Lymphangitis

Zusammenfassung

  • Definition:Entzündung der oberflächlichen Lymphgefäße nach Eindringen von Erregern oder Noxen in das Lymphsystem.
  • Häufigkeit:Häufig bei distalen Infektionen.
  • Symptome:Streifige Rötung der Haut entlang der betroffenen Lymphbahnen, ggf. Schwellung der drainierenden Lymphknotenstationen, ggf. Fieber und Schüttelfrost.
  • Befunde:Druckschmerzhafter roter Streifen, Lymphknotenschwellung, ggf. Fieber.
  • Diagnostik:Typische Klinik und Anamnese, ggf. Blutkultur, Abstrich.
  • Therapie:Antibiotische Therapie, Ruhigstellung der betroffenen Extremität, Bedarfsanalgesie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Entzündung der oberflächlichen Lymphbahnen
  • Potenzielle Pathogene sind Bakterien, Mykobakterien, Viren, Pilze, Parasiten und andere Noxen (Insektengifte, Chemotherapeutika als Extravasate).
  • Oberflächliche Wunden sind häufige Eintrittspforten.
  • Eine Lymphangitis geht oft mit einer reaktiven Schwellung der drainierenden Lymphknoten (Lymphadenitis) einher.

Häufigkeit

  • Häufige Komplikation bei distalen Infektionen
  • Gehäuftes Auftreten bei vorgeschädigten Lymphbahnen, z. B. nach Radiatio oder chirurgischen Eingriffen bzw. bei Lymphabflussstörungen durch Tumoren oder Narben1

Ätiologie und Pathogenese

  • Eine Lymphangitis tritt meist ausgehend von einer Wunde oder einer anderen Hautverletzung auf, bei der es zu Ausbreitung des Erregers in das Lymphsystem kommt.
  • Angeborene oder erworbene Klappendefekte der Lymphgefäße prädisponieren für das Entstehen einer Lymphangitis.1

Akute Lymphangitis1

  • Der häufigste Erreger ist Strepptococcus pyogenes, seltener Staphylococcus aureus.
  • Bei Immunsuppression auch gramnegative Bakterien
  • Infektionen mit Pasteurella multocida und B. henselae können nach Tierbissen (Katzen, Hunde) auftreten.
  • Erysipelothrix kann als zoonotische Infektion bei Kontakt mit Fischen auftreten.
  • Mögliche nichtinfektiöse Ursachen stellen eine überschießende lokale Reaktion auf einen Insektenstich oder ein Extravasat eines Chemotherapeutikums dar.2

Chronische Lymphangitis

  • Bei rezidivierenden Lymphangitiden bzw. chronischen Verläufen entsteht durch Obliterierung der Lymphgefäße ein Lymphödem, das wiederum die Entstehung einer neuerlichen Lymphangitis begünstigt.
  • Durch Operationen, insbesondere in der Tumorchirurgie, kann es zu einer Verletzung der Lymphgefäße kommen. Zudem werden dabei befallene Lymphknotenstationen mit entfernt, was ebenfalls zu einem Lymphstau führt.

Noduläre Lymphangitis1

  • Hierbei handelt es sich um schmerzhafte oder schmerzfreie noduläre, subkutane Schwellungen entlang dem Verlauf der Lymphbahnen.
  • Die Läsionen können ulzerieren und zu einer regionalen Lymphadenopathie führen.
  • Als Erreger kommen u. a. Sporothrix schenckii, Nocardia brasiliensis, Mycobacterium marinum, Leishmanien und Francisella tularensis infrage.

Lymphangiosis carcinomatosa3

ICD-10

  • I89.1 Lymphangitis – Inkl.: Lymphangitis: chronisch/subakut/o. n. A.
  • I89.8 Sonstige näher bezeichnete nichtinfektiöse Krankheiten der Lymphgefäße und Lymphknoten
  • I89.9 Nichtinfektiöse Krankheit der Lymphgefäße und Lymphknoten, nicht näher bezeichnet – Inkl. Krankheit der Lymphgefäße o. n. A.
  • L03.- Phlegmone – Inkl.: Akute Lymphangitis

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Distale Eintrittspforte
  • Rote druckschmerzhafte Streifen entlang der betroffenen Lymphgefäße
  • Schwellung der drainierenden Lymphknotenstationen

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Distale Wunde als Eintrittspforte
  • Ggf. systemische Symptome in Form von Fieber und Schüttelfrost
  • Risikofaktoren für schweren Verlauf oder chronische Lymphangitis

Klinische Untersuchung

  • Distale Eintrittspforte
  • Druckschmerzhafte, streifige Rötung entlang der Lymphbahnen
  • Schwellung und Druckschmerz der drainierenden Lymphknotenstationen
  • Evtl. Fieber

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Kleines Blutbild, CRP und BSG
  • Abstrich aus der mutmaßlichen Eintrittspforte
  • Bei Zeichen einer systemischen Infektion Blutkulturen
  • Serologie oder PCR nur bei Verdacht auf spezielle Erreger1

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Bei chronischer Lymphangitis Abklärung der Ursache
  • Bildgebende Untersuchungen wie Sonografie, Computertomografie und Lymphabfluss-Szintigrafie können hilfreich sein.

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Unklarheit bezüglich der Diagnose, fehlende Besserung auf die begonnene Therapie
  • Red Flags, die für eine Einweisung zur parenteralen antibiotischen Therapie sprechen sind:1
    • Zeichen einer systemischen Reaktion: Fieber > 38 °C, Hypotonie oder Tachykardie
    • rasche Ausbreitung des Erythems
    • Fortschreiten auch 48 h nach Beginn der antibiotischen Therapie
    • Lymphangitis in der Nähe eines implantierten Fremdkörpers, z. B. Prothesen oder Schrittmacher

Therapie

Therapieziele

  • Heilung
  • Verhinderung einer Chronifizierung

Empfehlungen für Patient*innen

  • Ruhigstellung der betroffenen Extremität
  • Der im Volksglauben bekannte, zum Herzen wandernde „rote Streifen“ als Ausdruck einer Blutvergiftung korreliert nicht mit dem medizinischen Begriff einer Sepsis.
  • Bei chronischem Lymphödem konsequente Kompressionstherapie zur Prophylaxe4

Medikamentöse Therapie

  • Bei chemischen Noxen als Auslöser (Insektenstichen) ist in der Regel keine antibiotische Therapie notwendig.2
  • Eine orale antibiotische Therapie ist meist ausreichend, wenn keine Red Flags vorliegen (siehe Indikationen zur Überweisung). Für die orale antibiotische Therapie können eingesetzt werden:5
    • Amoxicillin + Clavulansäure 2 x tgl. 825 mg + 125 mg p. o.
    • Flucloxacillin 3–4 x tgl. 1 g p. o.
    • bei Penicillinallergie: Clindamycin 3 x tgl. 600 mg p. o.
    • Cefalexin 3 x tgl. 1 g p. o.
  • Die empirische parenterale, antibiotische Therapie sollte mit einem Breitspektrum-Antibiotikum begonnen werden, da klinisch Streptokokken nicht sicher von Staphylokokken-Infektionen abgegrenzt werden können, z. B. mit:4
    • Cefazolin 2–3 x 1 g i. v., 4 g Tagesdosis bei gramnegativen Erregern
    • Ceftriaxon 1 x tgl 1–2 g i. v.
    • Flucloxacillin 3–4 x tgl. 1–3 g
    • Bei mikrobiologisch bestätigter Streptokokken-Infektion kann eine Umstellung auf Penicillin G erwogen werden: 4 Mio. IE alle 4 h i. v.
  • Die Therapiedauer beträgt in der Regel 5–14 Tage, je nach Ansprechen.4 
  • Feuchte Umschläge können zur symptomatischen Behandlung eingesetzt werden, für den Einsatz von antiseptischen Zusätzen wie Octenidin oder Chlorhexidin gibt es keine eindeutige Evidenz.
  • Bedarfsanalgesie

Operative Therapie

  • Fälle von nodulärer Lymphangitis oder ein Lymphödem mit deutlicher Lymphobstruktion können einen chirurgischen Eingriff erforderlich machen.1

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Eine Lymphangitis kann sich schnell lokal sowie in die Blutbahn ausbreiten.

Komplikationen

  • Bakteriämie, Sepsis
  • Chronifizierung durch Obliteration der betroffenen Lymphgefäße

Prognose

  • Die Prognose für eine unkomplizierte Lymphangitis ist gut.
  • Chronische Verläufe kommen bei begünstigenden Faktoren vor.
  • Unbehandelt kann die Erkrankung infolge einer Sepsis tödlich enden.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Lymfangit.jpg
Lymphangitis

Quellen

Literatur

  1. Spelman D, et al. Lymphangitis. UpToDate, last updated Nov 20, 2020. Letzter Zugriff Juni 2022. www.uptodate.com
  2. Przybilla B, Ruëff F.. Insektenstiche, Klinisches Bild und Management. Dtsch Arztebl Int 2012; 109: 238-48. doi:10.3238/arztebl.2012.0238 DOI
  3. Altmeyers Enzyklopädie Dermatologie. Stand 2014. Letzter Zugriff 2022. www.enzyklopaedie-dermatologie.de
  4. Spelman D. Acute cellulitis and erysipelas in adults: Treatment. UpToDate, last updated Oct 29, 2021. Letzter Zugriff 30.06.2022. www.uptodate.com
  5. Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. S2k + IDA Leitlinie: Diagnostik und Therapie Staphylococcus aureus bedingter Infektionen der Haut und Schleimhäute. Stand 2011. dgpi.de

Autor*innen

  • Linda Mandel, Dr. med., Fächärztin für Allgemeinmedizin, Eggenstein
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit