Hyphäma

Zusammenfassung

  • Definition: Blutansammlung in der vorderen Augenkammer, in der Regel Folge eines externen Traumas oder einer Operation.
  • Häufigkeit: Relativ selten.
  • Symptome: Zunehmende Sehstörungen nach einer Augenverletzung.
  • Befunde:  Blutansammlung im unteren Teil der vorderen Augenkammer.
  • Diagnostik: Tonometrie.
  • Therapie: Ruhe. Die Erkrankung ist in den meisten Fällen selbstlimitierend.

Allgemeine Informationen

  • Der Abschnitt beruht, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf folgenden Referenzen:1-3

Definition

  • Als Hyphäma bezeichnet man eine Blutansammlung in der vorderen Augenkammer, in der Regel infolge eines externen Traumas3 oder einer Operation.4
  • Ein Hyphäma kann bei Patienten mit Neovaskularisation der Iris nach einem Zentralvenenverschluss oder bei Diabetes mellitus auch ohne vorheriges Trauma auftreten.
  • In seltenen Fällen ist das Hyphäma Anzeichen eines Iristumors.
  • Spontan kann ein Hyphäma bei extremer intraokulärer Hypotonie vorkommen, wenn das Blut retrograd von den episkleralen Venen durch das Trabekelwerk nach außen fließt.

Häufigkeit

  • Relativ selten.
  • Inzidenz ca. 12 pro 100.000.
  • Männer sind 3-5 mal häufiger betroffen als Frauen
  • Bis zu 70% der traumatischen Hyphäma treten bei Kindern auf.

Ätiologie und Pathogenese

  • Ursächlich ist häufig, dass ein kleineres Blutgefäß in der Iris rupturiert und Blut in die vordere Augenkammer austritt.
  • Anfangs vermischt sich das Blut mit der wässerigen Augenflüssigkeit.
  • Im Anschluss koaguliert das Blut und sammelt sich als separate Schicht im unteren Teil der vorderen Augenkammer an.
  • Nach meist 1–3 Tagen wird das Koagel durch die Fibrinolyse aufgelöst.
  • Beim Liegen (z. B. im Schlaf) vermischt sich das Blut in der vorderen Kammer häufig wieder mit der wässrigen Augenflüssigkeit, was nach dem Aufstehen als Sehstörung empfunden werden kann.
  • Eine persistierende Mydriasis und eine deformierte Pupille können durch Verletzungen der den M. sphincter pupillae innervierenden Nervenfasern und/oder durch Ruptur der Iriswurzel (Irisdialyse) verursacht sein.
  • Eine Hyphäma kann zu einem erhöhtem intraokulären Druck führen.4

Prädisponierende Faktoren

  • Schläge auf das Auge, Prellungen
  • Spontanes Hyphäma im Rahmen folgender Grunderkrankungen möglich: Diabetes mellitus, Irismelanom, Retinoblastom, seltene Augentumore, Juveniles Xanthogranulom, Sichelzellanämie und Blutgerinnungsstörungen.
  • Medikamentöse Risikofaktoren: Antikoagulanzien, Thrombozytenaggregationshemmer.

ICPC-2

  • F75 Kontusion/Blutung im Auge

ICD-10

  • H21 Sonstige Affektionen der Iris und des Ziliarkörpers
    • H21.0 Hyphäma
  • S05 Verletzung des Auges und der Orbita
    • S05.1 Prellung des Augapfels und des Orbitagewebes

Diagnostik

  • Der Abschnitt beruht, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf folgenden Referenzen:1-3

Diagnostische Kriterien

  • Typische Anamnese und klinischer Befund.

Anamnese

  • Meist Verletzung des Auges (Schlag oder Prellung), ggf. nach einer Augenoperation.
  • Allmählich zunehmende Sehschwäche?
  • Lichtempfindlichkeit?
  • Oft verstärkte Sehstörung nach längerem Liegen, z. B. nach dem Schlaf.
  • Schmerzen des betroffenen Auges?
  • Übelkeit und Erbrechen bei erhöhtem Augeninnendruck möglich.
  • Bei Kleinkindern: Hinweise auf Kindesmisshandlung, Schütteltrauma?

Klinische Untersuchung

  • Klinische Diagnose: Blutansammlung in einer separaten Schicht im unteren Teil der vorderen Augenkammer.
  • Überprüfung der Sehschärfe.
  • Überprüfung der Augenfolgebewegungen.
  • Pupillenveränderungen:
    • leicht dilatierte und reaktionsträge Pupille
    • evtl. aufgrund einer Verletzung der Irismuskulatur mit nachfolgender Iridoplegie.

Ergänzende Untersuchungen

  • Bei Augenärzt*in: Fundoskopie sowie Tonometrie, gelegentlich Fluorescein-Färbung.
  • Laboruntersuchung:
    • bei Hinweisen auf Gerinnungsstörung: Blutbild, PTT, INR
    • (selten: bei Hinweisen auf Sichelzellanämie: Hämoglobin-Elektrophorese)

Indikationen zur Überweisung

  • Es ist empfehlenswert alle Patient*innen mit Hyphäma augenärztlich vorzustellen.

Therapie

  • Der Abschnitt beruht, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf folgenden Referenzen:1-3

Therapieziel

  • Nachblutungen und Komplikationen verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • In der Regel ist ein Hyphäma selbstlimitierend, eine aktive Therapie ist dann nicht notwendig.
  • Keine signifikant wirksame Maßnahme nachweisbar mit Ausnahme von Antifibrinolytika, die (vermutlich) das Risiko einer Nachblutung reduzieren könnten.5

Empfehlungen für Patienten

  • Bettruhe mit 30-Grad-Oberkörper-Hochlagerung ist in schweren Fällen zu empfehlen.
  • Grundsätzlich:
    • Vermeiden von körperlicher Aktivität, die das Nachblutungsrisiko erhöhen könnte.
    • Aufenthalt in ruhiger und leicht abgedunkelter Umgebung ist sinnvoll.

Medikamentöse Therapie

  • Antifibrinolytika
    • Aminocapronsäure und Tranexamsäure können das Nachblutungsrisiko vermeintlich verringern, werden jedoch nicht standardisiert empfohlen.5
  • Kortikosteroid-Augentropfen (z.B. Dexamethason-haltig); Indikationsstellung durch Augenärzt*in.
    • Können die Entzündungsreaktion der Iris und des Ziliarkörpers infolge der Blutung reduzieren.
    • Behandlungzeit 5 Tage.
  • Behandlung einer Zykloplegie
    • Kann ggf. indiziert sein, über ca. 5 Tage; Indikationsstellung durch Augenärzt*in.
    • Betablocker-haltige Augentropfen (z.B. Cyclopentolat-haltig)
      • Miotika und Mydriatika sollten wegen der Gefahr einer sekundären Blutung nicht verabreicht werden.
      • Lindern Ziliarspasmen und verhindern die Bildung von Adhäsionen zwischen der Iris und der Linsenvorderseite.
  • Evtl. Antikoagulans vorübergehend absetzen
    • wenn das Blut nach einigen Tagen nicht resorbiert ist oder der hohe Augendruck nicht abnimmt (falls keine vitale Indikation vorliegt).

Weitere Therapien

  • Chirurgische Intervention
    • bei Fortbestehen eines erhöhten intraokulären Drucks (> 35 mmHg über 7 Tage oder > 50 mmHg über 5 Tage).
      • um Sehnervenschäden und Korneaverfärbung (Eisenab-lagerungen) zu verhindern.
    • Zuweilen kann es erforderlich werden, ein intraokuläres Koagel zu entfernen.
  • Evtl. Vernähung der Iridodialyse.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

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Verlauf

  • Meist ist ein Hyphäma im Laufe von einigen Tagen spontan rückläufig, wenn keine Nachblutung eintritt.
  • Nachblutungen treten bei 16–20 % der Fälle innerhalb von 2-3 Tagen auf.

Komplikationen

  • Synechien
    • bindegewebige Verwachsungen bzw. Verklebungen.
  • Verfärbung der Kornea
    • Eisenablagerungen an der Innenseite der Kornea.
    • Meistens spontan rückläufig innerhalb eines Jahres.
  • Akutes Glaukom
    • bei Blockade des Trabekelwerks durch Fibrin.
    • bei Entwicklung eines Pupillarblocks durch die Bildung von Koageln.
    • Nachblutungen erhöhen das Risiko eines akuten Glaukoms.
  • Chronisches Glaukom
    • Kann sich über längeren Zeitraum entwickeln, insbesondere, wenn eine Ruptur der Iriswurzel vorliegt.

Prognose

  • Gute Prognose bei ca. 75 % der Fälle4
  • Ein traumatisches Hyphäma ohne weitere intraokuläre Schäden führt selten zu einem dauerhaften Verlust des Sehvermögens.5

Verlaufskontrolle

  • Patienten mit traumatischem Hyphäma sollten nach erfolgter Resorption ophthalmologisch nachuntersucht werden zum Ausschluss von peripheren Netzhautrissen und Verletzungen des vorderen Kammerwinkels.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patienten informieren?

  • Vermeiden von körperlicher Aktivität, die das Nachblutungsrisiko erhöhen könnte.
    • dazu zählen unter anderem: starkes Pressen, Drücken, Heben oder Tätigkeiten, die den Blutdruck erhöhen.

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Hyphäma
Hyphäma

Quellen

Literatur

  1. Andreoli CM, Gardiner MF. Traumatic hyphema: Clinical features and diagnosis. UpToDate. Last updated Jan 2022. www.uptodate.com. www.uptodate.com
  2. Andreoli CM, Gardiner, MF. Traumatic hyphema: Management. UpToDate. Last updated Jan 2022. www.uptodate.com. www.uptodate.com
  3. Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Verletzungen des Auges und seiner Anhangsgebilde. DOG-Leitlinie Nr. 8, Stand 2011. www.augeninfo.de
  4. Nash DL. Hyphema. Medscape, last updated Nov 17, 2015. emedicine.medscape.com
  5. Gharaibeh A, Savage HI, Scherer RW, et al. Medical interventions for traumatic hyphema. Cochrane Database Syst Rev. 2013 Dec 3;12:CD005431. Cochrane (DOI)
  6. Genadry KC, Shrock C, O'Shea D, Vatsa R, Shah AS, Gise R, Lipsett SC. Traumatic Hyphema. J Emerg Med. 2021. www.jem-journal.com. www.jem-journal.com

Autoren

  • Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster/W
  • Johan H. Eivind Seland, Professor Emeritus, Universität Bergen
  • Anders Behndig professor och överläkare, Ögonkliniken, Norrlands universitetssjukhus, Umeå (Medibas)

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