Chronische lymphatische Leukämie (CLL)

Zusammenfassung

  • Definition:Indolentes B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom, das durch einen leukämischen Verlauf charakterisiert ist. Im peripheren Blut kann eine monoklonale B-Zell-Population von definitionsgemäß > 5 × 109 Zellen/l mit CLL-Phänotyp nachgewiesen werden.
  • Häufigkeit:Häufigste Leukämieform, jährliche Inzidenz 3–5/100.000. Mittleres Erkrankungsalter bei Männern 72, bei Frauen 75 Jahre.
  • Symptome:Viele Patient*innen sind zum Diagnosezeitpunkt asymptomatisch. Ansonsten Lymphknotenschwellungen, abdominelles Druckgefühl, Abgeschlagenheit, evtl. B-Symptomatik.
  • Befunde:Schmerzlose Lymphknotenschwellungen zervikal, axillär und inguinal, Hepatosplenomegalie. Anämie, Blutungszeichen (Thrombozytopenie) bei fortgeschrittener Erkrankung.
  • Diagnostik:Zur Diagnosestellung genügt im Allgemeinen periphere Blutentnahme mit Differenzialblutbild, Blutausstrich und Immunphänotypisierung.
  • Therapie:Stadieneinteilung nach Binet vor Therapieentscheidung. Bei asymptomatischen Patient*innen im Binet-Stadium A oder B „Watch and Wait“. Ansonsten bei Behandlungsindikation individualisierte Therapie abhängig von Fitness, Alter und genetischen Risikofaktoren. Zur Verfügung stehen Chemotherapeutika, CD-20-Antikörper und sog. zielgerichtete Substanzen wie Ibrutinib. Allogene Stammzelltransplantation nur noch selten indiziert.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Indolentes B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom, das durch einen leukämischen Verlauf charakterisiert ist.1
    • im peripheren Blut auftretende monoklonale B-Zell-Population von2 definitionsgemäß > 5 × 109 Zellen/l mit CLL-Phänotyp
  • Vor dem Übergang in die chronisch-lymphatische Leukämie (CLL) besteht eine Phase mit monoklonaler B-Lymphozytose (MBL).1-3
    • Bei MBL besteht definitionsgemäß eine klonale B-Zell-Population ≤ 5 × 109 Zellen/l im Blut ohne sonstigen Anhalt für lymphoproliferative Erkrankung.
    • MBL ist fakultative Präneoplasie für eine CLL und findet sich relativ häufig in der Allgemeinbevölkerung (0,5–5 %), steigende Prävalenz mit dem Alter.
    • Risiko der Progression in CLL im Mittel ca. 1 %/Jahr, abhängig von der Zellzahl

Häufigkeit

  • Häufigste Leukämie in den westlichen Industriestaaten1
  • Inzidenz
    • jährliche Inzidenz 3– 5/100.0004
    • ca. 5.600 Neuerkrankungen in Deutschland pro Jahr1
  • Geschlechterverhältnis
    • Verhältnis Männer zu Frauen ca. 1,9:15
  • Altersverteilung
    • im Allgemeinen Erkrankung des höheren Alters1
      • mittleres Erkrankungsalter bei Männern 72 Jahre
      • mittleres Erkrankungsalter bei Frauen 75 Jahre
    • Ca. 10 % der Patient*innen sind < 55 Jahre.6
      • in den vergangenen Jahren häufiger auch bei jüngeren Patient*innen diagnostiziert wegen zunehmender Anzahl von Routinelaboruntersuchungen5
  • Anteil an Krebserkrankungen
    • Anteil von ca. 1,1 % an allen invasiven Krebsneuerkrankungen1
    • Anteil von 30 % an allen Leukämien4
    • Anteil von 10 % an allen Non-Hodgkin-Lymphomen4

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

  • Ätiologie bislang nicht geklärt4
  • Genetische Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen.4
    • Kinder von CLL-Patient*innen haben ein erhöhtes Risiko für Non-Hodgkin-Lymphome.
    • selten in Asien

Pathogenese

  • CLL charakterisiert durch Proliferation und Akkumulation von reifen B-Zellen
  • Zentrale Elemente der Pathogenese sind:1
    • Inhibition von Apoptose
    • Dysregulation der Proliferation.
  • Im Lauf der Erkrankung kommt es zu schrittweisen, akkumulierenden genetischen Veränderungen mit Mutationen und Chromosomenanomalien, die die Proliferation begünstigen bzw. die Apoptose verhindern.4,7
  • Mutationen und Chromosomenalterationen machen die CLL im Verlauf aggressiver und führen zu Therapieresistenz.8 

Prädisponierende Faktoren

  • Erworben
    • organische Lösungsmittel, z. B. Benzol nach deutscher Berufskrankheiten-Verordnung (Nr. 1318)1
    • vermehrter Kontakt zu Herbiziden/Pestiziden4
    • Hepatitis C4
    • Neigung zu allergischen Erkrankungen4
    • Vielzahl von Atemwegsinfekten in der Anamnese4
  • Hereditär
    • 8,5-fach erhöhtes Risiko bei Verwandten 1. Grades von CLL-Patient*innen1

ICPC-2

  • B73 Leukämie

ICD-10

  • C91.1 Chronische lymphatische Leukämie vom B-Zell-Typ [CLL]

Diagnostik

  • Zur Diagnosestellung genügt in der Regel eine periphere Blutentnahme (Differenzialblutbild, Blutausstrich, Immunphänotypisierung)
  • Patient*innen bei Diagnose häufig beschwerdefrei, Diagnosestellung im Rahmen von Blutuntersuchungen aus anderer Indikation

Diagnostische Kriterien

  • Diagnose einer CLL, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:1
  1. Zellzahl: > 5 × 109 klonale B-Lymphozyten/l (> 5.000 Zellen/μl) im peripheren Blut über mindestens 3 Monate
  2. Blutausstrich: Vorherrschen kleiner, morphologisch reif wirkender Lymphozyten
  3. Immunphänotypisierung: Koexpression der B-Zell-Antigene CD19, CD20, und CD23 mit dem T-Zell-Antigen CD5
    • Nachweis der Monoklonalität der Lymphozyten durch Erfassung der Leichtkettenrestriktion (nur Kappa- oder Lambda-Leichtketten werden exprimiert)

Differenzialdiagnosen

  • Die häufigsten Differenzialdiagnosen sind:1
    • monoklonale B-Lymphozytose
    • reaktive Lymphozytose (virale Infekte, Kollagenosen)
    • andere, leukämisch verlaufende Lymphome (follikuläres Lymphom, lymphoplasmozytisches Lymphom, Marginalzonenlymphom, Mantelzell-Lymphom, B-Prolymphozyten-Leukämie (B-PLL)
    • Haarzell-Leukämie.

Anamnese

  • Ca. 25–50 % der Patient*innen sind asymptomatisch zum Zeitpunkt der Diagnose!9
  • Symptome
    • Allgemeinsymptome
      • Abgeschlagenheit
      • Leistungsschwäche
      • Müdigkeit
      • B-Symptomatik (ca. 20 %)5: Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust > 10 % in den letzten 6 Monaten
    • Lymphknotenschwellungen vor allem
      • zervikal
      • axillär
      • inguinal
    • Reizhusten, Dyspnoe (bei thorakalen Lymphknoten)4
    • Druckgefühl im Bereich von Milz und/oder Leber (50 %)4
    • erhöhte Infektanfälligkeit
  • Familienangehörige mit CLL?10
  • Zurückliegende Malignome und deren Therapie?10
  • Exposition gegenüber Chemikalien (z. B. Benzol) oder radioaktiver Strahlung?10

Klinische Untersuchung

  • Lymphknotenschwellungen bei ca. 80 % der symptomatischen Patient*innen9
    • Lymphknoten zumeist11
      • schmerzlos
      • einige Zentimeter groß
      • mittelhart
      • verschieblich
  • Hepatosplenomegalie (ca. 50 %)
  • Evtl. Blässe (Anämie
  • Evtl. Blutungszeichen (Thrombozytopenie)
    • ca. 10 % der Patient*innen initial mit Anämie und/oder Thrombozytopenie11

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Blutuntersuchung

Screening

  • Ein routinemäßiges Screening auf CLL wird weder für die Allgemeinbevölkerung noch für Verwandte von CLL-Patient*innen empfohlen.6

Sonografie Abdomen

  • im Rahmen der Initialdiagnostik nicht unbedingt erforderlich
  • Hepatosplenomegalie, Lymphknotenvergrößerung
    • Lymphknoten > 1 cm werden als vergrößert gewertet.10
    • Milz wird bis 12 cm als nicht pathologisch vergrößert bewertet.10

Diagnostik bei Spezialist*innen

Labor: Immunphänotypisierung

  • Für den Nachweise einer CLL soll eine Immunphänotypisierung durchgeführt werden.1
    • Expression von CD19 und CD23
    • Koexpression von CD5
    • schwache oder fehlende Expression von CD20, CD79b, FMC7
    • Monoklonalität von Igκ oder Igλ
  • Aus der absoluten Lymphozytenzahl im Blutbild und dem relativen Anteil monoklonaler B-Zellen in der Immunphänotypisierung ergibt sich die absolute Zahl monoklonaler B-Zellen.10
  • CLL liegt vor bei > 5 × 109 monoklonaler B-Zellen/l (entspricht 5.000/μl).10

Laboruntersuchungen vor Therapieeinleitung1

  • Genetische Analysen (mit entscheidend für Therapieauswahl)
    • Chromosomen-Deletion 17p13 
    • TP53-Mutation
    • IGHV-Mutation
  • Weitere Laboruntersuchungen, z. B. quantitative Bestimmung der Immunglobuline bei Verdacht auf Immundefizienz, Beta-2-Mikroglobulin (prognostischer Parameter)

Knochenmarkaspirat und/oder Biopsie

  • In der Regel zur Diagnosestellung nicht erforderlich1
    • Option bei nicht eindeutiger Immunphänotypisierung
  • Evtl. im Krankheitsverlauf zur Beurteilung unklarer Zytopenien bzw. der Remissionsqualität1

Lymphknotenbiopsie

  • Im Allgemeinen für die Diagnose nicht erforderlich1
    • Option bei nicht eindeutiger Immunphänotypisierung
  • Indiziert bei:1
    • fehlender leukämischer Ausschwemmung
    • V. a. Transformation in aggressives Lymphom (Richter-Syndrom).

Bildgebung

  • Eine Schnittbildgebung ist in der Initialdiagnostik normalerweise nicht erforderlich
  • Die Stadieneinteilung erfolgt ohne Bildgebung7,10
  • Sonografie Abdomen
    • vor Therapieeinleitung empfohlen: Milz, Leber, Lymphknoten1
    • Lymphknoten > 1 cm werden als vergrößert gewertet (während und nach Behandlung gelten nur Lymphknoten > 1,5 cm als vergrößert)10
  • Computertomografie (CT)
    • nur bei speziellen Fragestellungen (z. B. mediastinaler Befall, abdomineller Lymphknotenbulk) oder im Rahmen klinischer Studien7,10

Stadieneinteilung

  • Stadieneinteilung nach Binet oder Rai ist bei CLL wichtig zur:7
    • Prognoseabschätzung
    • Evaluierung der Behandlungsindikation.
  • Sowohl Einteilung nach Binet als auch nach Rai einfach durchzuführen (keine Bildgebung nötig).
  • In Europa vorwiegend Einteilung nach Binet

Stadieneinteilung nach Binet

  • Bestimmung von Hb und Thrombozyten
  • Beurteilung von 5 Lymphregionen
    • Lymphknoten uni- oder bilateral zervikal
    • Lymphknoten uni- oder bilateral axillär
    • Lymphknoten uni- oder bilateral inguinal
    • Milz
    • Leber
  • Siehe Tabelle CLL-Stadieneinteilung nach Binet.
  • Bei Erstdiagnose befinden sich:11
    • 60 % im Stadium A
    • 30 % im Stadium B
    • 10 % im Stadium C.

Indikationen zur Überweisung

  • Zur Abklärung und ggf. Therapieentscheidung bei Verdacht auf CLL

Leitlinie: Initialdiagnostik bei CLL10

  • Bei einer ätiologisch nicht anderweitig erklärbaren persistierenden Lymphozytose (> 50 % der Leukozyten oder > 5 G/l entsprechend 5.000/μl) und/oder einer Lymphadenopathie und/oder Splenomegalie und/oder Autoimmunzytopenie soll eine CLL-Diagnostik durchgeführt werden.
  • Folgende Untersuchungsverfahren sollen bei der Initialdiagnostik der CLL zur Anwendung kommen:

Leitlinie: Stadieneinteilung bei CLL10

  • Nach Diagnosesicherung einer CLL soll eine klinische Stadieneinteilung nach Binet oder Rai erfolgen.

Therapie

Therapieziele

  • CLL ist in den meisten Fällen nicht heilbar, daher sind die Therapieziele im Allgemeinen:6
    • Verlängerung der Lebenszeit
    • Verbesserung der Lebensqualität.
  • Eine allogene Stammzelltransplantation ist die potenziell kurative Therapie für einige wenige Patient*innen.7

Allgemeines zur Therapie

Allgemeine Prinzipien

  • Eine frühzeitige Therapie bei asymptomatischen Patient*innen verlängert das Überleben nicht.7
  • Eine Therapie soll daher erst begonnen werden beim Auftreten von:8
    • ausgeprägten Zeichen der Knochenmarkverdrängung oder
    • krankheitsbedingten Symptomen wie B-Symptomatik oder Fatigue.

Behandlungsindikationen1,10

  • CLL Binet A und B, keine aktive Erkrankung: „Watch and Wait", bis die Erkrankung symptomatisch wird.
  • CLL Binet A und B, aktive Erkrankung: Therapie
  • CLL Binet C: Therapie
  • Kriterien für eine aktive Erkrankung
    1. Auftreten/Verschlechterung einer Knochenmarksinsuffizienz
    2. ausgeprägte (> 10 cm) oder progrediente Lymphknotenschwellungen
    3. ausgeprägte (> 6 cm) oder progrediente Splenomegalie
    4. progrediente Lymphozytose (bei Patient*innen mit > 30.000 Lymphozyten/µl)
      • > 50 % Zunahme innerhalb von 2 Monaten
      • Verdoppelungszeit der Lymphozyten < 6 Monate
    5. Allgemeinsymptome
    6. autoimmune Anämie oder Thrombozytopenie, resistent gegen Steroidbehandlung

Evaluierung des Behandlungserfolgs

Behandlungsstrategie

  • Behandlung sollte möglichst im Rahmen klinischer Studien erfolgen.1
  • Für Behandlungsindikation und Wahl der spezifischen Therapie stehen im Vordergrund.5
    • Binet-Stadium und klinische Symptome
    • körperliche Fitness und Komorbidität – Einteilung anhand Cumulative Illness Rating Scale CIRS (14 Organkategorien, Punktwert 0–44):10
      • fitte Patient*innen („Go go"), CIRS ≤6
      • unfitte Patient*innen („Slow go"), CIRS >6
      • gebrechliche Patient*innen („No go").
    • zytogenetische und molekulargenetische Risikofaktoren (v. a. del(17p), TP53-Mutation)
  • Das Alter spielt mit einem Cut-off von 65 Jahren für bestimmte Therapieschemata auch eine Rolle, tritt als Kriterium per se aber heutzutage eher in den Hintergrund.12
    • Die Therapiewahl soll sich an der Komorbidität und weniger am kalendarischen Alter orientieren.1
  • Im Vergleich zu früher gibt es heutzutage andere Strategien der Behandlungsintensität.13
    • früher: allmähliche medikamentöse Eskalation passend zum chronisch-rezidivierenden Verlauf
    • heute: von Anfang an möglichst effektive Therapie

Eingesetzte Substanzen

  • Etablierte Wirkstoffe in der Behandlung der CLL sind:7

Chemotherapeutika

  • Chlorambucil: Alkylans
  • Bendamustin: Alkylans
  • Fludarabin: Purinanalogon
  • Cyclophosphamid: Alkylans

Antikörper

  • Rituximab: CD-20-Antikörper
  • Obinutuzumab: CD-20-Antikörper
  • Alemtuzumab: CD-52-Antikörper

Zielgerichtete Substanzen

  • Ibrutinib: Tyrosinkinase-Inhibitor
  • Idelalisib: PI3K-Inhibitor
  • Venetoclax: Bcl-2-Inhibitor

Erstlinienbehandlung

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1,8,10

Fitte Patient*innen („Go go“)

  • Ohne del(17p)/TP53-Mutation  
    • FCR-Schema: Fludarabin, Cyclophosphamid, Rituximab14,  BR-Schema v. a. bei Patient*innen > 65 Jahre: Bendamustin15, Rituximab 
      • BR ist weniger toxisch als FCR.16
  • Mit del(17p)/TP53-Mutation
    • Ibrutinib17
    • Venetoclax18 oder Idelalisib + Rituximab (bei Kontraindikationen bezüglich Ibrutinib)

Unfitte Patient*innen („Slow go“)

  • Ohne del(17p)/TP53-Mutation
    • Chlorambucil + Obinutuzumab oder
    • Ibrutinib
  • Mit del(17p)/TP53-Mutation
    • Ibrutinib
    • bei Kontraindikationen bezüglich Ibrutinib: Venetoclax, Idelalisib + Rituximab

Gebrechliche Patient*innen („No go“)

  • Supportive Therapie
  • Im Einzelfall auch antineoplastische Medikation mit Steroiden, Chlorambucil, Bendamustin, Ibrutinib, Venetoclax oder Anti-CD20 Antikörpern

Zweitlinienbehandlung

  • Auftreten eines Rezidivs definiert durch:7
    • Wiederauftreten von vergrößerten Lymphknoten und/oder
    • Anstieg der Lymphozyten > 5 × 109/l (>5000/μl)
  • Evtl. auch knochenmarkinfiltrationsbedingte Anämie, Thrombozytopenie oder Neutropenie als Hinweis auf Rezidiv7
  • Auch Zweitlinientherapie möglichst im Rahmen klinischer Studien1
  • Vor Einleitung einer Rezidivtherapie erneute Diagnostik hinsichtlich genetischer Risikofaktoren7
  • Bei Spätrezidiven > 3 Jahre nach der Erstlinienbehandlung ist eine Wiederholung der Erstlinientherapie möglich (sofern keine neue TP53-Aberration).7
  • Bei Frührezidiven < 3 Jahren nach Erstlinienbehandlung Wechsel auf andere Behandlungsoptionen7
    • Ibrutinib
    • Idelalisib19 + Rituximab
    • Venetoclax20 + Rituximab
    • u. a.

Allogene Stammzelltransplantation

  • Aufgrund der neuen Therapiemöglichkeiten nur noch selten allogene Stammzelltransplantation8
  • Option in Hochrisikosituationen, z. B. bei Resistenz gegen Chemoimmuntherapien1 

Palliativbehandlung

Leitlinie: Empfehlungen zur Therapie10

Asymptomatische vs. symptomatische Patient*innen

  • Bei asymptomatischen Hochrisikopatient*innen sollte mit der Watch-&-Wait-Strategie fortgefahren werden.
  • Bei nur mäßiggradiger Thrombopenie oder Anämie kann trotz Vorliegen eines Stadiums Binet C noch weiter abgewartet werden, wenn sich die Werte hierbei in den kurzfristigeren Kontrolluntersuchungen stabil halten.
  • Während die Hepatomegalie allein in der Regel keine Therapieindikation darstellt, kann eine ausgeprägte Splenomegalie mit einer Milzvergrößerung > 6 cm unter dem Rippenbogen eine Therapieindikation darstellen.
  • Sofern allein B-Symptome als Indikation für den Therapiebeginn vorhanden sind, soll eine differenzialdiagnostische Abwägung, insbesondere von Infektionen bzw. gastrointestinalen, endokrinologischen und metabolischen Erkrankungen, erfolgen.
  • Eine Therapie sollte begonnen werden, wenn Nachtschweiß länger als 1 Monat besteht und für die Patient*innen Leidensdruck verursacht.

Neue Substanzen

  • Allen Patient*innen soll, sofern verfügbar, die Behandlung im Rahmen klinischer Studien angeboten werden.
  • Insbesondere bei Verfügbarkeit neuer Substanzen ist für Patient*innen mit mehreren Vortherapien oder ungünstigem Risikoprofil die Behandlung im Rahmen einer klinischen Studie sinnvoll.

Allogene Stamzelltransplantation

  • Bei refraktären Krankheitsverläufen bei genetisch definierter Hochrisikoerkrankung einer CLL sollte eine allogene Stammzelltransplantation in Betracht gezogen werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Infektionen
    • im Verlauf häufig Infektionskomplikationen (Abnahme der Immunglobulin-Konzentrationen, weitere Mechanismen eines erworbenen Immundefizits)1
    • Unter bestimmten Bedingungen (schwere, rezidivierende Infekte, ineffektive antimikrobielle Therapie) kann eine prophylaktische Immunglobulingabe erwogen werden.1
  • Autoimmunzytopenie
    • Beinhaltet autoimmunhämolytische Anämie (7–10 %), Autoimmunthrombozytopenie (1–5 %), Pure Red Cell Anemia (< 1 %) und Autoimmunneutropenie (< 1 %).10
    • Behandlungsmöglichkeiten10
      • vor allem Kortikosteroide, Immunglobulin
      • Rituximab, Immunsuppressiva
      • Splenektomie
  • Übergang in hochmalignes Lymphom mit ungünstiger Prognose (Richter-Transformation)
  • Sekundärmalignome
    • Risiko 2- bis 7-fach erhöht

Verlauf und Prognose

  • Am wichtigsten für die Prognoseabschätzung ist die klassische Stadieneinteilung mit folgenden Werten für das mediane Überleben:5
    • Binet A: > 11,5 Jahre
    • Binet B: > 8,6 Jahre
    • Binet C: 7 Jahre.
  • Durch Prognosescores kann der Verlauf ergänzend eingeschätzt werden, da es auch innerhalb eines klinischen Stadiums zu unterschiedlichen Verläufen kommen kann.10
  • Der internationale Prognoseindex CLL-IPI berücksichtigt verschiedene klinische und molekularbiologische Variablen:10
    • TP53 deletiert oder mutiert: 4 Punkte
    • IGHV unmutiert: 2 Punkte
    • Serum-Beta-2-Mikroglobulin > 3,5 mg/l: 2 Punkte
    • klinisches Stadium Binet B–C: 1 Punkt
    • Alter > 65 Jahre: 1 Punkt.
  •  Auf Basis des CLL-IPI ergibt sich folgendes Gesamtüberleben nach 5 Jahren:10
    • niedriges Risiko (0–1 Punkte) 93 %
    • mittleres Risiko (2–3 Punkte) 79 %
    • hohes Risiko (4–6 Punkte) 63 %
    • sehr hohes Risiko (7 – 10 Punkte) 23,3 %.

Verlaufskontrolle

  • Hausärztliche und fachhämatologische Verlaufskontrollen in Absprache mit dem hämatologischen Zentrum
  • Verlaufskontrollen sollten im Abstand von 3–6 Monaten durchgeführt werden:1
    • Blutbilduntersuchung, CRP, LDH
    • klinische Untersuchung von Lymphknoten, Leber und Milz
      • Radiologische Untersuchungen mit CT/MRT bei Patient*innen in Remission sind in der Regel nicht erforderlich.
    • Besonders geachtet werden sollte auf:
      • Infektionen
      • Auftreten von Autoimmunzytopenien
      • schnelle Lymphknotenvergrößerungen
      • B-Symptome und/oder eine Erhöhung der LDH (evtl. Hinweis für Rezidiv, Transformation in hochmalignes Lymphom = Richter-Syndrom)
    • Impfungen

Anerkennung als Berufskrankheit

  • Tritt eine chronische lymphatische Leukämie durch 1,3-Butadien im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auf, kann diese Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt werden.21
  • Zuständig hierfür sind die gesetzlichen Unfallversicherungsträger.
  • Der Verdacht auf eine Berufskrankheit muss dort gemeldet werden (Meldebogen22).
  • Es wird eine ausführliche Arbeits- und Gefährdungsanamnese erhoben, und ein Gutachten entscheidet über die Anerkennung als Berufskrankheit.
  • Dann können bestimmte Maßnahmen auf Kosten der GUV durchgeführt werden:
    • spezielle therapeutische Maßnahmen
    • Einstellung der gefährdenden Tätigkeit
    • Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zur Zahlung einer Rente.23
  • Manchmal muss die Tätigkeit erst vollständig aufgegeben werden, damit die Anerkennung als Berufskrankheit erfolgen kann.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Trotz der Diagnose „Leukämie“ können Betroffene viele Jahre lang ein normales Leben leben.

Patientenleitlinie

Patienteninformationen in Deximed

Lindernde Behandlung bei fortgeschrittener Krebserkrankung

Weitere Informationen

Patientenorganisationen

Illustrationen

Blutausstrich von Patient*innen mit chronischer lymphatischer Leukämie (40-fache Vergrößerung)
Blutausstrich von Patient*innen mit chronischer lymphatischer Leukämie (100-fache Vergrößerung)

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO). Chronische Lymphatische Leukämie. Stand 2020. www.onkopedia.com
  • Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO). Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit einer chronischen lymphatischen Leukämie (CLL). AWMF-Leitlinie 018-032OL. S3, Stand 2018. www.awmf.org
  • European Society for Medical Oncology. Chronic Lymphocytic Leukaemia: Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Stand 2020. www.esmo.org

Literatur

  1. Wendtner C, Dreger P, Eichhorst B, et al. Chronische Lymphatische Leukämie - Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Stand 2020. www.onkopedia.com
  2. Ott G, Klapper W, Feller A, et al. Revidierte Fassung der 4. Ausgabe der WHO-Klassifikation maligner Lymphome. Pathologe 2019; 40: 157-168. doi:10.1007/s00292-018-0456-4 DOI
  3. Kreuzer K, Brüggemann M, Egle A, et al. Leitlinie Monoklonale B-Lymphozytose der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, Stand 2015. www.onkopedia.com
  4. Kompetenznetz maligne Lymhome. Chronische lymphatische Leukämie (CLL). Zugriff 19.02.21. lymphome.de
  5. Langerbeins P, Eichhorst B, Hallek M. Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin. Chronische lymphatische Leukämie. eMedpedia, Zugriff 19.02.21. www.springermedizin.de
  6. Eichhorst B, Robak T, Montserrat E, et al. Chronic Lymphocytic Leukaemia: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2021; 32: 23-33. doi:10.1016/j.annonc.2020.09.019 DOI
  7. Al-Sawaf O, Eichhorst B, Hallek M. Chronische lymphatische Leukämie. Internist 2020; 61: 277-287. doi:10.1007/s00108-019-00733-8 DOI
  8. von Tresckow J, Eichhorst B, Bahlo J, et al. The treatment of chronic lymphatic leukemia. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 41-46. doi:10.3238/arztebl.2019.0041 DOI
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  10. Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO). Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit einer chronischen lymphatischen Leukämie (CLL). AWMF-Leitlinie 018 - 032OL, Stand 2018. www.awmf.org
  11. Maurer C, Hallek M. Chronische lymphatische Leukämie. Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 2153-2166. doi:10.1055/s-0033-1349491 DOI
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Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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