Beratung über Organtransplantation

Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Artikel auf diesen Referenzen.1-2

Definition

  • Organtransplantation/-spende: Übertragung eines oder mehrerer Organe von Organspender*in auf Organempfänger*in
  • Gewebetransplantation/-spende: Dabei wird kein ganzes Organ, sondern Gewebe übertragen, wie die Kornea, Herzklappen, Haut, Sehnen oder Bänder.
    • Je nach Gewebe kommt dafür nur eine postmortale Spende oder auch eine Lebendspende infrage.
  • Lebend(organ)spende: Spende durch eine lebende Person 
    • Sonderform Dominospende
      • Wenn das bei Organempfänger*innen entnommene Organ noch funktionsfähige Teile enthält, z. B. Herzklappen, dann können diese auf weitere Organempfänger*innen transplantiert werden.
      • Wenn eine Lungentransplantation aus operationstechnischen Gründen in Kombination mit einer Herztransplantation erfolgt, kann das gesunde Herz der ersten Organempfänger*in eineer zweiten Organempfänger*in transplantiert werden.
  • Als Spende nach dem Tod (postmortal) bei Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben, die je nach Staat, in dem sich die potenziellen Organspender*innen aufhalten, sehr unterschiedlich sind.

Voraussetzungen

  • Die Voraussetzungen für eine Organspende in Deutschland sind im Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz, TPG)3 geregelt.
  • Zwei unabdingbare Voraussetzungen sind danach die Einwilligung der spendenden Person und – für die Spende nach dem Tod – die Feststellung des Hirntods (Näheres s. u.).

Häufigkeit

  • Mehr als 9.000 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan, davon rund 7.000 auf eine Niere (Stand Februar 2022).4
  • Etwa 3/4 aller Deutschen bestätigen in Umfragen, dass sie zu einer postmortalen Spende bereit wären. Der Anteil derer, die einen Organspendeausweis besitzen, lag vor 2012 bei etwa 25 %5 und ist auf 36 % im Jahr 2018 gestiegen.6

Postmortale Spende

  • In Deutschland postmortal gespendete Organe pro Jahr (durchschnittlich etwa 3 entnommene Organe pro Spender*in)2,4
    • 2018: 3.113
    • 2019: 2.995
    • 2020: 2.941
    • 2021: 2.905
    • davor: kontinuierlicher Rückgang von 5.094 im Jahr 2010 auf 2.594 im Jahr 2017
    • davor: kontinuierlicher Anstieg von 3.944 im Jahr 2002 auf 4.711 im Jahr 2009
  • Art der in Deutschland transplantierten Organe im Jahr 20202
    • Niere: 1.909
    • Leber: 826
    • Lunge: 344
    • Herz: 339
    • Pankreas: 92
    • Darm: 8
  • Gewebespende – viel häufiger als Organspenden, z. B.:4
    • Transplantation der Kornea ca. 6.000/Jahr

Lebendspende4

  • Im Jahr 2020 wurden insgesamt 502 Organe nach Lebendspende (ohne Dominospende) transplantiert. Davon waren 450 Nieren- und 52 Lebertransplantationen.
  • Gewebespende, z. B.:
    • 3.326 allogene Stammzelltransplantationen im Jahr 20207
    • allogene Knochentransplantationen insgesamt ca. 30.000/Jahr
    • Überwiegend Spongiosaspenden aus Femurköpfen, die im Rahmen eines Hüftgelenkersatzes entfernt wurden.

Postmortale Spende

Koordination der Organspende

  • Ist der Hirntod von Organspender*innen festgestellt, und kommt eine Organentnahme aus medizinischer Sicht infrage, dann werden die Organspender*innen dem zuständigen Transplantationszentrum oder der Deutschen Stiftung für Organtransplantation (DSO) gemeldet.
  • Der örtliche Koordinator der DSO veranlasst dann Laboruntersuchungen, in denen u. a. Blutgruppe und Gewebemerkmale der spendenden Person ermittelt werden und geprüft wird, ob evtl. Infektionen, etwa mit HIV oder Hepatitisviren, eine Organspende von vornherein ausschließen.
  • Im nächsten Schritt werden die Daten der spendenden Person, einschließlich der genauen Gewebemerkmale, an die Koordinationsstelle Eurotransplant in Holland übermittelt.
  • Sobald die Mitarbeiter*innen von Eurotransplant die Organempfänger*in ermittelt haben, kontaktieren sie das Transplantationszentrum, an dem die Transplantation erfolgen soll.

Einwilligung

Gesetzlicher Rahmen8-9

Zustimmungslösung (Entscheidungslösung)
  • Dabei hat die potenziell spendende Person ihre Einwilligung oder ihre Ablehnung gegenüber einer Spende nach dem Tod bereits zu Lebzeiten schriftlich dokumentiert – klassischerweise in Form eines Organspendeausweises oder einer Patientenverfügung.
Erweiterte Zustimmungslösung
  • Nur wenn jemand seinen Willen nicht dokumentiert hat, gilt weiterhin die erweiterte Zustimmungslösung, das heißt, die Angehörigen werden nach dem mutmaßlichen Willen der verstorbenen Person gefragt.
    • Das ist nicht nur ethisch umstritten, sondern stellt eine zusätzliche Belastung der Person dar, die gerade einen nahe stehenden Menschen verloren hat. Dem trägt der Gesetzgeber Rechnung, indem er die aktive Entscheidung der betroffenen Person zu Lebzeiten ausdrücklich bevorzugt und durch entsprechende Aufklärungsmaßnahmen fördert.
  • Der Gesetzgeber hat 2012 in einer Änderung des Transplantationsgesetzes sein Votum für eine solche „Entscheidungslösung“ bekräftigt. Der Deutsche Bundestag entschied am 16. Januar 2020, die erweiterte Zustimmungslösung mit wenigen Anpassungen beizubehalten.10-11
    • Es wird allen Versicherten nahegelegt, eine informierte Entscheidung für oder gegen eine Organspende zu treffen.
    • Diese Entscheidung bleibt freiwillig. Es sollen aber alle Bürger*innen mindestens alle 10 Jahre in den Bürgerämtern beim Abholen eines neuen Ausweises Organspendeausweise zusammen mit geeigneten Aufklärungsunterlagen erhalten.
    • Es wird ein zentrales Online-Register beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information eingerichtet, in dem alle Bürger*innen ihre Haltung zur Organspende in Form von Ja oder Nein dokumentieren sollen und jederzeit ändern können.
Regelungen für die hausärztliche Praxis
  • Um darüber hinaus eine aufgeklärte, selbstbestimmte und schriftlich dokumentierte Entscheidung zur Organspende in der Bevölkerung zu fördern („Entscheidungslösung“), enthält das am 16. Januar 2020 vom Bundestag verabschiedete und am 1. März 2022 inkraft tretende Gesetz u. a. folgende Regelungen:12
    • (1a) „Hausärzte sollen ihre Patienten regelmäßig darauf hinweisen, dass sie mit Vollendung des 16. Lebensjahres
      eine Erklärung zur Organ- und Gewebeentnahme abgeben, ändern und widerrufen und mit Vollendung des 14.
      Lebensjahres einer Organ- und Gewebespende widersprechen können. Bei Bedarf sollen sie diese Patienten über die Organ- und Gewebespende beraten. Die Beratung umfasst insbesondere:
      1. die Möglichkeiten der Organ- und Gewebespende
      2. die Voraussetzungen für eine Organ- und Gewebeentnahme bei toten Spendern, einschließlich der Bedeutung einer abgegebenen Erklärung zur Organ- und Gewebespende und des Entscheidungsrechts der nächsten Angehörigen nach § 4,
      3. die Bedeutung der Organ- und Gewebeübertragung im Hinblick auf den für kranke Menschen möglichenNutzen einer medizinischen Anwendung von Organen und Geweben einschließlich von aus Gewebenhergestellten Arzneimitteln und
      4. die Möglichkeit eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende im Register abzugeben.“
    • „Dabei sollen die Hausärzte ausdrücklich darauf hinweisen, dass keine Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung zur Organ- und Gewebespende besteht. Die Beratung muss ergebnisoffen sein. Für die Beratung hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung den Arztpraxen geeignete Aufklärungsunterlagen auf der
      Grundlage des Absatzes 1 sowie Organspendeausweise zur Verfügung zu stellen.“
  • Vergütung der Beratung (Stand Februar 2022)13
    • alle 2 Jahre möglich
    • Wurde durch den Erweiterten Bewertungsausschuss gegen die Stimmen der KBV beschlossen.
    • Erfolgt extrabudgetär.
    • EBM: GOP 01480, 65 Punkte (7,32 €) pro Beratung
Andere europäische Länder mit (erweiterter) Zustimmungslösung (Stand Februar 2022)14
  • Dänemark
  • Irland
  • Island
  • Litauen
  • Rumänien
  • Schweiz
  • Nordirland (UK)
Doppelte Widerspruchslösung
  • Die zuvor vom Gesundheitsministerium befürwortete Einführung einer doppelten Widerspruchslösung mittels eines entsprechenden Gesetzentwurfs wurde am 16. Januar 2020 vom Bundestag abgelehnt.10-11,15
    • Widerspruchslösung würde bedeuten, dass Organentnahmen post mortem auch an Personen legal wären, die dem zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen haben.
    • Bei der doppelten Widerspruchslösung könnten auch die Angehörigen der verstorbenen Person einer Organentnahme widersprechen.
Europäische Länder mit Widerspruchslösung (Stand Februar 2022)14
  • Belgien
  • Bulgarien
  • Estland
  • Finnland
  • Frankreich
  • Griechenland
  • Italien
  • Kroatien
  • Lettland
  • Liechtenstein
  • Luxemburg
  • Malta
  • Niederlande
  • Norwegen
  • Österreich
  • Polen
  • Portugal
  • Schweden
  • Slowakei
  • Slowenien
  • Spanien
  • Tschechien
  • Türkei
  • Ungarn
  • England (UK)
  • Wales (UK)
  • Schottland (UK)

Hilfen zur persönlichen Entscheidung

  • Die Entscheidung für oder gegen eine Organspende nach dem Tod kann nur jede Person für sich selbst treffen. Dabei spielen ethische und philosophische Fragen eine Rolle, die auch unter Fachleuten sehr kontrovers diskutiert werden, und auf die es keine wissenschaftlich gesicherten Antworten gibt, entweder weil dazu noch keine geeigneten Studien existieren, oder weil sie einer Beweissicherung mit den Methoden der Naturwissenschaften grundsätzlich unzugänglich sind. Solche ungeklärten Fragen sind z. B.:
    • Ist der mit unseren medizinisch-technischen Mitteln feststellbare Hirntod identisch mit dem Ende des Sterbeprozesses?
    • Stehen die intensivmedizinische Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen oder die Organ- und Gewebeentnahme einem friedvollen Sterben im Weg? In meiner eigenen Vorstellung und in der meiner nächsten Angehörigen?
    • Ist mein Gehirn alleiniger Sitz meiner Identität? Löst sich diese mit dem Ende messbarer Hirnaktivität vollständig auf?
    • Wie erleben Hinterbliebene der Spendenden deren Organspende? Welche Langzeitfolgen hat das für deren Seelenleben? Das sind Fragen, die im bisherigen Diskurs noch kaum bedacht wurden.16
  • Darüber hinaus gibt es Fragen, die jede Person aus ihrem persönlichen und evtl. auch religiösen Empfinden heraus anders beantwortet, wie:
    • Welche Rolle spielt ein ungestörter Sterbeprozess in meiner persönlichen Haltung zum Sterben und in meinen Vorstellungen darüber, was nach dem Tod ist?
    • Hat die Aussicht, anderen Menschen durch die Spende eines Organs oder von Geweben zu helfen, für mich mehr Gewicht als evtl. Vorbehalte gegenüber einer Organentnahme?
    • Habe ich das Gefühl, dass ein Stück von mir in der Person, die mein Organ erhält, weiterlebt und – falls ja – erlebe ich diese Vorstellung eher positiv oder negativ? Wie erleben meine Angehörigen die Vorstellung, dass ein Stück von mir nach meinem Tod in einem anderen Körper weiterlebt?
    • Wie ist das für mich selbst in der Vorstellung und wie wird es ggf. für meine Angehörigen in der realen Situation sein, wenn meinem noch warmen Körper, in dem noch ein Herz schlägt und der beatmet wird, Organe entnommen werden sollen?
  • Keinen moralischen Druck ausüben. Die persönlichen Ansichten, Maßstäbe und Wertvorstellungen der ratsuchenden Person respektieren, auch wenn sie nicht mit den eigenen übereinstimmen.
  • Anbieten, in einem ruhigen Rahmen über Fragen und Ängste im Zusammenhang mit einer Organspende und deren mögliche Auswirkungen auf die Sterbesituation – für die betroffene Person selbst und ihre Angehörigen – zu sprechen.

Feststellung des Hirntods

  • Zeigt das Gehirn trotz aller intensiven Reanimationsversuche keine Aktivität mehr, dann ist die Hirntoddiagnostik von zwei erfahrenen Ärzten aus den Fachgebieten Anästhesie, Neurochirurgie, Neurologie, Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Neuropädiatrie oder von Ärzten anderer Fachgebiete mit Zusatz-Weiterbildung Intensivmedizin durchzuführen.9
  • Das Transplantationsgesetz3 schreibt in § 3 (3) vor, dass eine Entnahme von Organen nur zulässig ist, wenn „vor der Entnahme bei dem Organ- oder Gewebespender der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach Verfahrensregeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist.“
    • Die dafür notwendigen Untersuchungen sind in den Richtlinien der Bundesärztekammer genau festgelegt.
    • Angehörige der Organspender*innen können, sofern sie dies wünschen, bei der Hirntoddiagnostik mit im Raum bleiben. Sich selbst über den Hirntod der Spender*in Gewissheit zu verschaffen, hilft manchen bei der Verarbeitung der psychisch sehr belastenden Situation, einen nahen Angehörigen zu verlieren und sich gleichzeitig mit der Frage der Organspende auseinanderzusetzen.

Klinische Anzeichen

  • Die Feststellung des Hirntodes nach den Regeln der Bundesärztekammer umfasst u. a. die Prüfung von Reflexen und weiteren zerebralen Reaktionen, die bei Hirntoten nicht auslösbar sind:
    • Pupillenreflex: Lichtstarre beider ohne Mydriatikum mittel- bis maximal weiten Pupillen
    • vestibulookulärer (okulozephaler) Reflex: „Puppenkopfphänomen“ beidseits nicht auslösbar
    • Kornealreflex beidseits nicht auslösbar
    • zerebrale Reaktionen auf Schmerzreize beidseits innerhalb und außerhalb des Trigeminus-Versorgungsgebiets
    • Pharyngeal- und Trachealreflex: Würg- und Hustenreflex bei Berührung der hinteren Rachenwand
  • Ausfall der Spontanatmung
    • Erst nach Ausfall der o. g. zerebralen Reaktionen wird ein Apnoetest durchgeführt: Anhebung des pCO2 durch Beatmung mit 100 % Sauerstoff unter kontinuierlicher Kontrolle von pO2 und arteriellem Druck.
    • zentraler Atemstillstand: fehlende Spontanatmung bei pCO2-Werten ≥ 60 mmHg
  • Mindestdauer der Wartezeit: Die Irreversibilität des Hirnfunktionsausfalls ist erst dann nachgewiesen, wenn sie
    • bei primärer supratentorieller Hirnschädigung nach mindestens 12 Stunden oder
    • bei sekundärer Hirnschädigung nach mindestens 72 Stunden erneut übereinstimmend nachgewiesen worden ist.

Ergänzende Untersuchungen 

  • Alternativ zur zweiten klinischen Untersuchung nach vorgeschriebener Wartezeit können unmittelbar nach der ersten Untersuchung ergänzende apparative Untersuchungen zur Hirntodfeststellung durchgeführt werden.
  • Die technischen Voraussetzungen und der Ablauf dieser Untersuchungen sind in den Richtlinien der Bundesärztekammer genau festgelegt. Folgende Verfahren kommen infrage:
    • EEG (hirnelektrische Stille)
    • evozierte Potenziale, akustisch (FAEP) oder somatosensorisch (SEP)
    • Darstellung der Hirndurchblutung
    • transkranielle Doppler-/Duplexsonografie
      • Perfusionsszintigrafie
      • CT-Angiografie.

Beatmung und Kreislaufstabilisierung bis zur Organentnahme

  • Die nächsten Angehörigen werden nun über den Hirntod der Person informiert, die für die Organspende infrage kommt.
    • Die Angehörigen sind ebenso wie die behandelnden Ärzt*innen an die zu Lebzeiten getroffene Entscheidung der verstorbenen Person gebunden.17
  • Liegt die Einwilligung zur Organspende vor, dann werden alle intensivmedizinischen Maßnahmen bis zur erfolgten Organentnahme fortgeführt.
  • In allen anderen Fällen wird die Behandlung eingestellt.

Organentnahme

  • Die Organentnahme wird entweder von krankenhauseigenen Chirurg*innen oder von einem Entnahmeteam durchgeführt, das in der Regel aus dem Transplantationszentrum der von Eurotransplant ermittelten Empfänger*innen anreist.
  • Für die Entnahmeoperation bei einer hirntoten Person wird nach deutschen Richtlinien eine Vollnarkose nicht für erforderlich gehalten, da man davon ausgeht, dass alle Funktionen des Gehirns, die eine Schmerzwahrnehmung ermöglichen würden, irreversibel ausgefallen sind.
    • Trotzdem sind Anästhesist*innen an der Organentnahme beteiligt. Sie sorgen für stabile Vitalfunktionen der Organspender*innen und verhindern, dass über Schmerzfasern vermittelte spinale Reflexe aktiviert werden. Diese könnten sonst während der Operation zu plötzlichen Muskelkontraktionen, hypertensiver Krise oder Tachyarrhythmien führen.
  • Meistens werden im Rahmen der Organentnahmeoperation mehrere Organe, z. B. Herz, Leber und Nieren, sowie Körpergewebe, z. B. beide Augäpfel für die Transplantation der Hornhaut, entnommen.
    • Die Entnahme mehrerer Organe und Gewebe ist dann möglich, wenn die Organspender*innen ihre Einwilligung nicht ausdrücklich auf ein bestimmtes Organ beschränkt haben.
    • Die entnommenen Organe werden auf ca. 4 °C heruntergekühlt, verpackt und auf schnellstem Weg zum Transplantationszentrum der Empfänger*innen gebracht.
    • Nach der Organentnahme werden die Operationswunden zugenäht.
    • Wenn die Augäpfel entnommen wurden, werden diese durch spezielle Prothesen ersetzt und die Augenlider fest verschlossen, um die Leiche nicht zu entstellen.
  • Nach dem Verbinden der Operationswunden sieht man es dem Leichnam nicht mehr an, dass Organe entnommen wurden.
  • Je nach Wunsch der Angehörigen kann dann die Leiche aufgebahrt und später bestattet werden.

Lebendspende

Voraussetzungen

  • Aus mehreren Gründen erlaubt das Transplantationsgesetz die Lebendspende nur unter eng eingegrenzten Bedingungen.18
    • In Deutschland ist jegliche Form von Organhandel verboten. Wäre die Lebendspende auch durch anonyme Spendende erlaubt, dann würde das einen illegalen Organhandel ermöglichen.
    • Es besteht die Gefahr, dass eine Lebendspende mit einem erheblichen psychischen Druck, Abhängigkeiten, unausgesprochenen Konflikten oder übersteigerten Erwartungen an die derart Beschenkten einhergeht. In anderen Fällen fühlt sich vielleicht ein Familienmitglied zur Organspende überredet und befürchtet den Bruch mit der erkrankten Person für den Fall, dass sie die Bitte ausschlägt.

Gesetzlicher Rahmen3,17

  • Das Transplantationsgesetz § 8 Abs. 1 gestattet die Lebendspende eines nicht regenerierungsfähigen Organs nur an „Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verlobte oder andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen“. Zu den weiteren Voraussetzungen, unter denen eine Lebendspende erlaubt ist, zählen u. a.:
    • Volljährigkeit der spendenden Person
    • ausführliche Aufklärung der spendenden Person über die möglichen Folgen einer Organentnahme, einschließlich möglicher Spätfolgen (s. u.)
    • Freiwillige Zustimmung der spendenden Person: Weil die Freiwilligkeit eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Lebensspende ist, wird sie von einer unabhängigen Gutachterkommission geprüft.
    • Eine Lebendspende wird nur gestattet, wenn zum Zeitpunkt der Organentnahme kein Organ von verstorbenen Spender*innen zur Verfügung stehen. Die potenziellen Organempfänger*innen sind daher frühzeitig auf die Warteliste für Organe von verstorbenen Spender*innen zu setzen.
    • Bei Menschen, die nicht Deutsch sprechen, dürfen sämtliche Gespräche über die Lebendspende nur unter Mitwirkung von Dolmetscher*innen erfolgen. 

Aufklärung vor Lebendspende

  • Die Aufklärung der Spender*innen zur Organentnahme ist nur dann rechtswirksam, wenn sie durch die verantwortlichen Ärzt*innen gemeinsam mit weiteren approbierten Ärzt*innen erfolgt, die nicht mit der Transplantation befasst und von den transplantierenden Ärzt*innen unabhängig sind.
  • Die Empfehlungen der Bundesärzteärztekammer zur Lebendorganspende18 nennen als Pflichtinhalte der Aufklärung:
    • Möglichkeit der Transplantation eines postmortal entnommenen Organs ohne Belastung und Gefährdung der Lebendorganspender*innen
    • Art und Umfang des Eingriffs sowie mögliche Komplikationen
    • Folgen und Spätfolgen, Hinweis auf mögliche Minderung der Erwerbsfähigkeit
    • Erfolgsaussicht der Transplantation
    • versicherungsrechtliche Absicherung (s. u.)
    • Erläuterung der ärztlich begründeten Nachsorgemaßnahmen
    • Einbeziehung der Gutachterkommission (deren Bestellung erfolgt durch die jeweilige Landesregierung, in der Regel bei der Landesärztekammer) 
    • Hinweis auf die Möglichkeit, auch in einem vertraulichen Gespräch die Einwilligung bis zum Eingriff zu widerrufen.
  • Die Aufklärung ist vollständig zu dokumentieren, das Protokoll von allen am Gespräch Teilnehmenden, die Einverständniserklärung von der spendenden Person zu unterschreiben.
  • Alle Gespräche unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht, auch gegenüber Familienmitgliedern, einschließlich den erkrankten.
  • Setzen Sie die potenziell spendende Person nicht unter moralischen Druck. Respektieren Sie deren persönlichen Ansichten, Maßstäbe und Wertvorstellungen, auch wenn sie nicht mit Ihren eigenen übereinstimmen.
  • Betonen Sie, dass eine Lebendorganspende immer freiwillig erfolgen sollte und dass niemand das Recht hat, diese einzufordern.

Versicherungsrechtliche Fragen

  • Die Kosten der Lebendorganspende, ihrer Vorbereitung und der erforderlichen Nachbehandlung gelten als Behandlungskosten der Empfänger*innen und werden daher von deren Krankenversicherung übernommen.
  • Einzelheiten können bei verschiedenen gesetzlichen und privaten Versicherungen unterschiedlich geregelt sein. Es ist daher vor der Transplantation von der Versicherung der Empfänger*innen eine detaillierte schriftliche Kostenübernahmeerklärung einzuholen. Folgende bei den Spender*innen anfallende Kosten sind laut Empfehlungen der Bundesärzteärztekammer zur Lebendorganspende18 von der Versicherung der Empfänger*innen zu übernehmen:
    • die erforderlichen Voruntersuchungen
    • die Beurteilung durch die Kommission nach § 8 Abs. 3 TPG
    • die erforderlichen Fahrten
    • der stationäre Aufenthalt
    • die Organentnahme
    • die unmittelbare Nachbehandlung
    • die ärztlich empfohlene Nachbetreuung
    • der nachgewiesene Ausfall des Nettoverdienstes.

Weitere Informationsquellen

Positionen in verschiedenen Religionen

  • Gorse C. Organverpflanzung – Religiöse Positionen zur Organspende. www.planet-wissen.de
  • Position der christlichen Kirchen in Deutschland
    • Organtransplantationen – Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der EKD. www.dbk.de
    • Evangelische Landeskirche in Baden: Entscheidungshilfe zur Organtransplantation. www.ekiba.de
  • Positionen im Islam
    • Eich T, Grundmann J. Muslimische Rechtsmeinungen zu Hirntod, Organtransplantation und Leben. Zeitschrift für medizinische Ethik 2003; 49: 302-309. www.zfme.de
  • Positionen im Judentum
  • Positionen im Buddhismus

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Richtlinien

Literatur

  1. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Organspende - Die Entscheidung zählt! www.organspende-info.de
  2. Deutsche Stiftung Organtransplantation. Jahresbericht Organspende und Transplantation in Deutschland 2020. Frankfurt 2021. www.dso.de
  3. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz - TPG). Stand 11.07.2021 www.gesetze-im-internet.de
  4. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Zahlen und Fakten zur Organ- und Gewebespende. Zugriff am 07.02.2022 www.organspende-info.de
  5. Richter T, Buhse S, Kupfer R, Gerlach A, Mühlhauser I, Lenz M. Entwicklung einer Entscheidungshilfe ,,Organspende nach demTod‘‘- im Spannungsfeld zwischen Evidenz, Ungewissheit, Ängsten und ethisch-moralischen Wertvorstellungen. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes 2013; 107(9-10): 622-31. PMID: 24315333 PubMed
  6. BZgA-Umfrage 36 Prozent besitzen einen Organspendeausweis. dpa, Berlin 8.5.2018. www.deutsche-apotheker-zeitung.de
  7. Deutsches Register für Stammzelltransplantationen. Jahresbericht 2020. Ulm 2021. www.drst.de
  8. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Gesetzliche Regelungen in Europa. Download am 26.03.2019 www.organspende-info.de
  9. Bundesärztekammer. Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TPG für die Regeln zur Feststellung des Todes nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TPG und die Verfahrensregeln zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG, Vierte Fortschreibung; 30.01.2015. www.bundesaerztekammer.de
  10. Deutsches Ärzteblatt. Politik. Organspende: Bundestag beschließt Zustimmungslö­sung. 16. Januar 2020. www.aerzteblatt.de
  11. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode. Drucksache 19/11087. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaftbei der Organspende. Gemeinsames Dokumentations- und Informationssystem von Bundestag und Bunderat (DIP). 25.06.2019. Letzter Zugriff am 16.01.2020 dip21.bundestag.de
  12. Bundesgesetzblatt online. Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende.16.03.2020 www.bgbl.de
  13. Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Organspende: Ab 1. März neue Beratungsleistung für Hausärzte. Praxisnachrichten 23.12.2021 www.kbv.de
  14. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Die Entscheidungslösung in Deutschland und gesetzliche Regelungen in anderen europäischen Ländern. Letzter Zugriff am 16.01.2020 www.organspende-info.de
  15. Bundesministerium für Gesundheit. „Widerspruchslösung ist die Pflicht, sich mit der Organspende auseinanderzusetzen.“ 24.11.2018 www.bundesgesundheitsministerium.de
  16. Karl I. Organspende - Was sollen Hausärztinnen mit ratsuchenden Patienten besprechen? Z Allg Med 2019; 95: 42 www.online-zfa.de
  17. Bundesministerium für Gesundheit. Organspende. Rechtliche Grundlagen. 29. Oktober 2021. www.bundesgesundheitsministerium.de
  18. Bundesärztekammer. Empfehlungen zur Lebendorganspende. 1.12.2000. www.bundesaerztekammer.de

Autor

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg

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