Erfrierungen und Kälteschäden

Erfrierungen treten auf, wenn ein Körperteil extremer Kälte ausgesetzt ist. Kälteschäden entstehen durch langsamen Temperaturverlust im Gewebe ohne direkte Erfrierung.

Was sind Kälteschäden?

Definition

Es werden verschiedene Arten von Verletzungen im Zusammenhang mit Kälte unterschieden:

  • Erfrierung
  • Kälteschaden
  • Frostbeule
  • Grabenfuß.

Bei lokalen Erfrierungen bilden sich bei Temperaturen unter 0 °C Eiskristalle in den Zellen. Die Eiskristalle zerstören Zellen sowie Blutgefäße und führen zum Zelltod. Lokale Erfrierungen werden in verschiedene Schweregrade eingeteilt. Beim 1. und 2. Grad kommt es zu oberflächlichen Verletzungen, bei Kälteschäden 3. und 4. Grades handelt es sich um Schädigungen, die bis in subkutanes Gewebe und den Knochen reichen.

Dagegen ist der Kälteschaden (Non-Freezing Cold Injuries, NFCI) durch langsamen Temperaturverlust im Gewebe ohne direkte Erfrierung gekennzeichnet. Frostbeulen (Perniones) treten durch Gefäßveränderungen auf und sind reversibel. Beim Immersions- oder Grabenfuß ist der Fuß aufgrund von anhaltender nasser Kälte oberhalb des Gefrierpunktes bläulich blass, kalt und geschwollen.

Symptome

Erfrierungen führen zu Sensibilitätsverlust und Schmerzen nach Wiedererwärmung. Bei schwergradigen Erfrierungen kann es zu einem dauerhaften Gefühlsverlust kommen. Auch bei Kälteschäden kommt es je nach Schweregrad zu Sensibilitätsstörungen und Schmerzen nach Wiedererwärmung bis hin zu Blutgerinnseln und Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe (Ödeme). Typische Symptome von Frostbeulen sind Juckreiz, Spannungsgefühl und Missempfindungen der gebildeten Blasen. Bei Grabenfüßen kommt es zu Blasen, Geschwüren und Durchblutungsstörung bis hin zum Absterben von Gewebe. In manchen Fällen klagen die Patient*innen noch nach Jahren über vermehrte Schweißsekretion, Kälteempfindlichkeit und Schmerzen beim Gehen.

Ursachen

Erfrierungen können in Verbindung mit Wintersportaktivitäten, Bergsteigen, langem Aufenthalt im Freien bei Kälte oder bei Arbeit unter Kältebelastung (Kühlhäuser, Arbeit im Freien, Bergbau) auftreten. Finger, Zehen, Ohren und Nase sind besonders gefährdet. Höheres Alter, Obdachlosigkeit, ein bestehendes Raynaud-Syndrom, schlecht sitzende, drückende Schuhe sowie Alkohol, Nikotin und Drogen erhöhen das Risiko für Kälteschäden.

Bei Erfrierungen hängt das Ausmaß und die Tiefe der Schädigung von der Temperatur (Wind-Chill), der Feuchtigkeit, der Dauer und dem Bekleidungsschutz ab. Eine ungeschützte Berührung von tiefkalten Metallen (≤ –10 °C) kann bereits nach wenigen Sekunden zu lokalen Erfrierungen führen (Kontaktkälte). Bei Temperaturen unter –50 °C kann es bei hohem Atemvolumen zu Spannungsrissen der Zähne sowie Erfrierungen der Atemwege bis einschließlich der Lungen kommen. Zu Kälteschäden (NFCI) kommt es durch langsamen Temperaturverlust im Gewebe mit einer Abnahme der Körperkerntemperatur bis hin zur Hypothermie (Unterkühlung). Frostbeulen treten meist 12–24 Stunden nach dem Kontakt zu Kälte oder Nässe auf, vor allem an den Zehen. Der Grabenfuß entsteht nach einer sog. Nasserfrierung, also wiederholter oder längerer nasser Kälte oberhalb des Gefrierpunktes, z. B. bei Soldat*innen in Schützengräben.

Häufigkeit

Erfrierungen sind in Mitteleuropa wesentlich seltener als Verbrennungen. Die Patient*innen sind vor allem zwischen 30 und 50 Jahren alt. Männer sind 10-mal häufiger betroffen als Frauen. Von Frostbeulen sind insbesondere junge Frauen betroffen.

Untersuchungen

  • Die Untersuchungen sollen einen Überblick über das Ausmaß der Schädigung, den Allgemeinzustand der Patient*innen und eine mögliche Unterkühlung (Hypothermie) verschaffen.
  • Andere thermische oder chemische Einwirkungen auf die Haut sollen ausgeschlossen werden.
  • Symptome wie Schmerzen nach Wiedererwärmung geben Hinweise über die Art und das Ausmaß der Schädigung. Ein Gefühlsverlust deutet auf höhergradige Erfrierungen hin.
  • Erfrierungen werden anhand der Symptome und Schäden in 4 Schweregrade eingeteilt:
    • 1. Grad: Taubheit, Rötung, Schwellung
    • 2. Grad: Blasenbildung, Rötung, Erosionen, erhöhte Schmerzempfindlichkeit bis Gefühlslosigkeit
    • 3. Grad: mit Blut gefüllte Blasen, Gewebetod (Nekrose), Gefühlslosigkeit
    • 4. Grad: bläulich fahle bis schwarze Verfärbung, tiefe Nekrosen
  • Spezialuntersuchungen wie Knochenszintigrafie, MR- oder CT-Angiografie ermöglichen eine prognostische Abschätzung der Gewebeschädigung.

Behandlung

  • Ziel der Behandlung ist die Begrenzung des Erfrierungsausmaßes, die Schmerzlinderung, die Förderung der bestmöglichen Heilung und das Vermeiden von Folgeschäden wie Funktionsverlust oder Amputationen.
  • Erstgradige Erfrierungen können hausärztlich versorgt werden. Zweit- oder höhergradige Erfrierungen sollten durch Spezialist*innen (mit-)behandelt werden.
  • Es gibt keine einheitliche Therapie. Die Standardbehandlung besteht in der Regel aus Wiedererwärmung, gefolgt von lokalen infektionshemmenden Wundverbänden und ggf. einem späteren chirurgischen Vorgehen. Wichtiger als eine Lokalbehandlung ist in der Akutphase das systemische Aufwärmen.
    • Die betroffene Person wird unverzüglich in einen geschützten, warmen Bereich gebracht und die feuchte Kleidung entfernt.
    • Wenn sichergestellt ist, dass es zu keinen neuen Kälteschäden kommen kann, wird mit der Erwärmung begonnen. Ein Wechsel zwischen Aufwärmen und erneuter Kälte kann zu schweren Schäden führen.
    • Da die Haut bei einer schweren lokalen Kälteschädigung anschwellen wird, werden enge Kleidungsstücke und Ringe an den Händen entfernt.
    • Bei Erfrierung wird der betroffene Körperteil für 15–60 Minuten in 37–39 °C warmem Wasser mit antibakteriellem Zusatz gebadet. Das Warmreiben der betroffenen Körperstelle oder direkte Wärme können zusätzlichen Schaden der Haut verursachen und sollten vermieden werden.
    • Kälteschäden werden mit einem Luftstrahl von 22–27 °C langsam erwärmt.
  • Wird die Haut bei Frostbeulen sauber, trocken und warm gehalten, kommt es im Verlauf meist zu einer spontanen Abheilung. Bei Bedarf können Medikamente gegen den Schmerz oder Juckreiz gegeben werden.
  • Im Falle akuter und schwerer Erfrierungen kann innerhalb der ersten 24 Stunden eine Behandlung gegen Blutgerinnsel sinnvoll sein.
  • Wenn eine klare Unterscheidung zwischen gesundem und abgestorbenem Gewebe getroffen werden kann, kann das abgestorbene Gewebe operativ entfernt werden. Dies kann üblicherweise Tage bis Wochen dauern. Bei ausgeprägter Ödembildung kann eine Durchtrennung von Muskelfasern notwendig werden, um das Gewebe vom Druck zu entlasten. Tiefe Erfrierungen mit Schäden von Unterhaut, Muskulatur oder Knochengewebe erfordern unter Umständen eine Amputation.

Vorbeugung

  • Schützen Sie sich vor Kälte. Mehrere Schichten luftiger und weiter Bekleidung isolieren besonders gut. Die oberste Bekleidungsschicht sollte winddicht sein.
  • Überanstrengung und Feuchtigkeit aufgrund von Schweißbildung sind zu vermeiden. Nasse Bekleidung sollte gewechselt werden, da die Feuchtigkeit verdunstet und zu erhöhten Wärmeverlusten führt. Alkohol sollte nicht konsumiert werden, da er ebenfalls die Wärmeverluste erhöht.
  • Halten Sie den Aufenthalt in der Kälte so kurz wie möglich.
  • Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist sicherzustellen, am besten durch warme Getränke.
  • Eine unzureichende Durchblutung durch eng anliegende Bekleidung oder Medikamente sollte vermieden werden. Aus demselben Grund sollten Sie nicht rauchen.

Prognose

  • Es gibt keine verlässlichen Parameter für eine gute oder schlechte Prognose einer Erfrierung.
  • Eine folgenlose Abheilung von lokalen Erfrierungen ist möglich, ab Gewebetemperaturen < 10 °C jedoch unwahrscheinlich.
  • Vorausgegangene Erfrierungen scheinen die Toleranz gegenüber Kälte herabzusetzen und erneute Erfrierungen zu begünstigen.
  • Frostbeulen heilen in der Regel innerhalb weniger Wochen ab, haben jedoch ein hohes Risiko, erneut aufzutreten.

Weitere Informationen

Autor

  • Markus Plank, MSc BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Erfrierungen, lokale und Kälteschäden. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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