Zusammenfassung
- Definition:Ganzjährig auftretende, nichtallergisch sowie nichtinfektbedingte Rhinitis weitgehend unklarer Ätiologie. Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose.
- Häufigkeit:Die vasomotorische Rhinitis ist die häufigste Form der nicht-allergischen Rhinitis.
- Symptome:Eine unterschiedlich stark verstopfte Nase und teilweise reichlich flüssiges Sekret. Niesen, Jucken in der Nase und konjunktivale Irritation treten seltener auf.
- Befunde:Meist unauffälliger Schleimhautbefund. Es können jedoch Schwellungen und Rötungen auftreten; ggf. vermehrte Gefäßzeichnung der Schleimhaut und Schwellung von Adenoiden.
- Diagnostik:Es gibt keine spezifischen Tests, um eine vasomotorische Rhinitis zu diagnostizieren. Eine allergologische Untersuchung mittels Prick-Test und/oder Bestimmung von IgE Antikörpern kann in Erwägung gezogen werden, um eine allergische Rhinitis auszuschließen.
- Therapie:Auslösende Faktoren meiden. Symptomatische Behandlung mit lokalen Glukokortikoiden, Anticholinergika, Sympathomimetika oder Antihistaminika. Operative Therapie.
Allgemeine Informationen
Definition
- Die vasomotorische Rhinitis ist die häufigste Form der nichtallergischen Rhinitis.1-2
- Symptomkomplex aus verstopfter Nase und/oder vermehrter Flüssigkeitssekretion ohne Bezug zu spezifischen Antigenen oder Infekten.1-3
- Die Symptome von allergischer und nichtallergischer Rhinitis sind sehr ähnlich, die Ätiologie ist jedoch unterschiedlich.4-5
- Typisch sind eine wechselnde Schwellung der Nasenschleimhaut, eine verstopfte Nase und teilweise reichlich flüssiges Sekret. Niesen, Jucken in der Nase und konjunktivale Irritation treten seltener auf.
- Die vasomotorische Rhinitis ist eine Ausschlussdiagnose und kann sporadisch oder auch ganzjährig auftreten.6
Häufigkeit
- Es gibt nur wenige verlässliche Angaben über Inzidenz oder Prävalenz.7
- In den USA wird die Prävalenz für die nichtallergische Rhinitis mit 17 Mio. veranschlagt.8
- Bei etwa 71 % der Fälle einer nichtallergischen Rhinitis, handelt es sich um eine vasomotorische Rhinitis.
- Die Prävalenz der vasomotorischen Rhinitis liegt bei etwa 320 Mio. Menschen weltweit.2
- Sie betrifft vor allem Frauen.7
- Tritt in allen Altersgruppen auf.
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie
- Die vasomotorische Rhinitis gehört zu der Gruppe der nicht-allergischen Rhinitis.
- Es ist wenig über die Ursachen der vasomotorischen Rhinitis bekannt.9
- Bei einigen Patient*innen scheint eine starke, unspezifische Reaktion auf Triggerfaktoren wie Veränderungen von Lufttemperatur, -druck und -feuchtigkeit sowie auf starke Gerüche, Alkohol, scharfes Essen, Rauch oder Staub o. Ä. vorzuliegen.1,6
Pathogenese
- Die vasomotorische Rhinitis wird mit einer Fehlregulation von sympathischen, parasympathischen und nozizeptiven Nervenfasern der Nasenschleimhaut in Zusammenhang gebracht.1,10-11
- Der Parasympathikus reguliert die Schleimsekretion.
- Der Sympathikus reguliert den Gefäßtonus.
- Nozizeptive Fasern tragen zur Degranulation von Mastzellen sowie zu Juck- und Niesreflex bei.
- Ein Ungleichgewicht zwischen den Neurotransmittern führt zu verstärkter Gefäßpermeabilität und Schleimsekretion.1,12-13
- Vasomotorische nasale Reaktionen bei Emotionen und sexueller Erregung können auch auf eine autonome Stimulierung zurückgeführt werden.14
- Aufgrund eines erhöhten Parasympathikus-Tonus beim Schlafen sind die Symptome morgens häufig am stärksten.
Verschiedene Typen nichtallergischer Rhinitis5
- Medikamenteninduziert
- Gustatorisch, ausgelöst durch Geschmackssinn
- Hormonell
- Infektiös
- Nichtallergische Rhinitis mit eosinophilem Syndrom
- Berufsbedingt
- Vasomotorisch
Disponierende Faktoren
- Medikamente
- Antibiotika, Psychopharmaka, Antihypertensiva, nichtselektive Betablocker, Histamin, bestimmte Prostaglandine, Jod und Acetylsalicylsäure
- Konservierungsmittel
- Benzoesäurederivate, Farbstoffe, Tartrazin
- Alkoholkonsum
- Schwangerschaft
- Hypothyreoidismus
- Auslösende Faktoren können emotionaler Stress, Temperaturveränderungen, Änderungen der Körperposition und feuchtes Wetter sein.
ICPC-2
- R97 Heuschnupfen
ICD-10
- J30 Vasomotorische und allergische Rhinopathie
- J30.0 Rhinopathia vasomotorica
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Typische Anamnese
- Die Symptome einer vasomotorischen Rhinitis unterscheiden sich nicht von anderen Formen der Rhinitis.9
- Klinische Untersuchung: Schwellung der Nasenschleimhaut, klares, wässriges Sekret, vermehrte Gefäßzeichnung, ggf. Schwellung von Adenoiden1
- Bei der vasomotorischen Rhinitis handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose.1,6
- Ausschluss einer allergischen Rhinitis mittels Prick-Test, Bestimmung von IgE Antiköpern und nasalen Provokationstests
- Zytologie von Nasensekret zum Ausschluss einer nichtallergischen Rhinitis mit eosinophilem Syndrom
- Verlässliche diagnostische Methoden, um zwischen allergischer und nichtallergischer Rhinitis zu unterscheiden, fehlen.4,15
Differenzialdiagnosen
- Erkältung
- Allergische Rhinitis
- Wird durch die Exposition gegenüber Allergenen ausgelöst und verursacht Nasenjucken, klare Rhinorrhö und eine verstopfte Nase als Folge einer Entzündung in der Nasenschleimhaut.4
- Nichtallergische Rhinitis mit eosinophilem Syndrom1
- Hormonell bedingte Rhinitis
- Gustatorische Rhinitis
- Berufsbedingte Rhinitis
- Hypertrophische Rhinitis4
- Atrophische Rhinitis
- Rhinitis medicamentosa
- aufgrund eines langen Gebrauchs von Nasentropfen
- Fremdkörper in der Nase bei Kindern
- Acetylsalicylsäure-Triade
Anamnese
- Patient*innen mit vasomotorischer Rhinitis können in 2 Gruppen eingeteilt werden:5
- „feuchte" Rhinitis: vermehrte Sekretion
- „Trockene" Rhinitis: Patient*innen, die vor allem unter einer verstopften Nase mit schlechter Luftpassage, aber minimaler Rhinorrhö leiden.
- Ganzjährige Symptomatik
- Zeitweise verstärkte Symptomatik durch:16
- bestimmte Gerüche wie Parfum, Zigarettenrauch, Farbgeruch, Druckerschwärze
- Alkohol
- gewürztes Essen
- Emotionen
- Umweltfaktoren wie Änderungen von Temperatur, Luftdruck- und Feuchtigkeit sowie helles Licht.
Klinische Untersuchung
- Meist unauffälliger Schleimhautbefund10
- Häufig auch Schwellung der Nasenschleimhaut, klares, wässriges Sekret, vermehrte Gefäßzeichnung, ggf. Schwellung von Adenoiden1
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Es gibt keine spezifischen Tests, um eine vasomotorische Rhinitis zu diagnostizieren.
- Tests wie nasale Zytologie, Gesamt-IgE, Anzahl der Eosinophilen im peripheren Blut haben eine geringe Sensitivität und Spezifität.5
- Allergologische Untersuchungen können zum Ausschluss einer allergischen Rhinitis dennoch in Erwägung gezogen werden.17-18
- Das Gesamt-IgE sollte im Normbereich liegen.
- ggf. Haut-Prick-Test
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Bildgebende Verfahren haben nur geringen Wert. Wenn notwendig (z. B. bei Verdacht auf Rhinosinusitis), kann eine Computertomografie in Erwägung gezogen werden.1
- Eine nasale Endoskopie ist selten notwendig.9
Therapie
Therapieziel
- Symptomlinderung
Allgemeines zur Therapie
- Therapieoptionen
- Exposition gegenüber Reizstoffen meiden.
- Pharmakotherapie
- operative Eingriffe
- Die evtl. Medikamentenwahl hängt von den Symptomen der Patient*innen ab.
Empfehlungen für Patient*innen
- Auslösende Faktoren vermeiden.
- Medikamente, Staub, Zigarettenrauch, Parfum, Bleichmittel, Formaldehyd, Zeitungen oder anderen Dinge, die Druckerschwärze absondern, Autoabgase, Lichtreize, Temperaturänderungen, warmes und stark gewürztes Essen.4
- Körperliches Training
- Kann zusätzliche Wirkung zeigen, weil es den Atemwegswiderstand verringert und über Alpha-1-adrenerg-vermittelte Mechanismen zu einem natürlichen Abschwellen der Schleimhaut beiträgt.16
Medikamentöse Therapie
- Intranasale Glukokortikoide1,15
- Indikation
- 1. Wahl, insbesondere bei vorwiegend obstruktiven Beschwerden
- Wirkung
- verringerte Chemotaxis von neutrophilen und eosinophilen Granulozyten, reduzierte Mastzelldegranulation, abschwellende und antientzündliche Wirkung
- Nebenwirkungen
- trockene Nasenschleimhaut
- Medikamente
- Fluticasonpropionat, Beclometason
- Budesonid auch für Schwangere geeignet
- Indikation
-
- Indikation
- insbesondere bei anhaltender Rhinorrhö
- Wirkung
- Hemmung des Parasympathikus im Bereich der Nasenschleimhaut
- Nebenwirkungen
- Nasenbluten, trockene Nasenschleimhaut
- Medikamente
- Ipratropiumbromid; auch für Schwangere und Kinder ab 6 Jahren geeignet
-
Intranasale Antihistaminika1
- Indikation
- sowohl bei Rhinorrhö, als auch bei obstruktiver Symptomatik
- Wirkung
- H1-Rezeptor-Antagonisten, inhibieren zudem Synthese von Cytokinen und Leukotrienen.
- Medikamente
- Azelastin
- Schleimhautabschwellende Medikamente1
- Wirkung
- Stimulation von adrenergen Rezeptoren und dadurch bedingte Vasokonstriktion führt zum Rückgang von Schwellung und Sekretion.
- Nebenwirkungen
- Langfristiger Gebrauch kann zu reflektorischer Vasodilatation und verstärkter Obstruktion führen (Rhinitis medicamentosa).
- Wirkung
- Spray oder Spülung mit physiologischem Salzwasser10
- keine relevanten Nebenwirkungen
- Orale Antihistaminika
- begrenzter therapeutischer Nutzen bei vasomotorischer Rhinitis
Weitere Behandlungsmöglichkeiten
- Intranasale Applikation von Capsaicin1
- Indikation
- ergänzende Therapieoption bei Rhinorrhö und obstruktiver Symptomatik
- Wirkung
- Modulation von nozizeptiven C-Fasern, verringerte Rezeptoraktivität von TRPV1 (Transient Receptor Potential Vanilloid Typ 1), unterstützt die Regulation der Sekretion.
- Nebenwirkungen
- Reizung der Nasenschleimhaut
- Indikation
-
Lokale Applikation von Botulinumtoxin1
- Wirkung
- Blockiert die Freisetzung von Acetylcholin aus den parasympathischen Nervenenden bei Injektion in die Nasenmuschel.
- begrenzte Wirkdauer (ca. 4 Wochen)
-
Operative Therapie1
- Bei fehlendem Ansprechen auf die medikamentöse Therapie, kann eine Operation erwogen werden.
- Eine operative Resektion der Concha inferior (Turbinektomie) kann zu einer Verbesserung der Sympomatik führen.
- Ggf. Verbesserung der Wirksamkeit von nasal applizierten Medikamenten, da diese tiefer in die Nasenmuschel gelangen können.
- Durchtrennung des Nervus canalis pterygoidei unterbricht die autonome Innervation der Nasenmuschel und reduziert dadurch die Sekretbildung.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Meist chronischer Verlauf, ganzjährig auftretend1
Komplikationen
- Assoziation mit anderen Symptomen bzw. Erkrankungen: Kopfschmerzen, Tubenkatarrh, Nasenpolypen, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, chronischer Husten1
- Evtl. Nebenwirkungen der Behandlung (z. B. Epistaxis, trockene Nasenschleimhaut)
Prognose
- Die Prognose ist gut, wenn die Patient*innen akzeptieren, dass ihr Problem chronisch und eine medizinische Behandlung in vielen Fällen nötig ist.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
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Autor*innen
- Susanne Engelhardt, Dr. med., Weiterbildungsassistentin für Allgemeinmedizin, Hof
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).