Spaltfehlbildungen

Zusammenfassung

  • Definition: Fehlbildungen, die isoliert oder im Rahmen eines Syndroms auftreten können. Vererbung, Medikamente und Chromosomenanomalien prädisponieren.
  • Häufigkeit: Häufigste Fehlbildung des Gesichts, tritt bei etwa 0,2 % aller Neugeborenen auf.
  • Symptome: Die Erkrankung kann bei der Neugeborenenuntersuchung übersehen werden, wenn eine Gaumenspalte vorliegt. Die Kinder werden dann mit Still-/Essproblemen vorgestellt.
  • Befunde: Die meisten Spalten sind bei der Inspektion sichtbar, submuköse oder kleine Spalten können palpiert werden.
  • Diagnostik: Keine spezifischen Tests, wenn nicht der Verdacht vorliegt, dass die Fehlbildung Teil eines Syndroms ist.
  • Therapie: Chirurgisch; dazu interdisziplinäre Behandlung durch Kieferorthopäden, HNO-Ärzte, Logopäden, Spachtherapeuten.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte ist ein Defekt in der Bildung von Lippen, Kiefer und/oder Gaumen, der zu einem frühen Zeitpunkt in der embryonalen Entwicklung entsteht.
  • Die Spalten können in drei Hauptgruppen unterteilt werden:1
    1. Lippenspalten (L)
    2. Lippen-Kiefer-Spalten (LA)
    3. Lippen-Kiefer-Gaumen-(Segel)-Spalte (LAH (S))
    4. isolierte Gaumenspalte, lokalisiert im harten und/oder weichen Gaumen bzw. Gaumensegel (H/S; HS).
  • Kann uni- oder bilateral (außer der Gaumensegelspalte) auftreten.
  • Es gibt unterschiedliche Ausprägungsgrade von Spaltfehlbildungen.1
    • mikroform: teilweise Spaltung der Muskulatur/des Knochens mit intakter Haut (subkutan) oder Schleimhaut (submukös)
    • unvollständig: Spaltung der Muskulatur und/oder des Knochens mit partiell intakter Haut oder Schleimhaut
    • vollständig: Spaltung der Muskulatur und/oder des Knochens einschließlich der bedeckenden Haut/Schleimhaut
  • Die Erkrankung kann solitär auftreten.
  • Laut einer norwegischen Publikation treten bei Kindern mit Spaltfehlbildung etwa bei der Hälfte assoziierte Anomalien, bei 12 % eine Chromosomenanomalie, bei 18 % eine syndromähnliche Erkrankung auf.
  • Eine Uvula bifida ist eine Minivalvariante einer Spaltfehlbildung (Gaumenspalte).

Häufigkeit

  • Die Lippen-Kiefer- und/oder Gaumen-Spalte ist die häufigste angeborene Fehlbildung in der Kopf-Hals-Region.
  • Die Prävalenz in Deutschland liegt (2015)2
    • für Lippen-(Kiefer-)Spalten mit oder ohne Beteiligung des Gaumens bei 15,7 auf 10.000 Lebendgeburten.
    • für isolierte Gaumenspalten bei 8,5 auf 10.000 Lebendgeburten.
  • Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte tritt bei Jungen häufiger auf als bei Mädchen.
  • Eine isolierte Gaumenspalte kommt häufiger bei Mädchen vor als bei Jungen.
  • In einer norwegischen Untersuchung verteilen sich die Spaltfehlbildungen folgendermaßen:3
    1. Lippen-Kiefer-Spalte: 25 %
    2. Gaumenspalte lokalisiert im weichen und/oder harten Gaumen: 24 %
    3. Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte: 51 %.
  • Unilaterale Spaltfehlbildungen sind 3- bis 4-mal häufiger als bilaterale, sie kommen doppelt so oft auf der linken Seite vor, wie auf der rechten.

Ätiologie und Pathogenese

  • Lippen-Kiefer-Spalten (mit oder ohne Gaumenspalte) entstehen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Schwangerschaft und unterscheiden sich ätiologisch von isolierten Gaumenspalten.1
    • Lippenspalten, Lippen-Kiefer-Spalten, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten: 7.–10. Schwangerschaftswoche
    • isolierte Gaumenspalten: 9.–11. Schwangerschaftswoche
  • Der Schweregrad der Spalte beeinflusst das Wiederholungsrisiko.4
  • Man geht davon aus, dass eine erbliche Disposition im Zusammenspiel mit Umwelteinflüssen zur Entstehung einer Spaltfehlbildung führen können.1
    • Die schädigenden Faktoren müssen während der besonders empfindlichen Entwicklungsphase des Gesichts wirksam sein.1
  • Ca. 350 Syndrome stehen in Zusammenhang mit Spaltfehlbildungen, z. B. Pierre-Robin-Sequenz oder Chromosomenanomalie, u. a. Trisomie 13, 18 und 21
  • Umwelteinflüsse
    • Medikamente
      • Antiepileptika: Phenytoin, Valproat, Topiramat
      • Methotrexat
      • Isotretinoin, umfangreiche Einnahme von Vitamin A in Tablettenform
    • Rauchen5
    • Alkohol
    • Drogen1
    • mangelhafte Sauerstoffversorgung, z. B. lokale Durchblutungsstörungen1
    • Erkrankung der Mutter in der Phase der Gesichtsbildung1

Prädisponierende Faktoren

  • In den meisten Fällen entsteht eine Spaltfehlbildung auf der Basis einer erblichen  Disposition.
  • Die Erkrankung kommt häufig bei Chromosomenanomalien und einzelnen Syndromen vor.
  • Umwelteinflüsse während der Schwangerschaft können bei erblicher Disposition die Entstehung einer Spaltfehlbildung begünstigen, u. a. Alkoholkonsum oder die Einnahme von Antiepileptika.
  • Folsäuremangel?
    • Es gibt Anzeichen dafür, dass Folsäuremangel zu Neuralrohrdefekten und Herzfehlern beitragen kann.
    • Dennoch gibt es keine unterstützenden Hinweise darauf, dass ein Folsäuremangel Spalten verursachen kann oder dass eine Folsäure-Zufuhr diese verhindern könnte.6-7
  • Rauchen
    • Rauchen im ersten Teil der Schwangerschaft verdoppelt das Risiko einer Lippenspalte.8
  • Vererbung4
    • Wenn Mutter oder Vater selbst eine Spaltfehlbildung hatten, beträgt das Risiko für das Kind, eine Spalte zu bekommen, 3,6 bzw. 4,7 %.
      • Verglichen mit einem Basisrisiko in der Bevölkerung von 0,2 %.
    • Etwa das gleiche Risiko besteht für das zweite Kind, wenn das erste Kind eine Spalte hatte.
    • Dieser Zusammenhang gilt für den gleichen Spalten-Typ, entweder bei isolierter Gaumenspalte oder Lippenspalte mit oder ohne Gaumenspalte.

ICPC-2

  • D81 Angeb. Anomalie d. Verdauungssystems

ICD-10

  • Q35 Gaumenspalte
    • Q35.1 Spalte des harten Gaumens
    • Q35.3 Spalte des weichen Gaumens
    • Q35.5 Spalte des harten und des weichen Gaumens
    • Q35.6 Gaumenspalte, median
    • Q35.7 Uvulaspalte
    • Q35.9 Gaumenspalte, nicht näher bezeichnet
  • Q36 Lippenspalte
    • Q36.0 Lippenspalte, beidseitig
    • Q36.1 Lippenspalte, median
    • Q36.9 Lippenspalte, einseitig
  • Q37 Gaumenspalte mit Lippenspalte
    • Q37.0 Spalte des harten Gaumens mit beidseitiger Lippenspalte
    • Q37.1 Spalte des harten Gaumens mit einseitiger Lippenspalte
    • Q37.2 Spalte des weichen Gaumens mit beidseitiger Lippenspalte
    • Q37.3 Spalte des weichen Gaumens mit einseitiger Lippenspalte
    • Q37.4 Spalte des harten und des weichen Gaumens mit beidseitiger Lippenspalte
    • Q37.5 Spalte des harten und des weichen Gaumens mit einseitiger Lippenspalte
    • Q37.8 Gaumenspalte, nicht näher bezeichnet, mit beidseitiger Lippenspalte
    • Q37.9 Gaumenspalte, nicht näher bezeichnet, mit einseitiger Lippenspalte

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Laut einer großen norwegischen Studie werden etwa 69 % der Fälle von Lippenspalte mit oder ohne Gaumenspalte in der 18. Schwangerschaftswche per Ultraschall festgestellt.3
    • In der angegebenen Studie wurden bei dieser Untersuchung keine isolierten Gaumenspalten festgestellt, die sonografisch sehr schwer darstellbar sind.
  • Ansonsten wird die Diagnose bei der Geburt (U1) oder bei der Neugeborenenuntersuchung (U2) vor dem Hintergrund der charakteristischen Befunde in Lippe und/oder Gaumen gestellt.
  • Isolierte Gaumenspalten sind u. U. schwieriger festzustellen und werden erst später, z. B. aufgrund von Problemen beim Trinken, entdeckt.
    • Die submuköse Gaumenspalten (auch verdeckte Gaumenspalte genannt), bei der der Defekt in der Muskulatur des weichen Gaumens von Schleimhaut bedeckt ist, kann bei der Geburt schwer zu diagnostizieren sein.

Differenzialdiagnosen

  • Bei Feststellung einer Spalte ist eine gründliche Untersuchung des Kindes erforderlich, da etwa die Hälfte der Kinder mit Spalten assoziierte Fehlbildungen haben. Bei 12 % liegt eine Chromosomenanomalie vor, bei 18 % war die Spalte Teil einer syndromähnlichen Erkrankung. 9

Anamnese

  • Wird bei einer Ultraschalluntersuchung, bei der Geburt oder bei der Neugeborenenuntersuchung festgestellt. 
  • Für die meisten Eltern bedeutet es einen Schock, ein Kind mit einer Fehlbildung im Gesicht zu haben, und sie brauchen in der ersten Zeit viel Fürsorge, Unterstützung und adäquate, richtige Aufklärung.
  • Wenn die Spaltfehlbildung eine Gaumenspalte beinhaltet, kann dies zu unmittelbaren Problemen beim Füttern des Kindes führen, und sachkundige Hilfe und Anleitung ist meist erforderlich.
  • Wurde die Spalte nicht erkannt, ist das häufigste Problem, dass das Kind sich nicht stillen lässt. Die Mutter klagt darüber, dass das Kind keine Muttermilch saugt und übermäßig viel speichelt.
  • Bei Gaumenspalten sind rezidivierende seröse Otitiden ein Problem. Diese Kinder weisen ein erhöhtes Risiko für einen Verlust der Hörfähigkeit und Sprach-/Sprechstörungen auf.

Klinische Untersuchung

  • Isolierte Lippenspalte, isolierte Gaumenspalte lokalisiert im weichen und/oder harten Gaumen oder als Kombination in einer Lippen- und Gaumenschädigung
  • Partielle oder submuköse Spalten können bei der Geburt leicht übersehen werden, daher ist eine klinische Untersuchung notwendig, wenn anamnestisch ein Verdacht auf die Erkrankung begründet ist.
  • Ggf. andere syndromspezifische Befunde
  • Kinder mit Spaltfehlbildungen weisen häufiger Sprechstörungen, Tubenventilationsstörungen, Mittelohrentzündungen, Störungen in der Zahnentwicklung auf (weitere Informationen dazu unter „Komplikationen“).

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Die Erkrankung wird normalerweise bei der Geburt entdeckt, und Aufgabe des Hausarztes ist es, die Eltern im Hinblick auf die weitere Behandlung und Hilfsmaßnahmen, z. B. bei sozialmedizinischen Angelegenheiten, zu unterstützen.
  • Regelmäßige Otoskopie
  • Kontrolle des Ernährungszustandes

Diagnostik beim Spezialisten

  • Untersuchung von anderen angeborenen Fehlbildungen
  • Chromosomenanalysen, wenn der Verdacht auf genetische Anomalien oder Syndrome vorliegt
  • Pränataler Ultraschall
    • Das Gesicht des Fetus kann nicht vor der 13.‒14. Schwangerschaftswoche visualisiert werden.

Indikationen zur Überweisung

  • Alle neu aufgetretenen Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten werden an ein interdisziplinäres Zentrum, das in der Behandlung von Spaltfehlbildungen spezialisiert ist, überwiesen.

Therapie

Therapieziele

  • Die Behandlung zielt darauf ab, ein funktionell und kosmetisch gutes Ergebnis zu erzielen, um Komplikationen wie Ernährungs-, Sprach- und Sprechstörungen zu verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Die Behandlung erfolgt in einem interdisziplinären Spaltzentrum.
  • Der Defekt muss in der Regel chirurgisch geschlossen werden.1
  • Die Therapie erfordert meist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Kieferchirurg, Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Kieferorthopäde, Zahnarzt, Sprachtherapeut und Logopäde.

Empfehlungen für Patienten

  • Die Eltern sollen dafür sorgen, dass das Kind ausreichend Nahrung bekommt.
  • Stillen ist bei Gaumenspalten oft nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich.
  • Häufig ist ein individuell angepasstes Sprach-/Sprechtraining erforderlich.
  • Gründliches Zähneputzen, sobald der erste Zahn da ist.
  • Kinder mit Spaltfehlbildungen benötigen oft besondere Prophylaxe gegen Karies, weil die Zähne eine Form und Stellung aufweisen können, die eine Reinigung erschwert.

Medikamentöse Therapie

  • Die Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte ist in erster Linie eine chirurgische Erkrankung.
  • Eine medikamentöse Behandlung kann bei Komplikationen sinnvoll sein, z. B. bei Atemwegsproblemen und einer Otitis media.

Kieferorthopädie

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Anpassung einer Gaumenplatte in den ersten Lebenstagen bei Neugeborenen mt Gaumenspalte
    • separate Funktionsräume von Mund und Nase
    • Zungenlage normalisiert sich.
    • bei LKG-Spalten Steuerung des Wachstums der geteilten Kieferabschnitte
    • keine Evidenz für eine Auswirkung auf das Wachstum des Kindes 10
  • Zusätzlich zum chirurgischen Verschluss ist eine umfassende kieferorthopädische Behandlung bzw Überwachung bis zum Abschluss des Wachstums notwendig.
  • Regulierung von Kreuz- und/oder Vorbissen
  • Regulierung der oberen Schneidezähne im Alter von 7‒8 Jahren
  • Bei den meisten Kindern ist im Alter von 11‒13 Jahren eine Zahnspange notwendig.
  • Korrektur bei fehlenden Zahnanlagen

Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • In der Regel ist eine chirurgische Therapie mit meist mehreren Operationen erforderlich.
  • Reihenfolge und Zeitpunkte der Einzeloperationen sind je nach Therapieziel und Behandlungszentrum unterschiedlich.
  • Lippenspaltplastik
    • Verschluss im Alter von 3‒6 Monaten
    • Der Nasenboden wird rekonstruiert, und die Nase wird aufgerichtet, falls notwendig.
  • Gaumenspaltplastik
    • einzeitger Verschluss von hartem und weichen Gaumen: mit ca. 12 Monaten
    • zweizeitiger Verschluss
      • weicher Gaumen: mit ca. 12 Monaten
      • harter Gaumen: mit 2–5 Jahren
    • Andere Konzepte sehen vor, alle Abschnitte bereits vor dem 6. Monat zu verschließen.
    • Widerspruch
      • frühzeitige Operation: ungehinderte Sprachentwicklung
      • späte Operation: ungehinderte Kieferentwicklung
    • Bei Problemen mit der Belüftung der Mittelohren, werden noch während der gleichen Narkose Paukenröhrchen gelegt.
  • Knochentransplantation (Osteoplastik) bei Kieferspalten
    • Bei kompletten Spaltformen im Kieferstammbereich meist erforderlich: sehr früh um Vorschulalter oder im Wechselgebiss mit 8–11 Jahren
    • Der Zeitpunkt der Operation hängt davon ab, wann die Zähne durchbrechen. Dies beurteilt ein Kieferorthopäde.
    • Zur Füllung der Kieferspalte wird Knochenmaterial aus dem Hüftkamm verwendet.
    • Ziel ist es, bei dem Kind normale Zahnverhältnisse wiederherzustellen, was in den meisten Fällen auch gelingt.
  • Korrekturoperationen
    • Behandlungsziel: normale Sprechfunktion und normales Aussehen bis zur Einschulung
    • sprachverbessernde Operationen
    • Nasenstegplastik
    • Nasenkorrektur
    • Narbenkorrektur
    • kieferorthopädische Operationen

 Zahnmedizin

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Regelmäßige Mitbetreuung durch den Zahnarzt wegen
    • erschwerter Zahnreinigung bei Zahnfehlstellungen
    • Veränderungen des Zahnschmelzes bei spaltnahen Zähnen.
  • Bei fehlenden Zahnanlagen ggf. Implantate ab dem 18. Lebensjahr

Weitere Therapien

Ernährung

  • Stillen?
    • Weil es mit einer Gaumenspalte schwierig ist, das dafür notwendige Vakuum zu bilden, kann es zu Problemen beim Stillen des Neugeborenen kommen.
    • Einzelne Mütter schaffen es trotzdem zu stillen, auch wenn ein ausschließliches Stillen sich als problematisch herausgestellt hat.
    • Bei einer isolierten Lippenspalte kann der Lippenschluss mit dem Finger der Mutter abgedeckt werden.1  
    • Es gibt eine schwache Evidenz für einen Vorteil des Stillens im Vergleich zum Füttern mit einem Löffel nach dem operativen Gaumenverschluss. 10
    • Mütter sollten ermutigt werden, ihre Kinder so lange wie möglich mit Muttermilch zu ernähren.
      • Es ist zweifellos eine zusätzliche Belastung für die Mütter, die Kinder ausschließlich mit Muttermilch zu ernähren, da dafür meistens ein Abpumpen notwendig ist.
      • Wenn dies zu belastend wird, sollte die Entscheidung über eine schrittweise Reduzierung/Beendigung des Abpumpens ebenfalls unterstützt werden.
  • Flaschenernährung (Muttermilch und/oder Säuglingsnahrung)1
    • Die Nahrung sollte nicht spontan aus dem Sauger fließen.
    • Für manche Kinder sind spezielle Sauger erforderlich (z. B. Habermann-Feeder).
    • Meist ist ein normaler kiefergerechter Sauger geeignet.
    • Ggf. können zwei zusätzliche Löcher in Dreiecksform am Sauger angebracht werden.
    • Eine aufrechte Position beim Trinken ist hilfreich.
    • Zusammendrückbare, weiche Flaschen erscheinen einfacher im Gebrauch als starre Flaschen.
      • Es gibt jedoch keine Evidenz für eine Auswirkung unterschiedlicher Flaschentypen auf das Wachstum von Kindern mit Spaltfehlbildungen.
  • Schnuller 1
    • Sollte bis zum Alter von 3 Jahren abgewöhnt werden.

Logopädie

  • Kinder mit Sprach- und Sprechstörungen sollten ab dem 2.–4. Lebensjahr logopädisch behandelt werden.
  • Vor allem muss an Gaumendysfunktionen und Nasalität gearbeitet werden.
  • Die aktive Therapiephase kann bis zur Einschulung und darüber hinaus andauern.1

Hals-Nasen-Ohren1

  • Bei Gaumenspalten Einschränkung der Funktion der Rachenmuskulatur, die zu einer Tubendysfunktion mit konsekutiver gestörter Belüftung des Mittelohrs führt.
  • Daraus können Paukenergüsse mit Schwerhörigkeit und mit Verzögerung der Sprachentwicklung rsultieren sowie rezidivierende Mittelohrentzündungen.
  • Deshalb sollten in den ersten Lebensjahren halbjährlich Konrollen beim HNO-Arzt erfolgen.
  • Das oft wiederholte Legen von Paukenröhrchen kann erforderlich sein.
  • Im Rahmen des Gaumenverschlusses kann die erste Einlage von Paukenröhrchen sinnvoll sein.

Soziale Hilfen und Grad der Behinderung

  • Über den Weg der Anerkennung des „Grades der Behinderung (GdB)“ besteht die Möglichkeit einer finanziellen Hilfe.
  • Übersicht über den Grad der Behinderung abhängig vom Ausmaß der Spaltfehlbildung unter ak-lkg.de

Prävention

  • Vermeiden von prädisponierenden Faktoren wie Rauchen, Alkohol und die angegebenen Medikamente
  • Folsäure-Zufuhr?
    • Es gibt keine ausreichende Evidenzbasis, um Aussagen über einen Ursachenzusammenhang treffen zu können.6-7
    • Frauen, die vorher Kinder mit Neuralrohrdefekten zur Welt gebracht haben, wird in der nächsten Schwangerschaft hochdosierte Folsäure vor der Konzeption und im ersten Trimester empfohlen (4 mg/Tag).
    • Doch es gibt weiterhin keine wissenschaftliche Grundlage dafür, Folateinnahme Frauen zu empfehlen, die vorher bereits ein Kind mit Spaltfehlbildung zur Welt gebracht haben.
  • Die Einnahme von Multivitaminen zu einem frühen Zeitpunkt der Schwangerschaft und andere Ernährungsfaktoren können möglicherweise vor Spalten schützen.6

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die meisten Patienten benötigen noch im ersten Lebensjahr eine kieferchirurgische Korrektur.
  • Bei den meisten Kindern ist eine Zahnspange notwendig.
  • Der Verlauf hängt davon ab, ob es sich um einen isolierten Defekt handelt oder ob die Erkrankung Teil eines umfangreicheren Syndroms ist.

Komplikationen

  • Unterernährung
    • Bei Schwierigkeiten bei der Ernährung müssen die Eltern gut unterstützt und beraten werden (z. B. Stillberaterin).
  • Akute Atemwegsobstruktion
    • Bei Gaumenspalten kann sich die Zunge nach hinten verschieben und den Pharynx abdecken. Eine akute Atemwegsobstruktion erfordert sofortiges Handeln.
  • Störungen in der Sprech- und Sprachentwicklung
    • Der weiche Gaumen ist möglicherweise verkürzt oder reicht nicht aus, die Luftpassage zur Nase zu verschließen, sodass das Sprechen durch einen nasalen Klang geprägt ist.
    • Verbleibende Fisteln und moderate bis große Malokklusionen können zu Artikulationsstörungen führen.
  • Mittelohrentzündungen und Verlust der Hörfähigkeit
    • Kinder mit Gaumenspalten weisen aufgrund der schlechten Funktion der Ohrtrompete eine hohe Frequenz an Mittelohrentzündungen auf.
    • Dies kann zu einer Störung der Hörfähigkeit führen, die die Sprech- und Sprachentwicklung zusätzlich verzögern kann.
  • Zahnentwicklung
    • Häufige Probleme sind Agenesien, deformierte Zähne, ektopische Durchbrüche, Zahnschmelzhypoplasien und eine erhöhte Kariesfrequenz.
    • Die größte Herausforderung für den Kieferorthopäden ist eine allmähliche Wachstumshemmung des Oberkiefers.
      • Ist diese stark ausgeprägt, bekommen die Patienten ein immer konkaveres Profil und einen Vorbiss.
      • Eine kieferorthopädische Gaumennahterweiterung oder Korrekturoperationen sind Therapieoptionen.

Prognose

  • Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten, die nicht Teil eines umfangreichen Syndroms sind, haben eine gute Prognose.
  • In der Regel glückt der chirurgische Verschluss, und das kosmetische Ergebnis ist bei den meisten Patienten zufriedenstellend.
  • Patienten mit einer isolierten Lippen-Spalte haben verglichen mit der Gesamtbevölkerung keine erhöhte Morbidität.11
  • Patienten mit isolierter Gaumen-Spalte hatten in einer norwegischen Kohortenstudie eine erhöhte Morbidität und Mortalität.11
    • erhöhtes Vorkommen von Lernschwäche, Epilepsie, Angststörungen, muskuleskelettalen Erkrankungen und Zerepralparese11
  • Einige entwickeln anhaltende Sprach- und Sprechstörungen.
  • Bei einigen ist das Gehör chronisch beeinträchtigt.
  • Es gibt keinen Anhaltpunkt dafür, dass eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte das Krebsrisiko erhöht.12

Verlaufskontrolle

  • Die Operationen im ersten Lebensjahr wirken sich auf Wachstum und Entwicklung des Kiefers aus.
  • Das Ziel eines zufriedenstellenden Endergebnisses erfordert, dass die Kinder bis ins Erwachsenenalter ein Follow-up durch ein interdisziplinäres Spaltzentrum erfahren.
  • Mindestens einmal jährlich bis zum Abschluss der Entwicklung (18.–21. Lebensjahr)
  • Kontrolle durch Fotografien, Röntgenaufnahmen, Gipsabdrücke des Kiefers
  • Kontrolle von Ernährungszustand (Wachstum, Gewicht, Größe) und Sprech- und Hörfähigkeit

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patienten informieren?

  • Informationen für die Eltern über
    • besondere Umstände bei der Ernährung des Kindes
    • logopädische Maßnahmen
    • sozialmedizinische Möglichkeiten
    • den Bedarf eines langfristigen Follow-ups.
  • Bei weiterem Kinderwunsch sollten die Eltern eine genetische Beratung erhalten (siehe auch Abschnitt Prädisponierende Faktoren).

Patienteninformationen in Deximed

Patientenorganisationen

Patienteninformationen der Fachgesellschaften

Illustrationen

Linksseitige Lippen-Kieferspalte
Linksseitige Lippen-Kieferspalte (Quelle: Centers for Disease Control and Prevention, National Center on Birth Defects and Developmental Disabilities)
 

 

Hart- und Weichgaumenspalte
Hart- und Weichgaumenspalte (Quelle: Centers for Disease Control and Prevention, National Center on Birth Defects and Developmental Disabilities)

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Einseitige Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten. Entwicklungsstufe 2k. AWMF-Leitlinie 007/038, Stand 2010, gültig bis 2015, derzeit in Überarbeitung. www.awmf.org

Literatur

  1. Deutscher interdisziplinärer Arbeitskreis Lippen-Kiefer-Gaumenspalten/Kraniofaziale Anomalien der Deutschen Gesellschaft für Mund-Kiefer-u. Gesichtschirurgie, der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie, der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie und der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie: Elternininformation www.ak-lkg.de
  2. Eurocat. European Surveillance of Congenital Anomalies. Letzter Zugriff 21.11.2017 www.eurocat-network.eu
  3. Offerdal K, Jebens N, Syvertsen T, et al. Prenatal ultrasound detection of facial clefts: a prospective study of 49,314 deliveries in a non-selected population in Norway. Ultrasound Obstet Gynecol 2008; 31: 639-46. pmid:18381773 PubMed
  4. Sivertsen Å, Wilcox AJ, Skjærven R, et al. Familial risk of oral clefts by morphological type and severity: population based cohort study of first degree relatives. BMJ 2008; 336: 432. doi:10.1136/bmj.39458.563611.AE DOI
  5. Butali A, Little J, Chevrier C, et al. Folic acid supplementation use and the MTHFR C677T polymorphism in orofacial clefts etiology: An individual participant data pooled-analysis.. Birth Defects Res A Clin Mol Teratol 2013; 97: 509-14. pmid:23670871 PubMed
  6. Johnson CY, Little J. Folate intake, markers of folate status and oral clefts: is the evidence converging?. Int J Epidemiol 2008; 37: 1041. pmid:18583393 PubMed
  7. De-Regil LM, Peña-Rosas JP, Fernández-Gaxiola AC, Rayco-Solon P. Effects and safety of periconceptional oral folate supplementation for preventing birth defects. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 12. Art. No.: CD007950. DOI: 10.1002/14651858.CD007950.pub3 DOI
  8. Lie RT, Wilcox AJ, Taylor J, Gjessing HK, Saugstad OD, Aabyholm F and Vindenes H. Maternal smoking and oral clefts: The role of detoxification pathway genes. Epidemiology 2008: 19: 606-15. journals.lww.com
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  10. Bessell A, Hooper L, Shaw WC, et al. Feeding interventions for growth and development in infants with cleft lip, cleft palate or cleft lip and palate. Cochrane Database of Systematic Reviews 2011, Issue 2. Art. No.: CD003315. DOI: 10.1002/14651858.CD003315.pub3. www.cochranelibrary.com
  11. Berg E, Haaland OA, Feragen KB, et al. Health status among adults born with an oral cleft in Norway. JAMA Pediatrics 2016; 170(11): 1063-1070. pmid:27668670 PubMed
  12. Christensen K, Juel K, Herskind AM, Murray JC. Long term follow up study of survival associated with cleft lip and palate at birth. BMJ 2004; 328: 1405-6. PubMed

Autoren

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Trine Hessevik Paulsen, allmennlege og redaksjonsmedarbeider i NEL
  • Kurt Østhuus Krogh, spesialist i barnesykdommer, Norsk Helseinformatikk/ Barne-og ungdomsklinikken, St. Olavs Hospital

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