CCC MK 03.07.2019, revidiert und Therapie angepasst
chck go 11.3.
Weiblicher Haarausfall
Androgenetische Alopezie
Vernarbenden Haarausfall
Nicht-vernarbender Haarausfall
Telogeneffluvium
Kreisrunder Haarausfall
Alopecia areata
Diffuse Alopezie
Zusammenfassung
Definition:Haarausfall vom weiblichen Typ betrifft in erster Linie die Scheitellinie des Schädels.
Häufigkeit:Es handelt sich um ein relativ häufiges Phänomen.
Symptome:Haarausfall ist am häufigsten mittig im oberen Schädelbereich lokalisiert, kann aber auch an anderen Stellen auftreten.
Befunde:Die Verteilung des Haarausfalls und die Dichte des Haars ermöglicht Rückschlüsse auf die Art des Haarausfalls.
Diagnostik:Der Einsatz apparativer Diagnostik dient dem Ausschluss ggf. vorliegender Grunderkrankungen und kann Bluttests, Hormontests, Tests auf Pilzbefall oder den Einsatz von Wood-Licht umfassen.
Therapie: Zur Therapie kommen ggf. Minoxidil, systemische Antiandrogene nur bei hormoneller Dysregulation und unter bestimmten Bedingungen Haartransplantationen infrage.
Allgemeine Informationen
Definition
Haarausfall (Alopezie)
Haarausfall vom weiblichen Typ tritt in erster Linie längs der Scheitellinie des Schädels auf, kann aber auch an anderen Stellen lokalisiert sein.1
Die psychosozialen Folgen von Haarausfall bei Frauen werden von Ärzten häufig stark unterschätzt.
Haarausfall bei Frauen tritt relativ häufig auf: Über 1/3 aller Frauen sind im Laufe ihres Lebens von erheblichem Haarausfall betroffen.1
Biologie des Kopfhaars
Auf der Kopfhaut sind durchschnittlich etwa 100.000 Haare verwurzelt.1
Anagenphase
Über 90 % dieser Haare befinden sich in der Wachstums- oder Anagenphase und werden als Anagenhaare bezeichnet.
Anagenhaare sind tief im subkutanen Gewebe verankert und lassen sich weniger leicht herausziehen.
Das Haar durchläuft einen permanenten Erneuerungsprozess.
Das einzelne Haar bleibt etwa 3 Jahre oder länger auf der Kopfhaut, fällt dann ab und wird von einem neuen Haar ersetzt.
Katagenphase
An die Anagenphase, die die längste Phase im Lebenszyklus eines Haars darstellt, schließt sich die 2 Wochen anhaltende Katagenphase an, die wiederum in einen programmierten Zelltod (Apoptose) mit unbekanntem Auslöser mündet.
Telogenphase
Nach abgeschlossener Katagenphase tritt das Haar in eine 3-monatige Ruhephase, die Telogenphase, ein.
Ein Telogenhaar ist etwas weniger tief in der Kopfhaut verankert als ein Anagenhaar und lässt sich relativ mühelos herausziehen.
Normalerweise werden pro Tag etwa 100 Telogenhaare von der Kopfhaut abgestoßen.
Ätiologie und Pathogenese
Man unterscheidet vernarbenden (z. B. bei Lupus, Lichen planopilaris und Folliculitis decalvans)2 und nicht vernarbenden Haarausfall. Im vorliegenden Abschnitt wird der nicht vernarbende Haarausfall beschrieben.
Die Erkrankung kann zu einem beliebigen Zeitpunkt nach dem Ende der Pubertät auftreten. In einer Studie trat eine Form der androgenetischen Alopezie bei 38 % der Patienten im Alter von rund 70 Jahren auf.5
Der Haarausfall betrifft hauptsächlich die Bereiche längs der Scheitellinie des Schädels und spart den Stirnbereich meist aus. Typischerweise ist der oben gelegene Schädelbereich stärker betroffen als der Hinterkopf.6
Bei manchen Frauen betrifft der Haarausfall auch die seitlichen Schädelbereiche.
Telogeneffluvium
Liegt vor, wenn überdurchschnittlich viele Haare (30–50 %) in die Telogen- oder Ruhephase wechseln und etwa 3 Monate später ausfallen.
Telogeneffluvium
Frauen mit dieser Erkrankung können über 300 Haare pro Tag verlieren.
Hierbei handelt es sich um einen diffusen Haarausfall. Der Zupf- oder Epilationstest fällt positiv aus, wenn sich von 40–60 Haaren über 10 % der Haare lösen.7
Bei rund 1/3 der Fälle lässt sich keine Ursache ermitteln.8 Bei den restlichen Patienten geht der nach 3 Monaten eintretende Haarausfall auf eines oder mehrere der folgenden Ereignisse zurück:
schwere Erkrankung oder erhebliche Belastungen, wie z. B.:
Beginn der Einnahme bestimmter Medikamente (siehe auch Haarausfall):
Thyreostatika
Hormone
Antiepileptika
Antikoagulanzien
Betablocker
ACE-Hemmer
Lithium.
Nach Beseitigung der Ursache kann der Haarausfall noch bis zu 6 Monate andauern.
Bei chronischem Telogeneffluvium erstreckt sich der Haarausfall über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten. In manchen Fällen kann ein solcher Haarausfall über Jahre anhalten.
Berechnungen zufolge liegt die Lebenszeitinzidenz bei 1,7 %.9
Manifestiert sich in kreisförmigen Flecken mit Haarausfall, die bei multifokalem Auftreten größere Flächen bilden und dann über die Hälfte der Kopfhaut betreffen können.
Alopecia areata
Die Erkrankung ist häufig reversibel, kann aber rezidivieren und zum vollständigen Verlust von Kopfbehaarung (5 %) und Körperbehaarung (1 %) führen.
Die Ursache ist nicht abschließend geklärt, wird jedoch im Bereich der Autoimmunerkrankungen vermutet.
Werden Gewohnheiten gepflegt, die das Haar schädigen können?
Werden auch Haare an anderen Körperstellen verloren?
Kam es in den letzten 3 Monaten zu starkem Stress, zur Einnahme neuer Medikamente oder ähnlichen ggf. relevanten Ereignissen? Dies ist ein Hinweis auf Telogeneffluvium.
Schließen Sie eine Störung des Hormonhaushalts aus.
Freies Testosteron?
Sofern keine weiteren Zeichen eines Hyperandrogenismus vorliegen, ist der Test von geringem Nutzen.
Wenn die Klink dafür spricht: Lues-Serologie (zum Ausschluss Lues II)
Evtl. Entnahme von Schuppen
zum Anlegen einer Pilzkultur
Stanzbiopsie?
Kann bei unsicherer Diagnose und insbesondere bei Verdacht auf vernarbenden Haarausfall indiziert sein.
Indikationen zur Überweisung
Bei unklarer Diagnose, zur weiterführenden Diagnostik
Bei Erwägung einer Therapie
Therapie
Allgemeines zur Therapie
Zur Therapie kommen ggf. lokal verabreichtes Minoxidil, systemische Antiandrogene (nur bei nachgewiesener hormoneller Dysregulation) und unter bestimmten Bedingungen Haartransplantationen infrage.
Fotodokumentation der Kopfhaut, um später den Therapieerfolg überprüfen zu können.
Bis die Therapie eine Wirkung zeigt, können 6–12 Monate vergehen.
Medikamentöse Therapie
Minoxidil
Wirkung
Scheint laut einer systematischen Übersichtsarbeit die größte und sicherste Wirkung gegen androgenetische Alopezie zu entfalten.12
Bei ca. 80 % konnte der Haarausfall gestoppt werden, bei ca 50 % wurden die Haare wieder dichter.6
Nebenwirkungen
Kann eine Kontaktdermatitis auslösen.
Bei knapp 10 % der Patienten kommt es zu einer Hypertrichose im Gesicht, die sich in feinem Haarwuchs auf Wangen und Stirn äußert. Diese Nebenwirkung klingt nach dem Abschluss der Therapie innerhalb von 4 Monaten ab.
Kontraindikationen
Sollte nicht während der Schwangerschaft oder Stillzeit angewendet werden.
Dosierung: 2-%-Lösung lokal auf die Kopfhaut auftragen.6
Antiandrogene
Nur bei nachgewiesener hormoneller Dysregulation können systemische Antiandrogene wie Cyproteronazetat, Chlormadinonazetat oder Dienogest erwogen werden.6
Laut eines Rote-Hand-Briefs vom 16.06.2020 ist die Anwendung von Cyproteronacetat in einer Dosierung über 25 mg/d mit einem erhöhten Risiko für Meningeome assoziiert.
Weitere Therapien
Haartransplantation
Wird zunehmend zur Therapie des Haarausfalls vom weiblichen Typ eingesetzt.13
Hierbei werden die Transplantate aus dem Nackenbereich der Patienten entnommen und im oberen Bereich des Schädels implantiert.
Die wissenschaftliche Dokumentation zu dieser Methode ist derzeit noch nicht sehr umfassend.1
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Häufig zeigt die Erkrankung bis zu einem bestimmten Punkt einen gleichmäßig fortschreitenden Verlauf.
Prognose
Eine allgemeingültige Aussage zur Prognose lässt sich kaum treffen.
Wenn sich das Haar lichtet, ist dies ein Hinweis auf Haarausfall vom weiblichen Typ.
Starke Belastungen, Einnahme neuer Medikamente oder ähnliche Ereignisse in den zurückliegenden 3 Monaten sind Hinweise auf ein Telogeneffluvium.
Alopecia totalis. Verlust aller Kopfhaare als Sonderform der Alopecia areata, zusätzlich kann es zum Verlust der gesamten Körperbehaarung (Alopecia totalis) kommen.
Der dermatoskopische Nachweis von Haaren mit Ausrufezeichen-Form im Randbereich der Läsion ist ein pathognomonisches Anzeichen. Bei Beteiligung der peripheren Teile der Kopfhaut (wie hier) ist die Prognose schlechter und die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs größer.
Quellen
Literatur
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Birch MP, Messenger JF, Messenger AG. Hair density, hair diameter and the prevalence of female pattern hair loss. Br J Dermatol 2001; 144: 297-304. PubMed
15. 15. Wolff H, Fischer TW, Blume-Peytavi U. Diagnostik und Therapie von Haar- und Kopfhauterkrankungen. Dtsch Ärztebl 2016; 113: 377-86. doi:10:3238/arztebl.2016.0377 www.aerzteblatt.de
Piérard GE, Piérard-Franchimont C, Marks R, Elsner P, for the EEMCO group (European Expert Group on Efficacy Measurement of Cosmetics and Other Topical Products). EEMCO guidance for the assessment of hair shedding and alopecia. Skin Pharmacol Physiol 2004; 17: 98–110. www.ncbi.nlm.nih.gov
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Varothai S, Bergfeld WF. Androgenetic alopecia: an evidence-based treatment update. Am J Clin Dermatol. 2014 Jul;15(3):217-30. doi: 10.1007/s40257-014-0077-5. DOI
Unger WP, Unger RH. Hair transplanting: an important but often forgotten treatment for female pattern hair loss. J Am Acad Dermatol 2003; 49: 853-60. PubMed
Autoren
Heidrun Bahle, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
Lena Wanger, med dr och hudspecialist, Stockholm
Morten Dalaker, specialist i hudsjukdomar, Trondheim