Herpeskeratitis (Hornhautentzündung)

Unter den Hornhauterkrankungen gilt die Herpeskeratitis als die häufigste Ursache für eine schwere Beeinträchtigung des Sehvermögens oder Blindheit.

Was ist Herpeskeratitis?

Man unterscheidet zwei Formen der Hornhautinfektion. Die häufigste Form ist eine oberflächliche Hornhautinfektion, die epitheliale Keratitis oder Keratitis dendritica. In manchen Fällen erstreckt sich die Infektion auf die tieferen Teile der Hornhaut, es entsteht eine so genannte stromale Keratitis oder Keratitis disciformis. Keratitis bedeutet Infektion der Hornhaut.

Herpeskeratitis ist eine Infektion der Hornhaut, die durch das Herpes-simplex-Virus (HSV) verursacht wird. Es ist dasselbe Virus, das Fieberbläschen auf den Lippen (Lippenherpes) verursachen kann. Das Herpesvirus ist die häufigste Ursache für Infektionen der Hornhaut. Eine Infektion kann bei Neugeborenen auftreten (neonatale HSV-Infektion), als Ersterkrankung (primäre HSV-Infektion) und als wiederkehrende Erkrankung (rezidivierende HSV-Infektion). Die Krankheit greift das Auge auf unterschiedliche Weisen an, jedoch in erster Linie als eine Infektion der Hornhaut. Andere Bereiche des Auges, die angegriffen werden können, sind die Augenlider (Blepharitis), die Bindehaut (Konjunktivitis), die Regenbogenhaut (Iritis) und die Netzhaut (Retinitis).

Häufigkeit

Im Zusammenhang mit Hornhauterkrankungen gilt Herpeskeratitis als die häufigste Ursache für eine schwere Beeinträchtigung des Sehvermögens in der westlichen Welt. In den meisten Fällen ist nur ein Auge betroffen. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen liegt in Deutschland bei ca. 12 pro 100.000 Personen. Weltweit werden jährlich insgesamt 1,5 Mio. neue Erkrankungsfälle gezählt und 40.000 neue Erkrankungen mit Sehverschlechterung oder Erblindung. 90 % der Personen im mittleren Lebensalter haben sich bereits mit dem HSV-1-Virus infiziert und Antikörper gebildet. Nur weniger als 5 % der Erstinfektionen mit HSV betreffen die Augen.

Ursachen

Die Ursache ist eine Infektion mit dem Herpesvirus. Die meisten gesunden Erwachsenen sind bereits infiziert Virusträger*innen. Sie haben das Virus im Körper, ohne daran zu erkranken. Häufig infiziert man sich bereits als Kind und macht dann eine sog. Primärinfektion durch, bei der in der Regel sehr harmlose Symptome auftreten, ungefähr wie bei einer Erkältung. Nach der Primärinfektion geht das Virus in einen „Ruhezustand" über, die Krankheit kann aber zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausbrechen. Im Falle der Herpeskeratitis sitzt das Virus in einem Nervenzellkörper nahe dem Auge (im Ganglion trigeminale) und wird bei Reaktivierung entlang des Nervenstrangs zur Hornhaut transportiert.

Insbesondere wenn das Immunsystem geschwächt ist, kann die Infektion erneut ausbrechen. In der Literatur sind einige Faktoren beschrieben, die das Auftreten einer Herpeskeratitis begünstigen:

  • verschlechterter Allgemeinzustand
  • Diabetes mellitus
  • ultraviolettes Licht
  • Trauma
  • Kontaktlinsen
  • psychischer Stress
  • Menstruation
  • lokale oder systemische Immunsuppression
  • HIV und AIDS
  • Fieber.

Symptome

Bei der Herpeskeratitis entstehen Schmerzen im Auge. Sie sind nicht bei allen sehr stark, da gleichzeitig eine verminderte Empfindlichkeit der Hornhaut auftreten kann. Andere typische Symptome sind Lichtempfindlichkeit, tränende Augen sowie Sehstörungen. Meistens ist nur ein Auge betroffen. Möglicherweise treten an anderer Stelle (Mundbereich oder Genitalien) weitere Herpesläsionen auf.

Diagnostik

Die Diagnose wird anhand der typischen Veränderungen der Hornhaut gestellt und erfordert eine augenärztliche Untersuchung. Typisch sind Bindehautinjektionen und eine verminderte Sensibilität der Hornhaut. Eine wichtige Untersuchungsmethode ist die Fluoreszinfärbung. Hierbei wird ein spezieller Farbstoff in das Auge geträufelt, der sich in den kleinen Verletzungen der Hornhaut sammelt. In der Regel sind die Veränderungen in Form von besonderen Verzweigungsmustern (Keratitis dendritica) leicht zu erkennen. Häufig ist die Infektion auf die äußere Schicht der Hornhaut begrenzt, sie kann aber gelegentlich auch tiefer in die Hornhaut reichen (stromale Keratitis).

Therapie

Das Ziel der Behandlung ist es, die Infektion zu stoppen und die Entzündung in der Hornhaut sowie die Schmerzen zu dämpfen. Außerdem soll die Krankheitsdauer verkürzt sowie Rückfalle und Spätfolgen verhindert werden.

Eine wichtige Behandlungsmaßahme ist die Anwendung von antiviralen Medikamenten wie Aciclovir, Ganciclovir oder Trifluridin. Die Wirkstoffe stehen in Form von Augentropfen, Gel oder Tabletten zur Verfügung. Je nach Schwere des Krankheitsbildes dauert die Therapie 7 Tage oder auch mehrere Wochen. Bei einer stromalen Keratitis werden zusätzlich lokale Steroide verordnet. In diesen Fällen wird der Heilungsverlauf augenärztlich mithilfe der Spaltlampe untersucht und dokumentiert. Eine neuere Studie beschreibt den Einsatz von Tacrolimus als sinnvoll, das Medikament ist in Deutschland jedoch bisher nicht zur Therapie der Herpes-simplex-Keratitis zugelassen.

Eine Hornhauttransplantation ist in einigen seltenen Fällen nötig, wenn sich große Narben gebildet haben, die das Sehvermögen beeinträchtigen. Eine Voraussetzung für den chirurgischen Eingriff ist eine Herpesinfektion, die über einen langen Zeitraum inaktiv war.

Prävention

Die vorbeugende Behandlung mit Aciclovir-Tabletten kann bei Patient*innen mit häufig wiederkehrender Herpeskeratitis angebracht sein. Eine derartige Behandlung sollte mindestens ein Jahr dauern. Kurzzeitige Behandlungen (Wochen) haben keinen vorbeugenden Effekt.

Prognose

Die oberflächliche Form der Hornhautentzündung heilt innerhalb von ein bis zwei Wochen aus. In einer Studie ging die Infektion bei 89 % der ansonsten gesunden Betroffenen nach einer Woche vorüber, bei 99 % nach zwei Wochen. Eine Heilung ist prinzipiell auch ohne therapeutische Intervention möglich, allerdings verlängert sich dann die Krankheitsdauer. Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem sind langanhaltende Verläufe möglich mit erhöhter Gefahr von Augenschäden.

Bei stromaler Keratitis kann die Entzündung langwierig sein, da die Hornhaut nicht mit Blut versorgt wird und daher nur langsam heilt. Der Erkrankung ist mit einem höheren Risiko der Narbenbildung auf der Hornhaut verbunden. Andere mögliche Komplikationen sind Gewebedestruktion, Gefäßneubildungen, Glaukom und persistierenden oberflächliche Defekte. Die Heilung kann Wochen bis Monate dauern. In Einzelfällen kann es zu einer dauerhaften Beeinträchtigung der Sehfähigkeit, evtl. zum Erblinden, kommen.

Die Herpeskeratitis ist eine Augeninfektion, die tendenziell wiederkehrt. 1 von 3 Betroffenen erkrankt innerhalb von 2 Jahren erneut. Es werden augenärztliche Kontrolluntersuchungen empfohlen.

Was sollten Betroffene wissen?

  • Achten Sie auf eine gute Handhygiene.
    • Kontaktlinsenträger*innen mit Lippenherpes sollten streng darauf achten, dass Kontaktlinsen nicht mit dem Virus kontaminiert werden: Hände gründlich waschen, vor Einsetzen der Kontaktlinsen frisches Handtuch verwenden.
  • Stellen Sie sich sofort augenärztlich vor, wenn eine Sehverschlechterung auftritt.
  • Bei eingeschränkter Nierenfunktion und prophylaktischer Therapie können regelmäßige Laborkontrollen mit Bestimmung der Nierenwerte und des Blutbildes indiziert sein.
  • Medikamentöse Wechselwirkungen sind möglich.

Weitere Informationen

Autor*innen

  • Hannah Brand, Ärztin, Berlin

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Herpes-simplex-Keratitis. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. Bundesverband der Augenärzte Deutschlands, Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Keratitis. Leitlinien von BVA und DOG Nr. 13, Stand 2011. augeninfo.de
  2. Farooq AV, Shukla D. Herpes simplex epithelial and stromal keratitis: an epidemiologic update. Surv Ophthalmol 2012; 57: 448-62. pmid:22542912. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Young RC, Hodge DO, Liesegang TJ, Baratz KH. Incidence, recurrence, and outcomes of herpes simplex virus eye disease in Olmsted County, Minnesota, 1976-2007: the effect of oral antiviral prophylaxis. Arch Ophthalmol 2010; 128: 1178. pmid:20837803. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Labetoulle M, Auquier P, Conrad H, et al. Incidence of herpes simplex virus keratitis in France. Ophthalmology 2005; 112: 888. pmid:15878072 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. White ML Chodosh J. Herpes Simplex Virus Keratitis: A Treatment Guideline - 2014. American Academy of Ophthalmology. AAO Compendium of Evidence-Based Eye Care, June 2014 www.aao.org
  6. Liesegang TJ. Herpes simplex virus epidemiology and ocular importance. Cornea 2001; 20: 1. pmid:11188989. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Kaye S, Choudary A. Herpes simplex keratitis. Prog Retin Eye Res 2006; 25: 355-80. doi.org
  8. Herpetic Eye Disease Study Group. Predictors of recurrent herpes simplex virus keratitis. Cornea 2001; 20: 123-8. PubMed
  9. Wilhelmus KR. Antiviral treatment and other therapeutic interventions for herpes simplex virus epithelial keratitis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015. doi:10.1002/14651858.CD002898.pub5 www.cochranelibrary.com
  10. W. Behrens-Baumann. Herpes-simplex-Keratitis. Ein kurzer Überblick zur aktuellen Therapie. Klin Monatsbl Augenheilkd 2010; 227(5): 388-392. doi:10.1055/s-0029-1245289 DOI
  11. Akbari M1, Soltani Moghadam R, Elmi R, Nosrati A, Taghiabadi E, Aghdami N. Topical Tacrolimus as an adjunct to Conventional Therapy for Stromal Herpetic Keratitis: a Randomized Clinical Trial.. J Ophthalmic Vis Res. 2019; 14(4): 400-411. doi:10.18502/jovr.v14i4.5437 DOI
  12. Maier AK, Ozlügedik S, Rottler J, et al. Efficacy of postoperative immunosuppression after keratoplasty in herpetic keratitis. Cornea 2011; 30: 1398-405. doi:10.1097/ICO.0b013e31821e65b3. insights.ovid.com
  13. Garcia DD, Farjo Q, Musch DC, Sugar A. Effect of prophylactic oral acyclovir after penetrating keratoplasty for herpes simplex keratitis. Cornea 2007; 26: 930-4. pmid:17721290. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  14. “Peri – und postoperative Behandlungsempfehlungen bei perforierender Keratoplastik“ der Sektion Kornea der DOG www.dog.org
  15. Oral acyclovir for herpes simplex virus eye disease: effect on prevention of epithelial keratitis and stromal keratitis. Herpetic Eye Disease Study Group. Arch Ophthalmol. 2000;118(8):1030–1036. www.ncbi.nlm.nih.gov
  16. Uchoa UB, Rezende RA, Carrasco MA, Rapuano CJ, Laibson PR, Cohen EJ. Long-term acyclovir use to prevent recurrent ocular herpes simplex virus infection. Arch Ophthalmol. 2003;121(12):1702–1704. doi:10.1001/archopht.121.12.1702. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  17. The Herpetic Eye Disease Study Group. A controlled trial of oral acyclovir for the prevention of stromal keratitis or iritis in patients with herpes simplex virus epithelial keratitis. The Epithelial Keratitis Trial. Arch Ophthalmol 1997; 115: 703-12. PubMed
  18. Li TH, Lai CC, Wang WH, et al. Risk of severe herpes simplex virus infection in systemic lupus erythematosus: analysis of epidemiology and risk factors analysis in Taiwan. Ann Rheum Dis. 2019;78(7):941–946. doi:10.1136/annrheumdis-2018-214844. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  19. Stanzel TP, Diaz JD, Mather R, et al. The epidemiology of herpes simplex virus eye disease in Northern California. Ophthalmic Epidemiol 2014; 21: 370. pmid:25299934. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  20. Harris KD. Herpes Simplex Virus Keratitis. Home Healthc Now. 2019;37(5):281–284. doi:10.1097/NHH.0000000000000791. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  21. Altmeyers Enzyklopädie. Herpeskeratitis. Stand 06.09.2029. (Letzter Zugriff 22.01.2020). www.enzyklopaedie-dermatologie.de