- Definition:Syndrom aus einseitiger Miosis, Ptosis und Enophthalmus sowie ggf. verminderter Schweißsekretion als Folge einer Läsion des ZNS oder der sympathischen Bahnen zum Auge.
- Häufigkeit:Insgesamt seltenes Syndrom.
- Symptome:Ptosis mit möglicher Sichteinschränkung, Miosis, Enophthalmus; weitere Symptome als Hinweis auf die Ätiologie (z. B. Halsschmerzen, Husten, fokalneurologische Defizite).
- Befunde:Ptosis, Miosis, Enophthalmus sowie ggf. Hypohidrosis.
- Diagnostik:Bildgebung des ZNS (CT/MRT), Gefäßdarstellung (Duplexsonographie), Röntgen des Thorax.
- Therapie:Abhängig von der Ursache.
Allgemeine Informationen
Definition
- Ein Horner-Syndrom ist eine meist einseitige Pupillenstörung als Folge einer Schädigung des Hirnstamms oder eines sympathischen Ganglions bzw. Nervens.
- Neurologisches Syndrom mit typischer Trias aus:1
- Miosis (Engstellung der Pupille)
- Ptosis (Tiefstehendes Augenlid)
- Enophthalmus (Einsinken des Augapfels).
- Abhängig von der Lokalisation der Schädigung evtl. zusätzlich Hypohidrose/Anhidrose der betroffenen Gesichtshälfte
- Die Behandlung ist abhängig von der Ursache und Lokalisation der Schädigung.
Häufigkeit
- Insgesamt seltenes Syndrom
Ätiologie und Pathogenese
- Ursachen1
- Trauma (z. B. Verletzungen des Grenzstrangs oder des Ganglion stellatum)
- Entzündungen (z. B. der Wurzeln C8/Th1)
- Malignome des Halses oder der Lungenspitze (Pancoast-Tumor)
- Rückenmarkssyndrome (z. B. Syringomyelie)
- Dissektion der Arteria carotis interna
- Schlaganfall und TIA (z. B. Wallenberg-Syndrom; Hypothalamusinfarkt)
- Wallenberg-Syndrom (Läsion der Medulla oblongata)
- ipsilateral: Hirnnervenausfälle V, IX, X; Horner-Syndrom, Hemiataxie
- kontralateral: dissoziierte Sensibilitätsstörung
- Wallenberg-Syndrom (Läsion der Medulla oblongata)
- diabetische autonome Neuropathie
- Amyloidose
- Morbus Fabry
- seltene hereditäre Neuropathien
- Man unterscheidet verschiedene Ursachen abhängig von der Lokalisation zwischen ZNS, Sympathikus und Nervenfasern am Auge.1-2
- Präganglionäre Schädigung
- Läsion des 1. Neurons (Hypothalamus bis Rückenmark)
- z. B. Hirnstamminfarkt (Wallenberg-Syndrom), multiple Sklerose
- Läsion des 2. Neurons (Rückenmark C8–Th2)
- z. B. Syringomyelie
- Läsion des 1. Neurons (Hypothalamus bis Rückenmark)
- Ganglionäre/postganglionäre Schädigung
- Läsion des Ggl. stellatum
- Horner-Syndrom mit Hypohidrose der oberen Körperhälfte
- Läsionen des Ggl. cervicale superius
- Horner-Syndrom mit Hypohidrose der Gesichtshälfte
- Läsionen retroorbital
- Horner-Syndrom mit ggf. Hypohidrose der Stirn
- Läsion des Ggl. stellatum
- Klassische Trias (durch Ausfall von):
- Miosis (M. dilatator pupillae)
- Ptosis (M. tarsalis superior)
- Enophthalmus (M. orbitalis).
ICPC-2
- N99 Neurologische Erkrankung, andere
ICD-10
- G90.2: Horner-Syndrom
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Symptomkomplex aus Ptosis, Miosis, Enophthalmus sowie ggf. Anhidrosis auf der betroffenen Seite
Differenzialdiagnosen
- Physiologische Anisokorie (bei ca. 20 % der Bevölkerung)
- Medikamentennebenwirkungen (z. B. Opiate)
- Einseitige Anwendung von Mydriatika
- Okulomotoriusparese (Mydriasis der Gegenseite)
- Glaukom
Anamnese
- Zeitlicher Verlauf
- Beginn (akut/subakut/chronisch)
- Progredienz
- Bei unklarem Beginn, auch ältere Fotos einbeziehen.
- Trauma/Verletzung oder zurückliegende OP im Halsbereich3
- Begleitsymptome
- weitere neurologische Defizite (z. B. Paresen, Sensibilitätsstörungen)
- als Hinweis auf Schlaganfall und TIA
- Husten, Hämoptysen, B-Symptomatik
- als Hinweis auf einen Pancoast-Tumor
- Einseitige Schmerzen im Halsbereich
- als Hinweis auf eine Dissektion der A. carotis interna
- weitere neurologische Defizite (z. B. Paresen, Sensibilitätsstörungen)
- Gelegentlich als Zufallsbefund
Klinische Untersuchung
- Allgemeine körperliche Untersuchung
- Neurologische Untersuchung
- Ptosis
- tiefer stehendes Augenlid
- Miosis
- Engstellung der Pupille
- Enopthalmus
- tiefer in der Orbita stehender Augapfel
- oft nicht sehr ausgeprägt
- Hypo-/Anhidrosis
- verminderte Schweißsekretion im betroffenen Areal
- Wallenberg-Syndrom (Läsion der Medulla oblongata)
- ipsilateral: Hirnnervenausfälle V, IX, X; Horner-Syndrom, Hemiataxie
- kontralateral: dissoziierte Sensibilitätsstörung
- Ptosis
- Bei frühkindlicher oder angeborener Läsion ggf. Heterochromie der Iris1
- Pigmentierung durch sympathische Innervation vermittelt
Ergänzende Untersuchungen
- Diagnostisches Prozedere4
- bei Symptomatik < 1 Jahr: ungezielte Bildgebung der Sympathikusbahn
- pathologischer Befund unwahrscheinlich
- bei Symptomatik > 1 Jahr: etwa vierteljährliche Kontrollen 1 Jahr lang
- schmerzhaftes akut eingetretenes Horner-Syndrom: Ausschluss Dissektion der A. carotis interna
- bei Symptomatik < 1 Jahr: ungezielte Bildgebung der Sympathikusbahn
- Abhängig von der vermuteten Ursache
- Schlaganfall und TIA: zerebrale Bildgebung
- Dissektion der A. carotis interna: neurovaskuläre Untersuchungen (z. B. Duplexsonographie)
- Pancoast-Tumor: Röntgen des Thorax
- Fakultative augenärztliche Zusatzdiagnostik1,4-5
- Test mit Kokain
- Abgrenzung gegenüber physiologischer Anisokorie
- bei Horner-Syndrom fehlende Dilatation nach 60 Minuten
- Test mit Pholedrin (4-OH-Methamphetamin)
- Unterscheidung prä-/postganglionäre Läsion
- präganglionär: deutlichere Pupillenerweiterung
auf dem betroffenen Auge (Anisokorie nimmt ab) - postganglionär: keine/kaum Pupillenerweiterung auf dem betroffenen Auge (Anisokorie bleibt gleich)
- Test mit Kokain
Indikationen zur Überweisung
- Patienten mit Horner-Syndrom sollten zum Neurologen überwiesen werden.
- Bei akut aufgetretenen Symptomen sollte eine sofortige neurologische Vorstellung erfolgen.
Therapie
Verlauf, Komplikationen und Prognose
- Abhängig von der Grunderkrankung
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Empfehlungen zur Untersuchung und zum diagnostischen Vorgehen bei Pupillenstörungen. DOG-Leitlinie-Anhang, Stand 2011. www.dog.de
Literatur
- Schmidtke K, Braune S, Kimmig H. Horner-Syndrom. In: Hufschmidt A, Lücking C, Rauer S et al., ed. Neurologie compact. 7. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017. doi:10.1055/b-005-143671 www.thieme.de
- Lyrer PA, Brandt T, Metso TM, Metso AJ, Kloss M, Debette S, et al. Clinical import of Horner syndrome in internal carotid and vertebral artery dissection. Neurology 2014 May 6. 82(18):1653-9. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Allen AY, Meyer DR. Neck procedures resulting in Horner syndrome. Ophthal Plast Reconstr Surg. 2009 Jan-Feb. 25(1):16-8. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Empfehlungen zur Untersuchung und zum diagnostischen Vorgehen bei Pupillenstörungen. DOG-Leitlinie-Anhang, Stand 2011. www.dog.org
- Chen PL, Chen JT, Lu DW, et al. Comparing efficacies of 0.5% apraclonidine with 4% cocaine in the diagnosis of horner syndrome in pediatric patients. J Ocul Pharmacol Ther 2006; 22: 182. PubMed
Autoren
- Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung, Neurologie, Freiburg im Breisgau
- Johan H. Eivind Seland, professor emeritus, Universitetet i Bergen
- Knut A. Holtedahl, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Universitetet i Tromsø