Zusammenfassung
- Definition:Fast immer ein Plattenepithelkarzinom, lokalisiert im unteren Teil des Pharynx.
- Häufigkeit:Seltene Erkrankung, 6 % aller Kopf-Hals-Tumoren.
- Symptome:Schluckbeschwerden, Schmerzen beim Schlucken, Heiserkeit, Schweratmigkeit, evtl. Stridor, Schwellung im Hals.
- Befund:Ggf. Lymphknotenschwellungen.
- Diagnostik:Laryngoskopie, MRT und CT.
- Therapie:Chirurgisch, Strahlen- und Chemotherapie.
Allgemeine Informationen
Definition
- Hypopharynxkarzinome sind bösartige Tumoren des unteren Schlundbereichs (Schlundrachenkrebs).
- Bei über 95 % der Hypopharynxkarzinome handelt es sich um Plattenepithelkarzinome.1
Häufigkeit
- In Deutschland gab es 2016 bei Frauen 4.180 und bei Männern 9.720 neue Erkrankungen der Mund- und Rachenkarzinome, eine genauere Aufschlüsselung nach Lokalisation wird hierzulande nicht gemacht.2
- Anderen Quellen zufolge macht das Hypopharynxkarzinom 6 % aller Kopf-Hals-Karzinome aus.3
- Die Inzidenz steigt mit dem Alter (Durchschnittsalter zum Diagnosezeitpunkt 64 Jahre).4
- Nach einer dänischen Studie sind zu 80 % Männer betroffen und die Inzidenz ist deutlich steigend.5
Ätiologie und Pathogenese
- Die meisten Hypopharynxkarzinome sind Plattenepithelkarzinome.
- Die Lokalisation kann an der Hinterwand, in den Sinus piriformes (ventral gelegen) oder postkrikoidal sein.
- Häufig ist eine genaue Abgrenzung eines reinen Hypopharynxkarzinoms und eines Larynxkarzinoms nicht möglich.6
- Bis zu 1/3 der Patient*innen haben einen Zweittumor, häufig in der Lunge oder in anderen Abschnitten des oberen Respirationstraktes.
Stadieneinteilung
TNM-Klassifikation7
- T0-T4
- T0: keine Anzeichen für einen Primärtumor
- T1: Tumor beschränkt auf einen Bezirk
- T2: Tumor im Sinus piriformis, Ausdehnung auf die hintere hypopharyngale Wand oder postcricoide Oberfläche ohne Fixation an umgebende Strukturen
- T3: Tumor mit Ausdehnung über die anatomischen Grenzen hinweg mit Fixation an umgebende Strukturen
- T4: ausgedehnter Tumor in Hypopharynx und angrenzenden Strukturen
- N0-N3
- N0: keine regionalen Metastasen
- N1: Metastase in solitärem ipsilateralem Lymphknoten mit kleiner als 3 cm.
- N2: Metastasierung in lokalen Lymphknoten zwischen 3 und 6 cm
- N3: Metastaden größer als 6 cm.
- M0: keine Fernmetastasen
- M1: Vorliegen von Fernmetastasen
Prädisponierende Faktoren
- Nikotin- und Alkoholkonsum8
- HPV-Infektion, wahrscheinlich beim Hypopharynx eine etwas geringere Prädisposition als bei den oropharyngealen Tumoren
ICPC-2
- D77 Bösartige Neubild. Verdauungstrakt
ICD-10
- C13 Bösartige Neubildung des Hypopharynx
- C13.0 Regio postcricoidea
- C13.1 Aryepiglottische Falte, hypopharyngeale Seite
- C13.2 Hinterwand des Hypopharynx
- C13.8 Hypopharynx, mehrere Teilbereiche überlappend
- C13.9 Hypopharynx, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Die Diagnose wird durch die Histologie bestätigt.
Differenzialdiagnosen
- Larynxkarzinom
- Gutartige Hypopharynxtumoren (sehr selten)
Anamnese
- Schmerzen im Hals und/oder bis zu den Ohren ausstrahlend
- Schluckbeschwerden und Globusgefühl
- Wunde Stellen im Rachen
- Mundgeruch
- Blutiger Auswurf
- Lymphknotenschwellungen
- Beim zusätzlichen Befall des Kehlkopfes Heiserkeit
Klinische Untersuchung
- Lymphknotenschwellungen am Hals sind oftmals das erste Symptom eines Hypopharynxkarzinom.
Ergänzende Untersuchungen bei Spezialist*innen
- Laryngoskopie
- Die endgültige Diagnosestellung erfolgt durch die Biopsie und histologische Untersuchung.
- Eine Untersuchung der Stimm- und Schluckfunktion sollte erfolgen.6
- Zur Dokumentation der gestörten Stimmfunktion können eine Videolaryngostroboskopie und eine Textaufnahme dienen.
- Durch eine flexibel-endoskopische Schluckuntersuchung (FEES) lassen sich Schluckstörungen nachweisen.
- Mit Sonografie, MRT und CT können Ausdehnung des Tumors, Lymphknotenbefall und ggf. Fernmetastasen erfasst werden.9-10
- Eine Szintigrafie kann Fernmetastasen aufzeigen.
Indikationen zur Überweisung
- Bei Verdacht auf die Diagnose
Therapie
Therapieziele
- Heilung oder Palliativbehandlung abhängig vom Krankheitsstadium
Allgemeines zur Therapie
- Die Behandlung richtet sich nach der Tumorklassifikation und setzt sich höchst individuell aus Chemotherapie, chirurgischer Entfernung des Tumors sowie Strahlenbehandlung zusammen.11-12
- Ob eine alleinige Strahlen- und Chemotherapie auch ausreichend sein kann, um v. a. den Kehlkopf erhalten zu können, muss ebenfalls individuell entschieden werden.13
Chirurgische Therapie
- Exzision des Tumors (CO2-Laser bei lokalisiertem Tumor)
- Bei größeren Tumoren Hyopharynxteilresektionen bis hin zur Laryngektomie
- Behandlung der Lymphabflusswege mit Neck Dissection14
Weitere Therapie
- Radiotherapie und/oder Chemotherapie
Palliativtherapie
- Schmerzen
- Übelkeit und Erbrechen
- Obstipation
- Maligne Obstruktion
- Mundtrockenheit
- Kachexie und Dehydrierung
- Atembeschwerden
- Depression
- Angst
- Delir
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Regelmäßige Tumornachsorge zum Ausschluss eines Rezidivs oder Metastasen
- Nach Kehlkopfchirurgie ist evtl. eine Sprech- und Schlucktherapie notwendig.
- Ggf. palliativmedizinische Behandlung
Komplikationen
- Rezidivtumoren
- Zweittumoren
- Metastasen
- Schluckstörungen
- Sprechstörungen
- Sensibilitätsstörungen
- Osteoradionekrose
Prognose
- Insgesamt hat sich die Überlebensrate in den letzten Jahren verbessert.5
- Tumorgröße und Lokalisation des Primärtumors im Hypopharynx sind entscheidend für die Prognose.13
- Bei Hypopharynxkarzinomen beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate ca. 41 %, abhängig vom Alter, Stadium des Tumors und Nikotinkonsum.15
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Lindernde Behandlung bei fortgeschrittener maligner Erkrankung
- Palliativmedizin
- Schmerztherapie
- Angst
- Übelkeit und Erbrechen
- Verstopfung
- Mundbeschwerden
- Atembeschwerden
- Gewichtsverlust bei Krebs
- Depression
- Delir
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Larynxkarzinoms. AWMF-Leitlinie Nr. 017-076OL. S3, Stand 2019. www.awmf.org
Literatur
- Kaanders JH. Hypopharynxkarzinom. In: Schmoll HJ, Höffken K, Possinger K. Kompendium Internistische Onkologie. Springer, Berlin, Heidelberg 2006. link.springer.com
- RKI. Zentrum für Krebsregisterdaten. Stand 2017. Zugriff 16.12.2020 www.rki.de
- Carvalho AL, Nishimoto IN, Califano JA, Kowalski LP. Trends in incidence and prognosis for head and neck cancer in the United States: a site-specific analysis of the SEER database. Int J Cancer 2005; 114:806. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
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- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Larynxkarzinoms. AWMF- Leitlinie Nr. 017-076OL. Stand 2019. www.awmf.org
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- Abrahao R, Anantharaman D, Gaborieau V et al (2018) The influence of smoking, age and stage at diagnosis on the survival after larynx, hypopharynx and oral cavity cancers in Europe: The ARCAGE study. Int J Cancer 143:32–44 onlinelibrary.wiley.com
Autor*innen
- Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).