Körperliche Aktivität: Heilmittel für Körper und Geist

Zahlreiche Studien zeigen: Regelmäßige körperliche Bewegung bzw. Sport verbessert nicht nur die Funktion von Lungen, Blutgefäßen und Herz, sondern beugt auch Übergewicht und damit einhergehenden Krankheiten vor und schützt vor manchen Krebserkrankungen. Wer häufig körperlich aktiv ist, stärkt auch sein emotionales Wohlbefinden und kann manchen psychischen Krankheiten vorbeugen bzw. deren Symptome lindern.

Sport als Therapie

Körperliche Inaktivität führt zur Schwächung/zum Abbau von Muskulatur. Hüft- und Kniegelenke sind schneller überlastet und werden leichter geschädigt, und auch andere Gelenke funktionieren schlechter. Knochen werden brüchiger, die Zuckertoleranz wird beeinträchtigt, dazu kommen Verdauungsprobleme, ein reduzierter Stoffwechsel, Übergewicht oder Fettleibigkeit, Bluthochdruck und manchmal psychische Probleme. Für körperliche Aktivität auf der anderen Seite gibt es – wie für Medikamente – eine Indikation, Empfehlungen zur Dosierung, eine Dosis-Wirkungs-Beziehung und in wenigen Fällen auch Kontraindikationen (also Situationen, in denen Sport nicht empfohlen wird).1 Man kann körperliche Aktivität also durchaus als Therapie verstehen.

Präventive Effekte durch Sport

In mehreren großen Untersuchungen mit ca. 800.000 Teilnehmer*innen konnte gezeigt werden, dass die allgemeine Sterblichkeit durch regelmäßige körperliche Aktivität um 30–40 % und die Sterblichkeit aufgrund von Herzkrankheiten um 33 % gesenkt wird.

In einer Studie dazu konnte gezeigt werden, dass bei der PAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit, „Schaufensterkrankheit“) ein Lauftraining in der Gruppe oder auf dem Laufband (3- bis 5-mal pro Woche 3-mal 20 Minuten, bis Schmerzbeginn) die schmerzfreie Gehstrecke im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich verlängert werden konnte. Das Training erhöhte außerdem die Belastbarkeit und Lebensqualität und verbesserte Funktion der Blutgefäße und damit die Durchblutung der Organe. Eine andere Studie konnte sogar zeigen, dass das Gehtraining bei manchen Patient*innen mit PAVK effektiver ist als chirurgische Interventionen wie Dilatation (Gefäßerweiterungen) und Stents (Gefäßprothesen).1-2

Bei der Volkskrankheit Diabetes senkt Bewegung die Sterblichkeit um 40 %.3 Viele, gut aufgebaute Studien ergaben auch eindeutig günstige Effekte von regelmäßigem Sport für Patient*innen mit Herzinsuffizienz und koronare Herzerkrankung, der Lungenkrankheit COPD, Osteoporose und Malignome wie Dickdarmkrebs und Brustkrebs.

Laut einer Studie des renommierten schwedischen Karolinska Institutet und finnischer Kolleg*innen kann körperliche Aktivität im mittleren Alter das Risiko der Entwicklung von Demenz und Alzheimer reduzieren.4

Sport und Schwangerschaft

Körperliche Aktivität ist sowohl vor, während als auch nach der Schwangerschaft zu empfehlen.5 Natürlich ist der Sport dem Stadium der Schwangerschaft und dem Gesundheitszustand der Schwangeren anzupassen; lassen Sie sich am besten von Ihrer Frauenärztin/Ihrem Frauenarzt beraten. Bei Frauen mit erhöhtem Risiko für Schwangerschaftsdiabetes ist Bewegung angezeigt. Das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes und damit auch für die Schwangerschaftskomplikation Präeklampsie reduziert sich durch körperliche Aktivität um 51 %. Auch nach der Schwangerschaft sollten Frauen in Bewegung bleiben, z. B. joggen oder schnell gehen (Walking). Bei intensiverem Ausdauertraining kann es jedoch zur Laktatazidose kommen, die die Muttermilch ansäuert und dazu führt, dass dem Kind die Milch nicht schmeckt. Vorbeugend kann die Milch vor der körperlichen Aktivität abgepumpt werden, oder man kann nach dem Sport eine bis eineinhalb Stunden mit dem Stillen warten.

Unabhängig vom Alter und von den körperlichen Fähigkeiten

Sport und körperliche Aktivität sind in Kombination mit einer gesunden Ernährung außerdem ein einfacher Weg, ein gesundes Gewicht zu erreichen und beizubehalten. Der Energieverbrauch erhöht sich bei körperlicher Aktivität, und wenn der Körper mehr verbrennt, als er verbraucht, verringert sich das Körpergewicht. Außerdem erhöht sich der Grundumsatz, also die Verbrennung in Ruhe zwischen den Trainingseinheiten. Dies gilt vor allem bei Krafttraining. Falls das Gewicht von vornherein in Ordnung ist, dann führt bei einem erfolgreichen Krafttraining ein wenig mehr Nahrung nicht zu einer Gewichtszunahme. Der gesundheitliche Vorteil des Trainings ist gleich hoch, egal ob Sie schlank oder übergewichtig sind. Ohne sportliche Aktivitäten „von Natur aus dünn“ zu sein, bringt auf keinen Fall die gleichen gesundheitlichen Vorteile wie körperliche Aktivität, selbst wenn Sie sich nicht ums Gewicht kümmern müssen.

Diese gesundheitlichen Vorteile gelten für jeden, unabhängig vom Alter, Geschlecht oder den körperlichen Fähigkeiten. Also profitieren auch Kinder und Jugendliche, Schwangere, ältere und behinderte Menschen durch körperliche Aktivität von gesteigerter Energie und Belastbarkeit. Den größten relativen gesundheitlichen Gewinn erzielen diejenigen, die zu Beginn am schlechtesten in Form sind. Das gilt auch für Personen in weit fortgeschrittenem Alter. Man ist nie zu alt, um mit körperlicher Aktivität zu beginnen. Das Training muss allerdings individuell angepasst sein. Wichtig ist es, mit leichtem Sport anzufangen, um sich nicht zu überlasten oder gar zu verletzen, und erst allmählich das Pensum zu steigern. Ihre Ärztin/Ihr Arzt wird Sie beraten.

Mindestens 150 Minuten wöchentlich

Kardiologische Fachgesellschaften empfehlen für Erwachsene eine körperliche Aktivität von mindestens 150(–180) Minuten wöchentlich mit täglicher moderater körperlicher Aktivität (Ziel Herzfrequenz 60–85 % der maximalen Herzfrequenz).6

Ein Spaziergang im Freien, Schneeschaufeln oder den Weg zur Arbeit zu Fuß zurückzulegen, kann schon genug sein. Es wird jedoch empfohlen, diese 150 Minuten auf eine Aktivität zu verwenden, die in ihrer Intensität mindestens einem moderaten Tempo entspricht. Sämtliche körperliche Aktivität ist positiv, und alles, was Sie über die 150 Minuten moderater Intensität hinaus trainieren, bedeutet einen zusätzlichen Nutzen für die Gesundheit. Zu empfehlen ist, mit variierenden Aktivitäten die verschiedenen großen Muskelgruppen des Körpers zu trainieren.

Auch wenn nicht ganz geklärt ist, welche Art von Sport sich im Einzelfall am günstigsten auswirkt, kann man sagen: In jedem Fall ist Ausdauersport wie Joggen, Walking, Radfahren, Schwimmen, Fitnesstraining oder Rudern etc. zu empfehlen. Wer gesunde Kniegelenke hat, kann natürlich auch Ballsportarten, wie Fußball, Tennis, Handball usw. ausüben. Günstig ist es zudem, moderates Krafttraining zum Aufbau und zur Kräftigung der gesamten Muskulatur in den Trainingsplan einzubauen.

Suchen Sie sich eine Sportart aus, die Ihnen Spaß macht, denn sonst wird das Training schnell zur mühsamen Pflicht!

Eine Entscheidung fürs Leben

Körperliche Aktivität hilft auch dabei, die Stimmung und das Selbstwertgefühl zu verbessern, sie reduziert bei vielen Angst und Stress, bewirkt besseren Schlaf, fördert die geistige Entspannung und das Wohlbefinden und führt zu einer positiveren Sicht auf den eigenen Körper.

Beachten Sie: Jegliche Aktivität ist besser als gar keine Aktivität, und es ist nie zu spät, mit Bewegung zu beginnen. Allerdings ist es für Menschen, die lange Zeit nicht mehr körperlich aktiv waren und/oder an Krankheiten von Herz/Kreislauf, Knochen, Muskulatur oder schweren anderen Erkrankungen leiden, ratsam, sich vor Trainingsbeginn ärztlich gut beraten und ggf. untersuchen zu lassen.

Weitere Informationen

Literatur

  1. Löllgen H. Körperliche Aktivität ist of wirksamer als Medikamente. Dtsch Ärztebl 2013. www.aerzteblatt.de
  2. Murphy TP.. Supervised exercise versus primary stenting for claudication resulting from aortoiliac peripheral artery disease: six-month outcomes from the claudication: exercise versus endoluminal revascularization (CLEVER) study. Circulation 2012; 125: 130-139. circ.ahajournals.org
  3. Sluik D. Physical Activity and Mortality in Individuals With Diabetes Mellitus: A Prospective Study and Meta-analysis. Arch Intern Med. 2012; 182: 1285-1295. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Tolppanen AM. Leisure-time physical activity from mid- to late life, body mass index, and risk of dementia. Alzheimers Dement. 2015; 11: 434-443. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Dempsey JC. Prospective Study of Gestational Diabetes Mellitus Risk in Relation to Maternal Recreational Physical Activity before and during Pregnancy . Am J Epidemiol. 2004; 159: 663-670. www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Leon AS. American Heart Associati- on. Council on Clinical Cardiology (Subcommittee on Exercise, Cardiac Re- habilitation, and Prevention) (Hrsg.): Cardiac rehabilitation and secondary prevention of coronary heart disease. Circulation 2005; 111: 369-376. Circulation

 Autor*innen

  • Susanne Meinrenken, Dr. med., Bremen
  • Thomas Fühner, PD Dr. med., Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie, Hannover

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