Streptokokken-Infektion des Halses

Zusammenfassung

  • Definition:Entzündung im hinteren Rachenraum und/oder der Tonsillen als Folge einer Infektion mit Gruppe-A-Streptokokken (GAS).
  • Häufigkeit:Häufig vorkommende Erkrankung. Allerdings werden die meisten Halsentzündungen durch Viren verursacht.
  • Symptome:Die Erkrankung äußert sich typischerweise durch Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und Fieber (38–40 °C), Erkältungssymptome fehlen jedoch.
  • Befunde:Klinisch sind stark gerötete Tonsillen, häufig zusammen mit Belägen und vergrößerten/empfindlichen Halslymphknoten erkennbar.
  • Diagnostik:Klinische Diagnostik, ggf. Erregernachweis via Schnelltest oder Rachenabstrich.
  • Therapie:Symptomatisch, ggf. Antibiotika (Penicillin).

Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1

Allgemeine Informationen

Definition

  • Infektion des hinteren Rachenraums und/oder der Tonsillen als Folge einer Infektion mit beta-hämolysierenden Streptokokken aus der Gruppe A (GAS oder GABHS), also Streptococcus pyogenes.2

Häufigkeit

  • In etwa 2/3 der Fälle wird eine Pharyngotonsillitis durch Viren in den Atemwegen verursacht (Rhinovirus, Adeno-, Influenza-, Corona-Enteroviren).3
  • Haupterreger der akuten bakteriellen Tonsillitis ist Streptococcus pyogenes.3
  • S. pyogenes ist für 15–30 % der akuten Tonsillitiden im Kindesalter und für 5–10 % der akuten Tonsillitiden im Erwachsenenalter verantwortlich.2
  • Die Anzahl der akuten Streptokokken-Pharyngitiden in Deutschland wird auf 1–1,5 Mio. pro Jahr geschätzt.4
    • Die Mehrzahl der Infektionen tritt im Winter und Frühjahr auf.

Ätiologie und Pathogenese

  • Eine Streptokokken-Infektion kann eine lokale eitrige Entzündung des Rachens hervorrufen, bei manchen Patient*innen liegt jedoch auch eine asymptomatische Besiedlung vor.
    • Die Prävalenz von asymptomatischen GAS-Träger*innen in OECD-Ländern über alle Altersgruppen verteilt liegt bei etwa 7,5 %.5

Übertragungsarten

  • Tröpfcheninfektion durch Erkrankte oder asymptomatische Keimträger
  • Autoinfektion über Mund/Rachenflora
  • Keimträger können Tiere oder Gebrauchsgegenstände (Zahnbürsten etc.) sein.
  • Die Ansteckung kann auch über kontaminierte Nahrungsmittel oder Milchprodukte erfolgen.
  • Die Inkubationszeit beträgt 1–3 Tage.4
  • Ansteckungsdauer: ohne antibiotische Therapie bis zu 3 Wochen Kontagiosität, mit adäquater Antibiose 24 Stunden nach Beginn der Einnahme.4

Prädisponierende Faktoren

  • Kinder und Jugendliche sind besonders gefährdet, am meisten im Winter und im Frühling.
  • Es besteht ein hohes Ansteckungsrisiko durch enges Zusammenleben innerhalb der Familie, im Kindergarten oder in der Schule.
    • Besonders in Familien mit Kindern besteht ein erhöhtes Risiko, dass weitere im Haushalt lebende Familienmitglieder an der Streptokokken-Infektion erkranken.6
    • Die Erkrankung kann als Epidemie in Schulen und Gemeinschaftseinrichtungen auftreten.

ICPC-2

  • R72 Streptokokkeninfekt Hals

ICD-10

  • A49 Bakterielle Infektion nicht näher bezeichneter Lokalisation
    • A49.1 Streptokokkeninfektion nicht näher bezeichneter Lokalisation
  • J02 Akute Pharyngitis
    • J02.0 Streptokokken-Pharyngitis
  • J03.0 Streptokokken-Tonsillitis

Differenzialdiagnose

  • Virale Pharyngotonsillitis
  • Scharlach
    • schwere, fieberhafte Allgemeinerkrankung als Immunantwort auf die pyrogenen Streptokokken-Exotoxine
    • Die Tonsillen und ihre Umgebung sind stark vereitert.
    • Feinfleckiges, konfluierendes Erythem, das sich durch Druck abbleichen lässt, periorale Blässe und Himbeerzunge (Papillenhypertrophie) in unterschiedlicher Ausprägung.
  • Mononukleose: häufig konfluierende Beläge auf den Tonsillen, allgemeine Lymphknotenschwellung, langanhaltende und ausgeprägte körperliche Schwäche
  • Bakterielle Pharyngotonsillitis, nicht GAS-verursacht (z. B. Gonokkoken)
  • Diphtherie: Festhaftende, spinnennetzartige, gräuliche Beläge, die bei dem Versuch, sie zu beseitigen, zu bluten beginnen.
  • Angina Plaut-Vincent
    • einseitige ulzeröse Tonsillitis mit wenigen allgemeinen Symptomen (graugrüner Belag)
    • normale Temperatur, selten bei Kindern
  • Das Lemierre-Syndrom ist eine sehr seltene oropharyngeal-abszedierende Infektion mit Thrombose der Vena jugularis interna und septischen Thromboembolien.
    • Typische Auslöser sind anaerobe Bakterien, z. B.  Fusobacterium necrophorum
  • Bei einseitiger Tonsillitis

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Ziel der Diagnostik ist es, die Patient*innen zu identifizieren, die von einer Antibiotikatherapie profitieren, um einerseits abwendbar gefährliche Verläufe sowie andererseits Nebenwirkungen unnötiger antibiotischer Therapien zu vermeiden.2
  • Der Nachweis (oder Ausschluss) einer Tonsillopharyngitis durch Streptokokken ist weder durch klinische Zeichen noch durch eine Kombination mit Scoring-Systemen mit ausreichender Sicherheit möglich.7
  • Zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit einer bakteriellen Tonsillitis empfiehlt die DEGAM den McIsaac-Score (Patient*innen 3–14 Jahre) oder den Centor-Score (Patient*innen > 14 Jahre) oder den FeverPAIN-Score.3
    • Cave: Die DEGAM weist darauf hin, dass es aufgrund der mäßigen Vorhersagekraft dieser Scoring-Systeme bis heute erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Empfehlungen zur Anwendung dieser Scores in den internationalen Leitlinien gibt.3

Anamnese

Klinische Untersuchung

  • Inspektion des Rachenraumes
    Pos_strep.JPG
    Streptokokkeninfektion
    • Farbe und Größe der Rachenmandel, Beläge, Ulzerationen
    • Häufig treten Petechien am Gaumenbogen auf.
    • Eine zur Gegenseite verdrängte Uvula weist auf einen Peritonsillarabszess hin.
  • Die Lymphknoten können vergrößert sein.
  • Es kann ein ausgeprägter Foetor ex ore bestehen.
  • Fieber, reduzierter Allgemeinzustand

Scores2-3

  • Nur Entscheidungshilfen, keine sichere Diagnose möglich
  • Cave: bei komplizierenden Befunden nicht anwendbar (s. u.)!
  • Centor-Score (Patient*innen > 14 Jahre): 1 Punkt für jede positive Antwort
    • Fehlen von Husten
    • Fieber > 38 °C (auch anamnestisch) 
    • stark geschwollene und belegte Tonsillen (Exsudate)
    • geschwollene und schmerzhafte vordere Halslymphknoten
  • McIsaac-Score (Patient*innen 3–14 Jahre): erweiterte Form des Centor-Scores, der zusätzlich nach dem Alter fragt.
    • unter 15 Jahren: + 1 Punkt 
    • über 45 Jahren: – 1 Punkt
  • FeverPAIN-Score: 1 Punkt für jede positive Antwort
    • Fieber während der letzten 24 Stunden
    • belegte Tonsillen
    • Arztbesuch in den letzten 3 Tagen nach Symptombeginn
    • stark gerötete Tonsillen
    • kein Husten oder akute Rhinitis
  • Auswertung – Centor-Score, Mc-Isaac-Score, FeverPAIN-Score:3
    • bei 3 Punkten mittleres Risiko für den Nachweis von Streptokokken im Rachenabstrich
    • bei 4 bzw. 4–5 Punkten höheres Risiko für den Nachweis von Streptokokken im Rachenabstrich.

Komplizierende Befunde/Red Flags

  • Bei folgenden Konstellationen sind die o. g. Scores nicht anwendbar, und es sollte eine individuelle Diagnostik und Therapiestrategie verfolgt werden: 
    • Alter < 3 Jahre
    • typisches Scharlach-Exanthem
    • V. a. infektiöse Mononukleose
    • Infektion mit anderem Fokus (Pneumonie, Bronchitis usw.)
    • anamnestisch erhöhtes Risiko für akutes rheumatisches Fieber
      • z. B. Herkunft aus einem Risikogebiet
    • typische Konditionen mit schwerer Immunsuppression
      • z. B. AIDS oder Z. n. Transplantation.

Ergänzende Untersuchungen 

DEGAM-Leitlinie: Schnelltest auf Gruppe-A-Streptokokken (GAS)3

  • Es findet sich nicht genug Evidenz für die regelhafte Anwendung von GAS-Schnelltests in einem hausärztlichen Kollektiv von Patient*innen (Alter ≥ 15 Jahren) mit V. a. akute bakterielle Tonsillopharyngitis.
  • Es finden sich keine belastbaren Nachweise für klinische Vorteile wie Beschwerdedauer oder eine verbesserte Rate an Wiedervorstellungen und Komplikationen.
  • Bei Patient*innen < 15 Jahren mit mittlerer bis hoher klinischer Wahrscheinlichkeit für eine Streptokokken-Tonsillopharyngitis erscheint die Anwendung von Schnelltests sinnvoll, um bei negativem Schnelltestergebnis bei einer zusätzlichen Anzahl von Kindern auf eine unnötige antibiotische Therapie verzichten zu können.
    • Bei Kindern und Jugendlichen (Alter ≤ 15 Jahren) mit akuten Halsschmerzen ohne „Red Flags" sollte bei einem negativen Schnelltestergebnis für Gruppe-A-Streptokokken auf eine antibiotische Therapie verzichtet werden.
  • Aufgrund der Spezifität von 95 % (Falsch-positiv-Rate von 5 %) sollte bei geringem klinischem Risiko auf einen Schnelltest auch bei Kindern in jedem Fall verzichtet werden.

Weitere Diagnostik 

  • Ggf. Kulturanzüchtung zur Resistenztestung bei frustraner antibiotischer Therapie
  • Auch für Viren gibt es spezielle molekulargenetische Nachweise, die klinisch aber nicht von Bedeutung sind.
    • Ein Mononukleose-Schnelltest kann indiziert sein, sollte aber ggf. durch eine erregerspezifische Serologie und/oder einen Erregernachweis verifiziert werden, da der Schnelltest nicht zwischen einer akuten tonsillären Infektion oder einer EBV-Reaktivierung unterscheiden kann.
  • Bei unklaren Krankheitsbildern kann ein erweitertes Blutbild indiziert sein: z. B. HbCRPBSG (die Entzündungsparameter haben einen geringen diagnostischen und prognostischen Wert).
    • Bei einer Mononukleose findet sich eher eine Lymphozytose mit atypischen, reaktiven Lymphozyten.
  • Streptokokken-Antikörpertiter (z. B. Antistreptolysin-Titer) sollten bei akuter Tonsillitis nicht bestimmt werden.2
  • Es sollten keine routinemäßigen Kontrollen des Rachenabstrichs nach Streptokokkeninfektion durchgeführt werden, auch eine routinemäßige kardiologische Diagnostik ist nicht notwendig.2
  • Siehe auch das Video TrainAMed Rachenabstrich (Uni Freiburg).

Indikationen zur Klinikeinweisung/Überweisung

Einweisung

  • Verdacht auf Diphtherie
  • Peritonsillarabszess (ggf. auch ambulant durch HNO-Fachärzt*in behandelbar)
  • Schlechter Allgemeinzustand mit mangelnder Nahrungsaufnahme
  • Dyspnoe, Stridor oder andere Hinweise auf eine Verlegung der Atemwege
    • je nach Schweregrad ggf. mit notärztlicher Begleitung

Überweisung zur HNO-Praxis

  • Klärung der Indikation für eine Tonsillektomie 
  • Ggf. zur ambulanten Behandlung eines Peritonsillarabszesses

Checkliste zur Überweisung

Tonsillitis

  • Zweck der Überweisung
    • Diagnose? Einschätzung einer Operation? Sonstiges?
  • Anamnese
    • Seit wann besteht die Erkrankung? Verlauf? Rezidivierend: wie oft? Episoden mit Peritonsillarabszess?
    • Schluckbeschwerden? Essschwierigkeiten? Schlafprobleme? Besondere Bedingungen, die eine Überweisung erforderlich machen?
    • Andere Erkrankungen von Bedeutung? Regelmäßige oder gegenwärtige Einnahme von Medikamenten?
    • Konsequenzen?
  • Klinische Untersuchung
  • Ergänzende Untersuchungen

Therapie

Therapieziele

  • Symptome lindern.
  • Ansteckungsgefahr mindern.
  • Krankheitsverlauf verkürzen.
  • Komplikationen verhindern, Prävention.8

Allgemeines zur Therapie

  • Der Spontanverlauf einer Tonsillitis ist in den meisten Fällen günstig.
    • Bei Erwachsenen liegt die Selbstheilungsrate am Tag 3 bei ca. 40 % und am 7. Tag bei ca. 85 %.9
  • Der Effekt einer Antibiotikatherapie auf eine Tonsillitis ist nur schwach ausgeprägt: Der durchschnittliche Unterschied zwischen Antibiotika- und Placebobehandlung beträgt bezüglich Reduktion der Symptome 16 Stunden.9
  • Rheumatisches Fieber ist in den westlichen Industrieländern mittlerweile so selten, dass die Gefahr von schweren Komplikationen durch den Einsatz von Antibiotika größer ist als das Risiko für rheumatisches Fieber.
  • Es gibt keinen gesicherten Nachweis dafür, dass eine Penicillin-Behandlung einer Glomerulonephritis vorbeugt.9
  • Um eine Überversorgung von Patient*innen mit Halsschmerzen zu verhindern, hat die DEGAM eine Entscheidungshilfe zur Therapiefindung entwickelt.3

DEGAM-Leitlinie: Therapiefindung bei Halsschmerzen3

Kategorisierung der Patient*innen

  • Alle Patient*innen in der Hausarztpraxis können einer dieser 4 Gruppen zugeordnet werden:
    1. Patient*innen mit geringer Wahrscheinlichkeit für eine durch Streptokokken bedingte Tonsillopharyngitis (Centor- bzw. McIsaac-Score ≤ 2 Punkte)
    2. Patient*innen mit intermediärer Wahrscheinlichkeit für eine durch Streptokokken bedingte Tonsillopharyngitis (Centor- bzw. McIsaac-Score 3 Punkte)
    3. Patient*innen mit höherer Wahrscheinlichkeit für eine durch Streptokokken bedingte Tonsillopharyngitis (Centor-Score 4 Punkte, McIsaac-Score 4–5 Punkte)
    4. Patient*innen, bei denen die Scores nicht anwendbar sind (siehe Abschnitt Komplizierende Befunde).

Empfohlene Therapie

Delayed Prescribing

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
  • Verschreibungsstrategie, bei der infolge von Verschlechterung oder Persistenz der Symptome über einen zuvor bestimmten Zeitraum (in der Regel 3–5 Tage) ein Rezept für ein Antibiotikum eingelöst wird.
  • Zwei gängige Modelle werden regelhaft eingesetzt: 
    • Das Rezept wird ausgestellt, verbleibt aber in der Praxis und kann von den Patient*innen bei o. g. Verlauf abgeholt werden – oder –
    • den Patient*innen wird das Rezept bereits bei der Konsultation mitgegeben.

Beratung

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
  • Bei allen Patient*innen (Alter ≥ 3 Jahre) mit akuten Halsschmerzen (< 14 Tagen Dauer) ohne Red Flags sollte eine Beratung zu folgenden Punkten erfolgen:
    • voraussichtlicher Verlauf: selbstlimitierend, Beschwerdedauer ca. 1 Woche
    • das geringe Risiko für behandlungsnotwendige suppurative (eitrige) Komplikationen
    • Selbstmanagement (z. B. Flüssigkeit, körperliche Schonung, andere nichtmedikamentöse Maßnahmen)
    • die geschätzte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer bakteriellen Tonsillopharyngitis auf Basis von Anamnese und Befunderhebung
    • Vor- und Nachteile einer antibiotischen Therapie
      • Symptomverkürzung von durchschnittlich 16 Stunden
      • hohe Number Needed to Treat von ca. 200 zur Vermeidung einer suppurativen Komplikation
      • ca. 10 % unerwünschte Arzneimittelwirkungen (Diarrhöen, Anaphylaxie, Mykosen) bei Antibiotikagabe
  • Auf Nachfrage der Patient*innen
    • Die geschätzte Inzidenz des akuten rheumatischen Fiebers (ARF) und der akuten postinfektiösen Glomerulonephritis (ASPGN) in Deutschland ist sehr gering. Weder das ARF noch eine ASPGN können durch eine antibiotische Therapie nachweislich verhindert werden.

Symptomatische Therapie

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
  • Als Lokaltherapeutika können sowohl nichtmedikamentöse Lutschtabletten als auch medikamentöse Lutschtabletten, die Lokalanästhetika und/oder nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) enthalten, mit dem Ziel der Symptomlinderung empfohlen werden.
  • Das Lutschen von medizinischen Lutschtabletten mit Lokalantiseptika und/oder Antibiotika zur lokalen Schmerzlinderung soll nicht empfohlen werden.
  • Zur kurzzeitigen symptomatischen Therapie von Halsschmerzen können Ibuprofen oder Naproxen angeboten werden.
  • Kortikosteroide sollen laut DEGAM-Leitlinie nicht zur analgetischen Therapie bei Halsschmerzen genutzt werden.
    • Nach Einschätzung einer Auswertung durch das British Medical Journal besteht allerdings eine schwache Evidenz für den Nutzen einer einmaligen oralen Gabe bei akuten Halsschmerzen.10
      • Die Schmerzdauer kann damit im Durchschnitt um 1 Tag verkürzt werden, mit Nebenwirkungen ist bei einmaliger Gabe in der Regel nicht zu rechnen.
      • empfohlene Dosis: 10 mg Dexamethason (oder äquivante Dosis eines alternativen Glukokortikoids) für Erwachsene
  • Für naturheilkundliche Präparate oder Homöopathika zur Behandlung von Halsschmerzen gibt es keinen gesicherten Wirkungsnachweis aus kontrollierten Studien.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Kalte Getränke können Linderung bewirken.
  • Ausruhen.
  • Rauchen reduzieren/stoppen.

Antibiotische Therapie

  • Falls im Rahmen der Therapiefindung die Entscheidung zur Antibiotikatherapie fällt, sollte auf u. g. Präparate zurückgegriffen werden.
  • Während die Leitlinie der DEGAM und die abgelaufene Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (HNO) bei Penicillin V als Therapie der Wahl übereinstimmen, gibt es im Vergleich mit der inzwischen abgelaufenen Leitlinie der HNO-Ärzt*innen nun neue Empfehlungen bezüglich der Dauer (5–7 vs. 7 Tage), der Dosierung bei Kindern sowie der Therapie bei einer möglichen Penicillinunverträglichkeit (Erythromycin wegen der schlechten Verfügbarkeit nicht mehr empfohlen).2-3

DEGAM-Leitlinie: Antibiotische Therapie bei Halsschmerzen3

  • Patient*innen ab 16 Jahren
    • Penicillin V 0,8–1,0 Mio IE in 3 Einzeldosen p. o. für 5–7 Tage
    • bei Penicillin-Unverträglichkeit: z. B. Clarithromycin 250 mg bis 500 mg in 2 Einzeldosen p. o. für 5 Tage
  • Patient*innen 3–15 Jahre
    • Penicillin V 0,05–0,1 Mio. IE/kgKG/d in 3 Einzeldosen p. o. für 5–7 Tage
    • bei Penicillin-Unverträglichkeit: z. B. Clarithromycin 15 mg/kgKG/d in 2 Einzeldosen p. o. für 5 Tage
  • Eine Erregereradikation als Ziel der antibiotischen Behandlung einer bakteriellen Tonsillopharyngitis sollte nur bei einem erhöhten individuellen Risiko für Komplikationen (z. B. schwere Immunsuppression) angestrebt werden.
    • Die Einnahmedauer beträgt in diesem Fall 10 Tage (Wirkstoff: Penicillin V oder Clarithromycin).
  • Wenn eine antibiotische Therapie zur Behandlung einer bakteriellen Tonsillopharyngitis nach 3–4 Tagen keine Wirkung zeigt, kann sie (nach ärztlicher Reevaluation und unter Beachtung von Differenzialdiagnosen) beendet werden, um das Risiko für Resistenzentwicklungen und unerwünschte Nebenwirkungen zu minimieren.

Weitere Therapien

  • Bei einer Mononukleose besteht die Behandlung aus körperlicher Schonung, ausreichender Flüssigkeitszufuhr, Analgesie und fiebersenkenden Maßnahmen.
  • Insbesondere Ampicillin sollte nicht eingesetzt werden, da es zu einem Arzneimittelexanthem (ca. 90 %) kommen kann.

Tonsillektomie oder Tonsillotomie

  • Tonsillektomie (TE): vollständige Entfernung der Gaumenmandeln 
  • Tonsillotomie: Reduzierung des Volumens der Gaumenmandeln durch partielle Tonsillektomie durch chirurgische Instrumente (Schere, monopolare Nadel), Laser oder Radiofrequenzgerät
  • Die Tonsillotomie zeichnet sich im Vergleich zur Tonsillektomie durch eine erheblich geringere postoperative Morbidität und Rate an Blutungskomplikationen aus.2
  • DEGAM- und die abgelaufene HNO-Leitlinie (beide kursiv) unterscheiden sich in der Definition einer relevanten Episode, ansonsten decken sich die Empfehlungen.2-3

Leitlinie: Indikationsstellung Tonsillektomie2-3

  • Bei Patient*innen (Alter ≥ 3 Jahre) mit rezidivierenden infektbedingten Halsschmerzen, bei denen eine (Teil- )Entfernung der Tonsillen als therapeutische Option erwogen wird, wird eine Beurteilung der möglichst ärztlich dokumentierten und therapierten Episoden in den letzten 12 Monaten empfohlen.
  • Eine Episode definiert sich als infektbedingte Halsschmerzen mit ärztlich dokumentierten:
  • DEGAM-Kriterien
    • Fieber > 38,3 ºC (oral) – oder –
    • Tonsillenexsudat – oder –
    • neu aufgetretener, schmerzhafter, zervikaler Lymphknotenschwellung – oder –
    • Streptokokken-Nachweis im Abstrich
  • HNO-Kriterium
    • mit Antibiotika therapierte eitrige Tonsillitis.
  • < 3 Episoden: Tonsillektomie ist keine Option!
  • 3–5 Episoden: Tonsillektomie ist eine mögliche Option, wenn sich innerhalb der nächsten 6 Monate weitere Episoden ereignen sollten und die Zahl 6 erreicht wird.
  • 6 Episoden und mehr: Tonsillektomie ist eine therapeutische Option.

Prävention 

  • Tröpfcheninfektion: Engen Kontakt mit erkrankten Personen vermeiden, keine Getränkeflaschen und Ähnliches teilen, regelmäßig Hände waschen.
  • Bei Infektion mit GAS-Streptokokken gilt für Kontaktpersonen:4
    • Bei Kontakt zu unkompliziert Erkrankten sind keine speziellen Maßnahmen erforderlich.
    • Kontaktpersonen sollten lediglich über das Infektionsrisiko und die Symptomatik einer GAS-Infektion oder von Scharlach aufgeklärt werden, damit sie im Krankheitsfall rechtzeitig ärztliche Hilfe suchen und behandelt werden können.
    • Bei Patient*innen mit Z. n. rheumatischem Fieber sollte im Falle eines Krankheitsverdachts einer GAS-Infektion in der Familie bei allen Familienmitgliedern ein Rachenabstrich durchgeführt werden und bei positivem Nachweis von Streptokokken der Gruppe A eine antibiotische Therapie eingeleitet werden.

Meldepflicht

  • In Deutschland besteht keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht gemäß IfSG für Erkrankungen durch S. pyogenes.4
  • Scharlach ist in einigen Bundesländern (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) meldepflichtig.
  • Gehäuft auftretende Streptokokken-Infektionen sind nach § 6 (1) 5 b IfSG (Infektionsschutzgesetz) unverzüglich an das zuständige Gesundheitsamt zu melden.
  • Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen kann bei einer Antibiotikatherapie und ohne Krankheitszeichen ab dem 2. Tag erfolgen, ansonsten nach Abklingen der Krankheitssymptome. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich.4
    • Ohne geeignete antibiotische Therapie kann bei Infektion mit S. pyogenes, insbesondere bei kleinen Kindern, eine Erregerausscheidung über mehrere Wochen bis Monate erfolgen. Sofern bei den Betroffenen keine antibiotische Therapie erfolgt, ist eine Wiederzulassung daher frühestens 2 Wochen nach Abklingen der spezifischen Symptome angezeigt.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Infektionen des Rachens sind meist selbstlimitierend, Komplikationen sind selten und die Symptome meistens leicht bis mäßig.9 
  • Bei ausbleibender Besserung oder bei Verschlechterung innerhalb von 3–5 Tagen (Therapieversagen) sollte die Therapie nochmal überdacht werden.

Komplikationen

Prognose

  • In den meisten Fällen verläuft eine Streptokokken-Infektion des Halses ohne Komplikationen und Spätfolgen.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Auf eine antibiotische Therapie kann in vielen Fällen verzichtet werden.
  • Die Patient*innen sollten bei Verschlimmerung oder Therapieversagen ärztliche Hilfe suchen.

Patienteninformationen in Deximed

Video

Illustrationen

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Streptokokken-Infektion

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010. S3, Stand 2020. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024. S2k, Stand 2015. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie. Rheumatisches Fieber – Poststreptokokkenarthritis im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 023-027. S2k, Stand 2012 (in Überarbeitung). www.awmf.org

Literatur

  1. Lohnstein M, Eras J, Hammerbacher C. Der Prüfungsguide Allgemeinmedizin - Aktualisierte und erweiterte 3. Auflage. Augsburg: Wißner-Verlag, 2018.
  2. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln / Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024, Stand 2015 www.awmf.org
  3. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010, Stand 2020. www.awmf.org
  4. Robert Koch Institut. RKI-Ratgeber: Streptococcus pyogenes-Infektion. Berlin, 2018 www.rki.de
  5. Oliver J, Wadu EM, Pierse N et al. Group A Streptococcus pharyngitis and pharyngeal carriage: A meta-analysis. PLoS Negl Trop Dis 2018. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Lindbaek M, Hoiby EA, Lermark G, Steinsholt IM, Hjortdahl P. Predictors for spread of clinical group A streptococcal tonsillitis within the household. Scand J Prim Health Care 2004; 22: 239-43. PubMed
  7. Shaikh N, Swaminathan N, Hooper EG. Accuracy and precision of the signs and symptoms of streptococcal pharyngitis in children: a systematic review. J Pediatr 2012; 160: 487-93. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Zwart S, Rovers MM, de Melker RA, et al. Penicillin for acute sore throat in children: randomised, double blind trial. BMJ 2003; 327: 1324-7. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Spinks A, Glasziou PP, Del Mar CB. Antibiotics for sore throat. The Cochrane database of systematic reviews 2013; 11:CD000023 www.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Aertgeerts B, Agoritsas T, Siemieniuk RAC, et al. Corticosteroids for sore throat: a clinical practice guideline. BMJ 2017; 358: 4090. www.bmj.com
  11. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie. Rheumatisches Fieber - Poststreptokokkenarthritis im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 023-027, Stand 2012 (in Überarbeitung). www.kinderkardiologie.org

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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