Epistaxis (Nasenbluten)

Zusammenfassung

  • Definition:Blutung aus der Nase.
  • Häufigkeit:Bis zu 60 % der Bevölkerung sind im Laufe ihres Lebens von Nasenbluten betroffen.
  • Befunde:Nasenblutung, evtl. hoher Blutdruck, vorhergegangenes Trauma.
  • Diagnostik:Blutdruck und Puls, zur Abklärung der Blutungsquelle ggf. Endoskopie.
  • Therapie:Die Blutung hört meist spontan auf. Bei persistierenden Blutungen stationäre Einweisung bzw. Behandlung durch HNO-Ärzt*in erforderlich.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Als Epistaxis bezeichnet man eine Blutung aus der Nase, entweder aus dem vorderen (am häufigsten)1 oder hinteren Nasenbereich.2
  • Meist tritt Nasenbluten in leichter Form auf und kann mittels einfacher Maßnahmen gestillt werden.
  • Schwerere Formen bis hin zu lebensbedrohlichen Blutungen können eine stationäre und ggf. operative Therapie erforderlich machen.3
  • Tritt häufig rezidivierend auf.

Häufigkeit

  • Bis zu 60 % der Bevölkerung sind im Laufe ihres Lebens von Nasenbluten betroffen.3
  • Alter und Geschlecht
    • Kinder unter 10 Jahren und Erwachsene über 50 Jahren sind am häufigsten betroffen.1
    • Männer scheinen von Nasenbluten häufiger betroffen zu sein als Frauen.3
    • Bei Kindern unter 2 Jahren tritt Nasenbluten fast nur traumatisch, durch nasale Fremdkörper oder systemische Erkrankungen auf.4
  • In den meisten Fällen (ca. 90 %) treten die Blutungen im vorderen Bereich der Nase auf.4

Anatomie

Querschnitt der Nasenhöhle mit typischer Blutungsquelle
Querschnitt der Nasenhöhle mit typischer Blutungsquelle
  • Die Nase ist durch die Zweige der A. carotis interna und den fazialen und internen maxillaren Zweigen der A. carotis externa stark durchblutet.5
  • Der Locus Kiesselbachii im vorderen Bereich wird aus Ästen beider Hauptarterien gespeist. 
  • Blutungen im hinteren Bereich (5–10 % der Fälle)
    • Entstehen in der Regel im hinteren Bereich der Nasenhöhle über die Zweige der A. sphenopalatinae.6
    • Blutungen im hinteren Nasenbereich sind in der Regel hinter dem hinteren Teil der mittleren Nasenmuschel oder oben am hinteren Teil der Nasenhöhle lokalisiert.
    • In Ausnahmefällen können größere Blutgefäße betroffen sein. Hierbei kommt es zu abrupt einsetzenden, massiven Blutungen.

Ätiologie und Pathogenese

  • Bei kleineren Nasentraumen kommt es zu Nasenbluten im vorderen Bereich, größere Traumen können zu schweren arteriellen Blutungen im hinteren Nasenbereich führen.
  • Im Rahmen von allgemeinen degenerativen Gefäßveränderungen kann es bei älteren Menschen zu schweren hinteren Blutungen kommen.
  • Tumoren können zu Blutbeimischungen im Nasensekret führen.
  • Traumatisch
    • Schlag/Druck auf die Nase
    • mechanisch (Nasebohren)
    • Fremdkörper in der Nase
    • iatrogen (nasale Sonde, chirurgische Intervention)3
  • Lokale Ursachen
    • Formstörungen der Nase7
    • Entzündung der Nasenhöhle/Nebenhöhlen (Rhinosinusitis)
    • trockene Schleimhaut (Rhinitis sicca)
    • allergische Rhinitis
    • Schleimhautveränderungen durch Medikamente, insbesondere steroidales Nasenspray oder Drogen
    • neoplastische Veränderungen
  • Systemische Ursachen
  • Idiopathisch
    • ohne bekannte Ursache8

Prädisponierende Faktoren

  • Hypertonie
  • Häufige Auslöser sind:
    • Nasenbohren
    • Traumata
    • lokale Infektionen
    • Erkrankungen der Nase und Nasennebenhöhlen
    • Nebenwirkungen von Medikamenten.
  • Niedrige Luftfeuchtigkeit
  • Trockene kalte Jahreszeit
  • Temperatur- und Luftdruckschwankungen
  • Allergene

ICPC-2

  • R06 Nasenbluten/Epistaxis

ICD-10

  • R04 Blutung aus den Atemwegen
    • R04.0 Epistaxis

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Blutung aus der Nase
  • Die Abgrenzung bei massiven Blutungen zu einer Blutung aus dem Gastrointestinaltrakt kann schwierig sein.

Anamnese

  • Beginn und Intensität der Blutung.
  • Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme (insbesondere Antikoagulanzien)

Klinische Untersuchung

  • Bei näherem Patientenkontakt ist auf ausreichenden Selbstschutz durch das Tragen einer Schutzbrille, eines Kittels, von Handschuhen und einer Gesichtsmaske zu achten.3
  • Blutdruck und Puls

Labor

Diagnostik bei Spezialist*innen 

Endoskopie

  • Vordere und hintere Rhinoskopie, um die Blutungsquelle zu bestimmen.

MRT/CT

  • Bei klinisch stabilen, nicht stillbarem oder rezidivierendem Nasenbluten zur Abklärunge einer Entzündung, nach einem Trauma oder bei Verdacht auf einen Tumor11

Angiografie 

  • Bei unstillbarer Blutung kann eine Angiografie mit Embolisation erfolgen.

Indikationen zur Überweisung

  • Blutungen, die sich nicht stillen lassen.
  • Wiederholte schwere Blutungen
  • Bei Verdacht auf eine schwere Grunderkrankung oder Neubildungen

Therapie

Therapieziele

  • Die Blutung stillen und Rezidiven vorbeugen.
  • Schwere Erkrankung ausschließen.

Allgemeines zur Therapie

  • Die meisten Blutungen lassen sich stillen, indem der weiche Teil der unteren Nase komprimiert wird, entweder mit Daumen und Zeigefinger oder mit Nasenklammer, kontinuierlich für 15–20 Minuten.3 
  • Blutdruckmessung, nach mehrmaligen Messen symptomloser Blutdruckerhöhungen über 180/120 mm Hg (siehe Artikel Hypertensive Gefahrensituation) wird eine orale medikamentöse Blutdrucksenkung empfohlen, z. B. Captopril 25 mg p. o. oder Nitroglycrin 0,8 mg s. l.3,12
  • Bei starken Blutungen auf Kreislaufstabilität und Atmung achten, ggf. Zugang legen und Volumen substituieren.
  • Bei schweren Blutungen ggf. Tamponade

Erste Hilfe

  • Aufrecht hinsetzen und den Kopf nach vorne beugen.
  • Ein Gefäß oder ein Tuch unter die Nase halten.
  • Nasenflügeldruck: den vorderen, weichen Teil der unteren Nase mit Daumen und Zeigefingern zusammendrücken. Diesen Druck 15 Minuten halten. Ruhig sitzen. Auch in der Praxis, während der Anamnese und beim Blutdruckmessen sollten die Patient*innen nach vorne gebeugt sitzen und auf die Nasenflügel drücken.
  • Mit kaltem Tuch oder Eispack über dem Nasenrücken und im Nacken kühlen.
  • Applikation eines abschwellenden, Oxymetazolin-haltigen Nasensprays3
  • In den meisten Fällen sistiert die Blutung durch diese Maßnahmen, wenn nach 30-minütiger Überwachung keine erneute Blutung auftritt und die Patient*innen kreislaufstabil sind, ist eine notfallmäßige HNO-fachärztliche Therapie nicht erforderlich.3
  • Formstörungen der äußeren Nase können die Blutstillung erschweren.7

Weitere Therapien bei HNO-Ärzt*in

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
  • Zunächst wird die Blutungsquelle mittels Endoskopie lokalisiert.

Kauterisation

  • Hierbei kann eine Kauterisation der Blutungsquelle mit Silbernitrat oder Elektrokoagulation erfolgen.
  • Komplikationen
    • Septumperforation
    • Infektion
    • Rhinorrhö
    • Zunahme der Blutung
  • Hinterher kommt ergänzend hämostatische Wundgaze zur lokale Anwendung.
  • Keine Elektrokauterisierung bei V. a. M. Osler, da hier die Schleimhaut und die Nasenscheidewand verletzt werden können.

Tamponade

  • Besteht die Blutung fort, kommt eine vordere oder hintere Tamponade (Gummifingerlingstamponaden, aufquellende Schaumstofftamponaden und Salbenstreifen) in Betracht.
  • Tamponaden müssen unbedingt sicher im Gesicht befestigt werden (Gefahr der Aspiration).
  • Komplikationen
    • allergische Reaktionen
    • Schleimhautnekrosen
    • Fremdkörperreaktionen
    • Tubendysfunktionen
    • Paraffingranulome
    • Dekompensation eines vorbestehenden Schlafapnoe-Syndroms
    • Staphylococcal Toxic Shock Syndrome (toxisches Schocksyndrom)
  • Eine antibiotische Abschirmung mit Amoxicillin-Clavulansäure, Amoxicillin allein oder Cephalosporinen bei vorderen Tamponaden wird ab einer Liegedauer von 48 Stunden sowie bei jeder hinteren Tamponade empfohlen.3

Chirurgische Therapie

  • Endoskopisches „Clipping" oder Koagulieren der Arteria sphenopalatina kann erfolgen, wenn trotz konservativer Maßnahmen die Blutung nicht stoppt oder rezidiviert.
  • Bei hinterer Epistaxis ist die chirurgische Intervention der Tamponade überlegen.3
  • Alternativ kommt die perkutane Embolisation infrage, v. a. wenn bei den Patient*innen ein hohes Narkoserisiko besteht.

Umgang mit Antikoagulanzien

  • Bei kontrollierbarer Blutung ist eine Antikoagulation fortzuführen.
  • Nur bei massiver und nicht stillbarer Epistaxis bzw. bei Überdosierung ist eine Anpassung der Antikoagulation zu erwägen.
    • Antidot für Dabigatran: Idarucizumab 5 mg in 2 konsekutiven intravenösen Infusionen von 5–10 Minuten
    • Thrombozyten-Transfusionen bei Plättchenaggregationshemmung
    • Antidotgabe (Vitamin K) bei Vitamin-K-Antagonisten

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die meisten Blutungen hören von selbst oder nach äußerer Druckbehandlung (Nasenflügeldruck) auf.
  • Im Zeitraum bis zum Verheilen der Läsion (10–14 Tage) besteht ein erhöhtes Risiko einer erneuten Blutung.

Komplikationen

  • Schwere Blutungen, bei denen es zum Schock kommt.
  • Die Einführung von Gaze oder Nasentamponaden kann zu Hämatomen und Abszessen an der Nasenscheidewand, Septumperforation, zu Sinusitis, neurogenen Synkopen beim Einführen und zur Drucknekrose durch zu starken Druck führen.1
  • Toxisches Schocksyndrom
  • Patient*innen mit Schlafapnoe sollten besonders überwacht werden.

Prognose

  • In der Regel gut
  • Bei Erwachsenen tritt rezidivierendes Nasenbluten weniger häufig auf.
  • Nasenbluten im Kindesalter hört in der Regel im späteren Lebensalter auf.
  • Schwere Traumata können zu lebensbedrohlichen arteriellen Blutungen führen.5
  • Tritt Nasenbluten sekundär zu einer anderen organischen Erkrankung auf, ist die Prognose abhängig von der Grunderkrankung.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Querschnitt der Nasenhöhle mit typischer Blutungsquelle

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Formstörungen der inneren und äußeren Nase (mit funktioneller und/oder ästhetischer Beeinträchtigung). AWMF-Leitlinie Nr. 017-070, Stand 2016. www.awmf.org
  • Deutsche Röntgengesellschaft. Radiologische Diagnostik im Kopf-Hals-Bereich. AWMF-Leitlinie Nr. 039-093. Stand 2015. www.awmf.org

Literatur

  1. Kucik CJ, Clenney T. Management of epistaxis. Am Fam Physician 2005; 71: 305-11. PubMed
  2. Viducich RA, Blanda MP, Gerson LW. Posterior epistaxis: clinical features and acute complications. Ann Emerg Med 1995; 25: 592-6. PubMed
  3. Beck R, Sorge M, Schneider A, Dietz A: Current approaches to epistaxis treatment in primary and secondary care. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 12–22. www.aerzteblatt.de
  4. Morgan DJ, Kellerman R. Epistaxis: evaluation and treatment. Prim Care. 2014 Mar;41(1):63-73. doi: 10.1016/j.pop.2013.10.007. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Tan LK, Calhoun KH. Epistaxis. Med Clin North Am 1999; 83: 43-56. PubMed
  6. Koh E, Frazzini VI, Kagetsu NJ. Epistaxis: vascular anatomy, origins, and endovascular treatment. AJR Am J Roentgenol 2000; 174: 845-51. PubMed
  7. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Formstörungen der inneren und äußeren Nase (mit funktioneller und/oder ästhetischer Beeinträchtigung). AWMF-Leitlinie Nr. 017-070, Stand 2016 www.awmf.org
  8. Qureishi A, Burton MJ. Interventions for recurrent idiopathic epistaxis (nosebleeds) in children. Cochrane Database Syst Rev 2012 Sep 12;9:CD004461. Cochrane (DOI)
  9. Adornato SG. Epistaxis: new approach Letter. Otolaryngol Head Neck Surg 2000; 123: 524. PubMed
  10. Pond F, Sizeland A. Epistaxis. Strategies for management. Aust Fam Physician 2000; 29: 933-8. PubMed
  11. Deutsche Röntgengesellschaft. Radiologische Diagnostik im Kopf-Hals-Bereich. AWMF-Leitlinie Nr. 039-093. Stand 2015 www.awmf.org
  12. Henny-Fullin K, Buess D, Handschin A, Leuppi J, Dieterle Te. Hypertensive Krise. Therap Umschau 2015; 72: 405-11. doi:10.1024/0040-5930/a000693 econtent.hogrefe.com

Autor*innen

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit