Multiples Myelom und Plasmozytom

Zusammenfassung

  • Definition:Maligne Erkrankung mit unkontrollierter Proliferation klonaler Plasmazellen (spezialisierte B-Lymphozyten) im Knochenmark oder extramedullär, d. h. in Weichteilen oder bei der Plasmazell-Leukämie im Blut. Einen solitären Plasmazelltumor bezeichnet man als singuläres Plasmozytom, eine weitere Variante der Erkrankung.
  • Häufigkeit:Inzidenz bei Männern 5,4/100.000, bei Frauen 3,7/100.000. Dritthäufigste hämatologische Neoplasie.
  • Symptome:Die Erkrankung verläuft anfangs meist symptomfrei oder symptomarm. Später treten häufig Anämie, Knochenschmerzen (oft im unteren Rücken), Hyperkalzämie, Niereninsuffizienz und erhöhte Infektionsneigung auf.
  • Befunde:Bei der Untersuchung fallen u. U. Hautblutungen, blasse Haut, Dehydratation, Nervenausfälle, Schmerzempfindlichkeit in den Knochen, Ödeme oder pathologische Frakturen auf. Amyloide Ablagerungen können zur Vergrößerung der Zunge und zu unterschiedlichen Organfunktionsstörungen führen.
  • Diagnostik:Die Anzeichen im Blutbild und Blutausstrich sind meist unspezifisch und in der Frühphase schwer interpretierbar. Die Protein-Elektrophorese von Serum und 24-h-Urin ist entscheidend für die Diagnose. Untersuchungen von Knochenmark, ggf. Biopsie extramedullärer Plasmozytome sowie bildgebende Untersuchungen sind zur Diagnosesicherung erforderlich.
  • Therapie:Mit Hochdosis-Chemotherapie und autologer Stammzelltransplantation nach vorausgehender Induktionstherapie lassen sich bei manchen Erkrankten vollständige Remissionen erreichen. Mit der Einführung einer Reihe neuer Substanzklassen in die Erstlinien- und Rezidivtherapie konnte die Prognose weiter verbessert werden. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt mittlerweile über 50 %.

Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.1-2

Definition

  • Das multiple Myelom ist eine maligne Erkrankung, charakterisiert durch unkontrollierte Proliferation klonaler Plasmazellen.
  • Plasmazellen sind spezialisierte B-Lymphozyten, wobei jeder Klon ein bestimmtes Immunglobulin produziert.
  • Bei ungehindertem Wachstum können Plasmazellenklone große Mengen Immunglobulin bilden. Diese Mengen lassen sich in der Elektrophorese von Serum oder Urin nachweisen und führen zu einer hohen Konzentration/Konzentrationsspitze in der Gamma-Fraktion: Dies wird M-Komponente genannt.
  • Ein Übergewicht maligner Plasmazellen im Knochenmark kann die anderen Zellreihen verdrängen und eine Anämie, eine erhöhte Infektionstendenz (Granulozytopenie) und eine erhöhte Blutungsneigung (Thrombozytopenie) verursachen.
  • Die Diagnose basiert auf Befunden der Knochenmarkuntersuchung, einer evtl. Biopsie aus extramedullären Tumoren und der Untersuchung der M-Komponente in Serum und Urin. Zusätzlich ist abzuschätzen, inwieweit die Erkrankung Symptome hervorruft und ob Anzeichen von Organbeeinträchtigungen vorliegen.

Varianten und assoziierte Erkrankungen

  • MGUS – monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz
    • nachweisbare, aber geringgradige monoklonale Gammopathie und/oder Vermehrung von monoklonalen Plasmazellen im Knochenmark
    • kein Nachweis von Endorganschäden
    • Kann sich zum multiplen Myelom, einem solitären Plasmozytom (s. u.) oder einer Amyloidose entwickeln.
    • Dem multiplen Myelom geht fast immer ein MGUS voraus.3
    • Die IgM-assoziierte Variante kann sich zu einer Makroglobulinämie Waldenström, einer Amyloidose und seltener auch zu einem multiplen Myelom entwickeln.
    • Die freie Leichtkettenvariante kann sich zum multiplen Myelom oder einer Amyloidose entwickeln.
  • Schwelendes Myelom (Smouldering Myeloma)
    • asymptomatische Variante ohne nachweisbare Endorganschäden, aber mit vermehrt klonalen Plasmazellen im Knochenmark und monoklonalem Protein im Serum
    • Zwischenstufe zwischen MGUS und multiplem Myelom
    • Bei jährlich etwa 10 % der Betroffenen schreitet die Erkrankung zum malignen Vollbild des multiplen Myeloms fort.
  • Solitäres Plasmozytom
    • Früher wurde der Begriff Plasmozytom synonym zum multiplen Myelom verwendet. Heute spricht man nur noch bei einem einzeln (solitär) auftretenden malignen Plasmazell-Tumor von Plasmozytom.
    • Man unterscheidet Skelett-Plasmozytome – mit osteolytischen Läsionen und Knochenbrüchen – von extramedullären Plasmozytomen.
    • Geht mit Fortschreiten der Erkrankung in ein multiples Myelom über.
  • Plasmazell-Leukämie
    • starker Anstieg von Plasmazellen im peripheren Blut
    • extramedulläre Variante des multiplen Myeloms
  • POEMS-Syndrom, gekennzeichnet durch:
    • P = Polyneuropathie
    • O = Organomegalie
    • E = Endokrinopathie
    • M = monoklonale Gammopathie
    • S = Skin Lesions (Hautveränderungen).
  • Systemische AL-Amyloidose
    • Kann sich gelegentlich zu einem multiplen Myelom entwickeln.

Häufigkeit

  • Dritthäufigste hämatologische Neoplasie
  • Ca. 1 % aller Krebserkrankungen
  • Inzidenz
    • Männer: 5,4/100.000
    • Frauen: 3,7/100.000
  • Alter
    • Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei etwa 70 Jahren.
    • Die Erkrankungshäufigkeit steigt etwa ab dem Alter von 50 Jahren signifikant an.
    • Erkrankungen vor dem 35. Lebensjahr sind selten.

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Ursachen sind nicht bekannt.
  • Wahrscheinlich führen Gendefekte, die in reifen Plasmazellen entstehen, zu malignen Zellentwicklungen.
    • Die Gendefekte entstehen in den Plasmazellen und werden nicht vererbt.
    • Im Rahmen des Fortschreitens der Erkrankung kommt es zu einer Kaskade genetischer Abweichungen.
    • In jeweils etwa der Hälfte der Fälle liegt eine 14q-Translokation oder eine Hyperdiploidität vor.
    • Im Zuge der Knochenmarksprogression von der monoklonalen Gammopathie zum Myelom wurden folgende Mutationen häufig beobachtet:
      • Ras-Mutationen
      • Myc-Überexpression
      • DNA-Hypomethylierung
      • Deletionen im Chromosom 13.

    • Im Rahmen der extramedullären Progression findet man vermehrt:
      • NF-kB-Mutationen
      • Myc-Translokationen
      • 1p-Verluste und -Insertionen.
    • prognostisch besonders ungünstig:
      • 17p-Verluste
      • Translokationen (14;16), (14;20) und (4;14).4
  • Möglicherweise tragen folgende Faktoren zu einem erhöhten Myelomrisiko bei:
    • ionisierende Strahlung
    • Pestizide
    • Benzol
    • Adipositas
    • chronische Infektionen.

Pathologie

  • Übermäßige Vermehrung von Plasmazellen im Knochenmark
  • Führt zu Anämie und später zu allgemeinem Knochenmarkversagen.
  • Knochendestruktion mit der Folge von:
  • Nierenversagen durch:
    • Ablagerung freier Leichtketten aus Immunglobulinen (Bence-Jones-Proteine) im Nierengewebe
    • Amyloidablagerungen
    • Hyperkalzämie.

ICPC-2

  • B74 Maligne Bluterkrankung, andere

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 20225
    • C90.- Plasmozytom und bösartige Plasmazellen-Neubildungen
      • C90.0- Multiples Myelom
        • Kahler-Krankheit
        • Medulläres Plasmozytom
        • Myelomatose
        • Plasmazellmyelom
      • C90.1- Plasmazellenleukämie
      • C90.2- Extramedulläres Plasmozytom
      • C90.3- Solitäres Plasmozytom
        • Lokalisiert-bösartiger Plasmazellentumor o.n.A.
        • Plasmozytom o.n.A.
        • Solitäres Myelom
    • M82.0 Osteoporose bei Plasmozytom

Diagnostik

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.1-2

Diagnostische Kriterien

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3

Multiples Myelom (SLiM-CRAB-Kriterien der IMWG)

  • Die 2014 von der International Myeloma Working Group (IMWG) vorgestellten neuen Diagnosekriterien (SLiM-Kriterien) sehen die Diagnose multiples Myelom auch dann vor, wenn zwar noch keine Endorganschäden (CRAB-Kriterien) eingetreten sind, aber bestimmte Biomarker auf eine maligne Myelomerkrankung hinweisen. Die deutschen Leitlinien haben diese Definition in ihrer Neufassung von Februar 2022 übernommen. Die Kriterien für ein behandlungsbedürftiges multiples Myelom sind demnach:
  • ≥ 10 % klonale Plasmazellen im Knochenmark – ODER – biopsiegesichertes Plasmozytom – UND – einer oder mehrere der folgenden Befunde:
    • Einer der Biomarker für maligne Erkrankung (SLiM-Kriterien):
      • S = Sixty percent: ≥ 60 % klonale Plasmazellen im Knochenmark
      • Li = Light Chain Ratio: Quotient involvierte (erhöhte)/nichtinvolvierte (normale) freie Leichtketten ≥ 100
      • M = MRT: mindestens eine fokale Läsion > 5 mm im Ganzkörper-MRT
    • ODER Endorganschaden, der auf die proliferative Plasmazell-Erkrankung zurückgeführt werden kann, nachgewiesen durch eines der CRAB-Kriterien:
      • C = Calcium (Hyperkalzämie): Serumkalzium > 11 mg/dl (> 2,75 mmol) oder Überschreitung der oberen Grenze des Normbereichs um mehr als 1 mg/dl (0,25 mmol/l)
      • R = renale Insuffizienz: GFR (siehe Kreatinin-Clearance) < 40 ml/min oder Serum Kreatinin > 2 mg/dl (> 177 μmol/l)
      • A = Anämie: Hb < 10,0 g/dl (< 6,21 mmol/l) oder Unterschreitung der unteren Grenze des Normbereichs um mehr als 2,0 g/dl (1,24 mmol/l)
      • B = Bone Lesions: osteolytische Läsionen in Röntgen, CT oder PET-CT.

Smouldering Myeloma (asymptomatisches Myelom)

  • Beide Kriterien treffen zu:
    • monoklonales Protein (IgG oder IgA) im Serum ≥ 30 g/l oder im Urin ≥ 500 mg/24 h und/oder klonale Plasmazellen im Knochenmark 10–60 %
    • keine Myelom-definierenden Befunde oder Amyloidose.

MGUS (monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz)

  • Nicht-IgM-MGUS
    • monoklonales Protein vom Nicht-IgM-Typ nachweisbar, Konzentration unter 30 g/l
    • klonale Plasmazellen im Knochenmark nachweisbar, Anteil unter 10 %
    • Keine Endorganschäden (CRAB, s. o.) oder Amyloidose, die auf die proliferative Plasmazell-Erkrankung zurückgeführt werden können.
  • IgM-MGUS
    • monoklonales IgM im Serum nachweisbar, Konzentration unter 30 g/l
    • lymphoplasmatische Infiltration im Knochenmark nachweisbar, Anteil unter 10 %
    • kein Nachweis von:
      • Anämie
      • konstitutionellen Symptomen
      • Hyperviskosität
      • Lymphadenopathie
      • Hepatosplenomegalie
      • anderen Endorganschäden, die auf die lymphoproliferative Erkrankung zurückgeführt werden können.
  • Leichtketten-MGUS
    • freie-Leichtketten (FLC)-Quotient Kappa (κ)/Lambda (λ) außerhalb des Normbereichs, d. h. < 0,26 oder > 1,65
    • entsprechend involvierte Leichtkette erhöht, d. h. erhöhte κ-FLC bei Personen mit FLC-Quotient > 1,65 und erhöhte λ-FLC bei Personen mit FLC-Quotient < 0,26
    • keine Expression von Immunglobulinschwerketten in der Immunfixation
    • Keine Endorganschäden (CRAB) oder Amyloidose, die auf die proliferative Plasmazell-Erkrankung zurückgeführt werden können.
    • klonale Plasmazellen im Knochenmark nachweisbar, Anteil unter 10 %
    • monoklonales Protein im Urin < 500 mg/24 h

Solitäres Plasmozytom

  • Solitäre Läsion in Knochen oder Weichteilen mit bioptischem Nachweis klonaler Plasmazellen
  • Normales Knochenmark ohne klonale Plasmazellen
    • Variante: solitäres Plasmozytom mit minimaler Knochenmarkbeteiligung
    • klonale Plasmazellen im Knochenmark nachweisbar, mit Anteil < 10 %
  • Röntgen-Übersichtsaufnahmen des Skeletts, MRT (oder CT) von Wirbelsäule und Becken
    • außer der beschriebenen solitären Läsion o. B.
    • Keine Endorganschäden nach CRAB-Kriterien (s. o.), die auf eine lymphatisch-plasmazellbasierte profilerative Erkrankung zurückzuführen sind.

POEMS-Syndrom

  • Polyneuropathie
  • Monoklonale proliferative Plasmazell-Erkrankung (fast immer λ)
  • Eines der weiteren 3 Hauptkriterien:
    1. sklerotische Knochenläsionen
    2. Castleman-Krankheit (Hypertrophie der Lymphknoten mit angiofollikulärer Lymphhyperplasie)
    3. VEGFA (Vascular Endothelial Growth Factor A) erhöht.
  • Eines von 6 Nebenkriterien:
    1. Organomegalie: Splenomegalie oder Hepatomegalie oder Lymphadenopathie
    2. Extravasate: Ödeme oder Pleuraerguss oder Aszites
    3. Endokrinopathie: Kann Nebennieren, Schilddrüse, Hypophyse, Gonaden, Nebenschilddrüse oder Pankreas betreffen.
    4. Hautveränderungen wie Hyperpigmentierung, Hypertrichose, glomeruloide Hämangiome, Plethora, Akrozyanose, Flush, Weißnägel
    5. Stauungspapille
    6. Thrombozytose/Polyzythämie.

Systemische AL-Amyloidose

  • Systemisches Syndrom aufgrund von Amyloidablagerungen in z. B.:
    • Niere
    • Leber
    • Herz
    • Gastrointestinaltrakt
    • peripheren Nerven.
  • Amyloidfärbung mit Kongorot positiv in der Biopsie von:
    • Fettgewebe
    • Knochenmark
    • anderen Organen.
  • Nachweis, dass das Amyloid leichtkettenassoziiert ist, durch direkte Untersuchung des Amyloids in:
    • massenspektrometriegestützter Proteom-Analyse – oder –
    • Immunelektronenmikroskopisch – und –
  • Nachweis einer monoklonalen proliferativen Plasmazell-Erkrankung durch:
    • monoklonales Protein in Serum oder Urin
    • FLC-Quotient außerhalb des Normbereichs (s. o.) – oder –
    • klonale Plasmazellen im Knochenmark.

Plasmazell-Leukämie

  • Plasmazellen > 20 % im Differenzialblutbild – und/oder –
  • Klonale Plasmazellen ≥ 2 x 109/l im Blut

Differenzialdiagnosen

  • Morbus Waldenström
    • Nachweis eines lymphoplasmozytären Lymphoms im Knochenmark mit gesteigerter Produktion von monoklonalem IgM
  • Lymphom/Leukämie
  • Schwerkettenkrankheit (Heavy-Chain Disease)
    • selten, Überproduktion von anderen Immunglobulinen als IgG/IgA/IgM
  • Infektionen
  • Autoimmunerkrankungen
  • Lebererkrankungen

Plasmozytose im Knochenmark

  • Lebererkrankung
  • Chronische Infektion
  • Chronische Entzündung

Zu Skelett-Plasmozytom

Anamnese

Knochen

  • Schmerzen und Frakturen, oft bei auffallend kleinen Traumata
  • Sehr oft Schmerzen im Rücken- und Rippenbereich, aber auch in den Röhrenknochen und im Becken, evtl. im Schädel
  • Eine pathologische Fraktur ist in vielen Fällen das Präsentationssymptom.
  • Kompression der Medulla oblongata – eine lebensbedrohliche Komplikation

Knochenmarkinsuffizienz

Nierenversagen

  • Übelkeit, Durstgefühl, Ermüdbarkeit, Juckreiz, Ödeme, schäumender Urin (Proteinurie)

Paraproteinämie

  • Beim Myelom meist asymptomatisch; die leichten Ketten, die im Urin ausgeschieden werden, können jedoch Nierenversagen verursachen.
  • Bei Morbus Waldenström (monoklonales IgM) kann ein Hyperviskositätssyndrom entstehen:

Amyloidose

  • Je nach Organbefall sind sehr unterschiedliche Symptome möglich.

Neuropathie6

  • Kann krankheits- oder therapiebedingt (Zytostastika) auftreten.
  • Autonome Neuropathie, z. B. mit orthostatischer Dysregulation
  • Polyneuropathie
    • symmetrisch, distal betonte Extremitätenschmerzen (meist beinbetont), Sensibilitätsstörungen
    • im weiteren Verlauf evtl. Paresen, Ataxie
    • Inzidenz beim multiplen Myelom 5–10 %, bei MGUS 30–70 %

Klinische Untersuchung

  • Hautblutungen und blasse Haut
  • Dehydrierung
  • Ausfälle peripherer Nerven und spinaler Nervenwurzeln
  • Schmerzempfindlichkeit der Knochen
  • Evtl. Ödeme
  • Evtl. Makroglossie bei amyloiden Ablagerungen

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Blutuntersuchungen

  • Hb, Hämatokrit: Anämie?
  • CRP 
  • Elektrolyte
  • LDH, GPT, AP erhöht?
  • Nierenretentionsparameter oft erhöht
  • Gesamtprotein und Albumin im Serum
  • Serumprotein-Elektrophorese (SPE) mit Bestimmung des M-Gradienten
    • Immunfixations-Elektrophorese im Serum und Urin
    • Damit lassen sich 98 % der Myelom-Fälle aufdecken.
      • M-Komponente (monoklonale Komponente) ist als deutliches Band im Gammabereich zu sehen, evtl. im Betabereich.
    • Immunglobuline (IgG, IgA, IgM) im Serum, quantitativ
    • Freie Kappa- und Lambda-Leichtketten im Serum quantitativ inkl. Berechnung des Quotienten. Menschen mit asekretorischem Myelom haben zu 50 % einen pathologischen FLC Test.
      • Erhöhte Leichtketten sind entweder vom Kappa- oder Lambda-Typ.
      • Sie sind im Serum von 80 % aller Myelombetroffenen zu finden und bei 100 %, wenn eine Leichtketten-Erkrankung vorliegt.
  • 24-h-Sammelurin zur Quantifizierung der Eiweißausscheidung und zur Quantifizierung der Leichtkettenausscheidung
    • Die Leichtketten (Bence-Jones-Protein) können durch Elektrophorese des Urins nachgewiesen werden.
    • Eine Quantizierung ist erforderlich: Die größeren M-Komponenten werden im Urin nicht ausgeschieden.
      Blutausstrich bei Multiplem Myelom mit Geldrollen(Rouleaux)-Formation von Erythrozyten. 1 = Plasmazellen.
      Blutausstrich bei multiplem Myelom
  • Peripherer Blutausstrich
    • Kann z. T. eine markante Geldrollen(Rouleaux)-Formation der Erythrozyten anzeigen.
    • Plasmazellen sind nur in Ausnahmefällen zu sehen.
    • Neutrophile und Thrombozyten sind initial normal.
  • Beta-2-Mikroglobulin im Blut: Wird zur Stadieneinteilung und zur Überwachung der Krankheitsaktivität verwendet (bei fachärztlicher Behandlung).

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Knochenmarkbiopsie
    • notwendig zur Diagnosesicherung
    • für zytologische Untersuchungen
    • ggf. Gewinnung von Material für genetische Analysen, wie:
      • Zytogenetik
      • konventionelle Chromosomenanalyse
      • Fluoreszenz In-situ-Hybridisierung (FISH).
    • Tumorbiopsie bei Verdacht auf ein solitäres Plasmozytom
  • Bildgebende Basisdiagnostik
    • Low-Dose-Ganzkörper-CT ohne KM
    • zur Diagnostik von Osteolysen, Osteopenie und zur Stabilitätsbeurteilung
    • höhere Sensitivität als das früher gängige Pariser Schema
  • Ergänzende bildgebende Verfahren
    • MRT
      • besonders bei Verdacht auf extramedulläre Manifestationen
      • zwingend bei neurologischer Symptomatik mit Verdacht auf Myelonkompression
      • Bei Menschen mit asymptomatischem Myelom erhöht der Nachweis von Knochenmarkläsionen in der MRT die Wahrscheinlichkeit der Transformation in ein symptomatisches Myelom.
    • FDG-PET
      • sensitive Methode zur Darstellung extramedullärer Manifestationen
      • Liefert frühzeitig Informationen über das therapeutische Ansprechen.
    • Echokardiografie
      • regelmäßig bei an Myelom Erkrankten mit Verdacht auf kardiale Amyloidose
      • vor anthrazyklinhaltiger Chemotherapie
      • vor Hochdosistherapie
    • Röntgen-Thorax und ggf. Lungenfunktion
      • vor der Behandlung mit Bortezomib

Zytogenetische Marker

  • FISH
    • Überprüfung der prognostisch ungünstigen Translokation t(4;14)(p16;q32) bei jedem neudiagnostizierten und potenziell für eine Transplantation infrage kommende Myelom-Patient*innen.
    • Deletion del17p13 als weiterer negativer prognostischer Marker
    • In diesen Fällen ist eine frühzeitige allogene Stammzelltransplantation oder intensivierte Therapie mit neuen Substanzen sinnvoll.
  • Weitere ungünstige prognostische Parameter:
    • Amplifikation von Chromosom 1q21
    • Deletion 1p.

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf die Erkrankung: Überweisung an Hämatologie/Onkologie

Therapie

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.1-2

Therapieziele

  • Vollständige Remission
  • Lindernde und lebensverlängernde Behandlung

Allgemeines zur Therapie

Indikation nach SLiM-CRAB-Kriterien der IMWG

  • Begründung
    • Bei 55–94 % der Personen, die eines der SLiM-Kriterien erfüllen, mündet die Erkrankung innerhalb von 2 Jahren in ein multiples Myelom nach CRAB-Kriterien, bei 70 % in einen Endorganschaden.
    • Laut Expertenkonsens in den deutschen S3-Leitlinien zur Behandlung des multiplen Myeloms2 ist somit bei diesen Erkrankten eine Therapieindikation gegeben. Dass damit etwa 20 % der Personen mit positiven SLiM-Kriterien überbehandelt würden, weil sie auch ohne Behandlung kein Myelom entwickelt hätten, sei dabei in Kauf zu nehmen.2
  • Therapiebegrenzend
    • Nebenwirkungen der Hochdosistherapie und der autologen Stammzelltransplantation
    • Eine obere Altersgrenze ist schwer zu definieren. Entscheidend sind das biologische Alter mit gutem Erhalt von Organfuktionen und das Fehlen relevanter Begleiterkrankungen.
  • Ausnahmen:
    • Wird die Diagnose „Multiples Myelom“ allein aufgrund eines Leichtkettenquotienten > 1 ODER allein aufgrund mehr als einer fokalen Läsion im MRT gestellt, dann kann vor Therapiebeginn eine Kontrolle zur Einschätzung der Krankheitsdynamik abgewartet werden.
    • Ein Einzelfällen rechtfertigen auch tumorassoziierte Symptome, die nicht in den SLiM-CRAB-Kriterien enthalten sind, eine Therapie.

Medikamente zur systemischen Therapie des Myeloms

  • Zytostatika
    • Melphalan
    • Cyclophosphamid
    • Vinorelbin
    • Doxorubicin
    • Bendamustin
  • Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor (GCS-F)
  • Kortikosteroide
    • Prednisolon
    • Prednison
    • Dexamethason
  • Immunmodulatoren/Angiogenesehemmer
    • Thalidomid
    • Lenalidomid
    • Pomalidomid
  • Proteasominhibitoren
    • Bortezomib
    • Carfilzomib
    • Ixazomib
  • Antikörper
    • Elotuzumab
    • Daratumumab
  • Histon-Deacetylase-Inhibitor
    • Panobinostat

Autologe Stammzelltransplantation (HMAS)

  • Erhöht in Kombination mit hochdosierter Chemotherapie die Ansprechrate und die Überlebenszeit.

Strahlentherapie

  • Wird angewendet bei solitärem Plasmozytom und im Rahmen der supportiven Therapie bei lokalisierten schmerzhaften oder frakturbedrohten Manifestationen, die unter Chemotherapie fortschreiten.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Situationen mit Infektionsrisiko vermeiden.

Medikamentöse Therapie

Erstlinientherapie bei Eignung für die Hochdosistherapie

  • Bei unter 65-Jährigen und je nach kognitiver und körperlicher Fitness bis zu ca. 75 Jahren ist eine hochdosierte Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation anzubieten, falls keine Kontraindikation vorliegt.
    • Bei über 70-Jährigen HMAS nur im Rahmen von Studien (inkl. Registerstudien)
  • Die Behandlung besteht aus 3 Phasen:
    1. Induktionsbehandlung
      • 3–6 Zyklen Bortezomib und Dexamethason, meist in Kombination mit Lenalidomid, Cyclophosphamid oder Thalidomid
    2. autologe Stammzellentnahme
      • 2–8 Wochen nach der Induktionsbehandlung
      • danach hochdosierte Behandlung mit Melphalan
    3. autologe Stammzellinfusion.
  • Supportive Therapie, z. B.:
  • Mortalität
    • Die behandlungsbezogene Mortalität liegt unter 3 %.
    • Die mediane Überlebensdauer liegt bei 6,9 Jahren für Erkrankte mit Beta-2-Mikroglobulin 2,3 mg/l oder geringer (43 % aller Myelombetroffenen).

Erstlinientherapie bei Nicht-Eignung für die Hochdosistherapie

  • Erkrankte, die für eine Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation nicht infrage kommen, erhalten eine medikamentöse Kombinationstherapie, z. B. mit:
    • Bortezomib/Cyclophosphamid/Dexamethason
    • Bortezomib/Melphalan/Prednisolon
    • Lenalidomid/Dexamethason niedrig dosiert
    • Bortezomib/Lenalidomid/Dexamethason.

Rezidivtherapie

  • Die Therapie bei rezidiviertem oder refraktärem multiplem Myelom orientiert sich an:
    • dem Alter der betroffenen Person
    • den Begleiterkrankungen
    • der Vorbehandlung.
  • Bei langsam ansteigendem Paraprotein kann abgewartet werden.
  • Bei neuen myelombedingten Organschäden und/oder raschem Paraproteinanstieg ist eine Rezidivtherapie angezeigt.
  • Erkrankte im Rezidiv mit gutem Allgemeinzustand ohne wesentliche Begleiterkrankungen können eine Hochdosistherapie mit Melphalan und autologer Stammzelltransplantation erhalten.
  • Proteasomeninhibitoren, immunmodulierende Substanzen und klassische Zytostatika spielen in der Rezidivtherapie eine wesentliche Rolle.

Weitere Therapieoptionen

Allogene Stammzelltransplantation

  • Ist der einzige kurative Ansatz zur Behandlung des multiplen Myeloms.
    • Ein Graft-versus-Myeloma-Effekt durch dabei transplantierte immunkompetente Zellen konnte nachgewiesen werden.
    • Der Effekt lässt sich durch spätere Donorlymphozytengaben weiter verstärken.
  • Bei Erkrankten mit sehr hohem Risiko (z. B. 17p-Deletion, extramedulläre Erkrankung) ist eine kombiniert durchgeführte autolog/allogene Stammzelltransplantation von Vorteil.
  • Bei Vorliegen einer 17p-Deletion und vorhandener passender Familien- oder Fremdspender*in sollte eine allogene Stammzelltransplantation frühzeitig weiter geprüft werden.
    • Personen, die dafür infrage kommen, sollten frühzeitig an einem Transplantationszentrum vorgestellt werden.

Strahlentherapie

  • Das multiple Myelom ist strahlensensibel.
  • Die Indikation zur lokalen, großflächigen Strahlentherapie ist vor Stammzellapherese zurückhaltend zu stellen, da eine Bestrahlungstherapie vor allem im Beckenbereich die Stammzellgewinnung erschweren kann.
  • Indikationen für eine Strahlentherapie sind:
    • frakturgefährdete Osteolysen
    • chirurgisch versorgte pathologische Frakturen
    • primär operativ versorgtes Querschnittssyndrom
    • extramedulläre Plasmazelltumoren
    • Skelettschmerzen und Versagen aller anderer infrage kommenden schmerztherapeutischen Maßnahmen
      • Zur Schmerzbehandlung sind meist 10–20 Gy ausreichend.

Bisphosphonate7

  • Regelmäßige Bisphosphonatgabe, parallel zur systemischen Myelombehandlung bei allen Erkrankten mit Knochenbeteiligung, d. h. mit mindestens einer Osteolyse. 
    • Verzögert weiterere skelettale Ereignisse.
    • Lindert Schmerzen.
    • Reduziert Hyperkalzämie.
  • Wirkstoffe
    • Pamidronsäure
    • Zoledronsäure
    • Clodronsäure
  • Zur Vermeidung Bisphosphonat-assoziierter Kiefernekrosen
    • Sorgfältige Überprüfung des Zahnstatus vor Therapiebeginn ist obligat.
    • Unterweisung in optimaler Zahn- und Mundhygiene
    • Unter der Bisphosphonattherapie invasive Eingriffe wie Zahnextraktionen möglichst vermeiden.
    • mindestens jährliche zahnärztliche Kontrolluntersuchungen
    • Wenn zahnärztliche Eingriffe notwendig werden, sollte möglichst zahnerhaltend vorgegangen werden.
    • Wenn invasive Eingriffe wie Zahnextraktionen unumgänglich sind, sollte vorher die Bisphosphonattherapie unterbrochen und erst nach Abschluss der Wundheilung erneut aufgenommen werden.
  • Empfohlene Therapiedauer: 2 Jahre
    • Bei Erreichen einer sehr guten partiellen Remission oder Vollremission kann die Therapie bereits nach 1 Jahr beendet werden.
    • Bei schlechterem Ansprechen wird die Therapie weiter fortgesetzt.
      • Ob allerdings und – wenn ja – unter welchen Umständen eine Therapiedauer über 2 Jahren sinnvoll ist, lässt sich derzeit nicht beurteilen.
      • Eine zeitlich unbeschränkte Gabe sollte nicht erfolgen.

Behandlung von Komplikationen

  • Sepsis oder Pneumonie
  • Nierenversagen
    • Hämofiltration oder Dialyse
  • Knochenmarkinsuffizienz
    • Erythropoetin ist zu erwägen.
  • Hyperviskosität
  • Hyperkalzämie
    • Hydrierung
    • Bisphosphonat
      • bei akutem Nierenversagen zunächst nur niedrig dosiert
    • Steroide
  • Spinalkompression
    • operative Dekompression und evtl. Strahlenbehandlung
  • Pathologische Frakturen
    • Schmerztherapie (keine NSAR, wegen Nierentoxizität!)
    • evtl. operative Stabilisierung
    • Bisphosphonat
  • Wirbelkörperfraktur oder -instabilität
    • Vertebroplastie oder Kyphoplastie sind zu erwägen.
  • Infektionen
    • Das Risiko für schwere Infektionen ist hoch und eine frühe Behandlung ist entscheidend.
    • In manchen Situationen ist eine prophylaktische Antibiotikagabe empfehlenswert.
  • Thromboembolische Ereignisse
    • Patient*innen mit multiplem Myelom, die Immunmodulatoren mit der Chemotherapie erhalten und/oder Dexamethason, sollten eine Prophylaxe mit entweder niermolekularem Heparin oder niedrig dosiertem Aspirin erhalten.8

Palliativbehandlung

Beobachtung

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.1-2
  • Risiko für pathologische Frakturen
    • Skelettschmerzen sind Zeichen drohender pathologischer Frakturen.
    • Rückenschmerzen können auf Wirbelfrakturen hinweisen.
      • Dabei kann es zur Wurzel- oder Myelokompression kommen, mit entsprechenden neurologischen Ausfällen.
    • Röntgenuntersuchungen des Skeletts
      • Detektion von Osteolysen und Frakturen
      • Beurteilung der Knochenstabilität
    • Vorsicht beim Umlagern oder Transport von Patient*innen mit Knochenschmerzen und hohem Frakturrisiko
  • Infektionsrisiko
    • Fieber und Schüttelfrost können Anzeichen einer beginnenden Sepsis sein.
    • strenge Maßnahmen zum Infektionsschutz bei hohem Infektionsrisiko
    • Heftiger Schüttelfrost kann Anzeichen von Bakteriämie sein: 2 x Blutkultur abnehmen.
  • Antikörpermangelsyndrom
    • Bei Patient*innen mit sekundärem Antikörpermangelsyndrom und einer klinisch relevanten Infektanfälligkeit soll eine intravenöse Immunglobulin-Substitution durchgeführt werden (I/A).9
  • Risiko für Hyperviskositätssyndrom
  • Anämie9-10
    • Hypoxiezeichen?
    • Bluttransfusion bei schwerer Anämie
      • Es ist unklar, wie sich Transfusionen auf die ohnehin stark supprimierte Immunkompetenz von Patient*innen mit hämatologischen Malignomen oder unter intensiver Chemotherapie auswirken. Die Indikation ist zurückhaltend zu stellen, auch wegen des Risikos für Infektionsübertragungen, Transfusionsreaktionen und Eisenüberladung.
      • Ob eine Transfusion notwendig ist, orientiert sich nicht nur am Hb, sondern auch an Risikofaktoren und evtl. Hinweisen auf eine dekompensierte anämische Hypoxie (s. o.).
      • Bei Patient*innen ohne Risikofaktoren oder hypoxischer Dekompensation erscheint ein Hb < 7 als Transfusionstrigger ausreichend.
  • Risiko für reduzierte Nierenfunktion
  • Komplikationen und Nebenwirkungen der Behandlung

Verlauf, Komplikationen und Prognose

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.1-2

Verlauf

  • Mit Fortschreiten der Erkrankung meist zunehmende 
    • Knochenschmerzen
    • rezidivierende Infektionen.
  • Ein solitäres Myelom entwickelt sich bei ca. 50 % aller Patient*innen innerhalb von 3–4 Jahren zu einem multiplen Myelom.

Komplikationen

  • Hyperkalzämische Krise
  • Blutungen
  • Venöse Thrombembolien
  • Infektionskrankheiten
    • Eine populationsbasierte Fall-Kontroll-Studie aus Schweden belegt ein 7-fach erhöhtes Risiko für bakterielle Infektionen und ein 10-fach erhöhtes Risiko für Virusinfektionen bei Myelom-Patient*innen im Vergleich zur Normalpopulation.11
  • Akutes Nierenversagen, häufig durch Harnwegsinfektion ausgelöst
  • Frakturen
  • Kompression von Rückenmark oder Nervenwurzeln durch Wirbelfrakturen oder Tumorwachstum
  • Kachexie
  • Neuropathien

Prognose

  • Das internationale Staging System (ISS)12 soll zur Stadieneinteilung und prognostischen Einschätzung verwendet werden.
  • Siehe Tabelle Multiples Myelom, Revised International Staging System.
  • Laut einer Studie mit deutschen und US-amerikanischen Patient*innen in den Jahren 2002–2010 beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate mittlerweile mehr als 50 %.13
  • Hohes Alter, reduzierte Nierenfunktion, Hyperkalzämie, ausgesprochene Osteolyse und stark reduzierter Allgemeinzustand ergeben schlechtere Prognosen.
  • Einige zytogenetische Merkmale (siehe Abschnitt Zytogenetische Marker) haben prognostische Bedeutung.
  • Alter < 50 Jahre
    • konventionelle Therapie, Überlebenszeit ca. 4,5 Jahre
    • Hochdosistherapie, Überlebenszeit ca. 7,5 Jahre
  • Alter > 50 Jahre
    • konventionelle Therapie, Überlebenszeit > 3 Jahre
    • Hochdosistherapie > 5,5 Jahre
  • 10-Jahres-Überlebensrate bei unter 50-Jährigen
    • ca. 20 % nach konventioneller Therapie
    • > 40 % nach Hochdosistherapie
  • 10-Jahres-Überlebensrate bei über 50-Jährigen
    • < 10 % nach konventioneller Therapie
    • < 30 % nach Hochdosistherapie

Weiterbehandlung in der Hausarztpraxis

Während der systemischen Therapie

  • In manchen Fällen übernehmen Hausärzt*innen einige Aufgaben zwischen den Zyklen.

Infektionsüberwachung

  • Febrile Neutropenie
    • Fieber über 38 °C und Leukozyten < 1,0 x 109/l im peripheren Blut oder Neutrophile < 0,5 x 109/l
    • Patient*innen ins Krankenhaus einweisen und dort gegen Sepsis behandeln!
    • In der palliativen Phase kann es zuweilen angebracht sein, die Patient*innen bei derartigen Infektionen mit peroralen Antibiotika zu Hause zu behandeln.
  • Neutropenie ohne Fieber oder Infektionssymptome ist häufig zu beobachten.
    • zusätzlicher Medikamenteneffekt möglich, z. B. unter Zytostatika oder Immunmodulatoren
  • Temperatur morgens und abends rektal messen.
  • Eine CRP-Erhöhung ist oft durch eine bakterielle Infektion verursacht (und nicht durch erhöhte Aktivität der Leukämiezellen).

Zentraler Venenkatheter

  • Den Patient*innen wird oft ein zentraler Venenkatheter (CVK, Hickman) für Probeentnahmen, Transfusionen und medikamentöse Behandlung gelegt.
  • Das Öffnen und Schließen dieser Katheter ist ausschließlich von Pflegekräften auszuführen, die darin geübt sind und das Verfahren kennen (Gefahren für Luftembolie und Infektionen).
    • Peripheren Zugang für Blutproben und evtl. Behandlung anlegen, falls eine kompetente Anwendung von CVK nicht möglich ist.

Andere Problemstellungen

  • Transfusionsbedarf: Symptomgrad beurteilen.9
  • Antikoagulationsbehandlung
    • Eine Thrombozytopenie als Folge der Behandlung oder Erkrankung führt zu erhöhtem Blutungsrisiko.
    • Bei Thrombozyten < 50.000/μl soll das hämatoonkologische Team eine Dosisreduzierung erwägen.
    • Oft ist der Wechsel von peroraler Antikoagulation zu niedrigmolekularem Heparin (reduzierte Dosis) indiziert, ebenso das Absetzen in Phasen mit erheblicher Thrombozytopenie.

Nach Entlassung aus dem Krankenhaus

  • Impfungen nach individueller Absprache mit der behandelnden Abteilung
    • Nach einer allogenen Stammzelltransplantation und hochdosierter Chemotherapie mit autologener Stammzelltransplantation kann eine erneute Grundimmunisierung indiziert sein.
    • Pneumokokken-Impfung nach 1 Jahr, danach alle 6 Jahre14
    • Lebend- und perorale Impfungen in den ersten 2 Jahren nach Stammzelltransplantation vermeiden.
  • Fatigue, chronische Müdigkeit
    • subjektives Gefühl von Ermüdbarkeit und eingeschränkter Funktionskapazität; selbst nach Ruhe und Schlaf keine Besserung
    • besonders häufig bei Patient*innen nach einer Strahlentherapie oder Zytostatikabehandlung
    • Wird von vielen Krebskranken als die am meisten belastenden behandlungsbedingten Beschwerden bezeichnet.
    • Behandlung
      • genaue verständliche Erklärung des Zustands
      • Ein leichtes und individuelles Trainingsprogramm ist empfehlenswert.

Verlaufskontrolle

  • Knochenmarksrepunktionen sind sinnvoll zur Rezidivdiagnostik sowie zur Remissionskontrolle.
  • MGUS (monoklonale Gammopathien unklarer Signifikanz)
    • Ca. 1–2 % entwickeln sich jährlich zu einem multiplen Myelom oder einer anderen malignen Gammopathie (Morbus Waldenström, malignes Lymphom).15
    • Regelmäßige Befundkontrollen sind daher zu empfehlen.
  • Nach allogener Stammzelltransplantation
    • Rezidiverkennung
    • Chronische Graft-versus-Host-Reaktion?
    • Spätfolgen?
  • Kontrolluntersuchungen alle 2–3 Monate, inkl.:2
    • Anamnese und körperliche Untersuchung
    • Blutbild mit Differenzialblutbild
    • Leber- und Nierenwerte
    • Elektrolyte
    • Gerinnungsparameter
    • Serum-Eiweißelektrophorese
    • freie Leichtketten im Serum und im 24-h-Sammelurin
  • Bei Rezidivverdacht
    • Es sollen dieselben Untersuchungen wiederholt werden, die bei der Erstdiagnose wegweisend waren.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

Weitere Informationen

Illustrationen

Blutausstrich bei Multiplem Myelom mit Geldrollen(Rouleaux)-Formation von Erythrozyten. 1 = Plasmazellen.
Blutausstrich bei multiplem Myelom mit Geldrollen(Rouleaux)-Formation von Erythrozyten. 1 = Plasmazellen.

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO). Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) oder Multiplem Myelom. AWMF-Leitlinie Nr. 018-035OL. S3, Stand 2022. www.awmf.de
  • Bundesärztekammer (BÄK). Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten. Gesamtnovelle 2020. www.bundesaerztekammer.de

Literatur

  1. Gerecke C, Fuhrmann S, Strifler S, et al. Diagnostik und Therapie des Multiplen Myeloms. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 470-6. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0470 DOI
  2. Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) oder Multiplem Myelom. AWMF-Leitlinie Nr. 018-035OL. Stand 2022. www.awmf.org
  3. Rajkumar SV, Dimopoulos MA, Palumbo A, et al. International Myeloma Working Group updated criteria for the diagnosis of multiple myeloma. Lancet Oncol 2014; 15: e538-48. PMID: 25439696 PubMed
  4. Heim TM. Multiples Myelom - Forschungserfolge ermöglichen individualisierte Medizin. Im Focus Onkologie 2015; 18: 73. doi:10.1007/s15015-015-2256-5 DOI
  5. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2022. Stand 17.09.2021 www.dimdi.de
  6. Leiner P. Oft unterschätzt: Neuropathie bei Myelom und MGUS. Im Focus Onkologie 2018; 21, 53. doi.org
  7. Mhaskar R, Kumar A, Miladinovic B, et al. Bisphosphonates in multiple myeloma: an updated network meta-analysis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2017, Issue 12. Art. No.: CD003188. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Lyman GH, Bohlke K, Khorana AA, Kuderer NM, et al. Venous thromboembolism prophylaxis and treatment in patients with cancer: american society of clinical oncology clinical practice guideline update 2014. J Clin Oncol 2015;33(6). pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Bundesärztekammer (BÄK). Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten. Gesamtnovelle 2020. www.bundesaerztekammer.de
  10. Klein F, Heim TM. DGHO-Jahrestagung 2015 - Studienergebnisse mit Einfluss auf das klinische Tun. Info Onkol 2015; 18: 50. doi:10.1007/s15004-015-5183-x DOI
  11. Blimark C, Holmberg E, Mellqvist U-H. A population-based study on 9253 multiple myeloma patients. Haematologica 2014. doi:10.3324/haematol.2014.107714 DOI
  12. Palumbo A, Avet-Loiseau H, Oliva S, et al. Revised International Staging System for Multiple Myeloma: A Report From International Myeloma Working Group. J Clin Oncol 2015; 33: 2863-9. PMID: 26240224 PubMed
  13. Pulte D, Jansen L, Castro FA, et al. Trends in survival of multiple myeloma patients in Germany and the United States in the first decade of the 21st century. J Hematol Oncol. 2016; 22: 28. PMID: 26123295 PubMed
  14. Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin. 29. August 2016/Nr. 34 www.rki.de
  15. Knop S, Liebisch P, Hebart H, et al. Autologous Followed By Allogeneic Versus Tandem-Autologous Stem Cell Transplant in Newly Diagnosed FISH-del13q Myeloma. Blood 2014 124:43 www.bloodjournal.org

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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