Eisenüberladung (Hämosiderose, Hämochromatose)

Hämochromatose ist vor allem bei Nordeuropäer*innen eine der häufigsten Erbkrankheiten. In Deutschland leiden ungefähr 0,1 % der Bevölkerung an der Krankheit, bei der der Eisenumsatz im Körper gestört ist. Sie kann nur mit Aderlässen, d. h. regelmäßigen Blutentnahmen, behandelt werden.

Was ist Hämochromatose?

Definition

Hämochromatose ist eine meist angeborene Krankheit, bei der vermehrt Eisen aus dem Darm aufgenommen wird und sich im Körper ansammelt. Die Ansammlung in den Organen (Hämosiderose) erfolgt vor allem in Leber, Gelenken, Herz und Bauchspeicheldrüse. Im Verlauf kann die Erkrankung zur Entwicklung von Leberzirrhose, Knochen- und Gelenkerkrankungen, Diabetes mellitus und Herzerkrankungen führen.

Symptome

Meist treten über viele Jahre hinweg keine Beschwerden auf. Symptome treten selten vor dem 30. Lebensjahr bei Männern bzw. vor dem 50. Lebensjahr bei Frauen auf.

Müdigkeit und Abgeschlagenheit sind häufig die ersten Beschwerden. Typischerweise treten Gelenkschmerzen und Kalkablagerungen in den Gelenken auf. Auch Bauchschmerzen sind ein häufiges Symptom in einem frühen Stadium. Später kann es zu Potenzstörungen bei Männern und zum Ausbleiben der Menstruation bei Frauen kommen.

Mit der Zeit können sich Beschwerden am Herzen entwickeln. Bei etwa einem Viertel der Patient*innen kommt es zu Herzmuskelerkrankungen oder Herzrhythmusstörungen. Wird die Krankheit nicht behandelt, tritt bei ca. 50–60 % Diabetes auf. Spätere Symptome sind Leberversagen und Blutungen aus Krampfadern in der Speiseröhre.

Ursachen

Bei der vererbten Hämochromatose funktioniert die Regulierung der Eisenaufnahme aufgrund eines Gendefekts nicht richtig, und es wird vermehrt Eisen über den Darm aufgenommen. Normalerweise ist Eisen an andere Stoffe im Körper gebunden und nicht schädlich. Wird allerdings zu viel Eisen aufgenommen, befindet sich auch sog. freies Eisen im Körper, das sich in den Organen ablagert. Freies Eisen ist für Zellen, z. B. Leberzellen, giftig und führt zu einer Schädigung der inneren Organe.

Bei der defekten Erbanlage handelt es sich um eine Mutation des HFE-Gens. Um zu erkranken, müssen in den meisten Fällen beide Eltern das mutierte Gen weitergeben, damit das defekte Gen in doppelter Ausbildung vorliegt („homozygot“). Selten können auch andere genetische Varianten zu einer Hämochromatose führen. Zu einer erworbenen, also nicht vererbten Eisenüberladung kann es auch aufgrund von anderen Erkrankungen kommen, z. B. bei Thalassämie (Mittelmeeranämie), Lebererkrankungen oder infolge zahlreicher Bluttransfusionen.

Häufigkeit

Hämochromatose ist die häufigste Erbkrankheit unter Europäer*innen, insbesondere aus den nördlichen Teilen Europas. In Deutschland gibt es schätzungsweise über 200.000 homozygote Personen, die bereits erkrankt sind oder die Krankheit im Laufe ihres Lebens entwickeln können. 1–3 % der Personen mit Gendefekt werden tatsächlich krank. Bei heterozygoten Träger*innen, wenn also nur eines der beiden Gene defekt ist, erkrankt ca. 1 Person von 300 Betroffenen an Hämochromatose.

Hämochromatose tritt etwa 10- bis 20-mal häufiger bei Männern als bei Frauen auf. Frauen im gebärfähigen Alter scheinen aufgrund einer geringeren Eisenaufnahme über die Nahrung und des monatlichen Eisenverlustes über die Regelblutung teilweise gegen eine Eisenüberladung geschützt zu sein. Meist treten ähnliche Symptome bei mehreren Familienmitgliedern auf, da es sich um eine Erbkrankheit handelt.

Untersuchungen

  • Die ersten Symptome, die auftreten, sind Abgeschlagenheit und Müdigkeit. Geschwollene, rote, warme und schmerzende Gelenke können ebenfalls schon früh auftreten.
  • Als Anzeichen einer gestörten Leberfunktion können bei der ärztlichen Untersuchung rote Handflächen festgestellt werden.
  • Bei fortgeschrittener Krankheit können die Patient*innen die Körperbehaarung verlieren. Bei Männern kann es zu verkleinerten Hoden bzw. Anzeichen eines Brustwachstums kommen.
  • Die Haut kann sich grau oder bronzen verfärben, was manchmal mit dem Auftreten von Diabetes einhergehen kann. Aus diesem Grund wird die Krankheit auch Bronzediabetes genannt. Zudem kann es zu brüchiger Haut und Blasenbildung an lichtexponierten Hautstellen kommen.
  • Als Spätsymptome können eine vergrößerte Leber und eine vergrößerte Milz festgestellt werden.
  • Die Diagnose wird mithilfe von Blutuntersuchungen gestellt. Der Serumferritinspiegel ist normalerweise, aber nicht immer, erhöht. Eine Transferrinsättigung (Eisensättigung) von über 50 % bei Frauen bzw. über 55 % bei Männern kann auf die Krankheit hinweisen. Blutzucker- und Leberwerte werden ebenfalls untersucht, da erhöhte Leberenzyme Anzeichen von Leberschäden sind.
  • Die Menge einiger Hormone im Blut wird bestimmt.
  • Zur Früherkennung von Organschäden werden Herz und Leber per Magnetresonanztomografie auf ihren Eisengehalt untersucht.
  • Elektrokardiografie sowie Echokardiografie können Hinweise auf eine Schädigung des Herzens geben.
  • Mit einem Gentest kann die Diagnose bestätigt werden. Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass die Krankheit nur bei einem Teil der Personen mit dem Gendefekt ausbricht, daher ist ein Gentest nur mit erhöhtem Serumferritin und Transferrin aussagekräftig.
  • Eine Gewebeprobe der Leber wird bei besonders hohen Ferritinwerten empfohlen.
  • Beim Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren für Osteoporose (z. B. Alter, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum etc.) kann eine Knochendichtemessung sinnvoll sein.

Behandlung

  • Mit der Therapie soll verhindert werden, dass sich freies Eisen in den Organen ablagert, zudem sollen weitere Komplikationen gestoppt werden.
  • Die Therapie besteht aus Aderlässen, d. h. regelmäßigen Blutabnahmen. Die Häufigkeit hängt vom Ferritinwert ab. In einigen Fällen ist es notwendig, zu Beginn der Behandlung jede oder jede 2. Woche einen Aderlass mit jeweils 400–500 ml Blut durchzuführen, bis der Ferritinspiegel niedrig genug ist. Als Dauerbehandlung sind 3–4 Aderlässe im Jahr meist ausreichend, mit dem Ziel, den Ferritinwert bei < 50–100 µg/l (< 105–211 pmol/l) zu halten. Vor dem Aderlass sollten die Patient*innen genug trinken und nach dem Aderlass für mindestens 24 Stunden schwere körperliche Anstrengungen vermeiden.
    • Vorausgesetzt die Spender*innen sind ansonsten gesund, kann das Blut  für Transfusionen verwendet werden.
  • Medikamente wie Deferasirox oder Desferrioxamin werden nur in Ausnahmefällen eingesetzt, wenn Aderlässe nicht durchgeführt werden können, z. B. bei Anämie, schwerer Herzinsuffizienz oder erheblichen Schwierigkeiten, einen venösen Zugang zu schaffen.

Was können Sie selbst tun?

  • Eine ausgewogene, gesunde Ernährung wird empfohlen, aber es ist nicht nachgewiesen, dass eine eisenarme Diät einen positiven Effekt auf die Krankheit hat.
  • Eine zusätzliche Eisenzufuhr über Eisenpräparate oder entsprechende Nahrungsergänzungsmittel ist zu vermeiden. Dasselbe gilt für Vitamin-C-Präparate.
  • Alkohol ist schädlich für die Leber und sollte nicht konsumiert werden, wenn sich die Krankheit mit einem Leberschaden manifestiert hat.
  • Ein bevölkerungsweites genetisches oder biochemisches Screening wird nicht empfohlen, da nur bei einem kleinen Anteil der homozygoten Träger*innen (1–3 %) die Krankheit klinisch auffällig wird, bevor sie behandelt werden. Ein Familienscreening erfolgt jedoch bei Geschwistern von Patient*innen mit Hämochromatose.
  • Kontrolluntersuchungen sollen je nach zu untersuchenden Parametern jährlich bis monatlich erfolgen. Auch sich möglicherweise entwickelnde Nebenwirkungen der Medikamente sollen regelmäßig untersucht werden.

Prognose

  • Männer zeigen meist bis zum 30. bis 40. Lebensjahr keine Symptome, Frauen bis zum 50. bis 60. Lebensjahr. Hat die Krankheit noch keine Schädigungen verursacht und wird regelmäßig Venenblut entnommen, ist die Prognose sehr gut und verläuft ohne verkürzte Lebenserwartung.
  • Die Behandlung kann Herzbeschwerden lindern und evtl. den Insulinbedarf reduzieren. Wenn Gelenkbeschwerden oder erektile Dysfunktion auftreten, scheinen Aderlässe dies nur geringfügig zu beeinflussen.
  • Als Komplikationen können die Umwandlung von normalem Lebergewebe in Narbengewebe (Leberzirrhose), Diabetes durch die Schädigung der Bauchspeicheldrüse, Unterfunktion der Hirnanhangdrüse (Hypophyseninsuffizienz), Entzündung der Gelenke oder eine Schädigung des Herzmuskels auftreten.
  • Tritt eine Leberzirrhose auf, besteht ein erhöhtes Risiko für Leberzellkrebs.
  • Beim Auftreten von Komplikationen wie Leberzirrhose, Diabetes oder Kardiomyopathie ist die durchschnittliche Lebenserwartung reduziert.

Weitere Informationen

Autor

  • Markus Plank, Msc BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Eisenüberladung (Hämosiderose, Hämochromatose). Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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