Schilddrüsenentzündung nach einer Schwangerschaft

Bei der nach einer Schwangerschaft auftretenden Schilddrüsenentzündung handelt es sich bei den meisten Betroffenen um eine vorübergehende Entzündung der Schilddrüse, die einige Wochen nach der Entbindung auftritt. Diese Erkrankung wird im medizinischen Sprachgebrauch als Postpartum-Thyreoiditis bezeichnet. Die Erkrankung kann sowohl zu einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) als auch zu einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) führen. Bei ca. 50 % aller betroffenen Frauen erreicht die Schilddrüse innerhalb eines Jahres wieder ihre normale Funktion. Eine medikamentöse Behandlung ist nur bei besonders ausgeprägten Formen erforderlich.

Was ist die Postpartum-Thyreoiditis?

Schilddrüse, Glandula thyreoidea
Schilddrüse, Glandula thyreoidea

 

Eine Schilddrüsenentzündung (Thyreoiditis) nach der Schwangerschaft (lateinisch: post partum) ist eine entzündliche Veränderung der Schilddrüse (Glandula thyreoidea), die durch eine Autoimmunreaktion verursacht wird, das heißt, der Körper greift die eigene Schilddrüse an. Fast jede 12. Frau entwickelt nach einer Schwangerschaft eine Entzündung der Schilddrüse, bei Müttern mit Typ-1-Diabetes sogar bis zu 25 %.

Bei der Postpartum-Thyreoiditis handelt es sich um eine spezielle Form der Autoimmun-Thyreoiditis, die bei einer Frau nach der Geburt eines Kindes auftritt. Meist bringt die Erkrankung eine vorübergehende Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) von 1–2 Monaten Dauer mit sich, gefolgt von einer 4–6 Monate andauernden Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). In den meisten Fällen kommt es zur Spontanheilung mit wieder normaler Schilddrüsenfunktion.

Die Postpartum-Thyreoiditis ist eine Sonderform der milden lymphozytären („stummen“) Thyreoiditis und kann auch der Hashimoto-Thyreoiditis ähneln.

Ursachen

Die Postpartum-Thyreoiditis wird heute als Unterform der lymphozytären Thyreoiditis aufgefasst, bei der Abwehrzellen (Lymphozyten) in die Schilddrüse wandern und dort eine Entzündung hervorrufen. Es werden sog. Autoantikörper, vor allem Anti-TPO-Antikörper, gebildet, die für alle lymphozytären Schilddrüsenentzündungen typisch sind, auch für die Hashimoto-Thyreoiditis. Die Höhe des Autoantikörpertiters bei der Postpartum-Thyreoiditis ist jedoch deutlich niedriger als bei einem Hashimoto.

In der frühen Phase der Entzündung wird Schilddrüsengewebe rasch zerstört, was dazu führt, dass eingelagertes Schilddrüsenhormon (Thyroxin) in höherer Menge abgegeben wird, als vom Körper benötig wird. So kommt es zu einer anfänglichen Schilddrüsenüberfunktion. Wenn dann die Speicher an Schilddrüsenhormonen verbraucht sind, kommt es zu einer Schilddrüsenunterfunktion, da das geschädigte Schilddrüsengewebe das Schilddrüsenhormon Thyroxin nicht mehr in ausreichender Menge produzieren kann.

Sowohl die Phase der Über- als auch die Phase der Unterfunktion werden von den Frauen häufig gar nicht bemerkt.

Bei den meisten betroffenen Frauen ist die Postpartum-Thyreoiditis eine vorübergehende Erkrankung, die innerhalb eines Jahres folgenlos ausheilt. Bei einem Teil der Patientinnen entwickelt sich daraus jedoch eine dauerhafte Schilddrüsenunterfunktion.

Symptome

Die Postpartum-Thyreoiditis verläuft häufig mild ohne ausgeprägte Symptome. Die Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) entwickelt sich einige Wochen nach der Geburt und dauert 1–2 Monate. Anschließend tritt eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) auf, die 4–6 Monate andauert. 

Die Schilddrüsenüberfunktion führt zu vergleichsweise milden Symptomen wie Herzklopfen, Zittern, Nervosität und verstärktem Schwitzen. Die Schilddrüsenunterfunktion ist durch Müdigkeit, geringere Leistungsfähigkeit oder Niedergeschlagenheit und Kälteintoleranz gekennzeichnet.

Stimmungsschwankungen nach einer Geburt können möglicherweise auch durch eine Postpartum-Thyreoiditis verursacht sein.

Diagnostik

Die Diagnose wird anhand der Krankengeschichte, der Befunde bei der ärztlichen Untersuchung und der auffälligen Ergebnisse der Blutuntersuchungen gestellt. Frauen werden jedoch nicht routinemäßig nach einer Geburt auf Schilddrüsenprobleme untersucht, entsprechende Blutuntersuchungen werden nur bei Beschwerden durchgeführt. 

Bei der äußerlichen Untersuchung des Halses stellen die Ärzt*innen meist eine normale Schilddrüse fest, die manchmal leicht geschwollen, jedoch nicht berührungsempfindlich ist. Die Blutuntersuchung zeigt zu hohe oder zu niedrige Werte des Schilddrüsenhormons Thyroxin (FT4). Der Wert des Hormons TSH, das die Funktion der Schilddrüse reguliert, ist bei einem hohen Thyroxin-Wert niedrig, umgekehrt ist der TSH-Wert hoch, wenn der Thyroxin-Wert niedrig ist. Bei 70 % der Betroffenen lassen sich Antikörper gegen die Schilddrüse (TPO-AK) nachweisen. Der BSG-Wert (Blutsenkung) und andere Entzündungsparameter sind normal.

Gegebenenfalls kann ein Ultraschall der Schilddrüse durchgeführt werden. Dieser zeigt normales Schilddrüsengewebe, anders als zum Beispiel beim Hashimoto, bei dem das Gewebe im Ultraschall im späteren Verlauf häufig auffällig ist und die Schilddrüse eher klein und dunkel dargestellt werden kann. Die Hashimoto-Thyreoiditis soll von der Postpartum-Thyreoiditis unterschieden werden, da sie langfristig ein erhöhtes Risiko für eine Schilddrüsenunterfunktion birgt. Die Postpartum-Thyreoiditis dagegen heilt in der Regel von alleine folgenlos aus. 

Behandlung

Das Ziel der Behandlung ist die Linderung möglicher Symptome. Da die Beschwerden häufig nur sehr gering sind oder gar nicht wahrgenommen werden, ist eine Behandlung häufig nicht notwendig. 

Eine geringgradige Schilddrüsenüberfunktion muss nur selten behandelt werden, bei stark ausgeprägten Symptomen können Betablocker (Propranolol) verschrieben werden. Propranolol darf auch von stillenden Müttern angewendet werden, das Medikament geht jedoch in die Muttermilch über. Obwohl die mit der Milch aufgenommene Wirkstoffmenge wahrscheinlich keine Gefahr für das Kind darstellt, sollten Säuglinge auf Arzneimittelwirkungen überwacht werden.

Eine Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion ist meist ebenfalls nicht erforderlich. Wenn diese Phase aber lange andauert oder starke Symptome auftreten, sollte eine Behandlung mit dem Schilddrüsenhormon Thyroxin in Erwägung gezogen werden. Nach 6–9 Monaten wird die Dosis allmählich verringert und dann ganz abgesetzt.

Prognose

Im Laufe eines Jahres stellt sich bei 50 % aller betroffenen Frauen die normale Funktion der Schilddrüse wieder ein. Bei Frauen, die bereits eine Postpartum-Thyreoiditis hatten, besteht ein 70-prozentiges Risiko für eine erneute Schilddrüsenentzündung bei einer weiteren Schwangerschaft. Ungefähr 20–25 % aller Frauen mit Postpartum-Thyreoiditis entwickeln nach 3–5 Jahren eine dauerhafte Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Dieses Risiko ist umso höher, je höher der Titer der TPO-AK ist. Eine Kontrolle der Schilddrüsen-Werte nach einigen Monaten kann hier hilfreich sein. 

Weitere Informationen

Autor*innen

  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden
  • Caroline Beier, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Julia Trifyllis, Dr. med., Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Münster/W.

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Thyreoiditis. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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