Morbus Waldenström

Zusammenfassung

  • Definition:Indolentes Lymphom mit Produktion monoklonaler IgM.
  • Häufigkeit:Seltene Erkrankung des älteren Menschen mit Inzidenz < 1:100.000.
  • Symptome:Schleichender Beginn mit zunehmender Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit.
  • Befunde:Zytopenie durch Knochenmarkinfiltration, Hyperviskositätssyndrom kann Vielzahl von Symptomen hervorrufen.
  • Diagnostik:Knochenmarkbiopsie, Immunfixation IgM sowie Bildgebung obligat.
  • Therapie:Therapie nur bei Symptomen, dann in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand mittels Rituximab, ggf. + Chemo oder Ibrutinib mono. Bei Hyperviskositätssyndrom Plasmapherese.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Seltene Erkrankung, die zu den indolenten Lymphomen gehört.1
    • langsamer und chronischer Verlauf
  • Klassifikation der WHO
    • lymphoplasmozytisches Lymphom mit obligater Infiltration des Knochenmarks und monoklonaler IgM-Gammopathie
  • Die Gammopathie des IgM (ein Makroglobulin) verursacht u. a. eine erhöhte Serumviskosität.2
  • Erstbeschreibung durch den schwedischen Internisten Jan Gösta Waldenström3

Häufigkeit

  • Europa-standardisierte Inzidenzrate4
    • 7,3/1.000.000 Einwohner für Männer
    • 4,2/1.000.000 Einwohner für Frauen
  • Die Erkrankung macht 1–3 % aller Non-Hodgkin-Lymphome aus.5
  • Medianes Alter 72–75 Jahre1

Ätiologie und Pathogenese

  • Bei > 90 % der Patient*innen Mutation MYD88L265P 6
    • Die Mutation triggert 2 Kinasen, die NF-ΚB aktivieren, einen onkogenen Faktor in der Entstehung maligner Lymphome.
  • Unklar ist die Rolle chronischer Immunstimulation durch Infektionen oder Autoimmunerkrankungen.1

Pathophysiologie1

  • Monoklonales IgM (Pentamer mit hohem Molekulargewicht)
    • Hyperviskosität
    • Kryoglobulinämie
      • Bei 20% der Patient*innen verhält sich IgM wie ein Kryoglobulin.
      • charakteristisch Raynaud-Syndrom
    • Amyloidose
      • Bei < 3 % der Patient*innen entwickelt sich Leichtketten-Amyloidose.
  • Organinfiltration

Disponierende Faktoren

  • Verwandte 1. Grades von Patient*innen mit M. Waldenström haben:
    • ein 20-fach erhöhtes Risiko für die Entstehung dieser Erkrankung.
    • ein 3- bis 5-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung anderer NHL, einer chronischen lymphatischen Leukämie oder eines MGUS (monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz) gegenüber der Normalbevölkerung.5
  • Patienten mit einer IgM monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko.1

ICPC-2

  • B74 Maligne Bluterkrankung andere

ICD-10

  • C88 Bösartige immunproliferative Krankheiten
    • C88.0- Makroglobulinämie Waldenström

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Vorliegen aller 3 Kriterien obligat für Diagnosestellung:5
    1. Vorliegen eines lymphoplasmozytischen Lymphoms
    2. Knochenmarkinfiltration (≥ 10 %)
    3. Nachweis eines monoklonalen IgM mittels Immunfixation.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Vor allem ältere Menschen sind betroffen.
  • Schleichender Beginn mit B-Symptomatik und AZ-Minderung
  • Infektneigung, Schwäche, leichte Entstehung von Hämatomen/Petechien
    • verursacht durch Leukopenie, Anämie und Thrombopenie bei Knochenmarkinfiltration
  • Raynaud-Syndrom bei Kryoglobulinen
  • Sehstörungen als Ausdruck der Hyperviskosität

Klinische Untersuchung

  • Tastbare Leber, Milz oder periphere Lymphknotenstationen?
  • Orientierende neurologische Untersuchung
  • Bei Sehstörungen Spiegelung des Augenhintergrunds5
  • Zeichen einer Anämie oder Thrombopenie?
    • blasse Konjunktiven/Schleimhäute, Petechien

Ergänzende Untersuchungen

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Knochenmarkaspiration und -biopsie obligat für Diagnosestellung 
  • Molekulargenetik
    • Differenzierung zu anderen indolenten NHL
    • Bestimmung MYD88-Mutationsstatus bei geplanter Ibrutinib-Therapie
  • Bildgebung
    • CT Thorax/Abdomen zum Staging
    • Sono Abdomen: Milzgröße
  • Echokardiografie

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf die Erkrankung 

Therapie

Therapieziele

  • Symptomlast reduzieren.
  • Komplikationen verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Es besteht aktuell keine Heilungsmöglichkeit.1
  • Abwarten bei asymptomatischen Patient*innen
  • Behandlung erst bei Auftreten von lymphomassoziierten Beschwerden, Zytopenien oder rasch steigenden und/oder stark erhöhten IgM-Serumwerten.5
    • Bei IgM > 6g/dl Therapieindikation wegen drohendem Hyperviskositätssyndrom7
      • Behandlung eines Hyperviskositätssyndroms durch Plasmapherese
  • Eine systemische Therapie ist abhängig vom Allgemeinzustand der Betroffenen.
  • Patienten sollten aufgrund der Seltenheit der Erkrankung vor Therapieeinleitung nach Möglichkeit in Studien aufgenommen werden.5

Systemische Therapie

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  • Fitte Patient*innen
    • Kombinationstherapie aus Rituximab (CD20-Antikörper) und Standardchemotherapie
      • Standardchemo Bendamustin oder Dexamethason + Cyclophosphamid
  • Morbide Patient*innen
    • Rituximab-Monotherapie
  • Multimorbide Patient*innen, nicht Chemotherapie-fähig
    • Ibrutinib (Tyrosinkinase-Inhibitor)
      • vor Einleitung der Therapie Bestimmung des MYD88- Mutationsstatus
      • bei Wildtyp nur geringe Wirksamkeit von Ibrutinib

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Schleichender Beginn mit langsam voranschreitendem Verlauf8

Komplikationen

  • Vor allem durch Hyperviskositätssyndrom bedingt
  • Raynaud-Syndrom bei Kryoglobulinämie
  • Amyloidose
  • Autoimmunphänomen, wie hämolytische Anämie oder Neuropathien durch Antikörper, die sich gegen Myelin richten.
  • Panzytopenie durch Knochenmarkinfiltration
  • Nebenwirkungen der Chemotherapie

Prognose

  • Die Prognose kann durch das „International Scoring System for Waldenström's Macroglobulinemia“ (ISSWM) berechnet werden:9
  • Für jeden vorliegenden Risikofaktor wird 1 Punkt vergeben:
    • Alter ≥ 65 Jahre
    • Hb1 ≤ 11,5 g/dl
    • Thrombozyten ≤ 100.000/µl
    • β2M2 > 3 mg/l
    • IgM3 > 70 g/l.
  • Punktzahl und damit verbundenes Rezidivrisiko sowie 5-Jahres-Überlebensrate:
    • 0–1 Punkte (außer Alter)
      • niedriges Rezidivrisiko
      • 87 % Überlebensrate
    • 2 Punkte oder Alter ≥ 65 Jahre
      • intermediäres Rezidivrisiko
      • 68 % Überlebensrate
    • ≥ 3 Punkte
      • hohes Rezidivrisiko
      • 36 % Überlebensrate.

Verlaufskontrolle

  • Verlaufskontrollen nach Abschluss der Therapie in 3-monatigen, ab dem 3. Jahr in 6- bis 12-monatigen Abständen als Nachsorge:1
    • Anamnese und körperliche Untersuchung
    • Zellzählung, Differenzialblutbild
    • Monoklonales IgM quantitativ
    • LDH
    • Kontrolle initial pathologischer Befunde (bildgebende Verfahren).

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Buske C, Heim D, Herold M, et al. Morbus Waldenström (Lymphoplasmozytisches Lymphom). Onkopedia. Stand Dezember 2018. www.onkopedia.com
  2. Dimopoulos MA, Panayiotidis P, Moulopoulos LA, et al: Waldenstrom's macroglobulinemia: clinical features, complications, and management. J Clin Oncol 2000; 18: 214-26. PubMed
  3. Waldenström J. Incipient myelomatosis or “essential” hyperglobulinemia with fibrinogenopenia: a new syndrom ?. Acta Med Scand 1944; 117: 216-22. doi.org
  4. Phekoo KJ, Jack RH, Davies E, et al. The incidence and survival of Waldenstrom's Macroglobulinaemia in South East England. Leuk Res 2008; 32(1): 55-9. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Grunenberg A, Buske C. Seltene indolente Lymphome: M. Waldenström. Onkologie 2019; 25: 899-908. doi.org
  6. Treon SP, Xu L, Yang G, et al. MYD88 L265P Somatic Mutation in Waldenström's Macroglobulinemia. N Engl J Med 2012; 367(9): 826-33. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Gustine JN, Meid K, Dubeau T, et al. Serum IgM level as predictor of symptomatic hyperviscosity in patients with Waldenström macroglobulinaemia. Br J Haematol. 2017; 177(5): 717-25. www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Morel P et al. Prognostic factors in Waldenström's macroglobulinemia. A report on 232 patients with the description of a new scoring system and its validation on 253 other patients. Blood 2000; 96: 852. PubMed
  9. Morel P, Duhamel A, Gobbi P, et al. International prognostic scoring system for Waldenstrom macroglobulinemia. Blood 2009; 113(18): 4163-70. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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