nicht bei Skabies crustosa!).3
Meldepflicht
Skabies bzw. Nachweis von Skabiesmilben sind gemäß § 6 und 7 IfSG nicht meldepflichtig.9
Leiter*innen von Gemeinschaftseinrichtungen (gem. § 33 IfSG) haben gemäß § 34 Abs. 6 IfSG das zuständige Gesundheitsamt aber unverzüglich zu benachrichtigen, wenn in ihrer Einrichtung betreute oder betreuende Personen an Skabies erkrankt oder dessen verdächtig sind, und dazu krankheits- und personenbezogene Angaben zu machen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Ohne adäquate Therapie kann Skabies über mehrere Monate fortbestehen.5
Bei Erstinfestation erste Symptome nach 2–5 Wochen9
Bei Reinfestation treten ekzematöse Hautveränderungen aufgrund bereits bestehender Sensibilisierung nach 1–4 Tagen auf.9
Komplikationen
Bei Skabies crustosa sind Superinfektionen häufig und septische Komplikationen der wichtigste Grund für unbehandelt hohe Letalität.7
Postskabiöses Ekzem
irritatives Ekzem infolge der Lokaltherapie oder aufgrund von Trockenheit der Haut (Exsikkationsekzem)
Behandlung mit topischen Glukokortikoiden
Prognose
Nach wirksamer Behandlung klingen Pruritus und Hautläsionen innerhalb von 6 Wochen ab, sofern es nicht zu erneuter Infestation kommt.13
Die beiden häufigsten Ursachen für Rezidive (Anwendungsfehler bei medikamentöser Therapie und erneute Infestation durch nicht ausreichend behandelte oder nicht identifizierte Kontaktpersonen) sollten ausgeschlossen werden.3
Verlaufskontrolle
Werden Behandlung und umgebungsbezogene Maßnahmen korrekt umgesetzt, kann davon ausgegangen werden, dass die Krätzmilbe abgestorben ist.
Verlaufskontrollen sind daher im Anschluss an die Behandlung normalerweise nicht erforderlich.
Einige Patient*innen klagen über ein postskabiöses Ekzem, das mit topischen Glukokortikoiden behandelt werden sollte.9
Informationsblatt mit allen wichtigen Fakten zur Behandlung in mehreren Sprachen: www.tipdoc.de3
Illustrationen
Borkenkrätze (Scabies norvegica, Scabies crustosa) tritt bei immunsupprimierten und polymorbiden Patient*innen auf, in diesem Fall bei einem AIDS-Patienten (Quelle: Wikimedia commons).
Skabies, typische Milbengänge (mit freundlicher Genehmigung von Bernadett Hilbert)
Skabiesbefall am Rumpf (mit freundlicher Genehmigung von Bernadett Hilbert)
Bei Erwachsenen führt die Skabies vor allem zu Veränderungen zwischen den Fingern und im Bereich der Handgelenke.
Die Skabies verursacht einen Juckreiz, der häufig am intensivsten in Erscheinung tritt, nachdem sich die betroffene Person zum Schlafen ins Bett gelegt hat.
Juckreiz als Symptom der Infestation tritt bei einer Erstinfektion nach 2–5 Wochen, bei Reinfestation durch vorbestehende Sensibilisierung innerhalb von 1–4 Tagen auf.
Die Milbengänge sind grauweiß (mit Luft gefüllt) und dünn, weisen einen geschlängelten Verlauf und eine Länge von 1–2 bis zu 10 mm auf, und die weibliche Milbe kann als schwarzer Punkt am Ende des Gangs erkennbar sein.
Meist ist der Juckreiz in den Bereichen am stärksten, in denen die Krätzmilben sitzen. Im weiteren Verlauf breitet sich der Juckreiz in der Regel jedoch weiter aus.
Die Milbeninfektion kann insbesondere bei älteren Menschen auch einen diffusen Ausschlag auf dem Rumpf hervorrufen. Die Behandlung von älteren und immunsupprimierten Patient*innen kann sich schwierig gestalten. Oft müssen in diesen Fällen Hautspezialist*innen hinzugezogen werden.
Der Kopf ist selten von Skabies betroffen. Eine Ausnahme bilden hier kleine Kinder und Neugeborene, bei denen weitläufigere Hautmanifestationen beobachtet werden können. Typisch ist ein Juckreiz, der im Verhältnis zu dem auf dem Körper sichtbaren Ausschlag außerordentlich stark erscheint.
Die Krätzmilbe ist 0,3–0,5 mm lang. Das Weibchen gräbt oberflächliche Gänge in die Haut, in denen es Eier ablegt, aus denen nach 3–4 Tagen Larven schlüpfen. Auf einer Person sitzen selten mehr als 5–15 weibliche Milben. Die Erkrankung klingt ohne Behandlung nicht von selbst ab.
Skabiesmilbe in einem Milbengang (Quelle: NHI v/Anders Folven)
Quellen
Leitlinien
Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG). Skabies, Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 013-052. S1, Stand 2016 (abgelaufen). www.awmf.org
Ratgeber für Ärzt*innen
Robert Koch-Institut (RKI). Skabies (Krätze). Stand 01.06.2016. www.rki.de
Literatur
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Chosidow O. Scabies. N Engl J Med 2006; 354: 1718-27. PubMed
Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG). Skabies, Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 013-052. S1, Stand 2016. www.awmf.org
Beck W, Fölster-Holst R. Durch Räudemilben verursachte Pseudoskabies beim Menschen. hautnah dermatologie 2020; 36: 28-35. link.springer.com
Nenoff P, Süß A, Schulze I, et al. Skabies – Renaissance einer Ektoparasitose. Der Hautarzt 2020; 72: 125-136. link.springer.com
Sunderkötter C, Aebischer A, Neufeld M, et al. Zunahme von Skabies in Deutschland und Entwicklung resistenter Krätzemilben? Evidenz und Konsequenz. JDDG 2019; 17(1): 15-24. onlinelibrary.wiley.com
Hamm H, Stoevesandt J, Sunderkötter C. Skabies im Alter. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 2019; 52(11): 795-807. link.springer.com
Zieriacks P. Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie?. Pädiatrie 2018; 30: 43-45. link.springer.com
Kortas AZ, Polenz J, von Hayek J et al. Screening for infectious diseases among asylum seekers newly arrived in Germany in 2015: a systematic single-centre analysis. Public Health 2017; 153: 1-8. www.sciencedirect.com
Johnston GA. Treatment of bullous impetigo and the staphylococcal scalded skin syndrome in infants. Expert Rev Anti Infect Ther 2004; 2: 439-46. PubMed
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Sladden MJ, Johnston GA. Common skin infections in children. BMJ 2004; 329: 95-9. PubMed
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Allgemeinmedizin, Frankfurt
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).